Entscheidungsdatum
05.06.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G307 2179411-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX,
StA: Deutschland, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich in 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2017, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben vom 10.10.2017, wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden. BF) vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg (im Folgenden: BFA, RD Sbg.) von der Einleitung eines Aufenthaltsbeendigungsverfahrens in Kenntnis gesetzt, und dieser zugleich zur dahingehenden Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens aufgefordert.
Mit per Post am 07.11.2017 beim BFA eingebrachtem Schreiben nahm der BF dazu Stellung.
2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 10.11.2017, wurde dieser gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).
3. Mit per Telefax am 06.12.2017 beim BFA eingelangtem Schreiben, erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den zuvor genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).
Darin wurden die Behebung des Bescheides und die Feststellung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes des BF beantragt.
Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA vorgelegt und sind am 13.12.2017 beim BVwG eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist deutscher Staatsbürger und frei von Obsorgepflichten.
Der BF hält sich seit 2009 durchgehend in Österreich auf, ging von 23.04.2009 bis 14.04.2015 wiederholt Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet nach und bezog im Zeitraum 08.11.2010 bis 10.12.2017 immer wieder Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung.
Der BF geht seit 11.12.2017 einer Beschäftigung im Ausmaß von 38 Wochenstunden bei der XXXX in XXXX nach.
Der BF bezog zu keinem Zeitpunkt seines aktuellen Aufenthalts in Österreich Sozialleistungen und erweist sich in strafrechtlicher Hinsicht als unbescholten.
Der BF ist nicht im Besitz einer Anmeldebescheinigung, stellte jedoch am 16.02.2017 erstmals einen Antrag auf Ausstellung einer solchen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen, Geburtsdatum), Obsorgefreiheit sowie Aufenthalt des BF im Bundesgebiet getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.
Die Ausübung von Erwerbstätigkeiten, der Bezug von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung sowie der Nichtbezug von Sozialleistungen ergeben sich aus dem Inhalt des den BF betreffenden Sozialversicherungsauszuges und folgt die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF dem Amtswissen des erkennenden Gerichts (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich).
Das Ausmaß der aktuellen Beschäftigung beruht auf einem vom BF in Vorlage gebrachten, seine gegenwärtige Beschäftigung betreffenden Dienstzettel und ergibt sich das Fehlen einer Anmeldebescheinigung sowie der Erstantrag des BF auf Ausstellung einer solchen aus dem Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.:
3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder jeder der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit jeder Fremder als EWR-Bürger, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.
Der BF ist aufgrund seiner Staatsangehörigkeit von Deutschland EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
3.1.2. Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet:
"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."
Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 NAG lautet:
"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.
(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.
Der mit "Anmeldebescheinigung" betitelte § 53 NAG lautet:
§ 53. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 51 Abs. 1 Z 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;
2. nach § 51 Abs. 1 Z 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;
3. nach § 51 Abs. 1 Z 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;
4. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
5. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern ab Vollendung des 21. Lebensjahres und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung;
6. nach § 52 Abs. 1 Z 4: ein Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger;
7. nach § 52 Abs. 1 Z 5: ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates der Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen."
Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet:
"§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.
(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von
1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;
2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder
3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.
(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie
1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;
2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder
3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;
Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.
(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.
(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn
1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;
2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder
3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat."
Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:
"§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."
3.1.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als begründet. Dies aus folgenden Erwägungen:
Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a und b RL 2004/38/EG vom 3.7.2009 (Freizügigkeitsrichtlinie) hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist, oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen.
"Auf die erste und zweite Frage ist somit zu antworten, dass unter die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer auch ein Angehöriger eines Mitgliedstaates fällt, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, mit der er weniger verdient, als im letztgenannten Staat als Existenzminimum angesehen wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob er die Einkünfte aus seiner Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis durch andere Einkünfte bis zu diesem Minimum ergänzt oder sich mit Existenzgrundlagen begnügt, die darunter liegen, vorausgesetzt, er übt tatsächlich eine echte Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis aus." (EuGH 23.03.1982, 53/81)"
"Vorab ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung der Begriff des Arbeitnehmers nach Gemeinschaftsrecht zu bestimmen und nicht eng auszulegen ist. Arbeitnehmer ist jedoch nur, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, daß sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. insbesondere Urteil vom 21. Juni 1988 in der Rechtssache 197/86, Brown, Slg. 1986, 3205, Randnr. 21). In diesem Zusammenhang ist die Art des Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber für die Anwendung des Artikels 48 EWG-Vertrag unerheblich (vgl. Urteil vom 31. Mai 1989 in der Rechtssache 344/87, Bettray, Slg. 1989, 1621, Randnr. 16)." (EuGH 26.02.1992, C-357/89)
"Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung oder der Umstand, dass der Betreffende die Vergütung durch andere Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts wie eine aus öffentlichen Mitteln des Wohnmitgliedstaats gezahlte finanzielle Unterstützung zu ergänzen sucht, kann irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 1986, Kempf, 139/85, Slg. 1986, 1741, Randnr. 14, vom 31. Mai 1989, Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, sowie vom 30. März 2006, Mattern und Cikotic, C-10/05, Slg. 2006, I-3145, Randnr. 22)." EuGH 4.2.2010, C-14/09, Genc)
"Zwar kann der Umstand, dass im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet werden, ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübten Tätigkeiten nur untergeordnet und unwesentlich sind (Urteil vom 26. Februar 1992, Raulin, C 357/89, Slg. 1992, I 1027, Randnr. 14), doch lässt es sich unabhängig von der begrenzten Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit nicht ausschließen, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses von den nationalen Stellen als tatsächlich und echt angesehen werden kann und es somit ermöglicht, dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 39 EG zuzuerkennen. Bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis mit demselben Unternehmen beinahe vier Jahre bestanden hat. Diese letztgenannten Gesichtspunkte können darauf hindeuten, dass es sich bei dieser Erwerbstätigkeit um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt." (EuGH 4.2.2010,
C-14/09, Genc). Nicht von Bedeutung ist die Höhe der Vergütung, Ausmaß der Arbeitszeit und Dauer des Dienstverhältnisses (vgl. EuGH 26.2.1992, C-357/89, Raullin/Minister van Onderwijs en Weteschappen). "Auch das nachhaltige Bemühen um eine Arbeitsstelle, sofern dieses Bemühen objektiv nicht aussichtslos ist, kann ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht vermitteln (Hinweis E 26. Februar 2013, 2010/22/0104; EuGH 15. September 2015, C-67/14). Dieses Aufenthaltsrecht wird innerstaatlich nicht verliehen, sondern nur dokumentiert (Hinweis E 9. August 2016, Ro 2015/10/0050). Es kommt daher auf die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für den Rechtserwerb nicht an." (VwGH 26.01.2017,
Ra 2016/21/0264)
3.1.4. Wie den vom BF in Vorlage gebrachten Unterlagen, aber auch dem Datenbestand aus der Sozialversicherung entnommen werden kann, ist dieser seit dem 11.12.2017 erneut vollzeiterwerbstätig.
Unter Beachtung des in Vorlage gebrachten Arbeitsvertrages und des gegenwärtig noch anhaltenden die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Vollzeit-Arbeitsverhältnisses ist von einer Erfüllung der Voraussetzungen iSd. § 51 Abs. 1 Z 1 NAG durch den BF auszugehen.
Darüber hinaus kann vor dem Hintergrund der wiederholten Erwerbstätigkeiten des BF im wiederholt Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung keinesfalls ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdendes Verhalten des BF iSd. § 55 Abs. 3 NAG erkannt werden. Vielmehr, wenn dem BF auch bis zu seinem Erstantrag am 16.02.2017 das Unterlassen einer Anzeige seines Aufenthaltes im Bundegebiet an die zuständige NAG-Behörde iSd. § 53 Abs. 1 NAG, anzulasten ist, erweist sich der BF in strafrechtlicher Hinsicht als unbescholten und zeigen die wiederholten Erwerbstätigkeiten des BF dessen nachhaltiges Bemühen, am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und seinen Unterhalt aus eigenem zu bestreiten, auf.
Demzufolge kommt diesem aktuell gemäß §§ 51 Abs. 1 Z 1 iVm. 55 Abs. 1 NAG ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu.
Aus diesem Grund war, in Anerkennung, dass der BF die Voraussetzungen der Arbeitnehmereigenschaft iSd. § 51 Abs. 1 Z 1 NAG - zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung - erfüllt und eine vom BF ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gegenwärtig nicht festgestellt werden kann, sohin die Voraussetzungen für eine Ausweisung iSd. § 66 Abs. 1 FPG aktuell nicht vorliegen, der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Unbeschadet dessen ist festzuhalten, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, trotz Feststellung eines im Jahre 2009 beginnenden, 5 Jahre übersteigenden durchgehenden Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet, den Sachverhalt zur Beurteilung des Aufenthaltsstatus des BF im Hinblick auf § 53a NAG zu ermitteln. Insofern die belangte Behörde einzig zu den seit 2015 vom BF ausgeführten Erwerbstätigkeiten und dem fehlenden durchgehenden Aufenthalt vor dem 01.01.2006 Feststellungen getroffen hat, jedoch alle davor gelegenen Erwerbstätigkeiten sowie nach dem 01.01.2006 gelegenen Aufenthaltszeiträume - in unionsrechtlicher Hinsicht - unberücksichtigt ließ, erweist sich die ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht des BF verneinende Entscheidung der belangten Behörde als unzureichend begründet (vgl. dazu auch VwGH 16.02.2012, 2009/01/0062: hinsichtlich der bloß deklarativen Wirkung einer Anmeldebescheinigung).
Im Ergebnis war der Beschwerde sohin stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014,
Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Arbeitsaufnahme, Ausweisung aufgehoben, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G307.2179411.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.09.2018