TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/6 G306 2190273-1

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Veröffentlicht am 06.06.2018
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Entscheidungsdatum

06.06.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

G306 2190273-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, StA:

Griechenland, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX2016, rk XXXX2017, Zl. XXXX, zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, wobei der gesamte Teil unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Die BF wurde am 05.04.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich - zwecks Überprüfung des Aufenthaltes und Überprüfung die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - einvernommen.

Mit Schreiben des BFA vom 06.04.2017 (einen Tag nach der niederschriftlichen Einvernahme) wurde die BF aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots Stellung zu nehmen. Mit schriftlicher Eingabe des ausgewiesenen Rechtsvertreters (RV) vom 22.04.2017 gab dieser für die BF eine Stellungnahme ab.

Am 02.02.2018 wurde die BF abermals vor dem BFA niederschriftlich zwecks Überprüfung ihres Aufenthaltes sowie den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, einvernommen.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein dreijähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit erteilt (Spruchpunkt II.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit ihrer strafgerichtlichen Verurteilung begründet wobei das BFA irrtümlicher Weise immer wieder den Tatbestand der "Geldwäscherei" anführt jedoch die BF wegen des Vergehens des schweren Betruges verurteilt wurde. Das Verhalten der BF sei eine erhebliche, gegenwärtige und nachhaltige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Die BF habe durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Der bisherige Aufenthalt der BF habe das Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und ihr Eigentum und an sozialen Frieden beeinträchtigt. Die Erlassung eines dreijährigen Aufenthaltsverbots sei notwendig, um die von der BF ausgehende, erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Es sei zu erwarten, dass die BF keine ausreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung ihres Unterhaltes erlangen werde sodass die Gefahr bestünde, dass sie abermals straffällig werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersatzlos zu beheben. Die BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die belangte Behörde die Verhängung des Aufenthaltsverbots zentral auf die vorliegende Verurteilung begründe. Die BF sei jedoch nur zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Eine strafrechtliche Verurteilung allein könne nicht die Beschränkung der Freizügigkeit begründen. Es müssten darüber hinaus Umstände im persönlichen Verhalten vorliegen, damit eine gegenwärtige und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung vorliege. Dies sei bei der BF jedoch nicht der Fall.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 26.03.2018 einlangten. Gleichzeitig nach das BFA zur Beschwerdeeingabe Stellung.

Feststellungen:

Die BF wurde am XXXX geboren und ist eine griechische Staatsangehörige. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie hat kein Vermögen und geht zur Zeit einer Beschäftigung nach.

Die BF hält sich seit 14.08.2013 im Bundesgebiet auf und ist im Besitz einer Anmeldebescheinigung. Die BF ist seit diesem Zeitpunkt mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet behördlich gemeldet.

Die BF ist gesund und arbeitsfähig. Sie war in Österreich immer wieder bei verschiedenen Dienstgebern als Arbeiterin, zum Teil nur geringfügig, beschäftigt (17.10.2016 - 08.03.2017, 07.11.2017 - 22.03.2018 sowie seit 23.03.2018 laufend).

Im Strafregister der Republik Österreich scheint eine strafgerichtliche Verurteilung der BF auf:

Dieser Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen XXXX vom XXXX2016, rk XXXX2017, liegt zugrunde, dass die BF im Zeitraum Dezember 2015 bis zumindest XXXX2016, indem sie ihr Bankkonto zur Empfangnahme von Giralgeld, auf das sie keinen Anspruch hatte, zur Verfügung stellte sodass zur Ausführung der strafbaren Handlungen bislang unbekannter Täter, die mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien über längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Es wurde Mitarbeiter von Unternehmen durch bislang nicht feststellbare Manipulationen von Geschäft-E-Mails, zur Überweisung von Rechnungsbeträgen aufgefordert. Die BF hat durch die Zurverfügungstellung ihres Bankkontos dazu beigetragen und wurde des Vergehens des schweren Betruges als Beteiligte zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

Die BF befand sich in der Zeit vom XXXX2016 bis XXXX2016 in Untersuchungshaft.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte und des Gerichtsakts des BVwG in Zusammenschau mit dem Beschwerdevorbringen.

Die Feststellungen zur Identität der BF und zu ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Angaben im Bescheid, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellung, dass sich die BF seit August 2013 kontinuierlich in Österreich aufhält, beruht darauf, dass laut dem Zentralen Melderegister (ZMR) hervorgeht, dass die BF seit dem 14.08.2013 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet ist. Hinweise auf längere Abwesenheiten aus dem Bundesgebiet liegen nicht vor.

Die Anmeldebescheinigung der BF ist im Fremdenregister dokumentiert.

Die Feststellung, dass die BF gesund und arbeitsfähig ist, beruht darauf, dass sie im gesamten Verfahren nichts Gegenteiliges behauptete und laufend auch einer Beschäftigung nachgeht.

Die Erwerbstätigkeit des BF in Österreich ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug.

Aus dem aktuellen Versicherungsdatenauszug geht hervor, dass die BF in der Zeit vom 17.10.2016 - 08.03.2017, 07.11.2017 - 22.03.2018 sowie laufend einer Beschäftigung nachgeht

Die Feststellung zu der von der BF begangenen Straftat, zu ihrer strafgerichtlichen Verurteilung sowie zur Tathandlung basieren auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX.

Die Feststellung über die von der BF verbüßte Untersuchungshaft sowie das die gesamte Freiheitsstrafe bedingt ausgesprochen wurde ergibt sich aus dem genannten Strafurteil sowie aus der Eintragung im Strafregister.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Die BF ist als Staatsangehörige von Griechenland EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (so etwa, wenn der EWR-Bürger zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

In diesem Zusammenhang weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen hat (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es obliegt daher dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Die Erlassung als auch die Bemessung des Aufenthaltsverbotes mit einer Dauer von 3 Jahren erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, als nicht geboten. Die belangte Behörde hat es vollkommen außer Acht gelassen, dass sich die BF mittlerweile seit beinahe 5 Jahre im Bundesgebiet aufhält. Die BF zuvor unbescholten war und es sich bei der Verurteilung um ein Vergehen handelt und die BF zur keiner "unbedingten Freiheitsstrafe" verurteilt wurde. Die gesamte Freiheitsstrafe von 12 Monate wurde bedingt ausgesetzt. Warum die belangte Behörde in ihrem Bescheid immer wieder von Geldwäsche spricht entzieht sich der Kenntnis des erkennenden Gerichts. Die BF wurde wegen Vergehens des schweren Betruges verurteilt und nicht wegen Geldwäsche. Des Weiteren liegt die letzte Tat bereits 2 Jahre zurück. Das erkennende Gericht geht daher nicht davon aus, dass nach wie vor von der BF eine tatsächliche, gegenwärtige und vor allem erhebliche Gefahr ausgeht, die das Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230)

Es muss also eine Gesamtbetrachtung stattfinden um eine Gefährlichkeitsprognose abgeben zu können. Die BF wurde vom Strafgericht zwar zu einer 12-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, jedoch wurden diese 12 Monate unter Setzung einer 3-jährigen Probezeit, bedingt nachgesehen. Aus dem gekürztem Gerichtsurteil geht hervor, dass die BF für die Beteiligung am schweren Betrug verurteilt wurde. Die belangte Behörde versteift sich in ihrer Begründung für das erlassene Aufenthaltsverbot ausschließlich auf die finanzielle Lage, ihre mangelnden Deutschsprachkenntnisse sowie das die BF trotz mehrjährigen Aufenthalts keine Fortbildung oder andere Ausbildungen absolviert habe die ihr zu einer besseren wirtschaftlichen Stellung verhelfen könnten. Sie bezichtigt der BF sogar, dass sie eine besonders schwere Kriminalität im Sinne des § 83 Abs. 1 AEUV begangen habe - nämlich Geldwäscherei - obwohl die BF - wie bereits mehrmals ausgeführt wegen des Vergehens des schweren Betruges verurteilt wurde. Die belangte Behörde hat es jedoch vollkommen unterlassen die bisherige Unbescholtenheit, den bereits seit 2 Jahren zurückliegenden Tathergang sowie dass die BF wiederum einer Beschäftigung nachgeht zu berücksichtigten.

Das erkennende Gericht vermag, im vorliegenden Fall - unter Hinweis des oben angeführten - keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, welche von der BF ausgehen soll, erkennen. Die vorzunehmende Zukunftsprognose (Gefährderprognose) fiel daher zu Gunsten der BF aus.

Aus den dargelegten Gründen war daher der angefochtene Bescheid gemäß §§ 28 Abs. 2 und 5 iVm. 27 VwGVG ersatzlos aufzuheben.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu Spruchteil B):

Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0033). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (VwGH Ra 11.05.2017, 2016/21/0022; 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, da sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufgehoben, Behebung der Entscheidung, bestehendes
Familienleben, ersatzlose Behebung, EU-Bürger, Gefährdungsprognose,
mangelnder Anknüpfungspunkt, strafrechtliche Verurteilung,
Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G306.2190273.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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