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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AbgRG 1949 §48Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des M in T, vertreten durch Dr. Harald W. Jesserer und DDr. Manfred Erschen, Rechtsanwälte in Leoben, Parkstraße 3/I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 13. Februar 1997, GZ RM-G/1/1-3/96, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 9. Februar 1994, 19 Vr 1194/93-75, schuldig erkannt,
I. im Zeitraum zwischen 1987 bis Ende 1991, Anfang 1992, in Innsbruck und Kapfenberg in mehrfachen Angriffen dadurch, dass er insgesamt 6.500 g Cannabisharz, die aus einer Menge von 7.040 g stammten, die er zuvor vornehmlich von Annemaria C zu einem Grammpreis von S 50,-- bis S 55,-- erworben bzw kommissionsweise übernommen hatte, an Günter G zu einem Grammpreis von S 58,-- bis
S 60,-- verkaufte, gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider, Suchtgift in einer das 25-fache der großen Menge übersteigenden Menge, deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, in Verkehr gesetzt zu haben,
II. gewerbsmäßig durch die zu Punkt I. beschriebene strafbare Handlung eingangsabgabepflichtige Waren, und zwar 7.040 g Cannabisharz, hinsichtlich welcher zuvor ein Schmuggel begangen wurde, und auf welchen Eingangsabgaben an Zoll von S 70.400,--, Einfuhrumsatzsteuer von S 97.680,-- und Außenhandelsförderungsbeitrag von S 1.254,--, insgesamt daher
S 169.334,-- lasten, vorsätzlich an sich gebracht, um eine Teilmenge von 6.500 g im Raume Innsbruck und Kapfenberg Gewinn bringend weiterverkauft zu haben.
Mit Bescheid des Zollamtes Graz vom 10. März 1995 wurden dem Beschwerdeführer Zoll in Höhe von S 35.200,--, Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von S 42.240,-- und AF-Beitrag in Höhe von S 528,--, zusammen Eingangsabgaben in Höhe von S 79.527,-- vorgeschrieben. In der Begründung bezog sich die Abgabenbehörde auf das oben angeführte Urteil des Landesgerichtes Leoben. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass "die laut Urteil festgestellte Menge von
insgesamt 7.040 g ... zum Teil anderen Abgabepflichtigen
vorgeschrieben" wurde.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Dezember 1995, GZ RM-G3/1-3/95, wurde der Bescheid des Zollamtes Graz "im Grunde des § 289 Abs 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ersatzlos aufgehoben". In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde darauf, dass zwischen Annemaria C, Günter G und dem Beschwerdeführer ein Gesamtschuldverhältnis hinsichtlich der auf die Gesamtmenge von 7.040 g bzw die Teilmenge von 6.500 g Cannabisharz entfallenden Eingangsabgaben bestanden hätte. Weiters führte die belangte Behörde in der Begründung wörtlich aus:
"Durch die Aufhebung des bekämpften Bescheides tritt das gegenständliche Verfahren in jene Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat."
Die belangte Behörde wies das Zollamt in einem gesonderten Schriftsatz an, einen neuen Sachbescheid zu erlassen.
Mit Bescheid vom 11. April 1996 schrieb das Zollamt Graz Annemaria C, Günter G und dem Beschwerdeführer Eingangsabgaben von zusammen S 162.927,-- vor, wobei es sich neuerlich auf das oben angeführte Urteil des Landesgerichtes Leoben stützte. Dieser Vorschreibung wurde eine Menge von 7.040 g Cannabisharz zu Grunde gelegt.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde unter anderem ein Verstoß gegen den Grundsatz "ne bis in idem" geltend gemacht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gegen den Bescheid vom 11. April 1996 "teilweise stattgegeben". Die belangte Behörde ging von einer Eingangsabgabepflicht von 7.040 g Cannabisharz aus, setzte aber die darauf entfallenden Eingangsabgaben herab.
Nach dem Inhalt der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Vorschreibung von Eingangsabgaben in seinen Rechten verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 289 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 289 Abs 1 BAO zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Dabei ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Anders als in den Vorgängerbestimmungen des § 48 und § 53 Abs 1 Abgabenrechtsmittelgesetz, im § 66 Abs 2 AVG oder im § 161 Abs 4 FinStrG kennt die BAO eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter gleichzeitiger Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz nicht. Nach der Stammfassung der BAO bestand dabei explizit überhaupt keine Möglichkeit zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wiewohl die Rechtsprechung eine solche auch damals in Einzelfällen anerkannte (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 2795). Erst durch die BAO-Novelle 1980, BGBl. Nr. 151, wurde in § 289 Abs 2 BAO das Wort "aufzuheben" eingefügt, wasaber nur eine Klarstellung bedeutete (vgl Stoll, aaO).
Da nach geltendem Recht somit jedenfalls eine Zurückverweisung der Sache durch die Berufungsbehörde an die Abgabenbehörde erster Instanz ausgeschlossen ist, ist eine Bescheidbehebung nach § 289 Abs 2 BAO nur dann zulässig, wenn in dieser Sache in Bezug auf die berufungswerbende Partei von der Behörde, die den erstangefochtenen Bescheid erlassen hat, eine andere weitere Entscheidung nicht mehr in Betracht kommt (vgl Stoll, aaO, 2796; Ritz, BAO-Kommentar2, 683, und die dort angeführten Beispiele insbesondere aus der Rechtsprechung).
Im Beschwerdefall ist aus der Begründung des ersten Bescheides des Zollamtes Graz vom 10. März 1995 ersichtlich, dass Sache dieses Bescheides die Vorschreibung von Eingangsabgaben von einer Menge von 7.040 g Cannabisharz gewesen ist. Dass die Abgabenbehörde erster Instanz nicht jedem der in Betracht kommenden Gesamtschuldner (vgl § 179 Abs 3 ZollG 1988) die Eingangsabgaben in voller Höhe, sondern nur einen Teil der gesamten Eingangsabgabenschuld vorschrieb - eine Vorgangsweise, die im Ermessensbereich der Behörde gelegen ist -, ändert dabei nichts an der mit "7040 g Cannabisharz" bestimmten Sache des Eingangsabgabenbescheides. Sache des Weiteren, nach der "Zurückverweisung" an die Abgabenbehörde erster Instanz erlassenen Bescheides vom 11. April 1996 war neuerlich die Vorschreibung von Eingangsabgaben von einer Menge von 7.040 g Cannabisharz.
Mit dem Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 28. Dezember 1995 wurde der die Vorschreibung von Eingangsabgaben betreffende Bescheid des Zollamtes Graz vom 10. März 1995 "ersatzlos" aufgehoben. Allerdings wurde in der Begründung des Berufungsbescheides die Auffassung vertreten, dass das Verfahren durch diese Aufhebung in jene Lage zurücktrete, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden habe. Zur Beurteilung des in materieller Hinsicht in Rechtskraft erwachsenden Inhalts eines Bescheides ist dabei wohl davon auszugehen, dass Spruch und Begründung eines Bescheides eine Einheit bilden (vgl zB das hg Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl 92/14/0026); die dem Spruch beigegebene Begründung kann aber nur dann als Auslegungsbehelf herangezogen werden, wenn der Spruch eines rechtskräftigen Bescheides, für sich allein beurteilt, Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Ist aber der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eines den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu (vgl das hg Erkenntnis vom 9. September 1976, Zl 839/76, Slg. Nr. 9112/A). Selbst ein Widerspruch der Begründung zum Spruch ist unerheblich, wenn nach dem Wortlaut des Spruches eines Bescheides über dessen Inhalt kein Zweifel obwalten kann (vgl das hg Erkenntnis vom 25. Februar 1964, Zl 1906/63, Slg. Nr. 4705/A). Ihre Grenze findet eine über den formalen Spruchinhalt hinausgehende Gesamtbetrachtung dabei dann, wenn der formale Spruchinhalt durch Ausführungen im Begründungsteil nicht ergänzt bzw komplettiert wird, sondern mit diesem in Widerspruch gerät (vgl die hg Erkenntnisse vom 12. Jänner 1993, Zl 88/14/0077, und vom 24. April 1994, Zl 92/15/0128).
Daraus folgt somit im Beschwerdefall, dass durch den Berufungsbescheid vom 28. Dezember 1995 die ersatzlose Aufhebung der Eingangsabgabenvorschreibung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise verfügt wurde, sodass der im Begründungsteil enthaltenen Anmerkung der belangten Behörde, wonach das Verfahren wieder in den Stand zurücktrete, in dem es sich vor Erlassung des Eingangsabgabenbescheides befunden hat, keine für die materielle Rechtskraft des Bescheidspruches bedeutsame Wirkung beizumessen ist. Damit ergibt sich aber infolge der dargestellten Identität der Sache in den angeführten Entscheidungen, dass der neuerlichen Vorschreibung von Eingangsabgaben die eingetretene materielle Rechtskraft des Berufungsbescheides vom 28. Dezember 1995 entgegenstand. Dem Beschwerdeführer ist auf Grund des Spruches dieses Bescheides ein Recht darauf erwachsen, dass über diese Sache nicht neuerlich entschieden werde. Weil die belangte Behörde somit verkannte, dass die neuerliche Vorschreibung wegen des Charakters der Bescheidbehebung nach § 289 Abs 2 BAO unzulässig war, hat sie den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Zur Klarstellung ist dabei darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde im ersten Berufungsverfahren sehr wohl berechtigt gewesen wäre, die Abgabenvorschreibung zum Nachteil des Beschwerdeführers abzuändern, da der Umfang der Heranziehung eines Gesamtschuldners zur Entrichtung der Abgaben dem Ermessen der Behörde anheim gestellt ist, wobei allerdings das geübte Ermessen sachverhaltsbezogen zu begründen ist und im Verfahren das Parteiengehör entsprechend zu wahren ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 16. Dezember 1999
Schlagworte
Ermessen Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997160075.X00Im RIS seit
19.01.2022Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022