TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/11 L519 2142574-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.07.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

L519 2142574-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Türkei, vertreten durch RA. Dr. Goeritz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 17.11.2016, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A. Die Beschwerde wird gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG idgF sowie § 70 Abs. 3 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: BF), ein türkischer Staatsangehöriger, heiratete am XXXX in der Türkei die österreichische Staatsangehörige XXXX, geb. XXXX (idF:A). Der BF erhielt in der Folge einen Aufenthaltstitel und ist seit 28.01.2014 durchgängig im österreichischen Bundesgebiet gemeldet. A brachte eine im Jahr 2008 geborene Tochter mit in die Ehe. Am XXXX2014 brachte A ein weiteres Kind zur Welt, in dessen Geburtsurkunde jedoch nicht der BF als Vater aufscheint.

2. Das MA 35 teilte der LPD XXXX mit, dass der Verdacht bestünde, dass es sich bei der geschlossenen Ehe des BF um eine Aufenthaltsehe iSd § 117 FPG handelt. Daraufhin übermittelte die LPD XXXX den Verwaltungsakt mit dem Ersuchen um Prüfung gemäß § 37 Abs. 4 NAG mit Schreiben vom 05.08.2016 an das BFA. Vorweg wurden Erhebungen durch das LPD an der Meldeadresse des Ehepaares durchgeführt. Im Bericht dazu wurde festgehalten, dass nur die A und deren Kinder an der gemeinsamen Adresse aufhältig wären. Die Hausbesorgerin der Wohnhausanlage hätte dort schon lange keinen Mann mehr gesehen, der letzte sei der Kindsvater des kleinen Kindes gewesen. Die A wurde mittels Lichtbildes eindeutig erkannt. Nach Vorlage eines Lichtbildes des BF wurde von der Hausbesorgerin jedoch angegeben, diesen noch nie gesehen zu haben. Im Zeitpunkt der Erhebung hätten sich in der Wohnung weder Schuhe noch Toilettenartikel des BF befunden. A habe im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung die Aufenthaltsehe bestritten und angegeben, dass sie mit dem BF einen Streit gehabt habe und dieser nunmehr beim Bruder sei. Ein entsprechender Bericht sei an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden, da sich die Verdachtsmomente für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe erhärtet hätten. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft mit 17.06.2016 eingestellt, da die Tathandlung nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sei.

3. Mit Schreiben des BFA vom 22.08.2016 wurde dem BF mitgeteilt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn beabsichtigt sei, da es sich bei seiner am XXXX geschlossenen Ehe um eine Scheinehe handle, welche eingegangen worden sei, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Es wurde ein Fragenkatalog mitübermittelt und dem BF eine Stellungnahmefrist von 14 Tagen eingeräumt.

4. Mit Schreiben vom 26.08.2016 ersuchte die MA 35 das BFA um eine fremdenpolizeiliche Stellungnahme gemäß § 25 Abs. 1 NAG. Dies da der BF am 04.01.2016 einen Verlängerungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht hat. Es wurde um Bekanntgabe gebeten, ob Bedenken gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels mit dem Zweck "Familienangehöriger" bestehen bzw. ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet werden.

5. Am 19.09.2016 wurde der MA 35 der Fremdenakt nach Einsichtnahme übermittelt und mitgeteilt, dass gegen den BF ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingeleitet worden ist.

6. Die schriftliche Stellungnahme des BF zur Bekanntgabe über die Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn langte über seine rechtsfreundliche Vertretung am 05.10.2016 beim BFA ein.

Demnach sei der BF im Jänner 2014 in das Bundesgebiet eingereist, um hier mit seiner Ehegattin zu leben und eine Familie zu gründen. Seither halte der BF sich im Bundesgebiet auf. In der Türkei habe der BF die Volks- und Hauptschule absolviert. In Österreich würden der Bruder mit seiner Familie, eine Tante und deren Familie sowie ein Onkel mit seiner Familie leben. Der Bruder und die Tante wären wie ihre Familien türkischer Staatsangehörige, der Onkel und seine Familie wären Österreicher. Der BF sei krankenversichert und beziehe ein Einkommen als Koch iHv Eur 1450 brutto monatlich. Der BF lebe in einer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstwohnung. Er habe in der Türkei alles aufgegeben, um sich hier eine Existenz aufzubauen. Vorgelegt wurde ein Versicherungsdatenauszug.

7. Mit im Spruch genannten Bescheid wurde vom BFA gegen den BF gem. § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) ein für die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gem. § 70 Abs. 3 FPG wurde dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde im Wesentlichen auf die vom BF eingegangene Scheinehe verwiesen. Der BF habe zu keinem Zeitpunkt ein intensives Familienleben in Österreich geführt, dies ginge schon aus dem Bericht der LPD XXXX aus dem Jahr 2016 hervor. Die Ehe sei nur zu dem Zweck geschlossen worden, um dem BF einen Aufenthaltstitel für Österreich und Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. Der BF habe sich auf die Ehe berufen, obwohl eine Lebens- Vermögens und Geschlechtsgemeinschaft im Sinne eines gemeinsamen Familienlebens nach Art. 8 EMRK nie geführt worden sei. Aufgrund dieses Sachverhaltes werde ein weiterer Aufenthalt des BF im Bundesgebiet als Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit angesehen. Der BF habe den Lebensmittelpunkt in der Türkei.

Dem BF wurde ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

8. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 13.12.2016 innerhalb offener Frist vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass Grundlage für den angefochtenen Bescheid insbesondere die Angaben eines namentlich nicht genannten Bewohners der Wohnhausanlage - welche 1600 Wohnungen umfasse - herangezogen worden wären. Diese Person könne aber sicher nicht alle Bewohner der Anlage kennen. Im Zeitpunkt der Wohnungsdurchsuchung hätten sich darüber hinaus Kleidungsstücke des BF im Wäschekorb befunden, da er diese zurückgelassen habe. Es gäbe daher kein Tatsachensubstrat, dass die Annahme einer Scheinehe rechtfertigen würde.

9. Die Beschwerdevorlage langte am 15.12.2016 beim BVwG ein und wurde das Verfahren in der Folge am 11.01.2017 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugeteilt.

10. Am 23.03.2018 wurde vor dem BVwG eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Der BF legte die Originalheiratsurkunde, 3 Fotos vom Standesamt, eine internationale Heiratsurkunde, eine Ausfertigung des Scheidungsvergleiches und des Ehescheidungsbeschlusses und ein Schreiben vom 13.02.2017 an die MA 35 vor. Insbesondere führte der BF neben weiteren Angaben zu seinem Privat- und Familienleben in der Türkei sowie in Österreich aus, dass er sich von A scheiden habe lassen.

In der Verhandlung fertigten sowohl die A als auch der BF Skizzen der gemeinsamen Wohnung an.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger, Angehöriger der türkischen Volksgruppe und hat in der Türkei die Schule besucht.

In Österreich leben der Bruder des BF mit seiner Familie, eine Tante des BF und deren Familie sowie ein Onkel des BF mit seiner Familie. Diese wurden teilweise in Österreich geboren, haben teilweise die österreichische Staatsangehörigkeit und gehen teilweise Beschäftigungen nach. In der Türkei leben die jüngeren Schwestern, ein jüngerer Bruder, diverse Onkel und Tanten und die Eltern des BF. Die Eltern des BF betreiben eine Landwirtschaft. Der BF hat in der Türkei nach dem Schulbesuch und Ableistung des Wehrdienstes in Istanbul als Koch gearbeitet.

Der BF ist in keiner Behandlung in Österreich und ein arbeitsfähiger, junger Mann. Er spricht geringfügig Deutsch und Türkisch.

Der BF verfügte über ein Schengen-Visum, gültig von XXXX bis XXXX. In seinem Reisepass scheint eine Einreise über den Flughafen Wien-Schwechat am XXXX und eine Ausreise am XXXX auf. Darüber hinaus scheint eine Einreise am XXXX auf und verfügte der BF auch über ein österreichisches Visum, gültig von XXXX. Seit XXXX2014 lebt der BF durchgehend in Österreich.

Der BF hat am XXXX die österreichische Staatsangehörige türkischer Abstammung, XXXX (A) in der Türkei geheiratet. Vor der Hochzeit hat der BF die A einmal gesehen und liegt eine Aufenthaltsehe vor. Die Ehe wurde geschlossen, um dem BF ein Aufenthaltsrecht und eine legale Erwerbstätigkeit in Österreich zu verschaffen. Die Ehegattin brachte eine im Jahr 2008 geborene Tochter mit in die Ehe. Auch während der Ehe gebar sie am XXXX2014 ein weiteres Kind, welches jedoch ebenfalls nicht vom BF stammt.

Am 06.12.2013 stellte der BF erstmals über die österreichische Botschaft in Ankara einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels unter Berufung auf die Eheschließung. Dem BF wurden in weiterer Folge zweimal Aufenthaltstitel mit dem Aufenthaltszweck Familienangehöriger ausgestellt, wobei der letzte eine Gültigkeit von XXXX bis XXXX aufwies. Er hält sich rechtmäßig aufgrund dieses Titels in Österreich auf, da er auch rechtzeitig einen Verlängerungsantrag für den Aufenthaltstitel gestellt hat. Am XXXX.2017 wurde die Ehe rechtskräftig einvernehmlich geschieden und ersuchte der BF in der Folge um eine Zweckänderung seines Aufenthaltstitels.

Der BF war zwischen XXXX und XXXX an der Wohnsitzadresse der A gemeldet. Eine tatsächliche Lebensgemeinschaft lag nie vor und ist der BF seit Oktober 2016 an einer anderen Adresse gemeldet. Er lebt alleine und verfügt in Österreich über keine besonderen privaten und sozialen Anknüpfungspunkte. Er ist in keinem Verein oder einer sonstigen Organisation tätig. Der BF arbeitet als Kellner und bewohnt eine Dienstwohnung des Arbeitgebers. Er erhält monatlich 1100 Eur netto und die Wohnung zur Verfügung gestellt.

Der BF ging von 14.04.2014 - 11.06.2014, von 15.07.2014 - 02.09.2014, von 15.09.2014 - 28.12.2014, von 02.01.2015 - 04.01.2015, von 18.12.2015 - 21.12.2015 sowie von 11.03.2016 - 31.03.2016, von 01.04.2016 - 31.12.2016, von 01.01.2017 - 09.10.2017 und von 23.10.2017 - 05.11.2017 Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern nach. Seit 13.11.2017 ist er beim selben Arbeitgeber beschäftigt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den gegenständlichen Verfahrensakt des BFA (insbesondere Versicherungsdatenauszug, Stellungnahme), das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, durch die Einholung einer aktuellen Strafregisterauskunft und durch eine aktuelle ZMR-Anfrage den BF und A betreffend sowie durch mündliche Verhandlung in Anwesenheit des BF und der A.

Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

2.2. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie den Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens des BF vorgelegten Bescheinigungsmittel.

2.3. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des BF in Österreich sowie im Herkunftsstaat stützen sich auf die Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid, die Ausführungen des BF im Rahmen der Stellungnahme sowie das Vorbringen in der Beschwerde und mündlichen Verhandlung.

2.4. Die Feststellungen hinsichtlich der Aufenthaltsehe des BF ergeben sich insbesondere aus dem Bericht der LPD aus dem Jahr 2016 und den Angaben des BF und der A in der mündlichen Verhandlung.

2.5. Die Ehe sowie die Scheidung des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen A sind durch eine Heiratsurkunde belegt. Dass es sich um eine Scheinehe handelt, welche der BF lediglich zum Erhalt eines Aufenthaltstitels einging, resultiert aus nachstehenden Überlegungen:

2.5.1. Im Zusammenhang mit der Problematik von sogenannten "Aufenthalts- oder Scheinehen" stehen Behörden und Gerichte vor der Schwierigkeit, im höchstpersönlichen Bereich der Beteiligten ermitteln zu müssen. Ungeachtet der geltenden Offizialmaxime stößt die amtswegige Ermittlungspflicht oftmals an ihre Grenzen, sodass der Mitwirkungspflicht besondere Bedeutung zukommt; auch muss man dabei regelmäßig von äußeren Umständen Rückschlüsse auf das wahre Gefühlsleben der Eheleute ziehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber auch der indizielle Beweis ein Vollbeweis. Er besitze insoweit einen logischen Aufbau, als Folgerungen auf das zu beweisende Tatbestandsmerkmal mit Hilfe von Erfahrungstatsachen gezogen werden würden. Der Indizienbeweis erfordere damit zum einen Indizien (sogenannte Hilfstatsachen), zum anderen allgemeine Erfahrungssätze und schließlich Denkgesetze und logische Operationen, um auf das Vorhandensein der Haupttatsache folgern zu können. Der Grundsatz freier Beweiswürdigung schließe es daher nicht aus, Geschehensabläufen, die nach der Lebenserfahrung typisch sind, Gewicht beizumessen (vgl VwGH 26.05.1993, 90/13/0155 sowie vom 26.07.2006, 2001/14/0174).

2.5.2. Der BF gab in der mündlichen Verhandlung an, nach Österreich gekommen zu sein, da er seine Frau geliebt habe. Die Ehegattin sei in Österreich geboren und aufgewachsen. Er habe seine Ehegattin in der Türkei während ihres Urlaubs ca. 1 Jahr vor der Hochzeit kennen gelernt. Damals sei die Ehegattin ein paar Tage im Heimatdorf des BF geblieben und habe dort ihre Verwandten besucht. Jemand hätte sie miteinander bekannt gemacht. Die A gab zusätzlich an, dass nach dem Besuch dann ein Onkel des BF mit den Eltern der A geredet hätte und hätten diese Personen eine Heirat für sinnvoll erachtet. Das zweite Mal habe der BF die A dann wiedergesehen, als sie ins Dorf gekommen wäre, um ihn im November 2013 zu heiraten.

Alleine diese Angaben an sich deuten schon darauf hin, dass der BF die A lediglich geheiratet hat, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen, da grundsätzlich eine Hochzeit nicht nach dem erstmaligen, einmaligen Treffen - wenn auch für ein paar Tage hintereinander - geplant wird. Darüber hinaus lassen sich die Angaben der A, dass sie nach dem ersten Treffen 2012 bis zur Hochzeit im November 2013 lediglich Kontakt über das Internet gehabt hätten, nicht damit in Einklang bringen, dass der BF gemäß Reisepasseintragungen von XXXX mittels Visum in Österreich gewesen ist. Einerseits gab der BF selbst keinerlei Kontakt über das Internet an und wäre bei einem derartigen Kontakt und bei Bestehen einer Beziehung, wenn auch nur über das Internet, davon auszugehen, dass sich der BF damals ca. vier Monate vor der Hochzeit während seines Aufenthalts in Österreich bei der BF gemeldet bzw. sie besucht hätte. Übereinstimmend gaben aber beide an, sich vor der Eheschließung nur einmal getroffen zu haben.

Auch die Angaben der A und des BF zum Ablauf der Hochzeit blieben extrem vage und wurde übereinstimmend angegeben, dass diese nur im kleinsten Kreis und standesamtlich vollzogen wurde. Es wurden darüber hinaus lediglich drei Fotos der Zeremonie vor dem Standesamt mit den Beiden sowie dem Standesbeamten vorgelegt, wobei selbst bei einer Liebesheirat im kleinsten Kreis davon ausgegangen werden kann, dass man Fotos der Feierlichkeiten mit Angehörigen macht, um das Glück festzuhalten. Das Datum der Hochzeit konnte der BF in der mündlichen Verhandlung auch nicht benennen, die A wiederum gab an, sich nicht sicher zu sein und nannte einen falschen Tag. Es ist ein deutlicher Hinweis auf eine zu Aufenthaltszwecken geschlossene Scheinehe, wenn ein Ehegatte solche wichtigen persönlichen Daten nicht kennt.

Darüber hinaus konnte der BF - obwohl er und die A im selben Dorf Verwandte haben und sich über diese kennengelernt hätten - keine Verwandten der A konkret benennen, sondern schweifte vielmehr in der Verhandlung bei konkreten Fragen wie dieser ab. Dass man gerade nicht über sein persönliches Umfeld spricht, wenn man zumindest - wie vom BF und der A behauptet - für mehrere Monate ein gemeinsames Familienleben führt, erscheint nicht plausibel. Auch dass der BF keinerlei Vorstellung dazu hatte, von wem das zweite Kind stammt, spricht gegen eine persönliche Beziehung zwischen den Beiden, da die A in der Verhandlung ausführlich dargelegt hat, dass sie den Vater ihres zweiten Kindes sehr geliebt hätte und sie nach Ende dieser Beziehung Probleme gehabt hätte.

Zum persönlichen Verhalten des BF ist überdies festzuhalten, dass dieser in der Verhandlung nicht den Eindruck vermittelte, ein großes Interesse am Verfahren zu haben und lachte dieser mehrfach über Fragen der Richterin. Auch dieses Verhalten ließ Zweifel an einem wahrheitsgemäßen Aussageverhalten des BF und einem Erfüllen seiner Mitwirkungspflicht auftreten.

Darüber hinaus gab der BF in der mündlichen Verhandlung zwar vorerst an, dass er seit seiner Einreise mit der Ehegattin in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe und 2014 ihr gemeinsames Kind zur Welt gekommen wäre. Als das Baby sechs Monate alt gewesen wäre, hätte ihm A aber dann einen DNA- Test vorgelegt, welcher belege, dass er nicht der Vater des Kindes ist. Wie es in seiner Kultur üblich sei, sei der BF wütend geworden und hätte die eheliche Wohnung verlassen. Er wäre ca. im April 2015 ausgezogen und sei zu seinem Bruder gezogen. Über anschließenden Vorhalt in der Verhandlung, dass er laut ZMR bis Oktober bei A gemeldet war, gab der BF an, dass er die Wohnung zwar verlassen habe, es aber danach versöhnliche Gespräche gegeben habe, da man eine Ehe nicht einfach so beende. Später in der Verhandlung gab der BF dann an, dass er sich - nachdem er erfahren hatte, dass er nicht der Vater des Kindes ist, - nicht mehr so oft in der Wohnung der A aufgehalten habe.

A hat in der Verhandlung konkret angegeben, dass ihr Ex-Ehemann ca. im April 2015 ausgezogen ist. Vor diesem Hintergrund können die Angaben der A zu bzw. bei den Erhebungen der LPD in ihrer Wohnung bzw. Wohnumgebung lediglich als Schutzbehauptungen angesehen werden. Im Rahmen dieser Erhebungen im Sommer 2016 behauptete die A noch lapidar, dass keine Aufenthaltsehe bestehe und der BF gerade aufgrund eines Streits bei seinem Bruder sei. Es wurden damals weder Kleidungsstücke noch Toilettenartikel des BF in der Wohnung der A gefunden. Darüber hinaus kannte die Hausbesorgerin zwar gemäß Foto die A, nicht aber den BF, was ebenfalls eindeutig darauf hindeutet, dass der BF nie bei der A gelebt hat. Zusätzlich konnte sich die Hausbesorgerin an einen anderen Mann als den BF, nämlich den Kindesvater erinnern, welcher regelmäßig bei der A war, während ihr eben der BF unbekannt war. Schließlich kann auch in einer Wohnhausanlage gerade von einer dort wohnhaften Hausbesorgerin, welche gerade nicht wie eine Hausbetreuungsfirma diverse fremde Wohnanlagen zu betreuen hat sondern die eigene Wohnanlage und auf der Nebenstiege lebt, erwartet werden, dass sie Wahrnehmungen zu den Bewohnern der Anlage macht. Vor allem erweist sich letztlich auch die Behauptung in der Beschwerde, dass sich noch Schmutzwäsche im Wäschekorb befunden hätte, als wahrheitswidrig, wenn der BF tatsächlich wie letztlich beide Ex-Ehegatten in der Verhandlung übereinstimmend angaben, mit April 2015 ausgezogen ist. Mit den Angaben der A im Rahmen der Erhebungen der LPD im Sommer 2016 sowie den Angaben in der Beschwerde wurde offenbar versucht, den Eindruck einer aufrechten Familiengemeinschaft zu erwecken und gleichzeitig der Annahme einer Aufenthaltsehe entgegenzuwirken.

Wie bereits aufgezeigt stützt sich die Annahme der Aufenthaltsehe nicht nur auf die Erhebungen der LPD, sondern auch auf das nicht glaubwürdige Vorbringen zur behaupteten Liebesheirat und stellt alleine die Geburt des Kindes der A, welches ein anderer Mann gezeugt hat, 11 Monate nach der Hochzeit ein gewichtiges Indiz für eine Aufenthaltsehe zwischen A und dem BF dar. Auch betreffend weiterer Umstände, wie dem angeblichen Zusammenleben waren die Angaben des BF nicht detailliert genug, um von einer Glaubhaftmachung der Beziehung bzw. des gemeinsamen Familienlebens ausgehen zu können. So konnte der BF beispielsweise nicht angeben, auf welcher Seite des Bettes er geschlafen habe, und widerspricht es jeglichen Erfahrungswerten, dass die damaligen Eheleute keine bestimmte Seite im Bett gehabt hätten. Selbst über Nachfragen der rechtsfreundlichen Vertretung konnte der BF keine klaren Angaben zu seiner Beziehung zu A tätigen. So gab er auf die Frage danach, wie der BF seine Freizeit gemeinsam mit der A verbracht habe ausweichend an, sie sehr geliebt zu haben und schweifte in der Folge wieder vom Thema ab. Selbst von der rechtsfreundlichen Vertretung nachgefragt gab er lediglich vage an, dass er die Freizeit mit der Ex-Ehegattin verbracht habe. A gab demgegenüber in der Verhandlung an, dass sie im Sommer Schwimmen, ab und zu zum Praterstern, der Rodelbahn, zur Donauinsel und ins Kino gegangen wären. Sie sei beruflich sehr eingespannt. Sie hätten erst jetzt im Rahmen der Ladung zur Verhandlung wieder Kontakt aufgenommen. Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die A offensichtlich auch im Rahmen der Erhebungen der LPD im Sommer 2016 die Unwahrheit angegeben hat, kann diesen Angaben nicht gefolgt werden und ist vielmehr davon auszugehen, dass sie versuchte, mit ihrem Vorbringen einer etwaigen strafrechtlichen Verfolgung ihrer Person wegen Eingehen einer Aufenthaltsehe vorzubeugen. Es wurde auch in der Verhandlung der Eindruck erweckt, dass der A die Relevanz der Verhandlung bewusst war, während der BF sich mit Aussagen wie der, dass er sich gegen den Ausdruck des illegalen Aufenthalts seiner Person wehre und seinem lachenden Verhalten eher weniger für die Verhandlung interessierte.

Abschließend sei angemerkt, dass der BF in der Verhandlung mehrmals behauptete, verschiedene Angaben aus seiner Stellungnahme nicht getätigt zu haben, zB hinsichtlich seiner Schulbildung und letztlich lediglich über Vorhalt vermeinte, diese Divergenzen nicht zu akzeptieren. Trotz Nachfrage behauptete er auch in der Verhandlung, alle seine Verwandten in Österreich seien österreichische Staatsangehörige, während er noch in der Beilage zur Stellungnahme vor dem BFA penibel die Daten seiner Verwandten aufgelistet und angegeben hat, welche Staatsangehörigkeit sie jeweils - die türkische oder österreichische -besitzen. Auch im Zusammenhang mit seinem Gehalt in Österreich verwickelte sich der BF in Widersprüche, indem er in der Stellungnahme vor dem BFA von Eur 1450 Einkommen sprach, während er in der Verhandlung vorerst monatlich 1600 Eur netto (1100 Eur als Überweisung, 500 bar) behauptete, um später über Vorhalt des Widerspruchs sowie nochmals nach Rückübersetzung diese Angaben zu korrigieren. Dies offenbar, um den illegalen Teil seiner Entlohnung zu verschleiern.

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung war den Angaben des BF somit jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen, auch wenn sie zumindest in Eckbereichen wie der Lage der Wohnung ein übereinstimmendes und offenbar abgesprochenes Vorbringen erstatteten. Darüber hinaus kann auch die plötzliche Angabe in der mündlichen Verhandlung, der BF habe eine Dame kennen gelernt, deren Nachnamen er nicht nennen wolle und plane er eine Zukunft mit dieser, lediglich als letzter Versuch des BF gewertet werden, ein Vorbringen zu erstatten, dass ihn in seinen Augen vor der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bewahrt.

Insgesamt konnte der BF kein stimmiges, detailliertes Vorbringen erstatten und erweckte vielmehr den Eindruck, dass er das gegenständliche Verfahren nicht entsprechend ernst nimmt. Dies obwohl er mehrfach über etwaige Folgen und die Umstände des Verfahrens aufgeklärt wurde. Der BF erfüllte damit die Kriterien für die Erstattung eines glaubwürdigen Vorbringens nicht. Insbesondere hinterließ er keinen persönlich glaubwürdigen Eindruck, vielmehr zeichnete sich das Vorbringen dadurch aus, dass es in den relevanten Teilen vage und ausweichend gestaltet wurde und Widersprüche aufwies. So zeichnet sich doch die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich -wie im gegenständlichen Fall - objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes wie eine Hochzeit und eine darauffolgende Ehe mit offensichtlichen Problemen wegen eines anderen Mannes, detailreich, oft weitschweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung, Zeit-Ort-Verknüpfungen und über auch oft unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten. Demgegenüber versuchten die BF und die A selbst nach bzw. während Erhebungen der LPD den Eindruck eines aufrechten Familienlebens zu erwecken, was jedoch gerade aufgrund oben angeführtem nicht angenommen werden kann.

2.5.3. Aufgrund dieser Erwägungen ist das Bundesverwaltungsgericht daher zur Auffassung gelangt, dass der BF die Ehe mit A nur zum Schein und nur deshalb einging, weil ihm diese Eheschließung ein Aufenthaltsrecht vermittelte. Trotz der Angaben des BF und der A als Zeugin im Verfahren, die ein geplantes Zusammenleben als Familie in Österreich nach der Einreise des BF schilderten, konnte damit nicht davon ausgegangen werden, dass sie tatsächlich ein gemeinsames Familienleben in Österreich geführt hätten sondern vielmehr eine Aufenthaltsehe eingingen.

Allgemeine Rückkehrbefürchtungen an sich in die Türkei verneinte der BF zur Gänze.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

3.2. Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB 1/80)

3.2.1. Der EuGH hat im Urteil vom 15. November 2011, C-256/11, Dereci u. a., ausgeführt, dass die in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthaltene Stillhalteklausel zwar nicht aus sich heraus geeignet ist, türkischen Staatsangehörigen allein auf der Grundlage des Unionsrechts ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen, und kann ihnen auch weder ein Recht auf freien Dienstleistungsverkehr noch ein Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verschaffen.

Eine solche Klausel verbietet jedoch allgemein die Einführung neuer Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung dieser wirtschaftlichen Freiheiten durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn galten, als das Zusatzprotokoll in Bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat in Kraft trat (vgl. EuGH Urteil 19. Februar 2009, Soysal und Savatli, C-228/06, Slg. 2009, I-1031). Eine Stillhalteklausel, wie sie Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthält, hat nämlich nicht die Wirkung einer materiell-rechtlichen Vorschrift, die das maßgebliche materielle Recht unanwendbar macht und an dessen Stelle tritt, sondern stellt eine gleichsam verfahrensrechtliche Vorschrift dar, die in zeitlicher Hinsicht festlegt, nach welchen Bestimmungen der Regelung eines Mitgliedstaats die Situation eines türkischen Staatsangehörigen zu beurteilen ist, der in einem Mitgliedstaat von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen will (vgl. EuGH Urteil 20. September 2007, C-16/05, Tum und Dari; EuGH Urteil 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10).

In diesem Zusammenhang ist Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls darauf gerichtet - damit die Voraussetzungen einer schrittweisen Herstellung der Niederlassungsfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten und der Republik Türkei nicht erschwert werden -, günstige Bedingungen für ihre schrittweise Verwirklichung zu schaffen, indem er den innerstaatlichen Stellen das absolute Verbot auferlegt, durch eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen neue Hindernisse für die Ausübung dieser Freiheit einzuführen. Diese Bestimmung erweist sich somit als notwendige Ergänzung zu Art. 13 des Assoziierungsabkommens, in dessen Rahmen sie die für die schrittweise Beseitigung der innerstaatlichen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit unerlässliche Vorbedingung bildet (vgl. EuGH Tum und Dari). Auch wenn während eines ersten Abschnitts der schrittweisen Herstellung dieser Freiheit bereits bestehende innerstaatliche Einschränkungen auf dem Gebiet der Niederlassungsfreiheit beibehalten werden können, ist infolgedessen darauf zu achten, dass kein neues Hindernis eingeführt wird, damit die schrittweise Einführung dieser Freiheit nicht zusätzlich behindert wird (VwGH vom 19.05.2014, Zl. Ro 2014/09/0016).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ist Art. 13 des Assoziierungsabkommens nicht nur auf die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen anzuwenden (vgl. grundlegend das Urteil vom 21. Oktober 2003, C 317/01 - Abatay u.a. und C-369/01 - N. Sahin (in der Folge kurz "Urteil Abatay"), Randnr. 73 ff (insb. Randnr. 83), sowie aus jüngerer Zeit etwa das Urteil vom 9. Dezember 2010, C-300/09 - Toprak, und C-301/09 - Oguz, Randnr. 45), allerdings muss die Absicht vorhanden sein sich in den Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaates zu integrieren (vgl. abermals Abatay, Randnr. 89 ff). Ferner kann sich auf die Stillhalteklausel nur berufen, wer die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und gegebenenfalls der Beschäftigung beachtet hat; sie steht hingegen nicht einer Verstärkung der Maßnahmen entgegen, die gegenüber türkischen Staatsangehörigen getroffen werden können, die sich in einer nicht ordnungsgemäßen Situation befinden (vgl. Abatay, Randnr. 84 f). Die Klausel entfaltet unmittelbare Wirkung und schließt bezüglich der in ihren Geltungsbereich fallenden türkischen Staatsangehörigen die Anwendbarkeit aller neu eingeführten Beschränkungen aus (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, Zl. 2008/22/0180, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union).

So hielt der VwGH in seiner Entscheidung vom 19.04.2012, Zl. 2008/18/0202, etwa fest, dass mit Blick auf § 49 Abs. 1 FrG 1997 davon auszugehen ist, dass sich mit dem In-Kraft-Treten des NAG 2005 am 1. Jänner 2006 die Bedingungen für türkische Staatsangehörige, zum Zweck (auch) einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet Aufenthalt nehmen zu dürfen, verschärft haben. Gemäß § 49 Abs. 1 FrG 1997 genossen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 FrG 1997, die Staatsangehörige eines Drittstaates waren, Niederlassungsfreiheit. Nach § 47 Abs. 3 FrG 1997 galten als Angehörige eines Österreichers iSd § 49 Abs. 1 FrG 1997 Ehegatten, Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird sowie Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird. Für diese Personen galten, sofern das FrG nicht anderes anordnete, gemäß § 49 Abs. 1 FrG 1997 die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt des 4. Hauptstücks des FrG 1997 (§§ 46 ff). Nach § 49 Abs 1 FrG 1997 waren - weitergehende - Voraussetzungen, wie sie § 11 Abs. 2 Z 2 und Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG 2005 (bezugnehmend auf Unterkunft und Unterhaltsmittel) festlegten, nicht angeordnet. Vielmehr war selbst bei geringen Unterhaltsmitteln oder Fehlen eines Rechtsanspruches auf eine ortsübliche Unterkunft zu beurteilen, ob eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit iSd FrG 1997 - gemessen an den für unionsrechtlich begünstigte Fremde festgelegten Maßstäben (vgl. VwGH 31. Mai 2000, 99/18/0399) - vorlag, die es gerechtfertigt hat, die Erteilung der Niederlassungsbewilligung zu versagen. Des Weiteren durften die von § 49 Abs. 1 FrG 1997 erfassten Fremden jedenfalls - anders als es § 21 Abs. 1 NAG 2005 vorsieht - auch den Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland stellen und die Entscheidung über diesen Antrag hier abwarten. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit war Inhabern eines nach § 49 Abs. 1 FrG 1997 ausgestellten Aufenthaltstitels an sich nicht verwehrt. Die Rechtslage des NAG 2005 erwies sich somit gegenüber der früheren Rechtslage nach den Bestimmungen des FrG 1997 als verschärft. Diese Verschärfung stellt für türkische Staatsangehörige eine neue Beschränkung der Möglichkeit der Aufenthaltsnahme und sohin auch der Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit in Österreich aufzunehmen, dar. Nach dem Urteil des EuGH vom 15. November 2011, C- 256/11, Rs. Dereci ua, ist eine solche Verschärfung aber nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben, die sich aus den den türkischen Staatsangehörigen zugutekommenden Stillhalteklauseln ergeben, vereinbar. Somit hat in diesen Fällen die Prüfung der Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht anhand der Bestimmungen des NAG bzw. der aktuellen Rechtslage, sondern anhand der Bestimmungen des FrG 1997 - ungeachtet dessen mittlerweile erfolgten Außer-Kraft-Tretens - zu erfolgen (vgl. VwGH 15. 12.2011, 2007/18/0430).

Daraus folgte für den VwGH weiter, dass die belangte Behörde im gg. Fall (auch) die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung nicht anhand der Bestimmungen des NAG und des anhand dieser Maßstäbe zu interpretierenden § 54 FPG (hier: Abs. 1 Z. 2, Ausweisung eines Fremden mit Aufenthaltstitel, weil im Zuge eines Verlängerungsverfahrens ein Versagungsgrund zu Tage getreten war), sondern anhand der (für den Beschwerdeführer günstigeren) Bestimmungen des FrG - ungeachtet dessen mittlerweile erfolgten Außer-Kraft-Tretens - zu messen hatte.

3.2.2. Der VwGH traf in seiner Entscheidung vom 25.09.2017, Zl. Ra 2017/20/0293 Ausführungen dazu, inwiefern Ehegatten von EWR-Bürgern die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Falle einer Aufenthaltsehe zukommt. Demnach kommt einem Fremden, der mit einem in Österreich lebenden, sein unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmenden EU-Bürger aufrecht verheiratet ist (unabhängig davon, ob die Ehe als Scheinehe zu qualifizieren ist), die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FrPolG 2005 zu (vgl. VwGH 7. April 2011, 2011/22/0005 und vom 23.3.2017, Zl 2016/21/0349), dies jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung gemäß § 54 Abs. 7 NAG vorliegt (VwGH vom 25.09.2017, Zl. Ra 2017/20/0293). Insofern trifft es zwar zu, dass das formell aufrechte Bestehen der Ehe maßgeblich ist. Das steht der Wahrnehmung einer Scheinehe aber nicht entgegen, sondern bedeutet nur, dass sich die Konsequenzen dieser Scheinehe nach den für begünstigte Drittstaatsangehörige geltenden Regeln bestimmen. Insbesondere käme etwa die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nach § 67 Abs. 1 FrPolG 2005, weil auf Grund des persönlichen Verhaltens des begünstigten Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, in Betracht (vgl. VwGH 21. Februar 2013, 2011/23/0647).

Der VwGH hat auch mehrfach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 60 FrPolG 2005 gegen türkische Staatsangehörige bei Vorliegen einer - gerichtlich oder verwaltungsbehördlich noch nicht festgestellten - Scheinehe bestätigt (vgl. VwGH vom 31.01.2013, Zl. 2011/23/0432). In diesen Entscheidungen wird zwar ausgeführt, dass der Erlangung einer Begünstigung nach ARB 1/80 eine eingegangene Aufenthaltsehe entgegensteht. Es ist auch im gegenständlichen Verfahren ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, da bislang die Aufenthaltsehe noch nicht festgestellt wurde und sich der BF aufgrund der aktuellen Rechtslage bzw. des rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages hinsichtlich des wegen der Aufenthaltsehe erteilten Aufenthaltstitels noch rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Erst im gegenständlichen Verfahren wird die Aufenthaltsehe festgestellt, weshalb bis zu diesem Zeitpunkt von einem begünstigten Drittstaatsangehörigen auszugehen war. Gemäß § 54 bzw. § 27 NAG bleibt das Aufenthaltsrecht auch bei Scheidung erhalten, wenn nachgewiesen wird, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Gemäß § 54 Abs. 7 NAG ist ein Antrag nach § 54 bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt. Weder eine derartige Feststellung, noch eine gerichtliche oder andere verwaltungsbehördliche Feststellung ist im gegenständlichen Verfahren erfolgt, was jedoch hinsichtlich des Ausspruchs des Aufenthaltsverbotes an sich keine Relevanz entfaltet (vgl. die unter Punt 3.4.2. angeführte Judikatur hierzu).

3.2.3. Im Ergebnis hat der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Dereci in Hinblick auf das NAG festgestellt, dass sich mit Inkrafttreten des NAG am 01. Jänner 2006 die Bedingungen für den Familiennachzug von türkischen Staatsangehörigen zu einer österreichischen Ankerperson im Vergleich zur Rechtslage des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) verschlechtert habe. Die oben genannte Rechtsauffassung des EuGH wurde in Folge auch vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt und fortgeführt. So erschließt sich aus den Erkenntnissen des VwGH vom 15. Dezember 2011, Zl. 2007/18/0430, sowie vom 19. Jänner 212, Zl. 2011/22/0313, dass aufgrund der "Stillhalteklausel" und des dieser immanenten "Verschlechterungsverbots" der Familiennachzug von türkischen Staatsangehörigen zu österreichischen Ankerpersonen, die künftig (auch) am Erwerbsleben teilnehmen wollen, nicht nur anhand der Bestimmungen des NAG, sondern auch anhand der Normen des FrG 1997 zu messen sind, wenn diese günstiger waren.

Da der BF als türkischer Staatsangehöriger eine österreichische Staatsangehörige geheiratet hat und in weiterer Folge mit einem darauf aufbauenden Aufenthaltstitel als Familienangehöriger legal in Österreich eingereist und rechtmäßig aufhältig gewesen ist, kommt im gegenständlichen Fall die Stillhalteklausel zum Tragen. Der BF hat dadurch gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG die Rechtsstellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen erlangt (da das FrG 1992 die günstigste Rechtslage für den BF darstellt) und verfügt letztlich aufgrund des rechtzeitigen Verlängerungsantrages hinsichtlich des Aufenthaltstitels noch über einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich.

Da der BF über einen Aufenthaltstitel für einen EU-Mitgliedstaat bzw. Österreich verfügt, prüfte die belangte Behörde daher zu Recht die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG. Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot stellen die fremdenpolizeiliche Standardmaßnahme gegen nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Drittstaatsangehörige dar (VwGH 15. Dezember 2011, 2011/21/0237). Gegen Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel kommt dagegen, ebenso wie gegen unionsrechtlich begünstigte und ihnen gleichgestellte Personen, nach wie vor nur die Erlassung von Ausweisung oder Aufenthaltsverbot in Betracht (VwGH 28.02.2013, Zl. 2012/21/0127).

3.3. Aufenthaltsverbot

3.3.1. § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."

3.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hält in seiner Entscheidung vom 12.03.2013, Zl. 2012/18/0228 fest:

"§ 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 enthält zwar nur zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet (bzw. im Fall von Minderjährigen). Es muss aber angenommen werden, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern (arg. a minori ad maius) auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 angesiedelt ist - heranzuziehen ist. Dies gebietet im Anwendungsbereich der Unionsbürgerrichtlinie eine unionsrechtskonforme Interpretation, weil das Aufenthaltsverbot eine Ausweisungsentscheidung im Sinn der Richtlinie beinhaltet. Zum gleichen Ergebnis führt eine verfassungskonforme Interpretation, weil die Anwendung eines weniger strengen Maßstabes für Aufenthaltsverbote als für bloße Ausweisungen sachlich nicht zu rechtfertigen wäre."

Bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs "sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde" ist eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten (VwGH iZm § 11 NAG, 28. Februar 2008, 2006/21/0218). Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten eine Gefährdungsprognose zu treffen. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils an Hand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Der VwGH hat in seiner umfangreichen Judikatur zu § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 mehrfach festgestellt, dass Gefährdungsprognosen auf Basis dieser Bestimmung möglich sind und auch vorgenommen werden müssen (vgl. zuletzt VwGH, Ra 2016/21/0035, 25.02.2016; mwH auf B 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0079; B 28. Jänner 2016, Ra 2016/21/0017; E 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0133).

Bereits nach ständiger Judikatur des VwGH zum FrG 1997 war für die Gefährdungsprognose das der strafbaren Handlung zugrundeliegende Fehlverhalten maßgeblich. Bei der Gefährdungsprognose war zu prüfen, ob durch das betreffende strafbare Verhalten des Antragstellers im Fall der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet würde. Maßgeblich für die Erstellung der Gefährdungsprognose war das Gesamtfehlverhalten der betroffenen Person. Bei der Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und aus das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild. Strafgerichtliche Verurteilungen waren in diese Beurteilung ebenso miteinzubeziehen wie verwaltungsbehördliche Strafen. Auch ausländische strafgerichtliche Verurteilungen konnten berücksichtigt werden, wenn sie den in § 73 StGB statuierten Voraussetzungen für eine Gleichwertigkeit mit einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht gerecht wurden. Nur unter der Voraussetzung der Gefährdungsprognose durfte davon ausgegangen werden, dass dem Fremden eine Niederlassungsbewilligung nicht zu erteilen und eine Ausweisung zu verfügen war.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH vom 19.02.2014, 2013/22/0309; vgl. auch E 20. August 2013, 2013/22/0070; E 31. Mai 2011, 2008/22/0831; E 27. Mai 2010, 2007/21/0297).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 4 FrPolG 2005 ist auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, somit insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH Ra 2016/21/0075, 24.05.2016).

Bei der in § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehenen Gefährdungsprognose ist nicht auf den Zeitpunkt der strafbaren Handlung oder der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung abzustellen, sondern soll beurteilt werden, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - mit Blick auf die Gegenwart und die Zukunft - das persönliche Verhalten (nach wie vor) eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (VwGH, 2012/18/0098, 07.11.2012)

3.3.3. Der BF fällt aufgrund des nach wie vor aufrechten Aufenthaltstitels in den Anwendungsbereich des § 67 FPG, die Voraussetzung eines Aufenthalts im Bundesgebiet seit zehn Jahren ist aufgrund des Aufenthalts seit 2014 noch nicht erfüllt. Eine Scheinehe wurde auch noch nicht festgestellt, weshalb dem BF noch die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zukommt. Es kommt für den BF daher der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG zu Anwendung, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG nur zulässig ist, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

3.4. Aufenthaltsehe

3.4.1.

§ 30 NAG lautet

§ 30. (1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames

Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe (oder) eingetragene Partnerschaft berufen.

Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG ist u.a. dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des Verwaltungsgerichtes kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK (mehr) geführt wird (VwGH vom 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0058, mwN). Beantragt ein Fremder die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit seinem Ehegatten, ist seine Absicht entscheidend, wie der angestrebte Titel genutzt werden solle (VwGH vom 20. Oktober 2011, 2010/21/0177, mwN). Ein formales Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des ausländischen Ehegatten abzuleiten.

Nach übereinstimmender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes besteht eine Ehe aus einer Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber auch bei einer Ehe das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Es kommt hierbei regelmäßig auf die Gesamtumstände des Einzelfalles an, wobei vor allem der Wirtschaftsgemeinschaft nach der Rechtsprechung Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 26.3.2015, Ro 2014/22/0026).

§ 23 EheG lautet:

"Namensehe und Staatsangehörigkeitsehe

(1) Eine Ehe ist nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau die Führung des Familiennamens des Mannes oder den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll.

(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu seinem Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, daß bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist."

3.4.2. Die Rechtsprechung wendet den Nichtigkeitsgrund des § 23 EheG analog auch auf Fälle der Eheschließung zum Zweck der Erlangung der unbeschränkten Aufenthaltsmöglichkeit im Inland oder des ungehinderten Zutrittes zum inländischen Arbeitsmarkt ("Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungsehen") an (Stabentheiner in Rummel ABGB3 § 23 EheG, Stand 01.01.2002, rdb.at).

Die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 EheG stellt keine Voraussetzung für die Feststellung des Bestehens einer Scheinehe dar und spricht das Unterbleiben einer solchen Nichtigerklärung nicht gegen die Beurteilung einer solchen Ehe (VwGH 21.01.2013, Zl. 2012/23/0040).

Dass im gegenständlichen Fall die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer u

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten