TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/4 L515 2193234-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.06.2018
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Entscheidungsdatum

04.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1

Spruch

L515 2193236-1/6E

L515 2193240-1/6E

L515 2193234-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA: Georgien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über

das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18 (1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55, sowie § 53 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA: Georgien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über

das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18 (1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55, sowie § 53 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA: Georgien, vertreten durch die Mutter, XXXX, geb. XXXX, diese vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über

das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18 (1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55, sowie § 53 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA: Georgien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA: Georgien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA: Georgien, vertreten durch die Mutter, XXXX, geb. XXXX, diese vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP3" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 01.12.2017 (bP1 und bP2) und am 14.02.2018 (bP3) bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz ein.

I.1.2. Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten und Eltern der in Österreich nachgeborenen minderjährigen bP3.

In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1):

"...

(Es folgen entscheidungsrelevante Auszüge aus der Erstbefragung)

[...]

11. Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund): (Die Befragung ist durch den Antragsteller in eigenen Worten abschließend zu beantworten, ohne zu hinterfragen [Wer, Wann, Was, Wo, Wie, Wieso])

Ich hatte Probleme mit einem Beamten, weil ich andere politische Ansichten hatte und auch für eine andere politische Partei tätig war. Polizisten warfen mir vor, gefälschte Unterlagen zu haben. Am 27.08.2017 hat man mir mein Fahrzeug abgenommen und mich zum Polizeiposten bestellt. Ich wurde auch physisch misshandelt. Man wollte mir ein Strafverfahren wegen Betrugs anhängen. Um weiteren Schwierigkeiten zu entgehen habe ich beschlossen, meine Heimat zu verlassen.

Ich habe hier alle Gründe und Ereignisse, weshalb ich meine Heimat verlassen habe und nach Österreich gereist bin, angegeben. Ansonsten habe ich keine weiteren Flucht[-] und Asylgründe.

11.1 Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

Mein Leben ist in Gefahr dort.

[...]

(Es folgen entscheidungsrelevante Auszüge aus der Einvernahme bei der bB)

[...]

A: Ich reiste legal in Österreich ein. Dazu benutzte ich meinen georgischen Reisepass. Georgier benötigen für Österreich kein Visum.

V: Das ist richtig. Jedoch wurden Sie bereits einen Tag nach der Einreise in Grundversorgung aufgenommen.

[...]

F: Haben Sie in Österreich Verwandte? Besteht in Österreich eine besondere private Bindung (ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis muss vorliegen) beziehungsweise besteht ein Familienleben in Österreich?

A: Meine Ehegattin lebt als Asylwerberin in Österreich. Ich bin verheiratet. Meine Ehegattin ist derzeit im Spital, weil der Sohn zur Welt gekommen ist. Es gibt in Österreich keine Personen, zu denen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht.

F: Haben Sie noch Angehörige und Bekannte in Georgien? Besteht Kontakt zu diesen?

A: Ja (Eltern, Großmutter, Onkeln, Tanten). Es besteht nur zu den Eltern Kontakt.

F: Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich Sprachkenntnisse in Deutsch erworben?

A: Ich beherrsche Deutsch nur sehr wenig.

F: Gehen Sie in Österreich einer regelmäßigen legalen Arbeit nach?

A: Nein.

F: (Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Österreich:) Besuchen Sie eine Schule, eine Universität oder einen Kurs? Sie sind Mitglied in einer Organisation oder in einem Verein?

A: Nein.

F: Leiden Sie an schweren Erkrankungen? Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?

A: Im Spital in Österreich wurden bilaterale Akustikusneurinome festgestellt. Ich wurde auf der rechten Gehirnhälfte operiert (vor zwei Jahren in Georgien). Ich habe einen Tumor. Am linken Ohr bin ich jetzt taub. Dann wurde auf der anderen Seite auch ein Gehirntumor festgestellt. Es ist noch nicht klar, ob wieder operiert wird. Momentan nehme ich keine Medikamente ein. Es wurde noch nicht entschieden, wie ich behandelt werde.

F: Sind Sie in Georgien vorbestraft?

A: Nein.

F: Wie war Ihre wirtschaftliche Situation in Georgien? Wovon lebten Sie?

A: Die wirtschaftliche Situation in Georgien war normal. Ich war LKW-Fahrer (selbstständig). Außerdem renovierte ich Wohnungen.

F: Erteilten Sie jemanden eine Vollmacht (Vollmacht betreffend der Vertretung im Asylverfahren oder Zustellvollmacht)?

A: Nein.

GRUND

Sie werden erneut aufgefordert, die Wahrheit anzugeben. Bitte führen Sie alle Gründe für Ihren Antrag auf internationalen Schutz an.

Im Sommer 2017 beauftragte mich ein Wahlkandidat (Name: XXXX). Ich sollte für ihn Sachen mit meinem LKW transportieren, was ich auch tat. Ich war aber auch einer seiner Befürworter, weil mir seine Ansichten gut gefallen haben. Am 20.08.2017 kehrte ich nach Hause zurück. Bei meiner Wohnung traf ich auf Polizisten. Diese ersuchten mich, dass ich mit ihnen auf ihre Polizeistation mitfahre. Im Auto saßen zwei Herren. Ein Herr war der Kandidat für den Posten des Bürgermeisters (Name: XXXX) der Stadt XXXX. Der zweite Herr war ein Polizeikommandant. Seinen Namen kenne ich nicht. Meine Wohnung befindet sich am Rand eines Waldes. Wir fuhren die Straße entlang. Nach zwei Minuten bog der Fahrer in den Wald ein. Der Bürgermeisterkandidat fragte mich, weshalb ich ihn ständig kritisiere. Ich sagte, dass dies stimmt, weil ich mit seiner Untätigkeit für unseren Bezirk nicht einverstanden bin. Der Bürgermeisterkandidat hielt mir vor, dass ich es nicht vagen sollte, ihn zu kritisieren. Ich erhielt von ihm einen Schlag mit der Hand in mein Gesicht. Dann stiegen alle aus; ich auch. Ich wurde dann von den Männern verprügelt und weiter verbal bedroht (Hör auf mit deiner Kritik!). Eine Woche später, am 27.08.2017, war ich mit dem LKW nach XXXX unterwegs. Auf der Fahrt wurde ich von Mitarbeitern (Beamten) der Aufsichtsbehörde des Umweltschutzes angehalten. Sie waren zu zweit. Ich wurde im Rahmen einer Kontrolle angehalten und zeigte meine Unterlagen vor. Zwecks Überprüfung der Echtheit meiner Papiere musste ich mein Fahrzeug in XXXX abstellen. Ich sollte in drei Tagen wieder erscheinen. Ich kam nach drei Tagen wieder nach XXXX. Dort wurde mir gesagt, dass noch keine Prüfung erfolgt ist und dass ich in einer Woche wieder kommen soll. Nach einer Woche kam ich wieder. Nun hieß es, dass meine Unterlagen gefälscht sind. Ich sollte eine Verwaltungsstrafe von Lari 500,-- bezahlen. Meine Papiere wurden der Finanzpolizei übergeben, damit weitere Untersuchungen erfolgen. Im September bekam ich dann einen Anruf von der Finanzpolizei. Ich musste bei dieser erscheinen. Ein Ermittler der Finanzpolizei hielt mir vor, gefälschte Unterlagen besessen und vorgelegt zu haben. Ich hätte den Bericht unterschreiben sollen. Ich verweigerte aber diese Unterschrift. Ich war bereits seit vier Jahren in dieser Branche tätig. Die Beamten der Umweltschutzbehörden kannten mich, weil ich schon eine Überprüfung hatte. Damals passte alles. Ich sollte in zwei Tagen wieder zum Ermittler kommen. Das tat ich auch. Der Ermittler bat mich abermals, dass ich die Unterlagen unterschreiben soll (alles ist eine Fälschung). Ich verweigerte erneut und erhielt vom Beamten mehrere Schläge lauf den Kopf. Er beschimpfte mich auch. Wegen des Lärms kamen andere Mitarbeiter ins Zimmer, Sie versuchten den Ermittler zu beruhigen. Ich durfte gehen. In einigen Tagen musste ich zum Arzt, ich verspürte Kopfschmerzen und musste mich übergeben. In Folge einer Magnetfeldresonanz wurde festgestellt, dass mein Tumor auf der rechten Seite gewachsen ist. Ich wurde früher schon operiert. Es kam dann zu einem weiteren Vorfall. Ich befand mich mit meiner Ehegattin in einem Restaurant. Das war am 20.11.2017 in der Stadt XXXX. Beim Verlassen des Restaurants stieß ich auf den bereits erwähnten Bürgermeisterkandidaten. Er gewann die Wahl und wurde Bürgermeister. Er fing wieder an, mich zu beschimpfen (Du siehst doch, was dein Gerede bewirkt hat.). Dann schlug er mich. Im Zuge des Handgemenges stieß ich meine Frau. Sie fiel fast hin. Ich regte mich heftig auf und schlug auf den Bürgermeister ein. Dort waren noch Gefolgsleute des Bürgermeisters. Der Bürgermeister ging wieder auf mich los. Seine Gefolgsleute hielten ihn auf. Ich konnte mit meiner Frau entkommen. Wir gingen heim. Ein Freund holte mich gegen Mitternacht mit dem Auto ab. Meine Frau, mein Freund und ich fuhren nach XXXX. Am nächsten Tag teile mir mein Vater telefonisch mit, dass Leute bei uns zuhause waren, die nach mir gesucht haben. Mein Vater sagte mir, dass auch er von diesen Leuten beschimpft wurde. Mein Vater ersuchte mich, dass ich eine Weile nicht nach Hause zurückkehre. Nach einiger Zeit rief ich meinen Vater an. Er meinte, dass ich weiterhin gesucht werde und dass die Leute abermals bei uns zuhause waren. Mein Vater wurde wieder von den Personen beschimpft. Ich sah als einzigen Ausweg den Kauf von Flugtickets und auszureisen.

F Welcher Partei gehört XXXX an?

A: Er gehört keiner Partei an. Er war parteilos.

F: Wie heißt seine Bewegung?

A: Man kann in Georgien als unabhängigen Kandidat auch ohne Partei kandidieren.

F: Nahmen Sie eine bestimmte Funktion innerhalb der unabhängigen Bewegung ein?

A: XXXX war mein Auftraggeber. Ich arbeitete für ihn. Er war mir sympathisch. Ich hatte aber keine Funktion.

F: Wann fand die Wahl statt?

A: Am 21.10.2017.

F: Arbeiteten Sie nach der Wahl in irgendeiner Weise politisch weiter?

A: Nein.

F: In welcher Ortschaft lebten Sie?

A: In XXXX.

F: Wohnten Ihre Gattin und Sie mit Ihren Eltern gemeinsam?

A: Ja.

F: Was unternahmen Sie gegen den Beamten, von dem Sie heftig geschlagen wurden?

A: Nichts.

F: Trugen Sie von den Schlägen auch äußere Verletzungen davon?

A: Es waren leichte Rötungen dar. Ich hatte aber starke Schmerzen.

F: Wie lange hielten Sie sich in XXXX auf (bis zur Ausreise)?

A: Acht oder neun Tage blieben wir in der Wohnung meiner Tante.

F: Weshalb blieben Sie nicht in XXXX?

A: Ich konnte mich nicht ewig in der Wohnung meiner Tante verstecken.

F: Wurden Ihnen ein Grund genannt, weshalb die Transportunterlagen gefälscht gewesen sein sollen?

A: Um eine Transportgenehmigung zu erlangen, muss man die Herkunft des Brennholzes nachweisen. Man erhält eine Nummer. Man kann mit der Nummer zurückverfolgen, woher das Brennholz stammt. Mir wurde vorgehalten, dass ich die gleiche Nummer mehrmals verwendet hätte. Das stimmte aber nicht. Ich bekam für jeden Transport eine eigene Nummer.

F: Bekamen Sie den LKW zurück?

A: Nein. Mein LKW wurde verpfändet. Ich hatte zwei LKWs und einen PKW. Alle drei Fahrzeuge wurden verpfändet.

V: Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Bürgermeister derart aggressiv gegen Sie Vorgehen sollte, wenn Sie doch politisch keine Rolle spielen. Erklären Sie das.

A: XXXX war bereits vier Jahre Bürgermeister. Er wollte wieder Bürgermeister werden. Er machte in den vier Jahren so gut wie nichts in seinem Ort und Bezirk. Bei den Treffen mit den Wählern, die er regelmäßig veranstaltete, kritisierte ich XXXX vor allen. Mein Vater tat dies auch. Das soll XXXX gestört haben.

V: Wenn sogar Behörden gegen Sie gearbeitet hätten, ist es nicht plausibel, weshalb man Ihnen nicht sofort den Reisepass abnehmen hätte sollen. Erklären Sie das.

A: Wie hätte der Bürgermeister das machen sollen? Mit welchem Recht?

V: Mit dem Recht des Stärkeren oder mit Korruption. Was sagen Sie dazu?

A: Ich weiß nicht, weshalb er das nicht gemacht hat. Es ist jedenfalls nicht passiert.

V: Im Rahmen der Grenzkontrolle hätten Sie als gesuchte Person auffallen müssen. Erklären Sie das.

A: Ich wurde ja nicht offiziell von der Finanzpolizei gesucht, sondern vom Bürgermeister. Er verfolgte mich aber inoffiziell. Das durfte er gar nicht.

V: Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Bürgermeister und dessen Gefolgsleute Ihre Ehegattin und Sie vor dem Restaurant davonkommen lassen hätten sollen. Erklären Sie das.

A: Es war Abend. Es waren viele Leute unterwegs. Der Bürgermeister hatte rechtlich nichts in der Hand, um mich festnehmen zu lassen. Die beiden Gefolgsleute setzten den Bürgermeister ins Auto. Er wollte mit den Beschimpfungen gar nicht mehr aufhören.

V: Während der Erstbefragung gaben Sie an, für eine andere politische Partei tätig gewesen zu sein. Polizisten hätten Ihnen die Fälschung von Unterlagen vorgeworfen. Auf einem Polizeiposten wären Sie misshandelt worden. Man hätte Ihnen ein Strafverfahren wegen Betrugs anhängen wollen. Heute machen Sie andere Angaben. Erklären Sie das.

A: Ich muss alle Vorhalte zurückweisen. Meine heutigen Angaben entsprechen der Wahrheit. Ich vermute, dass der damalige Dolmetscher einen Fehler gemacht hat.

F: War das der Grund der Asylantragstellung?

A: Ja. Ich möchte noch angeben, dass ein Strafverfahren an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurde (Fälschung von Unterlagen). Würde über mich eine Haftstrafe verhängt werden, dann würde ich wegen meiner Erkrankung im Gefängnis sterben.

F: Kam Ihnen in den Sinn, einen Anwalt einzuschalten?

A: Ja. Die Gegenseite war aber sehr gewichtig. Ich hätte mit einem Rechtsanwalt nichts durchsetzen können. Der Bürgermeister ist ein Kandidat der herrschenden Partei (Georgischer Traum). Die Partei hat uneingeschränkte Macht.

F: Wollen Sie Ihre Angaben näher ausführen?

A: Nein. Angeben möchte ich noch, dass ich in Georgien nicht wirklich medizinisch behandelt werden kann. Im AKH wurde festgestellt, dass ich auf der falschen Seite und zu früh operiert wurde.

[...]

F: Was befürchten Sie, im Falle der Rückkehr nach Georgien erleiden zu müssen?

A: Mich erwartet der Tod.

F: Ihnen werden Länderinformationen (Beilage 1) in Kopie überreicht. Innerhalb von zwei Wochen (Anmerkung: einlangend) können Sie dem Bundesamt dazu eine schriftliche Stellungnahme übermitteln. Haben Sie das verstanden?

A: Ja.

F: Haben Sie alle Beweismittel vorgelegt?

A: Ja.

[...]

F: Wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz positiv (Asyl, subsidiärer Schutz) entschieden, dürfen Sie in Österreich bleiben. Wird der Antrag jedoch gänzlich negativ entschieden, müssen Sie Österreich verlassen. Die Frist für eine freiwillige Ausreise beträgt grundsätzlich 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides. Es kann Ihnen aber auch keine Frist eingeräumt werden. Werden Sie freiwillig nach Georgien zurückkehren?

A: Ich kann nicht nach Georgien zurückgehen.

F: Liegen besondere Umstände vor, die eine längere Frist für die freiwillige Ausreise begründen (zum Beispiel Regelung der persönlichen Verhältnisse)?

A: Nein,

[...]

F: Wollen Sie weitere Gründe Vorbringen? Beachten Sie das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren. Haben Sie noch allgemeine Fragen?

A: Nein.

[...]"

bP2 - bP3 beriefen sich auf die Gründe der bP1 und auf den gemeinsamen Familienverband.

I.2. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgiengemäß § 46 FPG zulässig sei. Der Beschwerde wurde gem. § 18

(1) Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt.

Gem. § 53 FPG wurde in Bezug auf die bP ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen.

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe an dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1):

"Sie gaben an, Georgien verlassen zu haben, weil Sie von einem Bürgermeisterkandidaten (Anmerkung: samt Gefolgsleuten), Polizisten und Mitarbeitern der Aufsichtsbehörde des Umweltschutzes mehrfach verfolgt worden wären. Die Verfolgungen wären gegen Sie geführt worden, weil Sie für einen Politiker (Anmerkung: ein Wahlkandidat ohne Parteizugehörigkeit) Sachen mit Ihrem LKW transportiert hätten. Außerdem hätten Sie sich öffentlich während Kundgebungen kritisch gegen den Bürgermeisterkandidaten XXXX geäußert. Ferner gaben Sie an, dass Ihr schlechter Gesundheitszustand (Anmerkung: Akustikusneurinoms) deshalb eingetreten wäre, weil Sie im Rahmen der Verfolgungen heftig geschlagen worden wären.

Von der erkennenden Behörde wurde der angegebene Sachverhalt in Zweifel gezogen. Ihre Behauptungen haben Sie nur allgemein in den Raum gestellt, ohne diese belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können.

Diese Ansicht der erkennenden Behörde wurde aufgrund von Ungereimtheiten bestätigt. Dazu ist auszuführen, dass Ihnen mehrfach die Gelegenheit eingeräumt wurde (am 01.12.2017 und 01.02.2018), die Gründe, die zur Asylantragstellung in Österreich geführt hatten, anzugeben. Auffallend war, dass die Gründe von Ihnen unterschiedlich dargestellt wurden.

Am 01.12.2017 gaben Sie im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, Georgien verlassen zu haben, weil Sie Probleme mit einem Beamten gehabt hätten. Dies deshalb, weil Sie andere politische Ansichten hatten und auch für eine andere politische Partei tätig waren. Am 27.08.2017 wäre Ihnen das Fahrzeug abgenommen und wären Sie zum Polizeiposten bestellt worden. Sie wären auch physisch misshandelt worden. Man hätte Ihnen ein Strafverfahren wegen Betrugs anhängen wollen. Um weiteren Schwierigkeiten zu entgehen, hätten Sie beschlossen, die Heimat zu verlassen.

Während der niederschriftlichen Einvernahme, die am 01.02.2018 stattgefunden hat, führten Sie hingegen aus, von einem Bürgermeisterkandidaten (Anmerkung: samt Gefolgsleuten), Polizisten und Mitarbeitern der Aufsichtsbehörde des Umweltschutzes mehrfach verfolgt worden zu sein. Drei Fahrzeuge wären von der Aufsichtsbehörde des Umweltschutzes beschlagnahmt worden. Aufgrund der Schläge wäre der Tumor auf der rechten Seite gewachsen. Sie wären für keine politische Partei tätig gewesen, sondern hätten Sie bei öffentlichen Veranstaltungen den Bürgermeisterkandidat (Name: XXXX), wie auch andere Teilnehmer von Kundgebungen, kritisiert und für einen Wahlkandidaten ohne Parteizugehörigkeit Sachen transportiert.

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung musste Ihnen die Glaubhaftigkeit versagt werden. Hätte es sich bei Ihrem Vorbringen um tatsächlich erlebte Ereignisse gehandelt, hätten keine derartigen Widersprüche auftreten dürfen. In Folge der mehrfach und grundsätzlich divergierenden Angaben wurde von der erkennenden Behörde nicht davon ausgegangen, dass Sie tatsächlich in Georgien verfolgt wurden und werden. Sie vermochten es auch nicht, die Ihnen aufgezeigten Ungereimtheiten überzeugend aufzulösen. Das Bundesamt konnte Ihren Ausführungen keinen Glauben schenken, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Sie zweifelsohne damit rechnen mussten, dass alle von Ihnen getätigten Aussagen zu Ihren Fluchtgründen verglichen werden und Ihnen die getätigten absolut widersprüchlichen Angaben schaden könnten.

Ihr Vorbringen beinhaltet weitere Ungereimtheiten. Sie führten aus, auch noch am 20.11.2017 in der Stadt XXXX vom Bürgermeister XXXX bedroht und geschlagen worden zu sein. Wie den oben angeführten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, fanden am 21.10. und 12.11.2017 Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. Am 20.11.2017 stand somit bereits fest, wer gewählt wurde. Vom Bundesamt konnte daher nicht

schlüssig nachempfunden werden, weshalb der bereits wiedergewählte Kandidat (Anmerkung: XXXX) Sie weiterhin bedrohen und verfolgen sollte. Da derartige Aktionen, noch dazu, wo es sich bei Ihrer Person um keinen politisch aktiven Menschen handelt, ins Leere gehen und XXXX mit Sicherheit keine Vorteile einbringt, mussten Ihren Angaben als Schutzbehauptungen eingestuft werden. Das Bundesamt übersieht dabei nicht, dass es zum Zeitpunkt der Wahlen Einschüchterungen und Druck auf die Wähler gab, jedoch erscheint es realitätsfremd, dass ein Wahlsieger derartige Aktionen auch noch nach der Wahl weiterführen sollte. In diesem Zusammenhang war es auch nicht plausibel, weshalb die Gefolgsleute von XXXX Ihnen behilflich sein hätten sollen, indem diese XXXX festgehalten hätten, sodass Ihrer Ehegattin und Ihnen die Flucht möglich gewesen wäre. Ihrer diesbezüglichen Schilderung konnte nicht gefolgt werden. Vielmehr wäre anzunehmen gewesen, dass sich die Gefolgsleute von XXXX loyal zum Bürgermeister verhalten hätten, was bedeutet, dass es auch deren Ziel gewesen sein müsste, gegen Sie vorzugehen.

Gegen die Glaubhaftigkeit Ihrer Ausführungen sprach auch der Umstand, dass Sie in keiner Weise Anstrengungen gegen jene Beamte unternommen haben, von denen Sie schwer misshandelt worden wären. Es hätte für Sie zum Beispiel die Möglichkeit bestanden, sich an den Ombudsmann zu wenden. Der georgische Ombudsmann ist eine Verfassungsinstitution, welche den Schutz der Menschenrechte und Freiheiten innerhalb der Jurisdiktion überwacht. Der Ombudsmann stellt Verletzungen der Menschenrechte fest und trägt zu deren Wiederherstellung bei. Ihr Verhalten, sich in keiner Weise rechtlich gegen die von Ihnen beschriebenen Verstöße zu wehren, erzeugten Zweifel am Wahrheitsgehalt Ihres Vorbringens.

Dass Sie beim Bundesamt über keine wahre Begebenheit gesprochen haben, wird auch dadurch verdeutlicht, dass Ihnen, obwohl Sie von mehreren staatlichen Stellen (Anmerkung: vom Bürgermeisterkandidat, von Polizisten und Mitarbeitern der Aufsichtsbehörde des Umweltschutzes) bedroht und verfolgt worden wären, zu keinem Zeitpunkt der Reisepass abgenommen werden hätte sollen, um eine Flucht zu verhindern. Ebenso deutet der Umstand, dass Ihnen problemlos eine legale Ausreise über den Flughafen in XXXX möglich war, daraufhin, dass Sie in Georgien nicht als politisch unzuverlässige Person eingestuft wurden und Sie deshalb gesucht werden ( Meine Frau, mein Freund und ich fuhren nach XXXX). Am nächsten Tag teile mir mein Vater telefonisch mit, dass Leute bei uns zuhause waren, die nach mir gesucht haben. Mein Vater sagte mir, dass auch er von diesen Leuten beschimpft wurde. Mein Vater ersuchte mich, dass ich eine Weile nicht nach Hause zurückkehre. Nach einiger Zeit rief ich meinen Vater an. Er meinte, dass ich weiterhin gesucht werde und dass die Leute abermals bei uns zuhause waren. Mein Vater wurde wieder von den Personen beschimpft. Ich sah als einzigen Ausweg den Kauf von Flugtickets und auszureisen. ...). Auf internationalen Flughäfen sind Ausreisekontrollen streng. Bei dieser Gelegenheit wird das Vorliegen einer Ausreiseerlaubnis überprüft und der Reisepass mit einem Ausreisestempel versehen. Fahndungsersuchen werden als erstes an die Grenzbehörden, insbesondere Flughäfen, weitergeleitet und ist es daher nicht glaubhaft, dass Ihnen als angeblich gesuchte Person eine problemlose Ausreise möglich gewesen wäre.

Aufgrund des Insgesamt unglaubhaften Vorbringens geht die erkennende Behörde auch nicht davon aus, dass die Probleme mit den Ohren (Anmerkung: Akustikusneurinom) in Zusammenhang mit einer staatlichen Verfolgung stehen. Sie versuchten offensichtlich durch Behauptung, wonach Ihr schlechter Gesundheitszustand durch Misshandlungen, ausgeführt von Behördenorganen, eingetreten wäre, den Grad der Verfolgung zu steigern. Ein Akustikusneurinom kann viele Ursachen haben und wäre diese Erkrankung lediglich ein Indiz für die Richtigkeit der vorgetragenen Geschichte, wenn Sie zu dieser klare und nachvollziehbare Angaben gemacht hätten.

Ihr Vorbringen war mangels Glaubhaftigkeit nicht geeignet, Ihnen den Status eines Asyl berechtigten zuzuerkennen.

In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgientraf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, sich auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

Zum konkreten Vorbringen der bP stellte die bB folgendes fest (Gliederung, Hervorhebungen etc. nicht mit dem Original übereinstimmend:

Rechtsschutz/Justizwesen: Georgien unternimmt Anstrengungen, sich bei der Rechtsreform und der Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte den Standards des Europarats anzupassen. 1996 wurde ein Verfassungsgericht eingerichtet, 1997 die Todesstrafe abgeschafft und 2007 die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung verankert. In den Jahren seit der "Rosenrevolution" 2003/2004 hat Georgien anerkennenswerte Fortschritte bei der Polizeireform, dem erfolgreichen Kampf gegen die "Kleine Korruption" (Korruption im alltäglichen Umgang), der Reform der Steuergesetzgebung und der Verbesserung der Investitionsbedingungen erzielt. Im Rahmen der Justizreform wurde der Instanzenzug neu geregelt und eine radikale Verjüngung der Richterschaft durchgesetzt (AA 11.2016b). Fortschritte sind insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug zu erkennen, wo inzwischen eine unmenschliche Behandlung (auch Folter), die in der Vergangenheit durchaus systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Zwei Reformwellen wurden bereits durchgeführt, die dritte Reformwelle steht seit einiger Zeit bevor. Sie betrifft insbesondere die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter und die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren. Sehr aktive NGOs und der unabhängige Ombudsmann beobachten diesen Prozess aufmerksam (AA 10.11.2016). Das dritte Paket an Gesetzesänderungen, das den anhaltenden Mangel an Transparenz im Justiz-Management bereinigen soll, wozu auch die Rechenschaftspflicht des Hohen Rates der Justiz sowie die zufällige Zuweisung von Fällen gehören, konnte laut Europäischer Kommission zwar Fortschritte verzeichnen, ist jedoch noch nicht vollständig angenommen worden. Die Begründungen für das Abhalten von geschlossenen oder öffentlichen Anhörungen werden nicht immer richtig kommuniziert. Die Transparenz bei der Zuteilung von Fällen, bei der Auswahl der Richteranwärter und der Gerichtsverwalter ist nicht vollständig gewährleistet. Der Umgang mit Disziplinarverfahren erfordert eine Stärkung. Die Mehrheit der Richter hat keine dauerhafte Amtszeit und die umstrittene dreijährige Probezeit für Richter besteht weiterhin. Die Justiz ist immer noch ernsthaft unterbesetzt und der Aktenrückstand steigt (EC 25.11.2016). Kritisch betrachtet werden muss weiterhin die starke Neigung von Politikern, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen eine vorrangig politische Motivation zu unterstellen und ggf. gesetzliche Änderungen vorzuschlagen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Nach dem Regierungswechsel wurden 190 in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft als politische Gefangene erklärte Häftlinge entlassen. Seit 2012 laufende Ermittlungen und teilweise schon mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden aus Sicht des [deutschen] Auswärtigen Amtes nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern sind Teil der erforderlichen juristischen Aufarbeitung der rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren (AA 10.11.2016). Freedom House bewertete Anfang 2016 die Einmischung der Regierung und der Legislative in die Justiz weiterhin als erhebliches Problem, obwohl sich die gerichtliche Transparenz und die Rechenschaftspflicht in den letzten Jahren verbessert haben, letztere zum Teil aufgrund des verstärkten Medienzugangs zu den Gerichtssälen. Menschenrechtsorganisationen haben konsequent die Praxis der Staatsanwaltschaft kritisiert, wiederholt neue Anklagen gegen Gefangene einzureichen, um ihre Zeit in der Untersuchungshaft zu verlängern, eine Vorgehensweise, die durch eine Diskrepanz zwischen dem Strafgesetzbuch und der Verfassung möglich gemacht wird. Im September 2015 allerdings befand das Verfassungsgericht im Fall des ehem. Bürgermeisters von Tiflis, Ugulava, diese Praxis der Verlängerung der Untersuchungshaft als verfassungswidrig, weil die verfassungsmäßige Grenze von neun Monaten nicht überschritten werden darf. Ugulava gehörte zu zahlreichen ehemaligen UNM-Vertretern, die seit 2012 mit Strafprozessen konfrontiert wurden, was Fragen über den politischen Einflussnahme auf den Staatsanwalt aufwarf (FH 27.1.2016). Während viele der Richter bemerkenswerte Anstrengungen unternahmen, ihr Niveau dadurch zu verbessern, indem sie ihren Entscheidungen mehr Substanz verliehen, besonders bei hochkarätigen Fällen, bleibt die Staatsanwaltschaft das schwächste Glied im Justizbereich. Bis 2012 war die Staatsanwaltschaft ein Teil der Exekutive, und die Gerichte waren bis zu einem gewissen Grad von der Exekutive abhängig. Die Staatsanwälte haben sich mittlerweile daran gewöhnt, ihren Vorbringen eine adäquate Qualität zu verleihen. Nur bei wenigen Gelegenheiten scheinen sie zurückhaltend zu sein. Nach der Trennung der Staatsanwaltschaft vom Justizministerium wurde allerdings keine Aufsichtsbehörde für die Staatsanwaltschaft institutionalisiert. Dieser Umstand beschädigt potentiell den Ruf des gesamten Justizsystems. Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 4.000 Anträge von Opfern angeblicher Folter, unmenschlicher Behandlung oder Zwang erhalten, sowie von Personen, welche gezwungen wurden, ihr Eigentum während der Herrschaft von Mikheil Saakaschwili aufzugeben. Seit 2012 stellt der Umfang der Strafverfahren gegen die ehemalige Führung eine Herausforderung für die aktuelle Regierung dar. Ihr wird vorgeworfen, politisch motivierte Untersuchungen einzuleiten bzw. Gerichtsprozesse zu führen. Gleichzeitig wird die Staatsanwaltschaft oft kritisiert, weil sie nicht die Fälle von Beamten untersucht hat, die ihre Befugnisse überschritten haben, oder von Polizisten, die gegen das Gesetz verstoßen haben oder von Menschen, die behaupten, im Gefängnis misshandelt worden zu sein. Als Reaktion auf diese Situation hat die Staatsanwaltschaft ihre Absicht bekundet, eine neue Abteilung zu schaffen, die im Rahmen von Gerichtsverfahren begangene Straftaten untersuchen wird (BTI 1.2016). Das georgische Strafrecht mit dem ursprünglichen Ansatz einer "zero tolerance policy" zeigte eine enorm hohe Verurteilungsrate von 99%, mitunter wegen konstruierter Straftaten, sowie hohe Haftstrafen. Mit dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts durch Reduzierung der Strafmaße, aber auch eine erkennbar geringere Verurteilungsrate; diese ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 10.11.2016). Am 12.1.2016 präsentierte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, seine Beobachtungen zur Menschenrechtslage in Georgien. Mehrere Gesprächspartner wiesen auf die Mängel bei der Auswahl, Ernennung und Versetzung von Richtern hin. Versetzungen und Beförderungen von Richtern scheinen nicht durch spezifische Regeln und Kriterien reguliert zu sein, was die diesbezüglichen Entscheidungen als willkürlich erscheinen lässt und folglich das öffentliche Vertrauen in die Justiz untergräbt. Der Menschenrechtskommissar empfahl die diesbezügliche Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des Direktorats für Menschenrechte des Europarats (DHR) aus dem Jahr 2014. Überdies empfahl er, dass die Gerichtsfälle nach dem Zufallsprinzip den Richtern zugeteilt werden. Denn es gab Befürchtungen, dass prominente Fälle Richtern zugeteilt wurden, die als loyal zur Regierung gelten. Überdies sah der Menschenrechtskommissar die geltende dreijährige Probezeit für Richter als bedenklich an, weil letztere hierdurch anfälliger gegenüber einer möglichen Druckausübung sind. Auch in diesem Punkt empfahl Muižnieks die Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des DHR, welche die Abschaffung der Probezeit für Richter vorsahen. Dem Menschenrechtskommissar wurden Berichte zuteil, wonach es wiederholt zu Drohungen und Einschüchterungen von Verfassungsrichtern kam. So beispielsweise im Fall "Ugulava [ehem. Bürgermeister von Tiflis] gegen das Parlament Georgiens". Richter und deren Familienmitglieder wurden von Bürgern bedrängt, die sich vor den Privathäusern der Richter versammelten und u.a. mit physischer Gewalt drohten (CoE-CommHR 12.1.2016). Am 21.7.2016 erklärte der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, dass einige Richter des Gerichtshofes von den Behörden unter Druck gesetzt worden seien, in mehreren hochkarätigen Fällen Urteile zu verschieben oder zugunsten Angeklagten zu entscheiden. Staatsanwälte haben am 1.8.2016 darauf reagiert und eine Untersuchung zu den Vorwürfen eingeleitet (AI 22.2.2017).

Sicherheitsbehörden: Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die begonnene juristische Aufarbeitung sowie Reformen in Polizei und erkennbare Verbesserungen im Strafvollzug, inklusive radikaler Veränderungen im Gefängnismanagement, haben Vorfälle von Gewaltanwendung überaus deutlich reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (AA 10.11.2016). Im Verlaufe des Jahres 2016 gab es keine Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte unter Straflosigkeit Missbrauch begangen haben. Der Ombudsmann dokumentierte Fälle von übermäßigem Einsatz von Gewalt durch die Polizei. Laut Innenministerium wurden zwischen Jänner und Juli 2016 rund 1.300 Disziplinarverfahren eingeleitet. 23 Fälle sind dem Generalstaatsanwalt zu Ermittlungen überreicht worden, wobei zehn Fälle mit einer Verurteilung endeten (USDOS 3.3.2017). Angesichts der Sorge in Bezug auf Folter, Misshandlungen und andere Missbräuche durch die Strafverfolgungsbeamten hat die Regierung keine Gesetzgebung geschaffen, die einen unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Menschenrechtsverletzungen vorsieht, die von Strafverfolgungsbehörden begangen wurden (AI 22.2.2017). Dem Menschenrechtskommissar des Europarates wurden alarmierende Fälle von Polizeigewalt im Speziellen auf Polizeiposten berichtet. Der Menschenrechtskommissar forderte die Behörden dazu auf, allen Anschuldigungen, besonders auf Grundlage der Informationen des Ombudsmannes, nachzugehen. Überdies sollte ein Untersuchungsmechanismus etabliert werden, der auf der Basis der Vorschläge des georgischen Ombudsmannes und des Europarats angebliche Rechtsverletzungen der Exekutive untersucht (CoE-CommHR 12.1.2016).

Ombudsmann: Der georgische Ombudsmann ist eine Verfassungsinstitution, welche den Schutz der Menschenrechte und Freiheiten innerhalb der Jurisdiktion überwacht. Der Ombudsmann stellt Verletzungen der Menschenrechte fest und trägt zu deren Wiederherstellung bei. Der Ombudsmann ist unabhängig in seinen Aktivitäten und gehört zu keiner Regierungsstelle. Er überwacht die staatlichen Stellen, die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften, öffentliche Institutionen und Offizielle. Der Ombudsmann untersucht Menschenrechtsverletzungen sowohl auf der Basis eigener Initiative als auch infolge von erhaltenen Ansuchen. Der Ombudsmann unterbreitet Vorschläge und Empfehlungen in Bezug auf die Gesetzgebung und Gesetzesvorlagen aber auch in Richtung öffentlicher Institutionen aller Ebenen in Hinblick auf Menschen- und Grundrechtsfragen. Er erfüllt gleichzeitig die Rolle als Nationaler Präventiver Mechanismus (NPM) im Sinne des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe der Vereinten Nationen (PD 2014). Die Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten des Ombudsmannes sind beschränkt, aber seine Behörde, die sich stetig vergrößert und inzwischen über 170 Mitarbeiter hat, meldet sich öffentlich regelmäßig zu vielen Themen kritisch zu Wort (AA 10.11.2016). Der Ombudsmann wurde weiterhin von NGOs als die objektivste Menschenrechtsinstitution der Regierung betrachtet. Dieser hat ein Mandat, die Menschenrechte zu beobachten und Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Er hat jedoch keine Kompetenz, Strafverfolgung oder andere rechtliche Aktionen anzustoßen. Er kann aber eine Vorgehensweise empfehlen, worauf die Regierung antworten muss. Das Büro des Ombudsmanns arbeitet generell ohne Einmischung der Regierung und wird als effektiv angesehen. Der Ombudsmann berichtet, dass die Regierung auf seine Anfragen und Empfehlungen oft nicht oder nur teilweise antwortet. Der Ombudsmann kann den Vollzugsbehörden unverbindliche Empfehlungen geben, bestimmte Menschenrechtsfälle zu untersuchen. Regierungsstellen müssen auf jegliches Informationsbegehren des Ombudsmanns binnen 20 Tagen antworten (USDOS 3.3.2017). 2016 verzeichnete das Büro des Ombudsmannes 8.827 Anträge und Beschwerden, wobei mit Berichtsabschluss bereits 7.196 Fälle bearbeitet waren. Auf Grundlage dessen wurden seitens des Ombudsmannes 77 Empfehlungen und Vorschläge an unterschiedliche Regierungsstellen und Privatpersonen gerichtet. Rund die Hälfte der Vorschläge wurde gänzlich oder teilweise bereits umgesetzt, während 17% noch nicht implementiert waren. Die Kommunikation mit internationalen Organisationen wurde merkbar gesteigert und das Medienecho nahm zu (PD 6.2.2017).

Allgemeine Menschenrechtslage: Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln (Artikel 14 ff.) postuliert. Mit dem Ombudsmann für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten zur Untersuchung von Vorgängen, greifen viele Themen auf und sind öffentlich sehr präsent. Mit Reformen haben in den letzten Jahren auch Staatsanwaltschaft und Gerichte in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen und werden zunehmend zur Wahrung bzw. Einklage individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern (AA 10.11.2016). Georgien hat einen umfassenden rechtlichen Rahmen für die Menschenrechte und die Anti-Diskriminierung verabschiedet. Ein neuer, umfangreicher Aktionsplan zu den Menschenrechten für die Periode 2016-2017 wurde beschlossen. Die Umsetzung des rechtlichen Rahmenwerkes wird laut Europäischer Kommission insbesondere für Minderheiten und vulnerable Gruppen wichtig werden, damit sie ihre Rechte in Anspruch nehmen können (EC 25.11.2016). Die im April 2014 beschlossene "nationale Strategie zum Schutz der Menschenrechte" stellt einen Meilenstein dar, da sie den höchsten internationalen Standards entspricht. Die Strategie bietet Beteiligungsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft, um die Einhaltung der Menschenrechte in Georgien zu stärken. Allerdings sind die Mechanismen für die Umsetzung der Strategie noch nicht vollständig vorhanden. Es gibt immer noch ernsthafte Probleme bei der Umsetzung der grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte, insbesondere im Zusammenhang mit der selektiven Rechtsprechung, der häufigen Straflosigkeit der Gesetzesvollzugsorgane und der ungerechtfertigten oder übermäßigen Gewaltanwendung, wenn auch nicht in einem massiven Ausmaß (BTI 1.2016). Menschenrechtsorganisationen kritisierten beständig die Staatsanwaltschaft, wonach diese die Untersuchungshaft durch neue Anklagepunkte zu verlängern trachtet, namentlich wenn es um Funktionäre der ehemaligen Regierungspartei UNM geht. Sowohl Menschenrechtsorganisationen als auch die Ombudsmannstelle drängten die Regierung weiterhin zu angemessenen Ermittlungen bei Anschuldigungen von Polizeigewalt (FH 27.1.2016). Die georgische Menschenrechtsorganisationen "Human Rights Center" kritisierte in ihrem Jahresbericht 2016, dass die Rechtsvollzugsorgane weiterhin Menschenrechtsverletzungen gegen vulnerable Gruppen ungenügend nachgehen und bestrafen. Dazu gehören auch religiöse Minderheiten, LGBT-Individuen, sowie Frauen. Die Sicherung der Rechte von Menschen mit Behinderung stellt nach wie vor eine der größten Herausforderungen für die Regierung dar. Das gilt sowohl für das diesbezügliche Gesetzeswerk als auch für die soziale Integration. Zahlreiche Beispiele, wie seitens Regierungsvertretern Druck auf die Medien ausgeübt wurde, gab es auch 2016. Die Schaffung eines effektiven unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Fälle, bei denen die Gesetzesorgane strafbare Handlungen verübten, stellt ebenso eine Herausforderung dar, wie die Rehabilitation und Resozialisierung von Häftlingen, die Opfer von Folter wurden (HRC 2017).

Grundversorgung und Wirtschaft: Bedingt durch den Aufschwung im Finanz-, Immobilien-, Transport- und Bausektor verzeichnete Georgien Wachstumsraten in zum Teil zweistelliger Höhe. Der Krieg zwischen Georgien und Russland 2008 sowie die globale Wirtschafts- und Finanzkrise führten allerdings zu einem neuerlichen Einbruch. Daraufhin sagte die internationale Gebergemeinschaft Hilfszahlungen in der Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden US-Dollar zu. Die georgische Währung hat seit November 2014 gegenüber dem US-Dollar stark an Wert verloren (über 30 Prozent). Ursachen dafür sind der aktuell sehr starke Dollar, der Rückgang von Devisenzuflüssen aufgrund geringerer Exporte und steigender Importe sowie geringeren Direktinvestitionen aus dem Ausland. Auch die Rücküberweisungen der georgischen Diaspora vor allem aus Russland gingen deutlich zurück (ca. um 30 Prozent). Die Nationalbank Georgiens versuchte, die Sicherung der Preisstabilität mit einer strafferen Geldpolitik zu gewährleisten. Die Abwertung der Georgischen Währung gegenüber dem US-Dollar ging weiter und hatte Ende November 2016 den historischen Tiefpunkt erreicht. Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos und verarmt. Die offizielle Arbeitslosenquote lag 2014 bei 12,4 % und 2015 bei 12%. 10,1% der GeorgierInnen leben in Armut. Vor allem die BewohnerInnen der ländlichen Gebiete in den Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende intern Vertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten AuslandsmigrantInnen machen mit ca. 24% einen nennenswerten Anteil des Volkseinkommens aus (ADA 12.2016). Mit 1.7.2016 trat das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Georgien in Kraft. Dazu gehörte auch das sog vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen (DCFTA). Bereits 2015 stiegen die georgischen Exporte in die EU um 16%. Nichtsdestoweniger blieb der georgische Handel fragil. Die makroökonomische Situation blieb stabil, sodass 2015 ein Wachstumsplus von 2,5% verzeichnet werden konnte, trotz der unvorteilhaften regionalen Lage. Das Budgetdefizit hat allerdings in den letzten Jahren zugenommen, sodass es nach 3,5% im Jahr 2015 bereits 4,5% im Jahr 2016 betrug. Die öffentliche Verschuldung betrug 2015 42,7% des Bruttoinlandsproduktes. Das angewachsene Handelsdefizit konnte durch die signifikante Zunahme von ausländischen Investitionen kompensiert werden. Die Inflation lag im September 2016 bei fast Null-Prozent. Das Geschäftsumfeld in Georgien gilt als das beste in der gesamten Region und hat sich weiterhin verbessert. Die Landwirtschaft ist weiterhin der Hauptbeschäftigungssektor in Georgien. Rund die Hälfte der aktiven Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft. Die Defizite sind eine Fragmentierung des Landes, begrenzter Zugang zur Bildung, modernen Technologien und Agrarkrediten. Georgien hat sich bemüht die Produktivität seiner Wirtschaft, darunter die Landwirtschaft, zu steigern. 2016 wurde eine nationale Strategie zur Entwicklung des ländlichen Raumes gestartet, die die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der ländlichen Wirtschaft und ihrer Gemeinden unterstützen soll (EC 25.11.2016).

Sozialbeihilfen: Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse: Existenzhilfe, Reintegrationshilfe, Pflegehilfe, Familienhilfe, soziale Sachleistungen und Sozialpakete.

Gesetzliche Renten: Voraussetzungen (nicht alle müssen erfüllt sein): Rentenalter: männlich 65 Jahre; weiblich 60 Jahre;

Behindertenstatus; Tod des Hauptverdieners. Die monatliche staatliche Rente beträgt 180 GEL (IOM 2016). Die staatliche soziale Unterstützung (Einzelpersonen: 60 GEL bzw. 24 EUR monatlich;

Vier-Personen-Haushalt: 200 GEL bzw. 80 EUR) bleibt weit unter dem festgestellten durchschnittlichen Lebensminimum (160 GEL für einen Erwachsenen). Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband (AA 10.11.2016). Das Recht auf Karenz- und Pflegeurlaub gewährt 730 Tage, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal 1.000 GEL (SSA o.D.b.). Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie Vorort, wobei in der "Familiendeklaration" der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: 60 GEL für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied 60 GEL und alle anderen 48 GEL pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen "Haushaltsunterstützung" oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).

Rückkehr: Georgische Rückkehrer/Rückgeführte können die gewöhnlichen, wenn auch unzureichenden Sozialleistungen in Anspruch nehmen, darunter eine kostenlose medizinische Basisversorgung. Darüber hinaus bietet der Familienverband traditionell eine soziale Absicherung. Gesetzliche Grundlagen (Migrationsstrategie, neues Ausländerrecht) wurden geschaffen und weiterentwickelt und erstmals auch Haushaltsmittel für die Reintegration von Rückkehrern zur Verfügung gestellt. Maßgebliche Gründe für diese Entwicklung waren vor allem die angestrebte Visaliberalisierung mit der EU, das anhaltende Engagement internationaler Organisationen vor Ort und die Zusammenarbeit aufgrund von Rückübernahme-Abkommen mit verschiedenen Partnern. Die überwiegende Zahl der Rückkehrer wendet sich dem Familienverband zu und erhält dort Unterstützung. 2014 hat die georgische Regierung erstmalig aus eigenen Haushaltsmitteln Gelder für Reintegrationsprojekte durch sieben zivilgesellschaftliche Akteure zur Verfügung gestellt.

Internationale Organisationen - wie IOM, ICMPD - bieten ebenfalls Unterstützung an. Ein Mobilitätszentrum, eingerichtet beim Ministerium für Flüchtlinge, wurde vom Projekt "Targeted Initiative Georgia" (finanziert aus einem Konsortium von EU-Mitgliedstaaten) gegründet und seit 2014 von der IOM (finanziert aus EU-Mitteln) fortgeführt. Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbständigkeit) zur Verfügung gestellt, bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft. Staatliche Repressalien gegenüber Rückkehrern sind nicht bek

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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