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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §24 Abs1 Z1 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der R KG in D, vertreten durch Dr. Wolfgang Blum, Rechtsanwalt in Feldkirch, Marktplatz 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 30. Mai 1997, Zl. 1009-6/95, betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für die Jahre 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, somit betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für das Jahr 1989, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende KG betrieb bis zum Jahr 1971 einen Handel mit Herren- und Damenkonfektionen sowie mit Textilien aller Art. Im Beschwerdefall ist strittig, wann steuerrechtlich die Betriebsaufgabe mit der Ermittlung eines Veräußerungsgewinnes nach § 24 EStG vorzunehmen ist. Die belangte Behörde nahm als Jahr der Betriebsaufgabe das Jahr 1989 an. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird dazu ausgeführt, in Beantwortung eines im Zuge des Feststellungsverfahrens 1989 ergangenen, die Frage des Vorliegens einer Betriebsaufgabe aufwerfenden Vorhaltes des Finanzamtes habe der steuerliche Vertreter mit Schriftsatz vom 21. Februar 1991 mitgeteilt, dass bereits 1971 keine Absicht mehr bestanden habe, jemals wieder ein Modewarengeschäft oder ein anderes Handelsgeschäft zu eröffnen (sodass bereits im Jahr 1971, spätestens jedoch 1973 die Betriebsaufgabe stattgefunden habe). Die Beschwerdeführerin habe - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides - die Geschäftsräume samt Geschäftsausstattung ab 1. März 1971 nach Abverkauf des Warenlagers an eine Bekleidungsfirma verpachtet. Im Fall der Verpachtung könne die Aufgabe eines Betriebes nur dann angenommen werden, wenn die Gesamtheit der dafür maßgebenden Tatsachen mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass der Verpächter selbst den Betrieb nicht wieder auf eigene Rechnung und Gefahr führen werde. Lägen für eine solche Annahme sprechende Indizien nicht vor, sei davon auszugehen, dass der Betrieb infolge der Verpachtung nicht aufgegeben worden sei, sondern seitens des Verpächters nur ruhe. Die Beschwerdeführerin begründe ihre Ansicht einer Betriebsaufgabe im Jahr 1971 damit, dass weder der damalige persönlich haftende Hauptgesellschafter noch die übrigen Gesellschafterinnen die Absicht gehabt hätten, das Geschäft wieder aufzunehmen bzw. fortzuführen. Eine derartige Absicht habe auch nicht bei den im Erbweg mittlerweile eingetretenen neuen Gesellschaftern bestanden. Abgesehen davon, dass es nach Ansicht der belangten Behörde entscheidend sei, ob der Betrieb der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft als solcher aufgegeben worden sei, und es nicht auf die Absicht der einzelnen Gesellschafter ankomme, stehe dieses Vorbringen im Widerspruch zu der seit dem Jahr 1971 dem Finanzamt gegenüber geäußerten Willenserklärung bzw. der "tatsächlich praktizierten steuerlichen und buchtechnischen Behandlung". In den mit den Abgabenerklärungen vorgelegten Bilanzen der Jahre 1971 bis 1979 sei jeweils vermerkt worden, der Gewerbetrieb sei mit 1. März 1971 vorerst stillgelegt und nach Abverkauf des Lagers an die Firma M verpachtet worden. Eine Aufgabe des Gewerbebetriebes sei vorerst nicht geplant, weil man beabsichtige, den Betrieb fortzuführen, wenn das Pachtverhältnis gelöst werden sollte. Ab 1. März 1971 liege ein ruhender Gewerbetrieb vor, sodass ab diesem Zeitpunkt vorerst keine Gewerbesteuerpflicht gegeben sei. In den Jahren ab 1980 finde sich jeweils der Vermerk "ab 1.3.1971 ruhender Gewerbebetrieb". Abgesehen davon, dass seitens der Beschwerdeführerin weder im Jahr 1971 noch zu einem späteren Zeitpunkt in einer nach außen - auch für das Finanzamt - erkennbaren Form die Absicht geäußert worden sei, den Geschäftsbetrieb nach Ablauf des Pachtverhältnisses nicht mehr weiterzuführen, sei mit den angeführten Vermerken in eindeutiger und unmissverständlicher Weise zum Ausdruck gebracht worden, dass der Betrieb nicht aufgegeben worden sei. Damit stehe auch im Einklang, dass Anlage- und Umlaufvermögen ausweisende Bilanzen abgegeben worden seien, die Gewinne gemäß § 5 EStG ermittelt und die Grundstücke in den Erklärungen zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens als Betriebsgrundstücke bezeichnet worden seien. Infolge der Abtretung eines Mitunternehmeranteiles sei im Jahr 1977 auch ein bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugerechneter Veräußerungsgewinn ermittelt und entsprechend versteuert worden. Als weiteres gegen eine 1971 erfolgte Betriebsaufgabe sprechendes Indiz könne der Umstand gewertet werden, dass die Löschung des Gewerbes lt. Berufungsschriftsatz vom 17. November 1994 erst im Jahr 1993 beantragt worden sei. Bei Modewarengeschäften stehe das Geschäftslokal und dessen Standort als wesentliche Betriebsgrundlage im Vordergrund. Das Warenlager oder eine veraltete bzw. nicht mehr vorhandene Geschäftsausstattung stünden einer Fortführung des Geschäftsbetriebes nicht entgegen. Dass sich aus dem Inhalt der Pachtverträge eine fehlende Weiterführungsabsicht ergeben hätte, sei von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden. Zutreffend sei die von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1988, 87/13/0100, vorgetragene Ansicht, dass ein Aufgabegewinn nur im Jahr der Betriebsaufgabe erfasst werden könne und eine "Nacherfassung" des seinerzeitigen Aufgabegewinnes durch Ansatz eines "Übergangsgewinnes" nicht zulässig sei. Daraus lasse sich aber nichts gewinnen, weil weder ein Übergangsgewinn in Ansatz gebracht noch ein Aufgabegewinn nacherfasst worden sei. Die belangte Behörde teile die Auffassung des Finanzamtes, dass die Betriebsaufgabe im Jahr 1989 erfolgt sei, zumal die Beschwerdeführerin erstmals hinsichtlich "des das Jahr 1989 betreffenden Feststellungsverfahrens" nach außen zu erkennen gegeben habe, den Betrieb nicht wieder aufnehmen zu wollen. Zudem habe nach Überzeugung der belangten Behörde nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass eine neuerliche Betriebsführung durch die Beschwerdeführerin nicht mehr in Betracht gekommen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde habe zu Unrecht für das Jahr 1989 eine Betriebsaufgabe "durchgeführt". Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie in der Beschwerde weiters betont wird - die Betriebsaufgabe tatsächlich bereits im Jahr 1971 (oder allenfalls auch 1977) stattgefunden hat. Entscheidend für eine Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid ist, ob die belangte Behörde - gerade - für das Jahr 1989 eine Betriebsaufgabe annehmen durfte. In diesem Punkt ist aber der angefochtene Bescheid nicht tragfähig begründet:
Die Besteuerung des Aufgabegewinnes hat zeitbezogen in dem Jahr zu erfolgen, in welches der Zeitpunkt fällt, zu dem die Aufgabehandlungen bereits so weit fortgeschritten sind, dass dem Betrieb die wesentlichen Grundlagen entzogen sind (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1995, 91/14/0222). Bei einer Betriebsverpachtung ist von der Aufgabe eines Betriebes erst dann zu sprechen, wenn der Verpächter nach Beendigung des Pachtverhältnisses mit dem noch vorhandenen Betriebsvermögen nicht mehr in der Lage wäre, den Betrieb fortzuführen oder wenn er sonst nach außen zu erkennen gibt, dass er nicht die Absicht hat, den Betrieb nach Auflösung des Pachtvertrages weiterzuführen (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1981, 13/0528/80, und vom 11. November 1987, 86/13/0131). Der angefochtene Bescheid enthält keinerlei Feststellungen dahingehend, dass sich der so definierte Betriebsaufgabezeitpunkt anhand objektiver Kriterien für das Jahr 1989 nachvollziehen ließe. Wenn im Rahmen einer Vorhaltsbeantwortung im Jahr 1991 im Zusammenhang mit der Steuerveranlagung für das Jahr 1989 mitgeteilt wird, dass bereits im Jahr 1971 keine Absicht mehr bestanden habe, das Modewarengeschäft oder ein anderes Handelsgeschäft wieder zu eröffnen, kann daraus kein Anhaltspunkt gewonnen werden, dass der Aufgabezeitpunkt des in Rede stehenden Betriebes in schlüssiger Weise für das Jahr 1989 angenommen werden kann. Die belangte Behörde durfte damit nicht von einer Betriebsaufgabe im Sinn des § 24 EStG im Jahr 1989 ausgehen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelmarken waren nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigem Ausmaß in Höhe von S 660,-- (die Vorlage des angefochtenen Bescheides und der Vollmacht war nur in einfacher Ausfertigung erforderlich) zuzusprechen.
Wien, am 16. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997150134.X00Im RIS seit
20.11.2000