TE Vwgh Beschluss 2018/8/8 Ra 2018/10/0071

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Veröffentlicht am 08.08.2018
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Index

E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §29 Abs1;
ApG 1907 §29 Abs4 idF 1984/502;
ApG 1907 §29 Abs4 idF 2004/I/005;
ApG 1907 §29 Abs5 idF 1984/502;
ApG 1907 §29 Abs5 idF 2004/I/005;
ApG 1907 §62a Abs1 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §62a Abs1;
ApG 1907 §62a Abs2 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §62a Abs2 idF 2008/I/075;
ApG 1907 §62a Abs2;
ApG 1907 §62a Abs3 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §62a Abs3;
ApG 1907 §62a Abs4 idF 2006/I/041;
ApG 1907 §62a Abs4;
ApG 1907 §62a Abs6 idF 2013/I/080;
ApG 1907 §62a idF 2006/I/041;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision der C E, Ärztin für Allgemeinmedizin in S, vertreten durch Mag. Markus Lechner, Rechtsanwalt in 6911 Lochau, Althaus 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 6. März 2018, Zl. LVwG-AV-672/001-2016, betreffend Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (im Folgenden: LVwG) vom 6. März 2018 wurde - durch Abweisung der gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 10. Februar 2016 gerichteten Beschwerde - die der Revisionswerberin mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. Mai 2001 erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke an einem näher bezeichneten Standort in S zurückgenommen.

2 Das LVwG legte seiner Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, dass am 2. Juni 2014 eine neue öffentliche Apotheke in E eröffnet worden sei. Daraufhin sei gegenüber der Revisionswerberin mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 10. Februar 2016 die ihr mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. Mai 2001 erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke an einer näher bezeichneten Adresse in S gemäß § 62a Apothekengesetz (ApG) idF vor der Apothekengesetznovelle BGBl. I Nr. 41/2006 iVm § 29 Abs. 4 und 5 ApG idF BGBl. I Nr. 5/2004 zurückgenommen worden, weil die Entfernung zwischen der Betriebsstätte der neu errichteten Apotheke in E und der Betriebsstätte der Revisionswerberin weniger als "drei" Straßenkilometer betrage.

3 Die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. September 2001, bestätigt durch Bescheid des Bundesministers für Gesundheit vom 20. Juli 2012, rechtskräftig erteilte Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in E beruhe auf einem Antrag vom 29. April 1999. Aus der Begründung der Berufungsentscheidung ergebe sich, dass die Änderung der voraussichtlichen Betriebsstättenadresse im Zuge des Berufungsverfahrens keine die Sache in ihrem Wesen verändernde Antragsänderung darstelle. Das Konzessionsverfahren sei somit anhängig gewesen, als das BGBl. I Nr. 1/2006 kundgemacht worden sei und es sei auch nicht bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 rechtskräftig abgeschlossen gewesen. Die Übergangsbestimmung des § 62a Abs. 4 ApG sei daher anwendbar, weshalb § 29 Abs. 4 und 5 ApG in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2004 maßgeblich sei. Hinsichtlich der in der Beschwerde geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken zu dieser Bestimmung werde auf näher dargelegte höchstgerichtliche Judikatur verwiesen.

4 Daraus folge, dass die Bewilligung zur Haltung der verfahrensgegenständlichen ärztlichen Hausapotheke der Revisionswerberin gemäß § 29 Abs. 4 ApG in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2004 zurückzunehmen sei, weil die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Arztes und der Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke (ca. 2,7 km Entfernung) vier Straßenkilometer nicht überschreite.

5 Vom Inhaber der öffentlichen Apotheke sei kein Antrag gemäß § 29 Abs. 5 ApG in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2004 gestellt worden. Die belangte Behörde sei unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juli 1986, 86/08/0101, zum Schluss gekommen, dass es sich bei der Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung nicht zwingend um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handle. Das LVwG erachte die genannte Judikatur auf die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage für ohne Weiteres anwendbar. Jedenfalls könne eine amtswegige Verfahrensinitiative nicht ausgeschlossen werden und es bedürfe nicht zwingend eines Antrags des Inhabers der öffentlichen Apotheke.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das LVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Die Revisionswerberin behauptet entgegen diesem Ausspruch das Vorliegen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zur Zulässigkeit der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, das LVwG habe die Abs. 2 bis 4 des § 62a ApG unrichtig ausgelegt; dazu liege keine einheitliche Judikatur der Höchstgerichte vor.

12 § 62a ApG, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 80/2013, lautet:

"§ 62a. (1) Wurde eine Konzession für eine öffentliche Apotheke nach dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 für eine Betriebsstätte erteilt, in deren Gemeinde zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 9 zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, vorhanden waren, so ist abweichend von § 29 Abs. 3 und 4 die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke dann zurückzunehmen, wenn der Inhaber der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke das 65. Lebensjahr vollendet hat, sofern die Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes bereits rechtskräftig erteilt war. Die Frist für die Zurücknahme und die Einstellung des Betriebes der ärztlichen Hausapotheke darf dabei insgesamt jedoch zehn Jahre ab Rechtskraft der Konzession nicht übersteigen.

(2) Wurde eine Konzession für eine öffentliche Apotheke vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 oder gemäß Abs. 3 oder 4 rechtskräftig erteilt, so gilt hinsichtlich der Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke die Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 weiter.

(3) Auf im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 anhängige Verfahren ist bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 die Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 weiterhin anzuwenden.

(4) Auf im Zeitpunkt der Kundmachung BGBl. I Nr. 1/2006 anhängige Konzessionsverfahren, die bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, ist § 10 Abs. 2 Z 1 in der Form anzuwenden, dass ein Bedarf dann nicht besteht, wenn sich in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine ärztliche Hausapotheke befindet und in der Gemeinde oder im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, bestehen.

(5) § 8 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 tritt mit 1. Jänner 2008 in Kraft.

(6) Auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Apothekengesetznovelle BGBl. I Nr. 75/2008 anhängige Verfahren ist die Rechtslage vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes weiterhin anzuwenden."

13 Sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof haben sich mit der Übergangsbestimmung des § 62a ApG und dem Verhältnis der einzelnen Absätze zueinander beschäftigt.

14 Der Verfassungsgerichtshof hat zunächst in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2009, G 224/09, VfSlg. 18.948/2009, ausgeführt, dass die allgemeine, pro futuro geltende Regelung des Abs. 1 des § 62a ApG jene Fälle betreffe, in denen die Konzession für eine öffentliche Apotheke nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 (dem 29. März 2006) erteilt worden sei. Die Übergangsvorschrift des Abs. 3 leg. cit. ordne jedoch an, dass auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängigen Verfahren bis zum Ablauf des 31. Oktober 2006 die Rechtslage vor dessen Inkrafttreten weiterhin anzuwenden sei. In solchen Fällen unterliege die Erteilung der Konzession der Übergangsbestimmung des § 62a Abs. 3 ApG, in der die weitere Anwendung der bisherigen Rechtslage angeordnet werde. Anknüpfend unter anderem an die Kategorie der auf Grundlage dieser Übergangsbestimmung rechtskräftig erteilten Konzessionen ordne nun § 62a Abs. 2 leg. cit. ausdrücklich an, dass für das Verfahren über die "Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke" die Rechtslage vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 weiter gelte. Diese maßgebliche (speziellere) Anordnung schließe die Anwendbarkeit des Abs. 1 leg. cit. aus.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. April 2012, 2009/10/0069, unter ausdrücklicher Bekräftigung der diesbezüglichen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dessen Beschluss vom 10. Dezember 2009, G 224/09, festgehalten, dass von einer Spezialität des § 62a Abs. 2 ApG gegenüber Abs. 1 in einem Fall des Abs. 3 (Konzessionserteilung noch vor dem Ablauf des 31. Oktober 2006) auszugehen sei. In gleicher Weise sei davon auszugehen, dass auch in einem Fall des Abs. 4 (Konzessionserteilung nach Ablauf des 31. Oktober 2006 aufgrund modifizierter Anwendung des § 10 Abs. 2 Z 1 ApG) § 62a Abs. 2 ApG die speziellere Norm gegenüber Abs. 1 darstelle (VwGH 18.4.2012, 2009/10/0069; vgl. auch VwGH 21.5.2012, 2011/10/0131).

16 Daraus ergibt sich eindeutig, dass auf Grund der zeitlichen Lagerung in den Anwendungsbereich des § 62a Abs. 4 ApG fallende Verfahren - wie das vorliegende, das sich entgegen der Behauptung in der Revision auch ausdrücklich auf diese Bestimmung stützt - die Behandlung der Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke nach Abs. 2 leg. cit. nach sich ziehen.

17 Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Juni 2010, B 411/10, VfSlg. 19.093/2010, ausgesprochen, dass der in § 62a Abs. 2 ApG enthaltene Verweis auf die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2006 nicht bedeute, dass § 29 ApG in jener Fassung anzuwenden wäre, die diese Bestimmung vor der Aufhebung einzelner Teile durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 2005, G 13/05 ua, VfSlg. 17.682/2005, gehabt habe. Die Rechtslage sei so zu deuten, dass sich der Inhalt der Verweisung darauf beschränke, unter Berücksichtigung des erwähnten Erkenntnisses eine nach Fallgruppen differenzierende Regelung für die Rücknahme ärztlicher Hausapotheken zu treffen, und es für die Anwendung dieser Regelung unbeachtlich sei, ob im Bescheid über die Konzession der öffentlichen Apotheke ein bestimmtes Versorgungspotential festgestellt worden sei oder nicht (ebenso VwGH 18.4.2012, 2009/10/0069).

18 Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Judikatur konnte die Revision keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem Inhalt dieser - im vorliegenden Fall zu Recht angewandten - Übergangsbestimmung aufzeigen.

19 Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters vorgebracht, es bestehe keine gesicherte Judikatur zu der Rechtsfrage, ob die Bezirksverwaltungsbehörde - entgegen dem Wortlaut des § 29 Abs. 4 ApG - bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke auch von Amts wegen eine Hausapothekenbewilligung zurücknehmen dürfe, obwohl sich seit einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Höchstgerichts sowohl das Bedarfssystem des ApG grundlegend geändert habe, als auch eine gesetzgeberische Formulierung in § 29 Abs. 1b ApG erfolgt sei, die für eine andere Auslegung als in der Entscheidung des VwGH vom 3. Juli 1986, 86/08/0101, spreche und eine solche auch unionsrechtlich geboten sei.

20 Das LVwG stützte seine Beurteilung, die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke dürfe auch von Amts wegen erfolgen, auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 1986, 86/08/0101, und bejahte dessen Übertragbarkeit auf die gemäß § 62a Abs. 2 ApG idF BGBl. I Nr. 75/2008 hier anzuwendende Rechtslage des ApG idF vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006.

21 Die dem zitierten Erkenntnis vom 3. Juli 1986, 86/08/0101, zugrunde liegenden Bestimmungen (§ 29 Abs. 4 und 5 ApG) lauten:

"(4) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet.

(5) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke (Abs. 4) ist verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, daß die Einstellung des Hausapothekenbetriebes mit dem Tag der Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke erfolgt. Gegen einen Bescheid, mit welchem die Hausapothekenbewilligung zurückgenommen wird, ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig."

22 § 29 Abs. 4 und 5 ApG idF vor BGBl. I Nr. 41/2006 lauten:

"(4) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet und in dem rechtskräftigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotential im Sinne des § 10 von zumindest 5 500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt wurde.

(5) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke ist verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides erfolgt, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt wurde. Wird die öffentliche Apotheke nach diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, ist die Hausapothekenbewilligung so zurückzunehmen, dass die Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke und die Einstellung des Hausapothekenbetriebes zum selben Zeitpunkt erfolgen."

23 Vorweg ist festzuhalten, dass die vom Verwaltungsgerichtshof in der vom LVwG zitierten Entscheidung vom 3. Juli 1986 vertretene Rechtsansicht, wonach es sich bei der Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung nicht um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt, in einer weiteren Entscheidung wiederholt wurde (vgl. VwGH 24.9.1990, 90/10/0087).

24 Gegen eine Übertragbarkeit dieser Judikatur auf die fallbezogen anzuwendende Rechtslage des § 29 ApG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 41/2006 bestehen keine Bedenken, zumal der Inhalt des § 29 Abs. 4 und 5 leg. cit. nahezu wortgleich beibehalten wurde und jedenfalls keine Änderung im Hinblick auf die hier in Rede stehende Frage der Amtswegigkeit und/oder Antragsbedürftigkeit des Verfahrens eingetreten ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich - auch aufgrund des Vorbringens der Revisionswerberin - nicht veranlasst, in dieser Frage eine andere Auffassung einzunehmen.

25 Daran ändert auch das "in der Zwischenzeit mehrfach geänderte Bedarfssystem" nichts, zumal die Revision es unterlässt, maßgebliche Änderungen und ihre Auswirkungen auf die Frage der amtswegigen Rücknahme von Hausapothekenbewilligungen darzustellen.

26 Aus dem Verweis auf die mit der Novelle BGBl. I Nr. 30/2016 eingefügte Bestimmung des § 29 Abs. 1b ApG ist schon deshalb nichts zu gewinnen, weil fallbezogen § 29 ApG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 anzuwenden war. Ob § 29 Abs. 1b ApG zu einem anderen Verständnis der derzeit geltenden Rechtslage führen könnte, ist hier nicht näher zu untersuchen.

27 Dem LVwG kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn es sich auf die vorliegende Judikatur des VwGH zur (auch) amtswegigen Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke stützte.

28 Eine weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ergebe sich - so die Revisionswerberin weiter - nach der Zulassungsbegründung aus der unionsrechtlichen Judikatur des EuGH (Sokoll-Seebacher, Rs C-367/12). Nationale Regelungen wie die gegenständliche 4 km-Regelung, die nicht auf den Wohnort des Patienten und die Entfernung zur nächsten Apotheke abstelle, sondern verallgemeinernd auf Betriebsstandorte, seien unionsrechtswidrig, wenn national keine Ausnahmen von der 4 km-Regelung vorgesehen und möglich seien.

29 Das erwähnte Urteil des EuGH vom 13. Februar 2014, C- 367/12, befasste sich mit der - dem vorliegenden Fall gar nicht zugrunde liegenden - (negativen) Bedarfsprüfungsregelung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, welche (u.a.) im Verfahren zur Erteilung einer Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke Anwendung findet.

30 Das System der Bewilligung ärztlicher Hausapotheken gemäß § 29 Abs. 1 ApG ist mit jenem der Bedarfsprüfung als Voraussetzung für die Erteilung einer Apothekenkonzession gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG nicht vergleichbar: Anders als die Bedarfsprüfung stellt § 29 Abs. 1 ApG auf das Vorhandensein von Arzneimittelabgabestellen in zumutbarer Entfernung ab. Schon aus diesem Grund kann aus dem Urteil des EuGH vom 13. Februar 2014 für die Bewilligung von ärztlichen Hausapotheken nichts gewonnen werden (vgl. dazu VwGH 20.5.2015, Ro 2015/10/0025).

31 Dies gilt gleichermaßen für das Verfahren über die Rücknahme einer ärztlichen Hausapotheke, weil sie an dieselben Kriterien wie das Bewilligungsverfahren anknüpft.

32 Soweit die Revision schließlich ihre Zulässigkeit damit begründet, dass eine Betriebsstandortänderung während eines anhängigen Apothekenkonzessionsverfahrens einen Neuantrag darstelle, entfernt sie sich vom Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Fallbezogen handelt es sich um die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke zufolge der Inbetriebnahme einer rechtskräftig konzessionierten Apotheke, nicht aber um das diesem Verfahren vorangegangene Konzessionsverfahren. Der Lösung der das Konzessionsverfahren betreffenden Rechtsfrage kommt daher angesichts des vorliegenden Verfahrensgegenstandes keine Relevanz zu.

33 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 8. August 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018100071.L00

Im RIS seit

06.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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