TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/3 G313 2150287-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2018
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Entscheidungsdatum

03.05.2018

Norm

AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G313 2150287-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Kosovo, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid

behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesasylamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgende: belangte Behörde) vom 18.03.2015 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz vom 27.07.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG auch ihr Antrag auf internationale Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Republik Kosovo abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung für vorübergehend unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

Für die ausgesprochene vorübergehende Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass zur Tochter der BF, welcher aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung subsidiärer Schutz und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden sei, aufgrund deren ständiger Hilfs- und Pflegebedürftigkeit ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe.

Dieser Bescheid ist am 08.04.2015 in erster Instanz in Rechtskraft erwachsen.

2. Am 05.08.2016 hat die BF bei der belangten Behörde einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 03.02.2017 wurde der Antrag der BF vom 05.08.2016 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, mit der Begründung, dass seit dem Antrag der BF auf internationalen Schutz keine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten sei, die nicht von vornherein eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages auf internationalen Schutz als ausgeschlossen erscheinen ließe.

4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, in eventu der BF den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Hingewiesen wurde in der Beschwerde darauf, dass die BF durch jahrelange Pflege ihrer Tochter selbst zu einem körperlichen und psychischen Wrack geworden sei und sich selbst in psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung begeben habe müssen. Als Beweis dafür wurde der Beschwerde ein Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 02.03.2017 beigelegt.

5. Am 16.03.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

6. Am 12.04.2018 langten beim BVwG weitere die Tochter der BF betreffende ärztliche Unterlagen ein - eine "klinisch psychologische Stellungnahme" einer Klinischen- und Gesundheitspsychologin vom 22.11.2017, wonach die Tochter der BF sich derzeit sehr ängstlich und depressiv zeige und sowohl eine psychopharmakologische Therapie als auch eine Gesprächstherapie benötige, und eine "internistische Stellungnahme" vom 28.02.2018, wonach die weitere Hilfestellung und Therapieübernahme durch die BF zur täglich notwendigen Heimdialyse für deren Tochter absolut lebensnotwendig sei, da sie dazu selbst nicht in der Lage sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine andere als die

Zuständigkeit des Einzelrichters ist für die vorliegende Rechtssache nicht vorgesehen, daher ist der Einzelrichter zuständig.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 9 Abs. 1 VwGH hat die Beschwerde zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

(...).

Gemäß § 9 Abs. 3 VwGVG tritt, soweit bei Beschwerden gegen Bescheide gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG und gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG eine Verletzung des Beschwerdeführers in Rechten nicht in Betracht kommt, an die Stelle der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, die Erklärung über den Umfang der Anfechtung.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

(...).

Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist, das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Zu A)

1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913;

27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235; 17.9.2008, 2008/23/0684; 11.11.2008, 2008/23/1251; 19.2.2009, 2008/01/0344;

6.11.2009, 2008/19/0783). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen.

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bzw. des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431; 17.9.2008, 2008/23/0684).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid (Vorerkenntnis) auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (jetzt: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesasylamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400; 15.9.2010, 2008/23/0334 mwN; 15.12.2010, 2007/19/0265).

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

2. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit nur die Frage, ob die belangte Behörde den Antrag der BF auf internationalen Schutz vom 05.08.2016 gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht zurückgewiesen hat.

2.1. In der gegenständlicher Beschwerde wurde konkret der Bescheid der belangten Behörde vom 03.02.2017 als Anfechtungsgegenstand bezeichnet. In diesem Bescheid wurde der am 05.08.2016 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Diesem Zurückweisungsbescheid ist ein auf die Antragstellung am 27.07.2014 gefolgter Bescheid der belangten Behörde vom 18.03.2015 vorausgegangen. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.03.2015 wurde in Spruchpunkten I. und II. der Antrag der BF hinsichtlich Zuerkennung des Status der Asyl- und der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, und der BF in Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung für vorübergehend unzulässig erklärt.

Wie sich aus der Aktenlage ergibt, beruht die Erklärung der Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG für vorübergehend unzulässig in Spruchpunkt III. des Bescheides vom 18.03.2015 auf der gesundheitlichen Beeinträchtigung, Hilfs- und Pflegebedürftigkeit der Tochter der BF, welcher subsidiärer Schutz und zunächst bis 18.03.2018 und folglich bis 18.03.2020 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde.

Die belangte Behörde führte für die Erklärung der Rückkehrentscheidung für vorübergehend unzulässig aus, aufgrund der bei der Tochter der BF anstehenden Nierentransplantation und deren auch nach einer Operation bestehenden Pflege- bzw. Hilfsbedürftigkeit bestehe eine Abhängigkeitsverhältnis der BF zu ihrer Tochter.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

(...).

Die Erklärung einer Rückkehrentscheidung für vorübergehend unzulässig mit Spruchpunkt III. des Vorbescheides vom 18.03.2015 ist am 08.04.2015 in Rechtskraft getreten.

Deshalb wurde mit gegenständlich angefochtenem Bescheid auch keine Rückkehrentscheidung mehr getroffen, sondern nur über den Antrag vom 05.08.2016 hinsichtlich Zuerkennung des Status der Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten abgesprochen.

Soweit in gegenständlicher Beschwerde die vollinhaltliche Anfechtung des Bescheides "hinsichtlich aller vier Spruchpunkte" angeführt wird, war damit somit der dem Zurückweisungsbescheid zugrundeliegende Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status der Asyl- und hinsichtlich Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemeint.

2.2. Den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz vom 05.08.2016 begründete die BF mit der Krankheit und Pflegebedürftigkeit ihrer Tochter. Da gesundheitliche Gründe keinen Asylgrund iSv Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK darstellen, erfolgte die Zurückweisung des Antrages der BF vom 05.08.2016 hinsichtlich Zuerkennung des Status der Asylberechtigten jedenfalls zu Recht.

2.3. In gegenständlicher Beschwerde wurde auf die gesundheitliche Beeinträchtigung der Tochter der BF Bezug genommen:

"(...) eine chronisch kranke Tochter, die (...), 3 Nierentransplantationen hinter sich hat, und in letzter Zeit auch unter arteriellem Bluthochdruck leidet, dazu noch wegen jahrelanger Dialyse unter einer akuten Anämie, sich nun auf der Transplantationsliste befindet, etc."

Es wurde auch auf "veritable psychische Probleme" der Tochter der BF hingewiesen.

Betont wurde in gegenständlicher Beschwerde zudem, dass aufgrund der Erkrankung ihrer Tochter auch die BF selbst nunmehr psychisch in Mitleidenschaft gezogen worden sei:

"Es geht im vorliegenden Falle darum, dass die BF durch die jahrelange Pflege ihrer Tochter selbst zu einem körperlichen und psychischen Wrack geworden ist. Sie musste sich selbst in psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung begeben, weil sie diesen Strapazen nicht mehr gewachsen ist."

Der Beschwerde wurde zudem ein die BF betreffender Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 02.03.2017, somit nach Ausfertigung des angefochtenen Zurückweisungsbescheides vom 03.02.2017 - beigelegt. In diesem wurde ausgeführt, dass die BF zu drei verschiedenen Zeitpunkten ausführlich und eingehend "fachpsychiatrisch und fachpsychotherapeutisch" untersucht worden sei und ein fachpsychiatrischer und fachpsychotherapeutischer Befund erstellt werde.

In diesem Befund wurde darauf hingewiesen:

"Die Untersuchte lebt seit 3 Jahren allein mit ihrer nunmehr 29 jährigen körpermedizinisch schwerstkranken Tochter ununterbrochen in XXXX. Diese braucht und erhält seit 2014 alle 2 Tage Dialysebehandlung im AKH XXXX. Die Untersuchte ist in XXXX völlig auf sich allein gestellt und hat etwa seit einem halben Jahr ein gemischt ängstlich-depressives Erschöpfungssyndrom entwickelt. Vorläufig noch keine professionelle Therapie."

Es wurde auf die Symptome "Ein- und Durchschlafstörungen, Appetitlosigkeit, Angstanfälle, dreamy states, Schreckhaftigkeit, Misstrauen, Nervosität und Unruhe, Verzweiflungsanfälle, erhöhte Kränkbarkeit, bis mittelgradige Verstimmungszustände mit angedeuteten Tagesschwankungen, Schuldgefühle (besonders bezüglich der im Kosovo verbliebenen drei volljährigen Kinder)" und auf die psychiatrische Diagnose "depressive Erschöpfungsreaktion" hingewiesen.

Fest steht, dass der der Beschwerde beigelegte Arztbefund vom 02.03.2017 erst nach Ausfertigung des gegenständlich angefochtenen Zurückweisungsbescheides vom 03.02.2017 erstellt wurde, dieser Befund somit keine nach am 08.04.2015 eingetretener Rechtskraft des Vorbescheides der belangten Behörde vom 18.03.2015 "neu entstandene Sache" darstellt. Die in diesem Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie angeführten Symptome sind bei der BF jedoch jedenfalls bereits vor ergangenem Zurückweisungsbescheid aufgetreten. Außerdem wurde in diesem Arztbefund vom 02.03.2017 auf drei zu unterschiedlichen Zeitpunkten bereits statt gefundenen fachpsychiatrischen und fachpsychotherapeutischen Untersuchungen Bezug genommen.

Im Vergleich zum Vorbescheid vom 18.03.2015 im gegenständlichem Beschwerdeverfahren zugrunde liegendem Antragsverfahren "neu vorgebracht" wurden jedenfalls die von der BF in niederschriftlicher Einvernahme vom 28.12.2016 geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, mit denen sich die belangte Behörde vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte näher auseinandersetzen hätte müssen, und hätte die belangte Behörde prüfen müssen, ob sich damit der verfahrensgegenständliche Sachverhalt geändert hat.

Zur von der BF erstmals in ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 28.12.2016 monierten gesundheitlichen Beeinträchtigung der BF fehlen somit weitergehende Ermittlungen, und kann im Vergleich zum am 08.04.2015 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht von vornherein eine andere rechtliche Beurteilung in Bezug auf die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ausgeschlossen werden, sodass im gegenständlichen Fall keine Zurückweisung des betreffenden Antrages wegen entschiedener Sache, sondern eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen zu erfolgen hat (vgl etwa in Bezug auf die Änderung der allgemeinen Lage VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).

Die von der BF in niederschriftlicher Einvernahme am 28.12.2016 angedeuteten gesundheitlichen Probleme lassen es somit ohne nähere Auseinandersetzung damit nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen, dass eine andere rechtliche Beurteilung in Bezug auf die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten erfolgen könnte.

Die Zurückweisung des zweiten Antrages der BF vom 05.08.2016 erfolgte somit nicht zu Recht.

Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde mit dem psychischen und physischen Gesundheitszustand der BF vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte - auch zur medizinischen Versorgung im Kosovo - und auch mit den am 12.04.2018 beim BVwG eingelangte ärztlichen Unterlagen der Tochter der BF auseinanderzusetzen zu haben - mit dem Arztbrief vom 22.11.2017, wonach sich diese derzeit sehr ängstlich und depressiv zeige und sowohl eine psychopharmakologische Therapie als auch eine Gesprächstherapie benötige, und auf die "internistische Stellungnahme" vom 28.02.2018, wonach eine weitere Hilfestellung und Therapieübernahme durch die Mutter zur täglich notwendigen Heimdialyse für die BF absolut lebensnotwendig sei.

Die mit gegenständlich angefochtenem Bescheid auch hinsichtlich Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten erfolgte Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz vom 05.08.2016 ist im gegenständlichen Fall neu zu prüfen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden und der Bescheid zu beheben war.

Diese Entscheidung war in Form eines Erkenntnisses zu treffen, weil § 28 Abs. 1 VwGVG dies als Regelfall vorsieht und das Gesetz nicht vorschreibt, dass ein Beschluss zu erlassen wäre. Eine Analogie zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, der eine kassatorische Entscheidung in Beschlussform vorsieht, kommt nicht in Frage, weil diese Bestimmung die Möglichkeit einräumt, anstatt einer Entscheidung in der Sache (mit Erkenntnis) die Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen; im Fall des § 68 Abs. 1 AVG kommt aber eine stattgebende Entscheidung in Erkenntnisform gar nicht in Betracht, weil Gegenstand des Verfahrens nur die Frage ist, ob der zweite Antrag zu Recht zurückgewiesen worden ist.

Ohne inhaltlich auf die Sache eingehen zu wollen, wird bezüglich der im fachpsychiatrisch und fachpsychotherapeutisch erstellten Befund vom 02.03.2017 abgegebenen dringlichen Empfehlung, der BF wegen depressiver psychiatrischer Erschöpfungsreaktion in Österreich zur psychologischen Entlastung der BF einen rehabilitativen Kosovoaufenthalt (inklusive Rückkehrrecht nach Österreich) einzuräumen, hinsichtlich der mit Spruchpunkt III. des Vorbescheides vom 18.03.2015 ausgesprochenen Duldung bzw. Erklärung der Rückkehrentscheidung für vorübergehend unzulässig auf die im Fremdenpolizeigesetz verankerte Bestimmung zur Duldung in § 46a FPG verwiesen. Gemäß § 46 Abs. 1 Z. 4 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange - im gegenständlichen Fall - die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist, wobei gemäß § 46 a Abs. 2 FPG die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden kann und jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe endet.

Da dem Bescheid der belangten Behörde vom 18.03.2015 eine "Duldung" der BF im Bundesgebiet mit "vorübergehender Aussetzung der Abschiebung" der grundsätzlich ausreisepflichtigen BF zugrunde liegt, und mit einer Duldung nur bestimmte Auflagen - wie etwa eine räumliche Gebietsbeschränkung - und bestimmte Nebenbestimmungen und bei einer Ausreise wegen Erlöschens der Duldung kein Rückkehrrecht nach Ausreise verbunden werden können, geht die seitens des Facharztes am 02.03.2017 abgegebene Empfehlung, der BF zu ihrer psychologischen Entlastung einen "rehabilitativen Kosovoaufenthalt (inklusive Rückkehrrecht nach Österreich) einzuräumen", jedenfalls ins Leere.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen, Behebung der Entscheidung,
Ermittlungsverfahren, geänderte Verhältnisse, materielle Erledigung,
medizinische Versorgung, neu entstandene Tatsache, psychiatrische
Erkrankung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G313.2150287.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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