Entscheidungsdatum
30.07.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I405 2199689-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Tunesien, vertreten RA Mag. Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, Untere Viaduktgasse 6/6, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.06.2018, Zl. 630957708-170113198, zu Recht erkannt:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 5 VwGVG ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach seiner illegalen Einreise ins Bundesgebiet am 24.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 07.02.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF ohne eine die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutzes gem. Artikel 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates Italien zuständig sei.
3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.04.2013 als unbegründet abgewiesen.
4. Der BF wurde am 26.08.2013 nach Italien überstellt.
5. Der BF kehrte wieder nach Österreich zurück und wurde am 17.09.2013 wieder nach Italien rücküberstellt.
6. Der BF kehrte erneut nach Österreich zurück und wurde über ihn am 27.09.2013 sowie am 23.09.2014 Schubhaft zur Sicherung der Erlassung einer Anordnung zur Auslandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
7. Am 03.09.2014 stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag wurde gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt.
8. Am 26.01.2017 wurde der BF von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und zu seinen privaten Verhältnissen befragt, wobei der BF angab, traditionell verheiratet zu sein und dass seine Frau schwanger sei. Seine Familie würde ihn Tunis leben. In Tunesien habe er die Grundschule besucht und er habe als Händler seinen Lebensunterhalt bestritten.
9. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 26.01.2017 wurde dem BF mit einem "Parteiengehör" mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen. Unter Setzung einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme trug die belangte Behörde ihm überdies die Beantwortung einer Reihe von Fragen zu seiner persönlichen Situation auf und wies darauf hin, das Verfahren werde ohne nochmalige Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt, falls er die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht wahrnehme. Eine Stellungnahme langte bei der belangten Behörde nicht ein.
10. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 24.10.2017 wurde dem BF neuerlich mit einem "Parteiengehör" mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen. Unter Setzung einer vierzehntägigen Frist zur Stellungnahme trug die belangte Behörde ihm überdies die Beantwortung einer Reihe von Fragen zu seiner persönlichen Situation auf und wies darauf hin, das Verfahren werde ohne nochmalige Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt, falls er die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht wahrnehme. Die Stellungnahme langte am 14.12.2017 bei der belangten Behörde ein.
11. Am 27.11.2017 stellte der BF einen Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
12. Am 14.12.2017 brachte der BF - nach vorherigem Verbesserungsauftrag - eine Antragsbegründung bei der belangten Behörde ein.
13. Mit Schriftsatz vom 16.02.2018 legte der BF weitere Urkunden vor, unter anderem seine Heiratsurkunde mit einer österreichischen Staatsangehörigen.
14. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 05.06.2018 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 idgF erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Tunesien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
15. Der bezeichnete Bescheid wurde dem BF zusammen mit einem Informationsblatt über die Verpflichtung zur Ausreise sowie der Verfahrensanordnung vom 05.06.2018, wonach dem BF die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkhilfe als Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt wird, am 07.06.2018 zugestellt.
16. Mit Schriftsatz erhob der BF - vertreten durch seinen nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter - fristgerecht Beschwerde gegen den oben bezeichneten Bescheid.
17. Die Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden vom BFA am 27.06.2018 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt ebenfalls am 03.07.2018) vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF stellte am 27.11.2017 einen Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
Über gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde bislang nicht abgesprochen.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.
Der BF stellte am 27.11.2017 einen Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Über gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde bislang von der belangten Behörde nicht abgesprochen.
Zwar wurde das gegenständliche Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor der Antragstellung des BF eingeleitet, jedoch waren zum Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde noch beide Verfahren offen, weshalb für die erkennende Richterin nicht ersichtlich ist, weswegen von der belangte Behörde bisher nicht über den noch offenen Antrag gemäß § 55 AsylG abgesprochen wurde, da durch die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Entscheidung über den Antrag gemäß § 55 AsylG vorweggenommen wird, zumal die Behörde nunmehr bei nicht geänderten Sachverhalt nur mehr formell und nicht inhaltlich entscheiden muss.
Die belangte Behörde hätte die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und den Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zusammenfallen lassen müssen und gegebenenfalls bei Abweisung des Antrages eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen können, um die Vorwegnahme der Entscheidung zu dem Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zu vermeiden.
Da über den Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK bislang nicht abgesprochen wurde und der gegenständliche Bescheid über die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot) die Entscheidung bezüglich des Antrages vorwegnehmen würde, war der Bescheid ersatzlos zu beheben.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2). Da der Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR/EuGH stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot aufgehoben, ersatzloseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I405.2199689.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.09.2018