TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/31 W104 2181890-1

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Veröffentlicht am 31.07.2018
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Entscheidungsdatum

31.07.2018

Norm

BSVG §217 Abs2 Z6
B-VG Art.133 Abs4
MOG 2007 §19 Abs3
MOG 2007 §19 Abs7b
MOG 2007 §6
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W104 2181890-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerde von XXXX, BNr. XXXX, gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 5.1.2017, AZ II/4-DZ/16-5332393010, betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2016 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid so abgeändert, dass dem Antrag vom 18.3.2016 auf Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der Nationalen Reserve, Regelung Neuer Betriebsinhaber, stattgegeben wird.

II. Die AMA hat gemäß den Vorgaben in diesem Erkenntnis die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis bescheidmäßig mitzuteilen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer stellte am 18.3.2016 einen Antrag auf Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der Nationalen Reserve im Rahmen der Regelung für Neue Betriebsinhaber und einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2016, wobei er die Gewährung von Direktzahlungen beantragte.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die AMA den Antrag auf Direktzahlungen und von Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der Nationalen Reserve ab. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem Jahr 2014 eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen habe (Hinweis auf Art. 28 Z 4 VO 639/2014).

3. Im Rahmen seiner Beschwerde vom 30.1.2017 machte der Beschwerdeführer geltend, er habe im Mai 2011 den gesamten Betrieb übernommen, sämtliche landwirtschaftliche Flächen (Wiesen) seien zu diesem Zeitpunkt verpachtet gewesen und die Pachtverträge auf ihn als Rechtsnachfolger übergegangen. Im Jahr 2015 seien Pachtverträge aufgekündigt worden und (erst) seither werde eine Fläche von 1,6382 ha von ihm selbst bewirtschaftet. Alle anderen Tätigkeiten seien rein forstwirtschaftlich.

4. Bei der Beschwerdevorlage erklärte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer sei seit 5.5.2011 als Landwirt eingetragen, aber keine weiteren Unterlagen und Nachweise erbracht, dass er nicht landwirtschaftlich tätig gewesen sei. Somit erfülle er die Voraussetzungen als Neuer Betriebsinhaber nicht.

5. Das Bundesverwaltungsgericht ersuchte die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) um Mitteilung, für landwirtschaftliche Fläche in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer zwischen 2010 und 2015 beitragspflichtig war. Mit Schreiben vom 6.2.2018 gab die SVB an, dass im fraglichen Zeitraum bis zu 28,9074 ha an landwirtschaftlicher Fläche vom Beschwerdeführer selbst bewirtschaftet worden sei und dafür Beiträge gezahlt wurden. Es wurde darauf hingewiesen, dass dem Beschwerdeführer die Beiträge zur Sozialversicherung nicht pauschal vom Einheitswert sondern aufgrund der beantragten Beitragsgrundlagenoption vom Einkommenssteuerbescheid vorgeschrieben würden.

6. Im Rahmen des ihm gewährten Parteiengehörs nahm der Beschwerdeführer zu dieser Mitteilung dergestalt Stellung, dass die gesamte landwirtschaftliche Fläche der Liegenschaft XXXX 3,4107 ha Grünland und nicht wie von der SVB geschrieben 33,3481 ha betragen habe. Die Gesamtfläche seines Betriebes XXXX habe 137,6482 ha betragen, davon 3,4107 ha Grünland, der Rest sei Wald und Moor). Dieses Grünland 3,4107 ha sei seit ca. 15 Jahren (schon von seinem Vorgänger) verpachtet. Den Pachtvertrag habe er als Rechtsnachfolger übernommen. Es müsse sich um einem Irrtum handeln, möglicherweise seien es uralte Grundstücknummern, die einmal als Wiese eingetragen waren. Im Jahr 2016 habe er das Grundstück XXXX (5271m² Grünland),

XXXX erworben. Das Grundstück XXXX (10822 m² Grünland), XXXX sei bis 2015 als Heidelbeergarten verpachtet gewesen, dieser sei 2015 gekündigt und das Grundstück wieder in die Urform Wiese zurückgesetzt worden. Für diese beiden Flächen (1,6082 ha) habe er eine Direktzahlung beantragt, da sie extensiv genutzt werden.

7. Mit 1.3.2018 erteilte das Bundesverwaltungsgericht an die AMA einen Ermittlungsauftrag gemäß § 19 Abs. 7b MOG 2007, zu dem die AMA jedoch nur darauf hinwies, dass kein Mehrfachantrag vor 2016 gestellt und keine Pachtverträge vorgelegt wurden, weshalb die AMA nicht eruieren könne, welche Flächen sich im Besitz des Landwirts befänden.

8. Mit Schreiben vom 14.3.2018 teilte die SVB mit, dass sie in ihrem Schreiben vom 6.2.2018 vom Einheitswertbescheid des Finanzamtes Judenburg ausgegangen sei, jedoch werde nochmals betont, dass der Beschwerdeführer aufgrund der beantragten Beitragsgrundlagenoption nicht auf Basis des land(forst)wirtschaftlichen Einheitswertes beitragspflichtig sei, sondern die Beiträge vom Einkommenssteuerbescheid vorgeschrieben würden.

9. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für 12.4.2018 eine mündliche Verhandlung an, die aufgrund eines Ersuchens des Beschwerdeführers auf 28.6.2018 verlegt wurde. Der Beschwerdeführer erschien jedoch auch zu dieser Verhandlung nicht, weil am Vortag eine Mure seine Forststraße beschädigt habe und er die Reparatur organisieren müsse. Bei der in seiner Abwesenheit durchgeführten Verhandlung konstatierte der Behördenvertreter, dass sich aus der in OZ 9 einliegenden Mitteilung gemäß § 217 Absatz 2 Z 6 BSVG eine zum 1.1.2014 landwirtschaftlich genutzte Fläche von ca. 4,61 ha ergebe. Dies stelle ein anderes Flächenausmaß als das nunmehr vom Beschwerdeführer beantragte und von der SVB für die früheren Jahre angegebene dar. Eine Prüfung des wahren Sachverhalts scheine nur auf Grund entsprechender vom Beschwerdeführer beigebrachter Unterlagen möglich.

10. Mit Parteiengehör vom 28.6.2018 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer um schriftliche Vorlage aller verfügbaren Beweismittel für sein Vorbringen, auf den fraglichen Grundstücken bis zum Jahr 2015 keine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt zu haben. Mit Schreiben vom 19.7.2018 legte der Beschwerdeführer umfangreiche Unterlagen zu seinem Vorbringen vor (Einheitswertbescheid vom 5.7.2018, Pachtverträge, Luftbilder aus dem Digitalen Atlas Steiermark - Planung und Kataster.

11. Nach Aufforderung durch das Gericht nahm die AMA zu diesen Unterlagen dahingehend Stellung, dass aufgrund der vorliegenden und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, sowie der von ihm vorgebrachten Argumente, auch die AMA nunmehr davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer erst nach dem Antragsjahr 2015 begonnen hat, landwirtschaftliche Flächen zu bewirtschaften bzw. dass er vor 2016 nur forstwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet hat. Der Beschwerde könne deshalb seitens der AMA stattgegeben werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer stellte am 18.3.2016 einen Antrag auf Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der Nationalen Reserve im Rahmen der Regelung für Neue Betriebsinhaber und einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2016, wobei er die Gewährung von Direktzahlungen beantragte.

In den Jahren 2010 bis 2015 hat der Beschwerdeführer keine landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftet.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus den vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19.7.2018 vorgelegten Unterlagen, die geeignet sind, zu belegen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich keine Fläche selbst bewirtschaftet hat. Dies wurde auch von der Behörde anerkannt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EU) 1307/2013:

"Artikel 4

Begriffsbestimmungen und damit zusammenhängende Bestimmungen

(1) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff

a) "Betriebsinhaber" eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen, unabhängig davon, welchen rechtlichen Status diese Vereinigung und ihre Mitglieder aufgrund nationalen Rechts haben, deren Betrieb sich im räumlichen Geltungsbereich der Verträge im Sinne des Artikels 52 EUV in Verbindung mit den Artikeln 349 und 355 AEUV befindet und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübt;

b) "Betrieb" die Gesamtheit der für landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten und vom Betriebsinhaber verwalteten Einheiten, die sich im Gebiet desselben Mitgliedstaats befinden;

c) "landwirtschaftliche Tätigkeit"

i) die Erzeugung, die Zucht oder den Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, einschließlich Ernten, Melken, Zucht von Tieren sowie Haltung von Tieren für landwirtschaftliche Zwecke,

ii) die Erhaltung einer landwirtschaftlichen Fläche in einem Zustand, der sie ohne über die in der Landwirtschaft üblichen Methoden und Maschinen hinausgehende Vorbereitungsmaßnahmen für die Beweidung oder den Anbau geeignet macht, auf der Grundlage von Kriterien, die von den Mitgliedstaaten anhand eines von der Kommission vorgegebenen Rahmens festgelegt werden, oder

iii) die Ausübung einer von den Mitgliedstaaten festgelegten Mindesttätigkeit auf landwirtschaftlichen Flächen, die auf natürliche Weise in einem für die Beweidung oder den Anbau geeigneten Zustand erhalten werden;

[...]

e) "landwirtschaftliche Fläche" jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt wird; [...]

"Artikel 30

Einrichtung und Verwendung der nationalen Reserve oder der regionalen Reserven

(1) Jeder Mitgliedstaat richtet eine nationale Reserve ein. Dazu nehmen die Mitgliedstaaten im ersten Anwendungsjahr der Basisprämienregelung eine lineare prozentuale Kürzung der für die Basisprämienregelung auf nationaler Ebene geltenden Obergrenze vor.

[...]

(6) Die Mitgliedstaaten verwenden ihre nationalen oder regionalen Reserven vorrangig dazu, Junglandwirten und Betriebsinhabern, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen, Zahlungsansprüche zuzuweisen.

[...]

(11) Für die Zwecke dieses Artikels gelten folgende Begriffsbestimmungen:

[...]

b) "Betriebsinhaber, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen" sind natürliche oder juristische Personen, die in den fünf Jahren vor Aufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit weder in eigenem Namen und auf eigene Rechnung eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt haben noch die Kontrolle einer juristischen Person innehatten, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübte. Bei juristischen Personen darf/dürfen die natürliche(n) Person(en), die die Kontrolle der juristischen Person innehat/innehaben, in den fünf Jahren vor Aufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit durch die juristische Person weder in eigenem Namen und auf eigene Rechnung eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt noch die Kontrolle einer eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübenden juristischen Person innegehabt haben. Die Mitgliedstaaten können eigene zusätzliche objektive und nichtdiskriminierende Förderkriterien für diese Kategorie von Betriebsinhabern im Hinblick auf einschlägige Qualifikationen, Erfahrung oder Ausbildung festlegen.

Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014, ABl. L 181 vom 20.6.2014, S. 1, im Folgenden VO (EU) 639/2014:

"Artikel 28

Festsetzung der Zahlungsansprüche aus der nationalen oder regionalen Reserve gemäß Artikel 30 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013

[...]

4. Betriebsinhaber, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen, sind für die Zwecke dieses Artikels ausschließlich diejenigen Betriebsinhaber, die ihre landwirtschaftliche Tätigkeit im Kalenderjahr 2013 oder später aufgenommen haben und die spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie ihre landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen haben, einen Antrag auf die Basisprämie stellen."

3.2. Rechtliche Würdigung:

Mit dem Antragsjahr 2015 kam es zu einer Reform der Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Einheitliche Betriebsprämie wurde von der Basisprämie und mehreren ergänzenden Zahlungen abgelöst.

Die Gewährung der Basisprämie setzt die (Neu-)Zuweisung von Zahlungsansprüchen voraus. Die Mitgliedstaaten verwenden ihre nationalen Reserven vorrangig dazu, Junglandwirten und Betriebsinhabern, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen, Zahlungsansprüche zuzuweisen.

"Betriebsinhaber, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen" sind gemäß Art. 30 Abs. 11 lit. b VO (EU) 1307/2013 natürliche oder juristische Personen, die in den fünf Jahren vor Aufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit weder in eigenem Namen und auf eigene Rechnung eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt haben noch die Kontrolle einer juristischen Person innehatten, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübte.

Demgemäß ist die im vorliegenden Fall entscheidende Frage, ob der Beschwerdeführer bereits bevor der von ihm geltend gemachten Aufnahme seiner Tätigkeit im Jahr 2016 eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat und so keinen Anspruch auf Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve geltend machen könnte.

Da ihm nach der Verpachtung von landwirtschaftlichen Grundstücken keine landwirtschaftlichen Flächen verblieben sind, d.s. Flächen, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt werden (Art. 4 Abs. 1 lit. c VO [EU] 1307/2013), und er somit die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen erst nach Wiederübernahme der verpachteten Flächen Jänner 2016 aufgenommen hat, erfüllt er die Voraussetzungen zur Zuweisung von Zahlungsansprüchen an Betriebsinhaber, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Rechtslage ist eindeutig.

Schlagworte

Berechnung, Bescheidabänderung, Betriebsübernahme, Bewirtschaftung,
Direktzahlung, einheitliche Betriebsprämie, Irrtum,
landwirtschaftliche Tätigkeit, Mehrfachantrag-Flächen, Mitteilung,
Pacht, Prämiengewährung, Prämienzahlung, Zahlungsansprüche,
Zuteilung, Zuweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W104.2181890.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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