Entscheidungsdatum
02.05.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G301 2177838-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2017, Zl. XXXX, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt I. wie folgt lautet:
"I. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen."
II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (betreffend Einreiseverbot) wird stattgegeben und dieser ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 17.10.2017, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG [2005] nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG [2005] iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Mit dem am 09.11.2017 beim BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid in vollem Umfang. Darin wurde nach Darlegung der Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheides beantragt, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine öffentliche mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durch Vernehmung der namentlich genannten Zeugen durchzuführen, den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes I. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und "der" (gemeint: dem) BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird, Spruchpunkt II. (gemeint: III.) des angefochtenen Bescheides betreffend das Einreiseverbot ersatzlos zu beheben, in eventu das Einreiseverbot auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, sowie in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 27.11.2017 vom BFA vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Serbien. Der BF ist Inhaber eines am XXXX2013 in Serbien ausgestellten und bis zum XXXX2023 gültigen biometrischen serbischen Reisepasses.
Der BF reiste am 23.08.2016 in das österreichische Bundesgebiet ein und hielt sich bis zu seiner Abschiebung nach Serbien am 19.10.2017 durchgehend in Österreich auf.
Der BF wurde am 16.10.2017 im Zuge einer polizeilichen Kontrolle wegen des Verdachts des unerlaubten Aufenthaltes im Bundesgebiet festgenommen.
Der BF ist verheiratet und Vater eines Sohnes und einer Tochter. Die Ehefrau und die Tochter des BF leben in Serbien. Der erwachsene Sohn und dessen Familie (Frau und Kinder) leben in Österreich.
Die BF verfügt abgesehen von seinem erwachsenen Sohn und dessen Familie über keine familiären oder sonstigen nennenswerten privaten Bindungen in Österreich. Auch Anhaltspunkte für die Annahme einer Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht hervorgekommen.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. In der Beschwerde wird den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht substanziiert entgegengetreten und auch sonst kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet.
Die auf Grund der vorliegenden Akten getroffenen Feststellungen werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat:
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese auf § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestützt, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat festgestellt.
Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 (FrÄG 2017), BGBl. I Nr. 145/2017, ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerkfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen.
Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.
Gemäß Art. 11 Abs. 1 Schengener Grenzkodex werden die Reisedokumente von Drittstaatsangehörigen bei der Einreise und bei der Ausreise systematisch abgestempelt. Ist das Reisedokument eines Drittstaatsangehörigen nicht mit dem Einreisestempel versehen, so können gemäß Art. 12 Abs. 1 Schengener Grenzkodex die zuständigen nationalen Behörden annehmen, dass der Inhaber des Reisedokuments die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer nicht oder nicht mehr erfüllt. Gemäß Art. 12 Abs. 2 Schengener Grenzkodex kann diese Annahme vom Drittstaatsangehörigen durch jedweden glaubhaften Nachweis widerlegt werden, insbesondere durch Belege wie Beförderungsnachweise oder Nachweise über seine Anwesenheit außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, aus denen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts eingehalten hat.
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der BF ist Staatsangehöriger von Serbien und als solcher Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist als Inhaber eines gültigen biometrischen Reisepasses nach Maßgabe des Anhanges II zu Art. 1 Abs. 2 Visumpflicht-Verordnung für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengener Vertragsstaaten, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Visumpflicht befreit.
Der BF reiste am 23.08.2016 in Österreich und damit in den Schengen-Raum ein und hielt sich bis zu seiner Abschiebung nach Serbien am 19.10.2017 durchgehend in Österreich auf. Ein Nachweis über eine allenfalls bereits früher erfolgte Ausreise wurde nicht erbracht und eine solche auch gar nicht behauptet.
Der BF war somit höchstens 90 Tage ab dem Tag der Einreise ohne weitere Voraussetzungen zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Dieser Zeitraum des erlaubten visumfreien Aufenthalts endete demnach am 20.11.2016. Der darüber hinaus gehende Aufenthalt des BF in Österreich ab 21.11.2016 erweist sich daher als unrechtmäßig, zumal der BF für diesen Zeitraum auch über keine Berechtigung zu einem weiteren Aufenthalt in Österreich verfügt hat. Zum Zeitpunkt der Festnahme am 16.10.2017 und der Erlassung der gegenständlichen Rückkehrentscheidung im angefochtenen Bescheid am 17.10.2017 war die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts somit schon seit fast einem Jahr abgelaufen.
Die belangte Behörde ist somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. Sie hat im angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung daher zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt.
Mit der vorliegenden Entscheidung ist allerdings der geänderte Umstand zu berücksichtigen, dass sich der BF seit 19.10.2017 nicht mehr in Österreich aufhält. Im Fall einer während des Beschwerdeverfahrens erfolgten Ausreise ist der Fall erstmals unter dem Blickwinkel des § 52 Abs. 1 Z 2 FPG zu beurteilen und allenfalls die Beschwerde mit Bezugnahme auf diese Bestimmung abzuweisen, zumal eine Erstreckung der Anordnung des § 21 Abs. 5 BFA-VG auf Entscheidungen über Beschwerden gegen eine Rückkehrentscheidung (jedenfalls nach § 52 Abs. 1 FPG) nicht in Frage kommt (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz 12 und 21).
Seit der erfolgten Ausreise (Abschiebung) des BF findet die gegenständliche Rückkehrentscheidung daher in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG ihre weitere Rechtsgrundlage, zumal das Rückkehrentscheidungsverfahren ohnehin schon vor der Ausreise und daher jedenfalls vor Ablauf der in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG vorgesehenen Frist (binnen sechs Wochen ab Ausreise) eingeleitet wurde.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).
In der Beschwerde wurde die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der erwachsene Sohn des BF mit seiner Familie in Österreich leben würde und der BF in Österreich auf Besuch gewesen sei, um sich um seine Enkelkinder zu kümmern. Weitere Gründe wurden nicht vorgebracht.
Wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend festgehalten hat, stellt die familiäre Beziehung zwischen dem BF einerseits und seinem erwachsenen Sohn bzw. dessen Kindern andererseits keine Beziehung von Angehörigen der "Kernfamilie" im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Im vorliegenden Fall war somit auch nicht vom tatsächlichen Bestehen eines vom Anwendungsbereich des Art. 8 EMRK erfassten Familienlebens auszugehen, weshalb die Rückkehrentscheidung insoweit auch nicht einen ungerechtfertigten Eingriff in das Familienleben darstellen kann.
Was die privaten Lebensumstände des BF anbelangt, ist festzuhalten, dass keine Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht hervorgekommen sind. Des Weiteren konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass der auf Grund seines Aufenthalts außerhalb seines Herkunftsstaates über keinerlei Bindung mehr an ihren Herkunftsstaat verfügen würde, zumal bis zur Einreise in Österreich im August 2016 der bisherige Lebensmittelpunkt des BF in Serbien anzunehmen war, wo dessen Ehegattin und Tochter leben.
Das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet bzw. ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt stellt jedoch eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar, was wiederum eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Fremden als dringend geboten erscheinen lässt (vgl. VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Die Voraussetzungen dafür liegen im gegenständlichen Fall auch vor.
Im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen des BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung (auf Dauer oder vorübergehend) unzulässig erscheinen ließen.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene amtswegige Feststellung keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass allenfalls auch unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre (vgl. VwGH 16.12.2015, Zl. Ra 2015/21/0119).
Auch Umstände, dass vom BFA allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, liegen unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nicht vor.
Ein Ausspruch in Bezug auf § 57 AsylG 2005 hat seine Grundlage in § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005, wonach das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen hat, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung des BVwG über die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde befand sich der BF allerdings nicht mehr im Bundesgebiet, weshalb die Voraussetzung für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 weggefallen ist. Die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 hat daher zu entfallen.
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat vorliegen, war die Beschwerde nunmehr gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 und Abs. 9 FPG mit der in Spruch angeführten Maßgabe (Neufassung des Spruchpunktes I. des Bescheides) als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid weiters gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht dargelegt hat und wie sich aus den oben dargelegten Ausführungen ergibt, erwies sich die sofortige Ausreise des unrechtmäßig in Österreich aufhältigen BF im Interesse der öffentlichen Ordnung (zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) als erforderlich. Der BF hat durch ihr bisheriges Verhalt unzweifelhaft gezeigt, dass sie bislang nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist somit zu Recht erfolgt.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher ebenfalls als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zur Aufhebung des Einreiseverbotes:
Die belangte Behörde hat das gegenständliche und auf die Dauer von fünf Jahren befristete Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und im Wesentlichen mit dem Umstand begründet, dass der BF derzeit nicht die Mittel besitze, um sich seinen Lebensunterhalt in Österreich finanzieren zu können. Er sei mittellos und ohne Unterkunft.
Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist nach Z 6 insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die belangte Behörde bei der Begründung des angeordneten Einreiseverbots fast ausschließlich auf rechtliche Ausführungen allgemeiner Natur und auf modulhaft gehaltene Formulierungen beschränkt hat.
Wie in der Beschwerde überdies zutreffend eingewandt wird, finden sich in der Begründung des Bescheides auch zahlreiche aktenwidrige Feststellungen, aus denen ein auch für die Erlassung eines Einreiseverbotes maßgebliches Gesamtfehlverhalten des BF abgeleitet wurde und welches schließlich ein Einreiseverbot notwendig gemacht hätte. Sowohl auf S. 6 als auch auf S. 12 des Bescheides wird fälschlich auf ein strafrechtliches Fehlverhalten des unbescholtenen BF hingewiesen, welches zur einer "Verurteilung" geführt habe. So habe gerade der Umstand, dass der BF wissentlich und vorsätzlich eine - im Bescheid nicht näher beschriebene - Tat begangen habe, zeige, dass er in keinster Weise gewillt sei, sich an allgemein gültige Rechtsnormen zu halten.
Der belangten Behörde ist vorzuwerfen, dass sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht dargelegt hat, inwiefern auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine (besondere) "Schwere des Fehlverhaltens" des BF anzunehmen gewesen wäre. Auch jene Umstände, die einer Beurteilung des "Gesamtverhaltens" des BF zugrunde gelegen wären, wurden nicht hinreichend dargelegt. Insoweit die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung ausführte, dass der BF eine "Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit" darstellen würde, ist einzuwenden, dass Umstände, die für die konkrete Annahme der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den BF sprechen würden, überhaupt nicht ersichtlich sind. So hat die belangte Behörde völlig außer Acht gelassen, dass der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist und - entgegen der fälschlichen Annahme im Bescheid (S. 16) - sehr wohl über finanzielle Mittel verfügte (Bankomatkarte und Barmitteln). Konkrete Umstände, weshalb dennoch davon auszugehen wäre, dass der Aufenthalt des BF in Österreich bzw. eine neuerliche Rückkehr nach Österreich bzw. in den Schengen-Raum eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen würde, zeigte die belangte Behörde jedoch nicht auf.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH stellt der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungs-Richtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebieten würde. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist (VwGH 15.12.2011, Zl. 2011/21/0237; 16.11.2012, Zl. 2012/21/0080).
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde nicht hinreichend begründet, weshalb in Gesamtbetrachtung aller Umstände jedenfalls nicht von einer nur geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ausgegangen werden könne. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt auch jegliche Kriterien vermissen, die im vorliegenden Fall für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots herangezogen wurden, und die letztlich für die Festlegung des Einreiseverbots im Höchstausmaß von fünf Jahren ausschlaggebend waren.
Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie hinsichtlich der Erlassung eines Einreiseverbotes die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und diese damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).
Da sich das Einreiseverbot als rechtswidrig erweist, war in Stattgebung der Beschwerde Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG ersatzlos aufzuheben.
3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall wurde hinsichtlich der Rückkehrentscheidung der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).
Es konnte daher - trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages - gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
Da auch hinsichtlich des erlassenen Einreiseverbotes bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der gegenständliche Beschwerde angefochtene Bescheid insoweit aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
3.5. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall, Einreiseverbot aufgehoben,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G301.2177838.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.09.2018