TE Vwgh Erkenntnis 2018/8/10 Ra 2018/09/0083

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2018
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §51 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs4;
VwGVG 2014 §43 Abs1;
VwGVG 2014 §43;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger sowie Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision des B G in G, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 23. März 2018, Zl. LVwG 30.18-2596/2016-12, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber wegen Übertretung des Glücksspielgesetzes (Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 10. August 2016, Zl. VStV/916300736671/2016) eingestellt wird.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 10. August 2016 wurde der Revisionswerber als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer namentlich genannten Gesellschaft der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn vier Geldstrafen in der Höhe von 4.000,-- Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit vier Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils 40 Tagen) verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der dagegen erhobenen Beschwerde insoweit Folge, als die Geldstrafen (auf jeweils 3.000,- - Euro), die Ersatzfreiheitsstrafen sowie der Verfahrenskostenbeitrag herabgesetzt wurden, und erklärte die Revision für nicht zulässig.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

4 Das Verwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

9 § 43 VwGVG lautet samt Überschrift:

"Verjährung

§ 43 (1) Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen.

(2) In die Frist gemäß Abs. 1 werden die Zeiten gemäß § 34 Abs. 2 und § 51 nicht eingerechnet."

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 26. August 2014, Ro 2014/02/0106, ausgesprochen, dass der Gesetzgeber im Fall eines nunmehr mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu bekämpfenden verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses in § 43 VwGVG dieselbe 15-monatige Frist festgelegt hat, wie sie zuvor in § 51 Abs. 7 VStG statuiert war. Die Neuordnung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und damit verbunden der Zuständigkeitsübergang für das nunmehr zu beurteilende Verwaltungsstrafverfahren auf das Verwaltungsgericht ändert nichts an dem aus verfassungsrechtlichen Gründen (vgl. VfGH 6.11.2008, G 86/08, ua Zlen.) gebotenen Anspruch auf Entscheidung über die Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen ein Straferkenntnis binnen angemessener Frist.

11 Vor diesem Hintergrund ist daher § 43 VwGVG dahin auszulegen, dass ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft tritt, wenn seit Einlangen (bei der Verwaltungsbehörde I. Instanz) der nun als Beschwerde zu beurteilenden (rechtzeitig eingebrachten und zulässigen) Berufung 15 Monate vergangen sind (VwGH 11.9.2015, Ro 2014/02/0107).

12 Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. Juli 2016, E 945/2016 ua Zlen, kundgemacht in BGBl. I Nr. 57/2016, am 12. Juli 2016, ausgesprochen hat, dass er in einer erheblichen Anzahl von Beschwerdeverfahren § 52 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 105/2014, § 53 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 111/2010, und § 54 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 70/2013, anzuwenden hat. Die damit gemäß § 86a Abs. 4 VfGG bewirkte Aussetzung der betroffenen Verfahren vor den Landesverwaltungsgerichten wurde mit Ablauf des 3. November 2016 beendet, an welchem Tage mit BGBl. I Nr. 91/2016 die Zusammenfassung der mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2016, E 945/216 ua Zlen, vertretene Rechtsanschauung - in welcher dieser die von den Beschwerdeführern gegen die Bestimmungen vorgebrachten Bedenken verwarf - kundgemacht wurde.

13 Ausgehend vom Einlangen der Beschwerde nicht vor dem 13. September 2016 und der Beendigung der mit der Kundmachung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juli 2016 bewirkten Aussetzung auch des vorliegenden Beschwerdeverfahrens am 3. November 2016 - das Landesverwaltungsgericht hatte § 52 GSpG idF BGBl. I Nr. 105/2014 anzuwenden - wurde hier aber die Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG überschritten, weil die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts erst am 23. März 2018 und sohin nach Ablauf der 15-monatigen Entscheidungsfrist, die in diesem Fall mit 4. November 2016 zu laufen begann, erging.

14 Entscheidet das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - über ein nach Ablauf der 15-monatigen Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG als aufgehoben geltendes verwaltungsbehördliches Straferkenntnis, so belastet es dadurch sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. auch VwGH 26.8.2014, Ro 2014/02/0106).

15 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber gemäß § 43 VwGVG einzustellen ist, weil das verwaltungsbehördliche Straferkenntnis bereits durch Ablauf der 15- monatigen Entscheidungsfrist außer Kraft getreten ist.

17 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 10. August 2018

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090083.L00

Im RIS seit

06.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten