Entscheidungsdatum
02.08.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2174521-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Moldawien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zl. 1157687208-170745865, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF als unbegründet
abgewiesen.
Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Moldawien, stellte
am 24.06.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz
in Österreich. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer
im Mai 2014 in Norwegen (NO1 ... vom 27.05.2014), im Dezember 2014
in Dänemark (DK1 ... vom 02.12.2014) und im Oktober 2016 in Kroatien
(HR1 ... vom 04.10.2016) um Asyl ansuchte.
Am 26.06.2017 wurde der Beschwerdeführer durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und brachte hiebei zusammengefasst vor, im Jahr 2014 in Norwegen um Asyl angesucht, das Land jedoch zwei Wochen später wieder verlassen zu haben, da man ihm gesagt hätte, dass er dort keine Chance auf einen positiven Bescheid hätte. Im Jahr 2014 habe er dann auch in Dänemark um Asyl angesucht und sich dort ungefähr sieben Monate lang aufgehalten; er sei dann jedoch abgeschoben worden. Im Jahr 2016 habe der Beschwerdeführer schließlich in Kroatien einen Asylantrag gestellt und auch dort einen negativen Bescheid bekommen. Im Mai 2017 sei er in Moldawien festgenommen worden; nach seiner Freilassung sei er sofort aus Moldawien ausgereist und über Rumänien, Serbien und Montenegro nach Österreich gekommen. Er habe in keinem dieser durchreisten Länder um Asyl angesucht. In Rumänien sei "alles normal" gewesen. Das Vorhandensein von familiären Anknüpfungspunkten in Österreich bzw. einem EU-Land wurde vom Beschwerdeführer genauso verneint wie das Vorliegen von gesundheitlichen Problemen. Der Beschwerdeführer wolle in Österreich bleiben, da die gesetzlichen Grundlagen hier gut seien und es keine Korruption gebe. In seiner Heimat habe er als Polizeikonsultant gearbeitet und Korruption aufgedeckt. Dafür sei er ins Gefängnis gesteckt worden. Nachdem dort bekannt geworden sei, dass er Polizist sei, sei er im Gefängnis vergewaltigt worden. Deshalb leide er jetzt noch unter starken psychischen Problemen.
Am 05.07.2017 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Kroatien sowie auch auf Art. 34 Dublin III-VO gestützte Informationsersuchen an Norwegen und Dänemark.
Sowohl Norwegen als auch Dänemark lehnten eine Zuständigkeit zur Führung des Verfahrens des Beschwerdeführers mit Schreiben vom jeweils 17.07.2017 ab und begründeten dies damit, dass der Beschwerdeführer dort eine negative Entscheidung erhalten habe und (von Dänemark am 27.10.2015 und von Norwegen am 01.08.2014) in die Heimat überstellt worden sei (vgl. Aktenseiten 75 und 77 des Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers; infolge kurz: AS).
Mit Schreiben vom 18.07.2017 teilten die kroatischen Behörden ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gem. Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin-III-VO mit (AS 81).
Der Beschwerdeführer wurde am 11.08.2017, in Anwesenheit eines Rechtsberaters und nach durchgeführter Rechtsberatung, einer Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterzogen. Hierbei gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Er habe Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen in Italien, Deutschland und Norwegen; er lebe in Österreich nicht in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer bestätigte über Nachfrage seine Asylantragstellung in Kroatien und gab hiezu an, dort einen negativen Asylbescheid erhalten zu haben und anschließend zum Verlassen des Landes aufgefordert worden sei. In Kroatien habe er sich von Oktober 2016 bis ungefähr Ende April 2017 aufgehalten. Über Vorhalt der beabsichtigten Überstellung nach Kroatien erklärte der Beschwerdeführer, dass diese Entscheidung juristisch nicht korrekt sei. In Kroatien sei es schlimmer als in seiner Heimat. Das Land sei "sehr gut und schön, aber das Asylsystem sei schlecht" (AS 155). Er habe sieben Monate lang kein warmes Essen bekommen, weshalb er krank geworden sei. Täglich um 7.00 Uhr komme die Polizei in die Zimmer der Flüchtlinge in der Unterkunft in Porin und mache Lärm. Die kroatische Polizei schlage die Menschen auch; es würden dort "Gefängnisbedingungen" herrschen. Der Beschwerdeführer selbst sei in Kroatien mehrmals von der Polizei grundlos geschlagen worden. Im Nachhinein hätten sich die Polizisten entschuldigt. Sobald der Beschwerdeführer versucht habe, die Zustände in Kroatien aufzunehmen, sei er von Polizei mitgenommen worden. Er habe sich mehrmals beim Roten Kreuz und bei anderen Menschenrechtsorganisationen beschwert; zwei bis drei Wochen danach habe er dann einen negativen Bescheid erhalten. Abgesehen von den geschilderten Misshandlungen durch die Polizei und die schlechte Versorgung mit Essen, gebe es in Kroatien auch keine ärztliche Versorgung. Der Beschwerdeführer habe psychische Probleme und sei in Kroatien nie untersucht worden. Er habe von einem Arzt in Kroatien immer nur eine Tablette erhalten; dieser Arzt sei betrunken gewesen. In Österreich hingegen sei der Beschwerdeführer jede Woche beim Arzt. Zuletzt gab der Beschwerdeführer an, nach Österreich gekommen zu sein, da hier die Menschenrechte eingehalten werden würden und weil es - im Gegensatz zu Kroatien - hier eine moldawische Botschaft gebe. Er brauche eine Botschaft, weil er Regelungen hinsichtlich seiner Staatsbürgerschaft treffen wolle. Dem Beschwerdeführer wurde eine Ladung zu einer PSY-III-Untersuchung ausgefolgt.
Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer ein Überweisungsschreiben hinsichtlich einer Sonographie der Schilddrüse sowie des Oberbauchs (Diagnose: "latente Hypothyreose, V.a. Steatosis hepatis") und einen Laborbefund vor. Aus einem Arztbrief vom 14.08.2017 ergibt sich ebenfalls das Vorliegen eine latente Hypothyreose sowie erhöhter Leberparamter. Der Beschwerdeführer sei emotional sehr belastet, weshalb ihm vorerst dringend Schonung empfohlen werde.
Laut einem Aktenvermerk des Bundesamtes vom 23.08.2017 habe der Beschwerdeführer mehrmals die ihm auferlegte Meldeverpflichtung verletzt, weshalb er als flüchtig anzusehen sei. Mit Schreiben des Bundesamtes vom selben Tag wurde dieser Umstand bzw. die damit zusammenhängende Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate den kroatischen Behörden zur Kenntnis gebracht (AS 203).
Am 01.09.2017 wurde der Beschwerdeführer einer Untersuchung durch eine allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige unterzogen, die in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 06.09.2017 zu dem Ergebnis kam, dass beim Beschwerdeführer der Verdacht auf das Vorliegen von PTSD, F43.1 (etwas wahnhaft gefärbt nach Traumatisierung im Gefängnis) bestehe. Zur Zeit der Befundaufnahme seien die kognitiven Funktionen intakt; die Aufmerksamkeit sei nicht verändert. Es würden sich keine formalen Denkstörungen, in den Träumen religiöse Inhalte finden. Insgesamt zeige der Beschwerdeführer leicht wahnhafte Züge; möglich sei eine etwas wahnhaft gefärbte Traumafolgestörung, F43.1 PTSD nach sexualisierter Gewalt. Therapeutische oder medizinische Maßnahmen wurden nicht angeraten. Suizidgedanken würden aktuell nicht vorliegen. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei bei einer Überstellung nicht sicher auszuschließen; eine akute Selbstgefährdung liege zum Zeitpunkt der Befundaufnahme jedoch nicht vor. In einer Ergänzung vom selben Tag (aufgrund des Einlangens von weiteren Befunden) wurde noch angemerkt, "dass die erhöhten Werte des Muskelenzyms Kreatinkinase und die erhöhten Werte GPT sowie GOT auf eine erhöhte sportliche Aktivität des Beschwerdeführers hinweisen würden; dies gehöre abgeklärt. Wenn die Sonographie o.B. sei, könne man auf eine weitere Abklärung derzeit verzichten."
In einer Stellungnahme vom 26.09.2017 wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Flucht aus Moldawien traumatische Erlebnisse gehabt habe, welche sich schwer auf seine Psyche auswirken würden. Er leide auch an einer Depression, wobei diesbezüglich auf das im Akt aufliegende Gutachten verwiesen werde. Der Beschwerdeführer habe sich in Kroatien sechs Monate als Asylwerber aufgehalten. Über ein Asylverfahren oder Ähnliches sie er nicht ausreichend aufgeklärt worden. Als er in Kroatien einen Asylantrag gestellt habe, sei die Behandlung durch die kroatische Polizei grob gewesen; der Beschwerdeführer sei von den Polizisten beschimpft und gestoßen worden. Aufgrund der schlechten Umstände habe er Kroatien verlassen und sich mehrere Monate außerhalb der EU aufgehalten. In Österreich habe sich sein Zustand wesentlich stabilisiert, wohingegen er in Kroatien erneut in eine ausweglose Lage geraten würde. Eine Überstellung nach Kroatien würde sich negativ auf seinen psychischen Gesundheitszustand auswirken. Die Möglichkeiten einer adäquaten psychologischen und allenfalls psychiatrischen Betreuung in Kroatien seien nicht beurteilbar. Beim Beschwerdeführer handle es sich um eine besonders vulnerable Person; er leide an verschiedenen gravierenden Erkrankungen und müsse sich verschiedenen Therapien unterziehen. Asylwerber hätten in Kroatien nur Anspruch auf medizinische Notversorgung. Österreich wäre gehalten, das Selbsteintrittsrecht auszuüben. Weiters wurde vorgebracht, dass es weder Indizien noch Belege für eine Durchreise des Beschwerdeführers durch Kroatien gebe und die Zuständigkeit Kroatiens ausschließlich mit Verfristung begründet würde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I.) der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Kroatien zur Prüfung des Antrags zuständig sei, sowie II.) gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Kroatien wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 3.2017; für weitere Informationen siehe dieselbe Quelle).
Von Jänner bis einschließlich Juli 2017 verzeichnete Kroatien 902 Asylanträge. Im selben Zeitraum entzogen sich 661 Personen dem Asylverfahren durch Untertauchen (VB 28.8.2017).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
-
VB des BM.I für Kroatien (28.8.2017): Bericht des VB, per E-Mail
1. Dublin-Rückkehrer
Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren, haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in so einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 3.2017).
Dublin-Rückkehrer nach Kroatien haben bei Rückkehr Zugang zum Verfahren. In der Regel werden Neuanträge eingebracht (VB 9.11.2016).
Die NGO ECRE kritisierte Ende 2016, dass vor allem Vulnerable von Dublin-Überstellungen nach Kroatien betroffen seien und führt aus, dass die Unterbringungsbedingungen in Kroatien zwar keinen kompletten Überstellungsstopp rechtfertigen mögen, rät aber dennoch dazu, von der Überstellung vulnerabler Personen Abstand zu nehmen (ECRE 15.12.2016).
Gemäß Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs dürfen Migranten im Rahmen Dublin-VO nach Kroatien zurückgeschickt werden, die im Zuge der sogenannten "Flüchtlingskrise" von 2015/2016 von Kroatien "durchgewunken" worden waren. Die Weiterreise der betreffenden Migranten erfolgte dem EuGH zufolge illegal und die Dublin-Regeln sind anzuwenden (DS 26.7.2017).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
-
DS - Der Standard (26.7.2017): Entscheidung zu Asylregeln:
Kroatien befürchtet hunderte Rückschiebungen, http://derstandard.at/2000061843511/EU-Hoechstgericht-zu-Asylregeln-Kroatien-befuerchtet-hunderte-Rueckschiebungen, Zugriff 14.8.2017
-
ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):
Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,
https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017
-
VB des BM.I für Kroatien (9.11.2016): Bericht des VB, per E-Mail
2. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel und Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt (z.B. FGM-Opfer). Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete Unterstützung-auch medizinisch - zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß Vulnerabilität tatsächlich systematisch identifiziert wird. Generell hängt dies wohl eher vom zuständigen Beamten ab. Für Vulnerable gibt es kein institutionalisiertes Früherkennungssystem. Anträge von Unbegleiteten Minderjährigen Asylwerbern (UMA) haben Priorität (AIDA 3.2017).
In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Dabei ist man in der Unterbringung stark auf die tägliche Mitarbeit der dort tätigen NGOs angewiesen, die gegebenenfalls Vulnerable erkennen und entsprechend ihrer Bedürfnisse weiterverweisen können. Eine erste Einschätzung nimmt bei deren Ankunft im Unterbringungszentrum "Hotel Porin" das Kroatische Rote Kreuz vor, wo in vielen Fällen bereits spezielle Bedürfnisse erkannt werden können (ECRE 15.12.2016).
Unbegleiteten Minderjährigen (UM), die den Wunsch nach Asyl erkennen lassen, ist vom Zentrum für soziale Wohlfahrt noch vor Antragstellung ein geeigneter Vormund zur Seite zu stellen. Das geschieht in der Regel sofort (Kutina) oder dauert bis zu 4 Wochen (Zagreb). Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Überlastung und Verständigungsprobleme können dazu führen, dass die Rolle der Vormunde eher formal bleibt und sie nicht aktiv im Sinne ihrer Schutzbefohlenen tätig werden. 2016 wurden auch Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes in einigen Fällen als Vormunde bestellt. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Ist ein UM über 16 Jahre und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen (AIDA 3.2017).
Es werden weiterhin unbegleitete Minderjährige in Heimen untergebracht, darunter auch Einrichtungen für verhaltensauffällige Kinder, ohne eine geeignete Vormundschaft und ohne Zugang zu Bildung (HRW 12.1.2017).
Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten, die mit dem Kind täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Kindes und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus allgemeiner medizinischer Untersuchung und Röntgen der Zähne oder der Hand. Im Zweifel ist die Minderjährigkeit anzunehmen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der ASt. als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber nicht (nur) deswegen abgelehnt werden. Im Zweifel ist von der Minderjährigkeit auszugehen. Diese Vorgehensweise wurde aber noch nie angewandt. In der Praxis haben Mitarbeiter der Zentren für soziale Wohlfahrt auf Basis der physischen Erscheinung entschieden. Die bei der Betreuung von UM zuständigen Behörden haben sich auf ein "Protocol on treatment of separated children-foreign nationals" geeinigt, um einheitliche Abläufe bei Betreuung und Schutz von UM garantieren zu können. Auch UNHCR hat dazu Input geliefert (AIDA 3.2017).
Alle Kinder von Asylwerbern im schulpflichtigen Alter, die im sogenannten "Hotel Porin" untergebracht sind, können nahegelegene Volksschulen und Kindergärten besuchen. Nationale Kapazitäten zur Integration der Kinder von Flüchtlingen und Migranten in das kroatische Bildungssystem, werden durch ein von UNICEF unterstütztes Aufbauprogramm weiter gestärkt (UNICEF 15.3.2017; vgl. UNHCR 1.2017).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
-
ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):
Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,
https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017
-
HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - European Union, https://www.ecoi.net/local_link/334735/476552_de.html, Zugriff 21.8.2017
-
UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (15.3.2017):
Refugee and Migrant Crisis in Europe. Humanitarian Situation Report # 21, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/54644, Zugriff 31.8.2017
-
UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (1.2017): EUROPE'S REFUGEE SITUATION RESPONSE UPDATE #34, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1490269116_unhcr-update-on-the-emergency-response-in-europe-january-2017.pdf, Zugriff 21.8.2017
3. Non-Refoulement
Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte "Push-backs" von Migranten an der Grenze zu Serbien (HRW 12.1.2017; vgl. UNHCR 1.2017; AIDA 3.2017).
Es gibt eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien und Tunesien. Bisher wurde das Konzept des sicheren Herkunftslandes meist bei Algeriern und Marokkanern angewandt. Laut Gesetz ist ein sicherer Drittstaat einer, in welchem ein Antragsteller sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko einen ernsten Schaden zu erleiden; welcher das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und welcher effektiven Zugang zum Asylverfahren gewährt. Ob dies zutrifft ist eine Einzelfallentscheidung. Wen ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 3.2017).
Es bestehen bei Rückkehr nach Kroatien derzeit offenbar keine Risiken bezüglich Kettenabschiebung in andere Länder. Obwohl das Gesetz erlaubt, Anträge als unzulässig abzulehnen wenn ein Antragsteller aus einem sicheren Drittland bzw. einem europäischen sicheren Drittland kommt oder dort bereits Flüchtlingsstatus hat, wurden diese Bestimmungen - zumindest bis Ende 2016 - noch nicht in der Praxis angewandt (ECRE 15.12.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
-
ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):
Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,
https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017
-
HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - European Union, https://www.ecoi.net/local_link/334735/476552_de.html, Zugriff 21.8.2017
-
UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (1.2017): EUROPE'S REFUGEE SITUATION RESPONSE UPDATE #34, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1490269116_unhcr-update-on-the-emergency-response-in-europe-january-2017.pdf, Zugriff 21.8.2017
4. Versorgung
Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht umfasst Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung und gilt ab dem Zeitpunkt, an dem sie den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen. Nur für Folgeantragsteller gelten Einschränkungen. Die monatliche finanzielle Unterstützung gibt es ab Unterbringung in einem Zentrum. Diese betrug Ende 2016 100 Kuna (EUR 13,30) für eine Person. Gibt es abhängige Familienmitglieder, erhöht sich der Betrag. Trotzdem gilt die Unterstützung als sehr gering bemessen. Seit Mitte 2016 dürfen Asylwerber in Zagreb die öffentlichen Verkehrsmittel gratis benützen. Asylwerber (AW) deren Verfahren nach 9 Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für AW wird durch die Sprachbarriere und hohe Arbeitslosigkeit behindert. AW haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber innerhalb der Unterbringungszentren mitarbeiten und werden in Form zusätzlicher Bedarfsartikel entlohnt (AIDA 3.2017).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
4.1. Unterbringung
Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in Unterbringungszentren für Asylwerber (AW). Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über 2 offene Unterbringungszentren für AW, in Zagreb (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 82 Plätze) (AIDA 3.2017). Andere Quellen begnügen sich damit die Unterbringungskapazität in beiden Zentren mit rund 700 anzugeben (UNHRC 28.4.2017). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt, wobei Kutina primär der Unterbringung vulnerabler AW dient. Bezüglich der Unterbringungsbedingungen werden keine besonderen Probleme berichtet. Es gibt in den Zentren u.a. präventive Maßnahmen gegen sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt, Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an (AIDA 3.2017).
Mit Stand 20.8.2017 waren in den kroatischen Unterbringungseinrichtungen insgesamt ca. 600 Personen aufhältig (VB 28.8.2017).
In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Kinder bis 16 Jahre erhalten auch eine Nachmittagsjause. In Kutina gibt es Küchen, in denen die AW selbst kochen können. In Zagreb ist dies in Planung. Spezielle Anforderungen an die Ernährung (z.B. ärztliche Verschreibung oder religiöse Gründe) werden berücksichtigt, wobei es 2016 diesbezüglich scheinbar auch einige Probleme gab. Nach Angaben des Kroatischen Roten Kreuzes bieten 204 Sozialarbeiter täglich psychosoziale Unterstützung und organisieren soziale und pädagogische Aktivitäten mit Asylsuchenden in Zagreb (Montag-Samstag) und Kutina (Montag-Sonntag). Hauptaktivitäten sind: Unterstützung (Unterbringung, Erstinformation, usw.); Individuelle und familiäre psychosoziale Unterstützung nach Bedarf; Unterstützung von unbegleiteten Minderjährigen; Besondere Betreuung für Personen mit psychischen Problemen und potenziellen Opfern von Folter und Trauma; Spiel- und Bildungsaktivitäten mit Kindern; Unterstützung bei Schulaufgaben; Einführung in die kroatische Kultur, Sitten und Gebräuche; Gruppen- und Einzelarbeit mit einzelnen Frauen, einschließlich Einzelgesprächen zur Verhütung von Menschenhandel und sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt; Konflikt- und Gewaltprävention, Workshops zur Verhütung des Menschenhandels;
Sportliche Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Empfangszentren;
Sprachkurse für Kroatisch und Englisch; Hygieneförderung und Gesundheitserziehung; Jobcenter; Bibliothek; Friseursalon;
Bereitstellung von Informationen, praktische Unterstützung im täglichen Leben; Verweis an das Innenministerium zur Gesundheitsversorgung, an spezialisierte Einrichtungen der psychologischen und psychischen Gesundheit; und Organisation von Gemeindeversammlungen in Kutina und Zagreb (Vox Populi). Der Jesuitische Flüchtlingsdienst hat einen Computerraum mit neun Computern in Zagreb eingerichtet. Das Klassenzimmer ist täglich von Montag bis Freitag mit der Anwesenheit eines Dolmetschers und freiwilligen Unterstützern geöffnet. Gelegentlich ist die Klasse auch samstags und sonntags geöffnet. Seit November 2016 halten Freiwillige einmal wöchentlich einen Computerkurs nur für Frauen und einmal wöchentlich einen gemischten Kurs ab. 2016 waren viele internationale und nichtstaatliche Organisationen wie IOM, UNICEF, Save the Children und nationale NGOs (Kroatisches Rotes Kreuz, Croatian Law Center, JRS, Center for Peace Studies, u.a.) in beiden Empfangszentren aktiv. Es wurden auch verschiedene soziale und pädagogische Aktivitäten für Frauen und Kinder organisiert. Kroatisch- Sprachkurse werden vom Kroatischen Roten Kreuz, dem Center for Peace Studies und dem Jesuitischen Flüchtlingsdienst organisiert. Im Empfangszentrum Kutina sind die Freiwilligen des Centre for Peace Studies einmal wöchentlich (Montag nachmittags und abends) präsent. Freiwillige führen seit Februar 2014 psychosoziale Hilfstätigkeiten für Asylsuchende im Zentrum in Zagreb durch (Informationen über Asylsystem, kroatische Kultur und Geschichte, psychosoziale Unterstützung, kroatische Sprache). Freiwillige halten Vorträge zu verschiedenen Themen. Sie sind montags und mittwochs von 18:30 bis 21:00 Uhr und am Samstag von 15:00 bis 18:00 Uhr im Zentrum in Zagreb präsent. Das Innenministerium erlaubt ihnen, ein Zimmer für den Kroatisch-Unterricht zu verwenden. Das des Centre for Peace Studies organisiert seine Tätigkeiten an den Abenden, da tagsüber das Kroatische Rote Kreuz aktiv ist, deren Angebot man ergänzen und nicht ersetzen will. Die Freiwilligen sind auch keine professionellen Lehrer der kroatischen Sprache, sondern verwenden alternative aber wirksame Methoden. Das bietet das für Asylwerber und Schutzberechtigte auch Besichtigungstouren in Zagreb, Sensibilisierungsworkshops für die kroatische Öffentlichkeit, usw. an (AIDA 3.2017).
Einzelne von Österreich nach Kroatien zurückgekehrte Asylwerber beschrieben die Unterbringungseinrichtung Hotel Porin als "as good as a hotel" (UNHCR 26.5.2017).
Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden. In Einzelfällen gab es, obwohl rechtlich nicht vorgesehen, immer wieder humanitäre Ausnahmen (AIDA 3.2017).
Zudem verfügt Kroatien über ein geschlossenes (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 84 Plätzen. Es hat kürzlich einen neuen Flügel mit 28 Plätzen für die besondere Unterbringung von Familien, Frauen und Kindern erhalten, obwohl laut NGO-Angaben in den letzten Jahren Kinder nicht mit ihren erwachsenen Begleitpersonen inhaftiert wurden. 2016 wurden gemäß kroatischem Innenministerium keine vulnerablen Asylwerber inhaftiert (AIDA 3.2017).
Geplant ist die Errichtung zweier Transitzentren in Tovarnik und Trilj, in denen in Zukunft das Grenzverfahren abgewickelt werden soll. Ihre Kapazität wird angeblich bei je 62 Plätzen liegen und über einen eigenen Flügel für Vulnerable verfügen (AIDA 3.2017).
Quelle:
-
AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
-
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (26.5.2017): Refugees sent back from Austria find new hope in Croatia, http://www.unhcr.org/news/stories/2017/5/5922f6064/refugees-sent-austria-find-new-hope-croatia.html, Zugriff 1.9.2017
-
VB des BM.I für Kroatien (28.8.2017): Bericht des VB, per E-Mail
4.2. Unterbringung Vulnerabler/UMA
Für Vulnerable gelten spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Sie werden aber im allgemeinen Unterbringungssystem versorgt. So dient das Zentrum Kutina primär der Unterbringung vulnerabler AW. Dort gibt es spezielle Bereiche für Frauen und Vulnerable. Familien werden zusammen untergebracht, während alleinstehende Frauen, unbegleitete Minderjährige und Traumatisierte in getrennten Räumen untergebracht sind. UNICEF hat in Zusammenarbeit mit der Society for Psychological Assistance einen kinderfreundlichen Raum im Empfangszentrum eingerichtet. Darüber hinaus organisierte UNICEF in Zusammenarbeit mit der NGO Roda (Eltern in Aktion) Aktivitäten für Schwangere und Wöchnerinnen. Sozialarbeiter bieten tägliche psychosoziale Betreuung und organisieren soziale und kulturelle Events. Unbegleiteten Minderjährigen, psychisch beeinträchtigten Personen und potentiellen Traumaopfern wird besondere Beachtung geschenkt. Wenn nötig werden die Betroffenen zu medizinischer/psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und Kinder vor Erwachsenen zu schützen, führen die in den Empfangszentren tätigen Mitarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes Workshops durch und organisieren auch individuelle Beratungen, um über mögliche Risiken sexueller Gewalt, Ausbeutung und des Menschenhandels zu informieren. Weiters gibt es Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an. Wenn nötig werden die Betroffenen zu medizinischer/psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Wenn nötig können Vulnerable auch anderweitig untergebracht werden. Es existieren in Kroatien keine Monitoringmechanismen bezüglich der Einhaltung der Unterbringungsgarantien für Vulnerable. Sozialarbeiter des kroatischen Innenministeriums und des Roten Kreuzes sind aber täglich in den Zentren anwesend und können unterstützend tätig werden. In der Praxis können die Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes während ihrer regelmäßigen Arbeit und der Kommunikation mit Asylsuchenden sowie bei der Einzel- und Gruppenunterstützung die Bedürfnisse anfälliger Gruppen beobachten und, wo es nötig ist, Änderungen in der Unterbringung vorschlagen. Entsprechend dem Innenministerium werden spezielle Unterbringungsbedürfnisse meist auf Empfehlung des Arztes nach dem ersten Gesundheitscheck festgestellt (z.B. spezielle Diät, psychosoziale Unterstützung, spezielle Unterkunft) (AIDA 3.2017).
Quelle:
- AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
4.3. Medizinische Versorgung
Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung ist verfügbar im Unterbringungszentrum Zagreb und wenn nötig auch im Unterbringungszentrum Kutina. In Zagreb hat der Arzt wochentags täglich von 13:30 bis 15:30 Ordination. In Kutina kommt der Arzt auf Anfrage wenn genügend Interessenten vorhanden sind. Ansonsten ist medizinische Versorgung in der Notaufnahme verfügbar. Ein Zahnarzt bietet seine Dienste auf freiwilliger Basis an. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen arbeitet Médecins du Monde an einigen Tagen in der Woche in beiden Zentren mit einem Arzt und einer Krankenschwester. Médecins du Monde beklagt Mängel bei der durchgehenden Betreuung Schwangerer, bei Impfungen für Kinder und bei psychiatrischer Betreuung. Der Mangel an Übersetzern ist weiterhin ein Problem für die medizinische Betreuung. Mehrere andere NGOs (Jesuitischer Flüchtlingsdienst, Society for Psychological Assistance, Croatian Law Centre oder Rehabilitation Centre for Stress and Trauma) boten 2016 psychologische Betreuung an. Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich. Ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler existiert nicht, sie werden oft an den Arzt im Unterbringungszentrum verwiesen. Für traumatisierte Asylsuchende, die in Kutina untergebracht sind, ist psychosoziale Unterstützung im neuropsychiatrischen Krankenhaus in Popovaca verfügbar. Seit 2010 betreibt das Croatian Law Centre das Projekt "Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants". Das Projekt wird auch 2017 fortgesetzt. Es ist psychosoziale Unterstützung durch das Kroatische Rote Kreuz und psychologische Beratung durch externe Psychologen für Asylbewerber und Flüchtlinge verfügbar. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst unterstützt besonders Frauen beim Zugang zu medizinischer und psychologischer Hilfe. Seit März 2015 bietet das Zentrum für Kinder, Jugend und Familie (Modus), kostenlose Beratung und Psychotherapie für Asylsuchende und Flüchtlinge im Zentrum Zagreb an. Im Jahr 2016 wurde die Beratung vor allem in ihren Räumlichkeiten organisiert, und zwar von 6 ausgebildeten Beratern und Psychotherapeuten und 4 Dolmetschern (Russisch, Türkisch, Französisch, Arabisch) (AIDA 3.2017).
Asylsuchende in Kroatien haben gemäß den Gesetzen Anspruch auf medizinische und psychologische Versorgung. Das Asylgesetz beschränkt die Krankenversorgung auf Notfallversorgung und essentielle Behandlung von Krankheiten und ernsthaften psychischen Zuständen. Dies hat besonders Auswirkungen auf asylwerbende bzw. migrierende Kinder und Schwangere. Eine zusätzliche Barriere beim Zugang zu medizinischer Versorgung ist die Sprache, da der Staat für diese Zwecke keine kostenlose Dolmetschdienstleistungen zur Verfügung stellt und die meisten Asylsuchenden diese nicht selbst bezahlen können. Es wird auch bemängelt, dass viele Kinder von Asylwerbern bzw. Migranten nicht gegen vermeidbare Krankheiten geimpft werden. Es wird berichtet, dass sich die medizinische Versorgung im "Hotel Porin" seit September 2016 durch regelmäßige Anwesenheit eines Hausarztes und durch die Unterstützung der NGO Médecins du Monde (MdM) verbessert hat. Allerdings wird moniert, dass die nationalen Behörden die von MdM angebotenen Leistungen selbst erbringen sollten. Auch kritisiert wird, dass es in Kutina keine regelmäßigen Ordinationszeiten eines Hausarztes gibt (UNHRC 28.4.2017).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung für Menschen mit akuten medizinischen Bedürfnissen ist aufgrund der Rechtslage besonders eingeschränkt. Beispielsweise werden vom Gesundheitsministerium keine Kosten für regelmäßigen Kontrollen für Schwangere, für bestimmte medizinische Spezialbehandlungen, zahnärztliche Versorgung oder psychologische Unterstützung übernommen. Die Lücke bei der psychologischen Versorgung wird von NGOs geschlossen, namentlich vom Rehabilitation Centre for Stress and Trauma und der Society for Psychological Assistance. Andere Akteure wie das Kroatische Rote Kreuz bieten psychosoziale Unterstützung. Die Bemühungen der NGOs zur Identifizierung und Betreuung Vulnerabler sind unterschiedlich, überlappen einander aber auch oft. Die Zusammenarbeit zwischen NGOs und Behörden in allen Bereichen des Asylsystems funktioniert recht gut. Finanzielle und personelle Limits der NGOs sind jedoch ein Problem (ECRE 15.12.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017
-
ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):
Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,
https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017
-
UNHRC - UN Human Rights Council (28.4.2017): Report of the Special Rapporteur on the right of everyone to the enjoyment of the highest attainable standard of physical and mental health on his visit to Croatia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1496843413_g1710770.pdf, Zugriff 21.8.2017
Die Identität des Beschwerdeführers stehe fest. Es sei ein Verdacht auf PTSD F43.1 diagnostiziert worden. Die erhöhten GPT und CK-MB Werte würden laut Befundbewertung vom 12.09.2017 (lediglich) auf eine erhöhte sportliche Aktivität hinweisen. Es könne nicht festgestellt werden, dass im Fall des Beschwerdeführers sonstige schwere psychische Störungen oder schwere bzw. ansteckende Krankheiten bestehen würden. Zudem sei die erforderliche medizinische Versorgung in Kroatien gewährleistet. Kroatien habe sich mit Schreiben vom 18.07.2017 gem. Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin-III-VO für die Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers für zuständig erklärt. Die Zuständigkeit Kroatiens sei (unter Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers, wonach er sich von Oktober 2016 bis ungefähr Ende April 2017 in Kroatien aufgehalten habe und unter weiterer Berücksichtigung seiner Asylantragstellung in Österreich am 24.06.2017) auch nicht - etwa durch eine dreimonatige Ausreise des Beschwerdeführers aus der EU - erloschen. Nach Asylantragstellungen in Norwegen bzw Dänemark im Jahr 2014 sei der Beschwerdeführer jeweils nach Moldawien abgeschoben worden. Aus den Angaben des Beschwerdeführers seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass dieser tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Kroatien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Kroatien habe sich ausdrücklich bereit erklärt, den Beschwerdeführer im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin-VO zur Prüfung seines Asylantrages zu übernehmen und könne daher nicht erkannt werden, dass diesem der Zugang zum Asylverfahren in Kroatien verweigert werde. Die Behauptung, in Kroatien mehrmals von der Polizei misshandelt und verletzt worden zu sein, sei keiner Verifizierung zugänglich. Darüber hinaus handle es sich bei tatsächlich erfolgten Übergriffen durch einzelne Polizisten in Kroatien um ein nicht zu tolerierendes Fehlverhalten von Einzelpersonen, bei dem die Möglichkeit einer Anzeige bestehe. Mangels familiärer Anknüpfungspunkte und mangels Anhaltspunkten für eine Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich, sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung der Dublin-III-VO sowie von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMKR führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. In Kroatien sei ausreichende, auch medizinische, Versorgung für Asylwerber gewährleistet. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe bei Abwägung aller Umstände nicht erschüttert werden können; ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts habe sich nicht ergeben.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht. Zusammengefasst wurde darin vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aufgrund der prekären Lage für Flüchtlinge nicht nach Kroatien zurückkehren könne. Während seines Aufenthalts sei er in keiner angemessenen Unterkunft untergebracht und regelmäßig von den dortigen Aufsichtspersonen und Polizisten schikaniert sowie geschlagen worden. Laut eigenen Angaben habe er gegen diese Misshandlungen Beschwerde beim Roten Kreuz und anderen Organisationen erhoben. Weiters leide der Beschwerdeführer an einer psychischen Krankheit; er habe bereits einen Termin für eine Psychotherapie im November 2017. Bei einer ärztlichen Untersuchung sei der Verdacht auf PTSD diagnostiziert worden. Sobald der Beschwerdeführer über diesbezügliche Unterlagen verfüge, werde er diese vorlegen. Aufgrund der psychischen Probleme sei der Beschwerdeführer als besonders vulnerabel anzusehen, vor allem, da im Falle einer Überstellung nach Kroatien eine Verschlimmerung des psychischen Zustandes zu erwarten sei. Das kroatische System für die Aufnahme von Flüchtlingen sei aufgrund der Rückführungen im Zuge der Massenfluchtbewegung während der Migrationskrise völlig überlastet und nicht in der Lage, den Flüchtlingen eine angemessene Versorgung zu gewähren. Es fehle an geeigneten Unterbringungsplätzen, was zu unmenschlichen Zuständen und Obdachlosigkeit nach einer Rückführung führen würde. Aus all den genannten Gründen stelle eine Abschiebung nach Kroatien eine Verletzung von Art 3 EMRK dar und sei die von der belangten Behörde verfügte Außerlandesbringung ungerechtfertigt und rechtswidrig. Das Selbsteintrittsrecht sei zwingend auszuüben.
Mit Eingabe vom 25.10.2017 wurde dem erkennenden Gericht ein Überweisungsschreiben vom 23.10.2017 (mit der darauf verzeichneten Diagnose: "wahnhaft gefärbte Traumafolgestörung PTSD nach sexualisierter Gewalt") übermittelt.
Mit Eingabe vom 24.11.2017 wurde erneut ein entsprechendes Überweisungsschreiben, datiert mit 14.11.2017, in Vorlage gebracht.
Am 09.01.2018 wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Kroatien überstellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger aus Moldawien, stellte am 24.06.2017 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zuvor suchte der Beschwerdeführer im Mai 2014 in Norwegen, im Dezember 2014 in Dänemark und im Oktober 2016 in Kroatien um Asyl an.
Das Bundesamt führte sowohl mit Norwegen, Dänemark als auch mit Kroatien entsprechende Konsultationen. Sowohl Norwegen als auch Dänemark lehnten eine Zuständigkeit zur Führung des Verfahrens des Beschwerdeführers aufgrund der dortigen negativen Entscheidung und anschließenden Überstellung des Beschwerdeführers in die Heimat ab.
Vor seiner Asylantragstellung in Kroatien im Oktober 2016 reiste der Beschwerdeführer aus seinem Herkunftsstaat über Rumänien, Serbien und Montenegro nach Kroatien.
Mit Schreiben vom 18.07.2017 stimmten die kroatischen Behörden der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gem. Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin-III-VO zu.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Zuständigkeit Kroatiens durch eine mindestens 3-monatige Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zwischenzeitig etwa wieder erloschen wäre.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Kroatien an. Festgestellt wird, dass sich aus den Länderfeststellungen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das kroatische Asylwesen grobe systemische Mängel, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern aufweist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Überstellung nach Kroatien Gefahr liefe (gelaufen wäre), dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden (worden zu sein).
Der Beschwerdeführer ist nicht lebensbedrohlich erkrankt. Es besteht der Verdacht auf das Vorliegen von PTSD, F43.1 (etwas wahnhaft gefärbt nach Traumatisierung im Gefängnis), einer latenten Hypothyreose (Anm: Schilddrüsenunterfunktion) sowie einer Steatosis hepatis (Anm: Fettleber). Ein stationärer Aufenthalt war nicht erforderlich; der Beschwerdeführer war transportfähig. In Kroatien sind alle Krankheiten beha