TE Bvwg Beschluss 2018/7/13 G308 2179233-1

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Veröffentlicht am 13.07.2018
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Entscheidungsdatum

13.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G308 2179233-1/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, Zahl XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 05.11.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2. Am 04.12.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt.

3. Per E-Mail vom 20.08.2017, gesendet von der E-Mail-Adresse XXXX@gmx.at und mit dem Anzeigenamen "XXXX" (im Folgenden: MF), wurde der Einlaufstelle des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien, eine Meldung über den Beschwerdeführer übermittelt, worin zusammengefasst ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer zwar irakischer Staatsangehöriger sei, da sein Vater Iraker sei und im Irak lebe, der Beschwerdeführer jedoch zumindest seit 2002/2003 in Amman, Jordanien, lebe, wo auch seine Mutter und seine Schwester leben würden. Mittels beiliegender Screenshots aus Facebook sowie aus Messenger-Diensten sei erwiesen, dass sich der Beschwerdeführer zu der Zeit, zu der er das Entstehen seiner Fluchtgründe aus dem Irak behauptet, sich tatsächlich im sicheren Jordanien aufgehalten habe. Auch sei der Beschwerdeführer aus Jordanien nach Österreich gereist und nicht aus dem Irak. Der Beschwerdeführer habe sich nie in Gefahr befunden und missbrauche daher den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz zur Legalisierung seines Aufenthalts. Alternativ plane er eine Aufenthaltsehe.

Dem Bericht liegt ein Konvolut Unterlagen, darunter die Kopie der Aufenthaltsberechtigungskarte des Beschwerdeführers, eines Schulzertifikates des Beschwerdeführers aus Jordanien und einer Verständigung des Beschuldigten vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 35 Abs. 9 SMG der Staatsanwaltschaft XXXX vom 18.07.2017 sowie Screenshots aus Facebook mit Orts- und Zeitangaben sowie aus dem Facebook-Messenger bei.

Die Screenshots aus dem Facebook-Profil des Beschwerdeführers stammen aus einem Zeitraum von Anfang Mai 2014 bis Jänner 2015 und weisen - sofern Ortsangaben vorhanden sind - Postings aus Jordanien auf.

Aktenkundig sind sodann weitere Auszüge aus Facebook-Einträgen des Beschwerdeführers und seiner Schwester von Juli 2014 bis Oktober 2014 mit Ortsangabe Jordanien und dem Vermerk, wie es denn sein könne, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt angegeben habe, zu dieser Zeit im Irak entführt worden zu sein, wo er sich doch in Jordanien aufgehalten habe.

Ermittlungen zur Herkunft und Echtheit dieses Berichtes sowie der beigelegten Unterlagen, zur konkret meldenden Person und dem Wahrheitsgehalt des darin enthaltenen Vorbringens wurden vom Bundesamt nicht durchgeführt.

3. Am 29.08.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt statt. Als Identitätsnachweis legte er einen laminierten irakischen Personalausweis vor, dessen Echtheit nicht festgestellt wurde. Er wurde lediglich in Kopie zum Akt genommen. Nach den allgemeinen Fragen zur Herkunft, den persönlichen Umständen sowie zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers (er gab dabei zusammengefasst an, etwa im April 2014 als Sunnit im Irak von schiitischen Milizen entführt, sechs Monate mit durchgehend verbundenen Augen festgehalten, immer wieder geschlagen und schließlich im Oktober 2014 plötzlich freigelassen worden zu sein) wurde dem Beschwerdeführer Folgendes vorgehalten [Fehler im Original, Anm.]:

"F: Beim BFA liegen Beweise vor, dass Sie in der Zeit von der Sie behaupten entführt worden zu sein, eigentlich frei und sehr friedlich in Jordanien gelebt haben. Ihr Vorbringen ist deshalb völlig unglaubhaft. Was sagen Sie dazu?

A: Nein, das stimmt nicht. Ich war in der Heimat und bin entführt worden.

F: Können Sie das irgendwie nachweisen?

A: Welche Beweise? Ich habe keine Papiere darüber. Das einzige was ich sagen kann ist dass ich entführt worden bin."

Das Bundesamt hat den Beschwerdeführer nicht näher mit dem vorliegenden Bericht und den darin aufgeworfenen Fragen konfrontiert. Das Bundesamt hat dem Beschwerdeführer weder diesen Bericht noch die damit übermittelten Unterlagen physisch vorgehalten (ein entsprechender Vermerk oder Hinweis fehlt in der Niederschrift jedenfalls) und ist mit keinem weiteren Wort näher auf die eklatanten Diskrepanzen zwischen diesem Bericht bzw. den damit vorgelegten Unterlagen und dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers eingegangen.

4. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes, dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung beim Zustellpostamt am 06.11.2017 zugestellt, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.11.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat "Irak" (Spruchpunkt II.) abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den "Irak" gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund des einerseits widersprüchlichen und andererseits sehr vagen Fluchtvorbringens rund um die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Entführung durch schiitische Milizen zwischen April und Oktober 2014 keine maßgebliche Bedrohung im Irak habe glaubhaft machen können. Eine Rückkehr nach Bagdad könne dem Beschwerdeführer auch als Sunnit zugemutet werden. Auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer sich womöglich überhaupt nicht im Irak aufgehalten hat, von dort auch nicht ausgereist ist und sich zuletzt ohne Gefährdung seiner Person in einem Drittstaat (Jordanien) aufgehalten haben könnte und somit überhaupt kein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann, wurde nicht eingegangen.

5. Dagegen wurde mit am 21.11.2017 per Fax beim Bundesamt eingelangten Schriftsatz der bevollmächtigten Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom selben Tag fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 11.12.2017 ein.

7. Per E-Mail vom 09.03.2018 wurden von der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers Unterlagen über dessen Integrationsbemühungen übermittelt.

8. Am 23.04.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Meldung über eine Straftat des Asylwerbers gemäß § 30 Abs. 2 BFA-VG vom 19.04.2018 ein. Am 25.06.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht neuerlich eine Meldung über eine Straftat des Asylwerbers gemäß § 30 Abs. 2 BFA-VG vom 21.06.2018 ein.

9. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2018, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, des Vergehens der versuchten Körperverletzung gemäß §§ 15, 83 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen, verurteilt.

Das Urteil ist aktenkundig.

10. Am 02.07.2018 langte in weiterer Folge die Verständigung der Behörde von der Verhängung der Untersuchungshaft gemäß § 105 Abs. 2 FPG, § 37 Abs. 3 NAG, § 30 Abs. 5 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein, wonach der Beschwerdeführer wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 5 Z 1 StGB (schwere Körperverletzung auf eine Weise mit der Lebensgefahr verbunden ist) sowie § 201 Abs. 1 erster Fall StGB (Vergewaltigung durch Gewaltanwendung) am XXXX.2018 zur Zahl XXXX vom Landesgericht für Strafsachen XXXX in Untersuchungshaft genommen wurde.

Der Beschwerdeführer befindet sich nach wie vor in Untersuchungshaft.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014,

Ro 2014/03/0063, (ebenso VwGH 27.01.2015, Ro 2014/22/0087) mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat.

Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch in qualifizierter Weise unterlassen worden.

3.2. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweist sich in wesentlichen Punkten als mangelhaft bzw. wurde in wesentlichen Punkten gar kein Ermittlungsverfahren durchgeführt:

3.2.1. "Der mit Status des Asylberechtigten" betitelte § 3 AsylG 2005 lautet:

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt."

Gemäß Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) ist als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen, wer sich infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Der mit "Status des subsidiär Schutzberechtigten" betitelte § 8 AsylG 2005 lautet:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."

Der mit "Ermittlungsverfahren" betitelt § 18 AsylG 2005 lautet:

"§ 18. (1) Das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

(2) Das Bundesamt hat, sofern es sich bei einem Asylwerber um einen unbegleiteten mündigen Minderjährigen handelt, eine Suche nach dessen Familienangehörigen im Herkunftsstaat, in einem Drittstaat oder Mitgliedstaat nach Maßgabe der faktischen Möglichkeiten durchzuführen. Das Bundesamt hat im Falle von unbegleiteten unmündigen Minderjährigen diese auf deren Ersuchen bei der Suche nach Familienangehörigen zu unterstützen.

(3) Im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers ist auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen."

Der mit "Befragungen und Einvernahmen" betitelte § 19 AsylG 2005 lautet:

"§ 19. (1) Ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn es sich um einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) handelt. Die Befragung kann in den Fällen des § 12a Abs. 1 sowie in den Fällen des § 12a Abs. 3, wenn der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt wurde, unterbleiben.

(2) Ein Asylwerber ist vom Bundesamt, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und - soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird - zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen. Eine Einvernahme kann unterbleiben, wenn dem Asylwerber, ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt (§ 12a Abs. 1 oder 3). Weiters kann eine Einvernahme im Zulassungsverfahren unterbleiben, wenn das Verfahren zugelassen wird. § 24 Abs. 3 bleibt unberührt.

(3) Eine Einvernahme kann unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Tonaufzeichnung dokumentiert werden.

(4) Vor jeder Einvernahme ist der Asylwerber ausdrücklich auf die Folgen einer unwahren Aussage hinzuweisen. Im Zulassungsverfahren ist der Asylwerber darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass seinen Angaben verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt.

(5) Ein Asylwerber darf in Begleitung einer Vertrauensperson sowie eines Vertreters zu Einvernahmen vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht erscheinen; auch wenn ein Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) anwesend ist, kann der Asylwerber durch eine Vertrauensperson oder einen Vertreter begleitet werden. Minderjährige Asylwerber dürfen nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters einvernommen werden.

(6) Das Bundesverwaltungsgericht kann in einem Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) das Bundesamt mit der Einvernahme des Asylwerbers beauftragen."

Gemäß § 37 erster Satz AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Gemäß § 39 Abs. 1 AVG sind für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens die Verwaltungsvorschriften maßgebend. Dazu sieht § 39 Abs. 3 erster Satz AVG vor, dass, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen hat. Dabei hat sich die Behörde bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen (vgl § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG).

Gemäß § 45 Abs. 1 AVG bedürfen Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Im Übrigen hat die Behörde nach Abs. 2 leg. cit. unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Den Parteien ist überdies gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

3.2.2. Für das Verfahren vor dem Bundesamt gilt daher sowohl das Amtswegigkeitsprinzip gemäß § 39 Abs. 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung des Parteiengehörs iSd. § 45 Abs. 3 AVG.

Das Recht auf Parteiengehör bezieht sich auf den von der Behörde gemäß § 37 AVG festzustellenden maßgebenden Sachverhalt. Den Parteien ist daher gemäß § 37 iVm § 45 Abs. 3 AVG das bisherige Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vorzuhalten, das sind insbesondere all jene rechtserheblichen Tatsachen, die das zuständige Organ als erwiesen erachtet (vgl VwGH vom 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 mit Verweis auf VwGH vom 15.10.2014, 2013/08/0087).

Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG, also die Frage, aus welchen Gründen die Behörde welchen Beweismitteln zu folgen gedenkt, zählt aber nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Die Behörde ist auch nicht gehalten, die Partei zu der von ihr vertretenen Rechtsansicht anzuhören, ihr also mitzuteilen, welche Vorgangsweise sie in rechtlicher Hinsicht auf Grund des als maßgeblich festgestellten Sachverhaltes ins Auge fasst (vgl VwGH vom 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 mit Verweis auf VwGH vom 25.02.2010, 2008/18/0411; vom 27.04.2011, 2010/08/0091; vom 31.01.2013, 2011/23/0432; Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 25 f, mwN).

Der VwGH hat auch bereits festgehalten, dass der ermittelte Sachverhalt, wenn die eigenen Angaben der Partei die wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden, sowie die Würdigung der von der Partei selbst stammenden Beweismittel und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung dieser Partei nicht vor der Bescheiderlassung zur Kenntnis gebracht werden müssen (vgl VwGH vom 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 mit Verweis auf VwGH vom 27.01.2000, 97/21/0510, mwN).

Betreffend Asylverfahren und bezogen auf das vom Beschwerdeführer/Antragsteller selbst erstatteten Vorbringen erkannte der VwGH auch bereits, dass für die Behörde keine Verpflichtung besteht, dem Asylwerber im Wege eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen (vgl VwGH vom 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 mit Verweis auf VwGH vom 04.11.1992, 92/01/0560; vom 05.11.1992, 92/01/0705).

3.2.3. Das Bundesamt ging im angefochtenen Bescheid zwar von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers rund um die von ihm vorgebrachte Entführung durch schiitische Milizen im Irak aus. Es stützte sich dabei jedoch auf die nach Ansicht des Bundesamtes widersprüchlichen, vagen und unplausiblen Schilderungen des Beschwerdeführers zu den Umständen dieser Entführung und auf Indizien.

Im Zuge der Prüfung eines relevanten Fluchtgrundes hat es das Bundesamt dabei aber unterlassen, die hinter der E-Mail vom 20.08.2017 stehende Person der MF zu identifizieren, die Herkunft und Wahrheitsgehaltes ihres Berichtes sowie der damit übermittelten Unterlagen und Beweismittel zu verifizieren und diese Person als Zeuge/Zeugin zu vernehmen.

Je nach Hintergrund und persönlichen Beziehung von MF zum Beschwerdeführer und bei Echtheit der von MF vorgelegten Beweismittel wäre MF aller Wahrscheinlichkeit nach in der Lage gewesen, zum tatsächlichen Aufenthaltsort des Beschwerdeführers während der von ihm behaupteten Entführung im Irak Auskunft zu geben oder zur Verifizierung der vorgelegten Beweismittel beizutragen, da MF und die vorgelegten Beweismittel deutlich machen, dass der Beschwerdeführer seit Jahren - jedenfalls aber im Zeitraum der von ihm behaupteten Entführung - in Jordanien gelebt hat, wo sich offenbar auch seine Mutter und seine Schwester aufhalten. MF hätte somit zu einem zentralen Element des Fluchtvorbringens, nämlich ob die vorgebrachte Entführung im Irak wegen Aufenthalts des Beschwerdeführers in einem anderen Staat als dem von ihm behaupteten Herkunftsstaat (nämlich Jordanien) überhaupt nicht möglich gewesen ist und damit von vornherein überhaupt kein Fluchtgrund iSd. GFK bzw. eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr bestanden hat bzw. bestehen würde, aussagen können. Das Bundesamt hätte in dieser konkreten Fallkonstellation MF zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts und somit insbesondere zur Frage des tatsächlichen Herkunftslandes des Beschwerdeführers bzw. seines tatsächlichen Aufenthaltsortes während des Zeitraums der von ihm vorgebrachten Entführung einvernehmen müssen (vgl dazu VwGH vom 23.05.2017, Ra 2017/18/0028).

Selbst wenn eine Identifizierung der konkreten Person MF nicht möglich gewesen wäre (ein Versuch dazu wurde jedoch nicht unternommen), so hätte das Bundesamt dem Beschwerdeführer jedenfalls die aktenkundigen Beweismittel, die einen von vornherein nicht existierenden Fluchtgrund attestieren würden, jedenfalls detailliert vorhalten und dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers konkret entgegenhalten müssen, weil es sich dabei eben nicht um Widersprüchlichkeiten in den vom Beschwerdeführer selbst getätigten Angaben oder aufgrund von ihm selbst vorgelegten Beweismitteln handelt.

Diesbezüglich hat das Bundesamt aber lediglich den Beschwerdeführer im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 29.08.2017 darauf hingewiesen, dass dem Bundesamt Beweise vorliegen würden, die seinem Fluchtvorbringen widersprächen und sich der Beschwerdeführer in dieser Zeit tatsächlich frei und in Jordanien aufgehalten habe. Mit der Antwort des Beschwerdeführers, dass dies nicht der Wahrheit entspreche, hat es das Bundesamt diesbezüglich auch genügen lassen. Das Bundesamt hat den Beschwerdeführer nicht näher mit dem vorliegenden Bericht und den darin aufgeworfenen Fragen konfrontiert. Das Bundesamt hat dem Beschwerdeführer weder diesen Bericht noch die damit übermittelten Unterlagen physisch vorgehalten (ein entsprechender Vermerk oder Hinweis fehlt in der Niederschrift jedenfalls) und ist während der Einvernahme mit keinem weiteren Wort näher auf die eklatanten Diskrepanzen zwischen diesem Bericht bzw. den damit vorgelegten Unterlagen und dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers eingegangen worden.

Weiters hat es das Bundesamt unterlassen, den vom Beschwerdeführer vorgelegten "laminierten irakischen Personalausweis" auf Authentizität überprüfen zu lassen. Die Identität und somit auch die tatsächliche Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stehen damit angesichts der aktenkundigen Beweismittel, dass der Beschwerdeführer - sofern diese der Wahrheit entsprechen - seit 2002 oder 2003 durchgehend in Jordanien gelebt hat, ebenso wenig fest.

Das Bundesamt wird daher im fortgesetzten Verfahren einerseits die Überprüfung des vom Beschwerdeführer vorgewiesenen Identitätsdokuments zu veranlassen und andererseits Ermittlungen zur Herkunft und Echtheit dieses Berichtes sowie der beigelegten Unterlagen, zur konkret meldenden Person und dem Wahrheitsgehalt des darin enthaltenen Vorbringens durchzuführen und MF allenfalls im Rahmen des Asylverfahrens als Zeuge/in einvernehmen und dem Beschwerdeführer diesbezügliches Parteiengehör einzuräumen haben.

Darüber hinaus unterließ es das Bundesamt trotz entsprechender Hinweise, weitere Ermittlungen hinsichtlich des tatsächlichen Herkunftsstaates bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts des Beschwerdeführers und somit auch zur Möglichkeit einer Rückkehr in den jeweiligen Staat anzustrengen.

Mit Blick auf die in Verwaltungsverfahren geltenden Grundsätze, insbesondere jenes der Offizialmaxime und der materiellen Wahrheit, (vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahren9 (2011), Rz 315ff), wonach die belangte Behörde zur amtswegigen Ermittlung des verfahrensrelevanten Sachverhaltes verpflichtet ist, wäre es der belangten Behörde mit Hinblick auf ihre mangelhaften Ermittlungen und unterlassenen Feststellungen sohin verwehrt gewesen, den gegenständlichen Sachverhalt als im Sinne eines umfassenden Ermittlungsverfahrens hinreichend geklärt anzusehen. Die belangte Behörde hätte hinreichende Feststellungen zu treffen, diese zu begründen und durch Subsumtion des erhobenen Sachverhaltes unter die einschlägigen rechtlichen Normen eine Entscheidung zu treffen und diese hinreichend und nachvollziehbar zu begründen gehabt. (vgl. VwGH 13.2.1991, 90/03/0112; 17.8.2000, 99/12/0254; 3.9.2002, 2002/09/0055: wonach rechtliche Beurteilungen auf getroffene Feststellungen zu beruhen haben.)

Da die belangte Behörde all dies jedoch unterlassen hat, erweist sich deren Entscheidung sohin als gravierend mangelhaft.

3.2.4. Aus Sicht des Gerichts verstößt das Vorgehen der belangten Behörde im konkreten Fall somit gegen die in § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG 2005 determinierten Ermittlungspflichten, wonach diese den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen hat.

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes und das diesem zugrundeliegende Verfahren aufgrund der Unterlassung der notwendigen Ermittlungen zu wesentlichen Punkten und hinreichender Begründung somit als mangelhaft zu bewerten. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren vor dem Bundesamt mit den oben dargestellten Mängeln behaftet. Weitreichende Erhebungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach durch das Bundesverwaltungsgericht zu tätigen. In Anbetracht des Umfanges der noch ausstehenden Ermittlungen würde deren Nachholung durch das erkennende Gericht ein Unterlaufen der vorgesehenen Konzeption des Bundesverwaltungsgerichtes als gerichtliche Rechtsmittelinstanz bedeuten. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

3.2.5. Weiters wird auf die zwischenzeitig vorliegende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers sowie die zum Entscheidungszeitpunkt bestehende Inhaftierung des Beschwerdeführers in Untersuchungshaft hingewiesen. Womöglich wären diese Umstände nunmehr bei einer neuerlichen Entscheidung des Bundesamtes zu berücksichtigen.

3.2.6. Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die gegenständliche Rechtssache an das Bundesamt als zuständige erstinstanzliche Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesamt wird in dem neuerlich zu führenden Verfahren die oben dargelegten Bezug habende Ermittlungsschritte vorzunehmen und den dabei erhobenen Sachverhalt sowie die vorgelegten Beweismittel, mit Setzung von weiteren, über die bisherigen Ermittlungsschritte hinausgehenden, Ermittlungsschritten rechtlich unter die konkret anzuwendenden Normen zu subsumieren und zu würdigen haben.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Bescheinigungsmittel, Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Verfahrensführung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G308.2179233.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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