TE Bvwg Beschluss 2018/7/3 G314 2194869-2

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Veröffentlicht am 03.07.2018
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Entscheidungsdatum

03.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §12
VwGVG §33

Spruch

G314 2194869-2/4E

G314 2194874-2/7E

G314 2194875-2/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin

Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde 1. des XXXX, geboren am XXXX, 2. der XXXX, geboren am XXXX, und 3. des XXXX, geboren am XXXX, gesetzlich vertreten durch seine Eltern XXXX und XXXX, alle irakische Staatsangehörige, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.04.2018, Zl. XXXX, XXXX und XXXX:

A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen

Versäumung der Beschwerdefrist wird abgewiesen.

B) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und seine Ehefrau, die Zweitbeschwerdeführerin (BF2), gelangten Anfang 2016 nach Österreich. Sie beantragten am 30.01.2016 bzw. am 12.01.2016 internationalen Schutz. Am 20.03.2017 kam ihr gemeinsamer Sohn, der Drittbeschwerdeführer (BF3), in XXXX zur Welt. Der BF1 und die BF2 beantragten am 11.05.2017 für ihn ebenfalls internationalen Schutz gemäß § 34 Abs 1 Z 3 AsylG.

Nach der Erstbefragung der BF und ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurden ihre Anträge mit den oben angeführten Bescheiden sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak festgestellt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.). Dieser Bescheid enthält eine Rechtsmittelbelehrung auf Deutsch und Arabisch, in der darauf hingewiesen wird, dass die Beschwerde gegen den Bescheid innerhalb von vier Wochen nach dessen Zustellung schriftlich beim BFA einzubringen ist.

Mit Verfahrensanordnung vom 13.04.2018 wurde den BF der Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) als Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG zur Seite gestellt. Der Bescheid und die Verfahrensanordnung wurden den BF jeweils durch Hinterlegung am 19.04.2018 (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Ausgehend vom dadurch ausgelösten Beginn der Rechtsmittelfrist war der 17.05.2018 der letzte Tag der vierwöchigen Rechtsmittelfrist.

Am 30.04.2018 suchten die BF die XXXX Geschäftsstelle des VMÖ zur Rechtsberatung auf und vereinbarten, eine Beschwerde zu erheben. Der BF1 und die BF2 bevollmächtigten den VMÖ mit ihrer Vertretung in den Verfahren gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Am 09.05.2018 wurde die an das BFA adressierte Beschwerde fertig gestellt und per Fax an die Einlaufstelle des BVwG übermittelt, wo sie am selben Tag einlangte. Mit Schreiben des BVwG vom 17.05.2018 wurde die Beschwerde an das BFA weitergeleitet. Das Schreiben samt der Beschwerde wurde am 18.05.2018 abgefertigt und elektronisch an das BFA versendet. Die Beschwerde langte dort am selben Tag ein.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem BVwG vor, wo sie am 24.05.2018 einlangten.

Mit Schreiben vom 08.06.2018 wurden die BF aufgefordert, sich zur beabsichtigten Zurückweisung der Beschwerde als verspätet zu äußern. In der Stellungnahme vom 25.06.2018 wiesen die BF darauf hin, dass die Beschwerde versehentlich an das BVwG übermittelt worden sei, was sich schon daran zeige, dass sie an das BFA gerichtet worden sei. Die für die BF zuständige Rechtsberaterin des VMÖ habe bei der Übermittlung irrtümlich die falsche Kurzwahltaste des Faxgeräts gedrückt und den Akt dann mit dem Ausdruck der Übermittlungsbestätigung abgelegt, weil sie davon ausgegangen sei, dass die Beschwerde an den darin genannten Adressaten (das BFA) übermittelt worden sei. Erst durch das Schreiben vom 08.06.2018 habe man von der verspäteten Einbringung der Beschwerde erfahren. Da ein minderer Grad des Versehens vorliege, der den BF nicht anzulasten sei, wurde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG beantragt.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG sowie aus dem plausiblen Vorbringen der BF in der Stellungnahme vom 25.06.2018. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind allerdings die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).

§ 33 VwGVG ("Wiedereinsetzung in den vorigen Stand") lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

...

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem

Wegfall des Hindernisses zu stellen. ... Die versäumte Handlung ist

gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

...

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt."

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird, sodass den Antragsteller die Obliegenheit trifft, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Auf nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe und neue, den Wiedereinsetzungsgrund untermauernde Argumente ist daher nicht einzugehen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/12/0026).

Da die BF den VMÖ mit ihrer Vertretung im Beschwerdeverfahren bevollmächtigten, ist ihnen dessen Verschulden zuzurechnen (vgl VwGH 09.02.2018, Ra 2018/20/0008; VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113). Die Wiedereinsetzung kann daher nur bewilligt werden, wenn dem Vertreter der BF (bzw. den für ihn tätigen Rechtsberatern) nur ein minderer Grad des Versehens zur Last fällt. Vor dem Hintergrund des gesetzlichen Anforderungsprofils für Rechtsberater und der erforderlichen fachlichen Qualität gemäß § 48 BFA-VG sind diese als berufliche und rechtskundige Parteienvertreter anzusehen, an die dabei ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen (siehe VwGH 27.08.2014, Ro 2014/05/0030).

Die Einhaltung von Rechtsmittelfristen erfordert größtmögliche Sorgfalt von der Partei und ihrem Vertreter. Wenngleich es auch einem an sich sorgfältigen Menschen passieren kann, bei einer Faxübertragung einmal eine falsche Kurzwahltaste zu drücken, hätte sich die Rechtsberaterin nach der Übermittlung des Beschwerdeschriftsatzes auf diesem Weg vergewissern müssen, dass die Übertragung erfolgreich war und an die richtige Stelle, konkret die richtige Faxnummer, erfolgte (vgl zu elektronischen Eingaben VwGH 30.06.2015, Ra 2015/03/0037). Da eine solche Kontrolle hier gänzlich unterblieb und die Beschwerde nach der Übermittlung an die falsche Stelle offenbar ohne jede weitere Überprüfung abgelegt wurde, liegt ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden vor. Bei gehöriger und einem Rechtsberater im Zusammenhang mit der Einhaltung der Beschwerdefrist jedenfalls zumutbarer Sorgfalt hätte der in der Betätigung der falschen Kurzwahltaste gelegene Irrtum dagegen bei einer kurzen Nachprüfung des auf der Übermittlungsbestätigung ersichtlichen Empfängers bzw. der Faxnummer einfach aufgeklärt und die Beschwerde ohne weiteres noch rechtzeitig an die richtige Stelle übermittelt werden können. Die Unterlassung jeglicher Kontrolle der Faxübertragung und der Übermittlungsbestätigung war dagegen auffallend sorglos. Der Wiedereinsetzungsantrag ist daher abzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 12 VwGVG sind Bescheidbeschwerden bei der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, einzubringen, hier also beim BFA. Eine Übermittlung per Fax ist grundsätzlich zulässig. Wird die Beschwerde entgegen dieser Vorschrift direkt beim Verwaltungsgericht eingebracht, hat dieses die Beschwerde gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 Abs 1 AVG von Amts wegen ohne unnötigen Aufschub an die belangte Behörde weiterzuleiten.

Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingereicht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (VwGH 21.03.2016, Ra 2015/08/0180).

Die beim BVwG eingebrachte Beschwerde war demnach an das zuständige BFA weiterzuleiten. Da die Abfertigung beim BVwG und das Einlangen beim BFA erst am 18.05.2018 und somit nach Ablauf der Beschwerdefrist erfolgten, wurde die Beschwerde verspätet erhoben. Da sich das BVwG zur Weiterleitung nicht der Post bediente, besteht kein von der Anrechnung auf die Frist auszuscheidender Postlauf von der unzuständigen zur zuständigen Stelle.

Wer sein Anbringen an eine unzuständige Stelle richtet, hat die damit verbundenen rechtlichen Nachteile (z.B. Fristversäumnis) sogar dann zu tragen, wenn das Anbringen nicht ohne unnötigen Aufschub weitergeleitet wird (Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 Rz 11). Die am 09.05.2018 beim BVwG eingelangte Beschwerde wurde der für ihre Behandlung zuständigen Gerichtsabteilung der Außenstelle Graz zugewiesen. Die Weiterleitung an das BFA erfolgte ca. eine Woche später, weil zunächst angenommen worden war, dass die Beschwerde ohnedies auch an das BFA übermittelt worden war, zumal sie von einer erfahrenen Rechtsberatungsorganisation stammt und richtig adressiert worden war. Es liegt daher keine grundlose übermäßige Verzögerung der Weiterleitung vor. Die Beschwerde ist daher als verspätet zurückzuweisen.

Zum Unterbleiben einer Beschwerdeverhandlung:

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleibt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen der BF in der Stellungnahme vom 25.06.2018 als geklärt anzusehen ist und die Beschwerde demnach zurückzuweisen ist.

Zu Spruchteil C):

Die Revision war nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens in einem Verfahren betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint hat, ist keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG zukommt (VwGH 06.10.2017, Ra 2017/01/0302; vgl zuletzt VwGH 29.01.2018, Ra 2018/11/0013).

Schlagworte

Einbringungsstelle, Fristversäumung, Mangelhaftigkeit,
Rechtsmittelfrist, Verspätung, Weiterleitung, Wiedereinsetzung,
Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2194869.2.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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