TE Vwgh Beschluss 1999/12/16 97/21/0772

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Veröffentlicht am 16.12.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1997 §114 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs7;
FrG 1997 §36 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/21/0773

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des am 25. Juli 1964 geborenen C, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 3/6/11, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark jeweils vom 6. Juni 1997, Zl. Fr 608/1-1997, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG (protokolliert zur hg. Zl. 97/21/0772), und Zl. Fr 608/1ad-1997, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes (protokolliert zur hg. Zl. 97/21/0773),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den genannten Feststellungsbescheid richtet, als unbegründet abgewiesen;

2. den Beschluss gefasst:

Soweit sich die Beschwerde gegen den genannten Aufenthaltsverbotsbescheid richtet, wird sie als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Begründung

Die vorliegenden Beschwerden sind gegen zwei im Instanzenzug ergangene Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 6. Juni 1997 gerichtet, mit denen zum Einen über Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt wurde, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei (erstangefochtener Bescheid), und zum Anderen gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 19, 20 und 21 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde (zweitangefochtener Bescheid).

Der erstangefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beschwerdeführer habe seinen (im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen) Berufungsausführungen zufolge in seinem gemäß § 54 FrG gestellten Antrag auf sein im Asylverfahren erstattetes Vorbringen verwiesen und gerügt, dass sich die Behörde erster Instanz, ohne ein eigenständiges Ermittlungsverfahren durchzuführen, ausschließlich auf die Ermittlungsergebnisse einer anderen Behörde bezogen hätte. Nigerianer, die im Ausland wegen Drogendelikten verurteilt worden wären, unterlägen in Nigeria nochmals einer äußerst strengen und unmenschlichen Strafe. Dem Beschwerdeführer wären Berichte zu Ohren gekommen, wonach verurteilte Drogendeliquenten nach ihrer Abschiebung nach Nigeria aufs Äußerste misshandelt und zum Teil sogar zu Tode gekommen wären.

Die belangte Behörde schloss sich den Ausführungen der Bundespolizeidirektion Graz vollinhaltlich an und erhob diese zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Die Behörde habe nicht von sich aus Ermittlungen darüber anzustellen, ob und inwieweit der Beschwerdeführer im Sinn des § 37 FrG bedroht sein könnte, sondern es sei vielmehr die Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, konkrete Umstände (stichhaltige Gründe) für eine derartige Schlussfolgerung darzutun. Aus bloßen Vermutungen könne keine Gefährdung oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG abgeleitet werden. Die Belehrungspflicht der Behörde nach § 13a AVG sei auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten eingeschränkt und beziehe sich nicht auf eine Belehrung in der Sache selbst.

Der zweitangefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Graz mit rechtskräftigem Urteil vom 9. Dezember 1996 wegen § 14a Suchtgiftgesetz, teilweise in der Erscheinungsform des Versuches gemäß § 15 StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt worden sei.

Der Beschwerdeführer macht in Bezug auf beide angefochtenen Bescheide inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt deren kostenpflichtige Aufhebung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zum erstangefochtenen Bescheid:

Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, die Person des Fremden betreffenden, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Falle seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 5. November 1999, Zl. 97/21/0911, mwN.)

Der Beschwerdeführer hält den erstangefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil er insoferne nicht überprüfbar sei, als sich die belangte Behörde darin den Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde angeschlossen habe, aber nicht erkennbar sei, welche Ausführungen die belangte Behörde zum Inhalt ihres Bescheides gemacht habe. Die Behörden erster und zweiter Instanz hätten unzureichend erhoben, welche Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer habe und ob er in Nigeria oder Liberia als Angehöriger einer Minderheit - er gehöre dem Stamm der Loma und als solcher einer ethnischen und sprachlichen Minderheit an - verfolgt sei, ihm in diesen Staaten eine mit einem demokratisch-rechtsstaatlichen Prinzip vereinbare weitere Strafverfolgung drohe und ihm hiedurch nicht eine mit der EMRK im Hinblick auf das Prinzip ne bis in idem unvereinbare Doppelbestrafung drohe. Auch sei die Stammeszugehörigkeit und das religiöse Bekenntnis des Beschwerdeführers nicht erhoben worden. Sein Vorname Prince Charles sei dem englischen Thronfolger nachempfunden, was in vormals englischen Kolonien sicherlich genauso wenig eine Empfehlung sei, wie beispielsweise nach dem Zweiten Weltkrieg der Vorname Adolf im deutschsprachigen Raum.

Dem Beschwerdeführer gelingt es damit nicht, eine Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Der belangten Behörde kann nämlich kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie sein Vorbringen hinsichtlich einer ihm drohenden Gefahr im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG mit dem Hinweis auf seine Befürchtung, als verurteilter Drogendeliquent nach seiner Abschiebung nach Nigeria misshandelt zu werden und vielleicht sogar zu Tode zu kommen, als zu wenig konkret gewertet hat. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich im Verwaltungsverfahren konkretere Angaben gemacht hätte. Der Beschwerdeführer unterlässt auch einen relevanten Hinweis, im Hinblick auf welche anderen konkreten Gefahren im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG die belangte Behörde zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, es lägen stichhaltige Gründe für die Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria vor. Die gerügten Verfahrensmängel entbehren daher der Relevanz.

Hinsichtlich des erstangefochtenen Bescheides ließ daher bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Zum zweitangefochtenen Bescheid:

Mit dem - am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen - Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unterschiedlich zu jenen des Fremdengesetzes aus 1992 geregelt.

§ 114 Abs. 4 und 7 des Fremdengesetzes 1997 lautet:

"(4) Aufenthaltsverbote, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände.

...

(7) In den Fällen der Abs. 4 und 5 ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen; mit dem Beschluss über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde tritt in diesen Fällen auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft. Solchen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen darf für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen."

Die Voraussetzungen für die Erklärung der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid als gegenstandslos und die Einstellung des Verfahrens im Sinn der eben genannten Bestimmungen sind im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen erfüllt:

§ 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 lautet:

"§ 36. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft."

Damit wurde der Behörde - anders als nach § 18 Abs. 1 FrG - Ermessen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer hatte in dem zur Erlassung des von ihm angefochtenen Aufenthaltsverbotes führenden Verfahren keine Möglichkeit, erst im Rahmen der nunmehrigen Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 relevante, gegen dessen Erlassung sprechende Umstände aufzuzeigen. Insbesondere enthält der angefochtene Bescheid keine Begründungselemente, die eine Überprüfung im Hinblick auf die nunmehr gebotene Ermessensübung ermöglichen würden.

Es liegt auch kein Fall vor, in welchem das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich wäre (vgl. die in § 38 Abs. 1 Z. 3 sowie § 35 Abs. 3 Z. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 genannten Fälle und zum Ganzen den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490). Somit kann nicht gesagt werden, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 "offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände", weshalb er gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten ist.

Somit war die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid gemäß § 114 Abs. 7 iVm Abs. 4 und § 115 des Fremdengesetzes 1997 als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Wien, am 16. Dezember 1999

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997210772.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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