TE Bvwg Beschluss 2018/7/3 W205 2196946-1

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Veröffentlicht am 03.07.2018
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Entscheidungsdatum

03.07.2018

Norm

AsylG 2005 §5 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §7 Abs2

Spruch

W205 2196946-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2018, Zahl IFA 325060402, Verfzl. 180102517, beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der (neunte in Österreich gestellte) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.01.2018 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b iVm Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

2. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer nach seiner - in Anwesenheit seines Rechtsberaters (ARGE) nach erfolgter Rechtsberatung und unter Beiziehung einer Dolmetscherin erfolgten - Einvernahme am 08.03.2018 persönlich übernommen.

3. Am selben Tag nach Zustellung des Bescheides gab der Beschwerdeführer in Anwesenheit des Rechtsberaters und der Dolmetscherin vor dem einvernehmenden Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einen ausdrücklichen Beschwerdeverzicht ab. In dem diesbezüglichen behördlichen Vermerk von diesem Tag ist angemerkt, der Beschwerdeführer erkläre aus freien Stücken ohne Einfluss von Furcht und Zwang, dass er freiwillig so schnell als möglich nach Italien zurück wolle. Er werde dahingehend manuduziert, dass ein Rechtsmittelverzicht die sofortige Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides zur Folge habe und der weitere Aufenthalt den fremden- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen unterliege und dieser auch keinen Einfluss auf die Aufhebung einer allfällig bestehenden fremdenrechtlichen Maßnahme (wie der Schubhaft) habe.

Der Beschwerdeführer gab - dem Vermerk zufolge - an, er verzichte auf die Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid, er möchte so schnell als möglich nach ITALIEN zurückkehren.

Dieser Beschwerdeverzicht wurde vom Beschwerdeführer in Anwesenheit der Leiterin der Amtshandlung, der Dolmetscherin und dem Rechtsberater eigenhändig unterfertigt.

4. Der Beschwerdeführer brachte durch seinen Rechtsvertreter am 06.04.2018 die gegenständliche Beschwerde ein, die dem BVwG samt Verwaltungsakt am 30.05.2018 vorgelegt wurde.

5. Dem Beschwerdeführer wurde mit hg. Schreiben vom 13.06.2018 dieser Rechtsmittelverzicht und die Rechtsfolgen dieser Erklärung vorgehalten und ihm - im Wege seines ausgewiesenen Rechtsvertreters - die Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist gegeben.

6. Von dieser Möglichkeit zur Stellungnahme machte der Beschwerdeführer innerhalb der Frist und auch bis dato keinen Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 30.01.2018 in Österreich seinen 9. Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 5 AsylG 2005 wegen Unzuständigkeit Österreichs nach der Dublin III-VO zurückgewiesen wurde. Die Zustellung des angefochtenen Bescheides erfolgte durch eigenhändige Übernahme durch den Beschwerdeführer. Nach der Zustellung des angefochtenen Bescheides gab der Beschwerdeführer am 08.03.2018 vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung einer Dolmetscherin und eines Rechtsberaters einen ausdrücklichen Beschwerdeverzicht ab (Inhalt der Erklärung siehe oben Punkt I.3.).

Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dem Beschwerdeführer die Rechtsfolgen des Rechtsmittelverzichts unklar gewesen sind oder er in irgendeiner Weise unter Druck oder Zwang gehandelt hätte.

Ungeachtet dieses Verzichts erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen stützen sich auf den Verfahrensakt, insbesondere die Dokumentation über den Ablauf der Erklärung des Beschwerdeführers zum Beschwerdeverzicht. Der Beschwerdeführer hat auch nicht die ihm vom BVwG eingeräumte Gelegenheit genützt, Gründe darzulegen, die Anlass zu weiteren Ermittlungen über einen allenfalls vorliegenden relevanten Willensmangel oder andere Umstände, die auf die Unwirksamkeit des Beschwerdeverzichts schließen ließen, gegeben hätten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Unzulässigkeit der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

Ein Beschwerdeverzicht kann erst nach Erlassung des Bescheides an die Partei wirksam erfolgen. Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichts ist besonders streng zu prüfen (vgl. VwSlg. 17.042 A/2006; VwGH 17.02.2010, 2009/17/0254).

Voraussetzung für einen rechtswirksamen Verzicht ist, dass er frei von Willensmängeln (vgl. VwSlg 12.791 A/19988 (Zwang); VwGH 19.11.2004, 2004/02/230 (Geisteskrankheit) VwSlg 17.042 A/2006 (irreführende oder unvollständige Rechtsbelehrung)) und in Kenntnis der Rechtsfolgen abgegeben wurde (vgl. VwGH 31.05.2006, 2006/10/0075). Eine rechtsverbindliche Willenserklärung der verzichtenden Partei kommt unter anderem dann nicht zustande, wenn sie in einem wesentlichen Irrtum befangen und dieser "durch den anderen Teil", dh. durch den Organwalter der Behörde, "veranlasst war". "Veranlassen" umfasst in diesem Zusammenhang jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten des Organwalters, wobei nicht gefordert ist, dass die Irreführung schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) herbeigeführt wurde. Ein Willensmangel liegt aber beispielsweise auch dann vor, wenn die Partei durch eine irreführende bzw. unvollständige Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Folgen und Möglichkeiten einer Beschwerde bekommen hat. Neben der Kenntnis seiner Rechtsfolgen ist Voraussetzung für einen gültigen Beschwerdeverzicht auch, dass die Partei nicht von der Behörde in rechtswidriger Weise durch Druck, Zwang oder Drohung zur Abgabe bestimmt wurde. Abgesehen davon kommt es aber auf die Absichten, Motive und Beweggründe, welche die Partei zum Verzicht veranlasst haben, nicht an. Auch andere Willensmängel, wie etwa solche, die in einer geistigen Krankheit ihre Ursache haben, sind beachtlich. (vgl. zu allem Hengstschläger/Leeb, AVG, § 63 Rz 76 mwN).

Besondere Formerfordernisse bestehen nicht (vgl. VwGH 11.07.2003, 2000/06/0173), der Verzicht muss allerdings ausdrücklich erklärt werden (dazu VwGH 17.04.2009, 2007/03/0040), wobei Fremde der deutschen Sprache hinlänglich mächtig sein müssen, um sich der Tragweite des Verzichtes bewusst zu sein und ein Willensmangel bei seiner Abgabe ausgeschlossen werden kann (vgl. VwGH 30.03.2010, 2006/19/0934).

Der Beschwerdeverzicht ist unwiderruflich (vgl. VwGH 10.03.1994, 94/19/0601; 12.05.2005, 2005/02/0049).

3.2. Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer nach Zustellung des angefochtenen Bescheides vor der Leiterin der Amtshandlung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einen ausdrücklichen Beschwerdeverzicht abgegeben. Dieser erfolgte nach ausführlicher Rechtsbelehrung unter Beiziehung einer Dolmetscherin und eines Rechtsberaters über die Rechtsfolgen des Verzichtes.

Es besteht kein Anhaltspunkt für einen Willensmangel oder dafür, dass der - der deutschen Sprache nicht mächtige - Beschwerdeführer Kommunikationsprobleme gehabt hätte, ist doch sowohl dem Text eine eindeutige Erklärung über die Rechtsfolgen dieses Verzichts zu entnehmen und lässt auch die Antwort des Beschwerdeführers, er verzichte auf die Beschwerde, er möchte so schnell als möglich nach ITALIEN zurückkehren, deutlich erkennen, dass er sich der Tragweite dieser Erklärung auch tatsächlich bewusst war.

Letztlich hat der Beschwerdeführer auch dem diesbezüglichen hg. Vorhalt nichts entgegengesetzt.

3.3. Da im Beschwerdefall von einem rechtswirksamen Beschwerdeverzicht auszugehen ist, erwuchs der angefochtenen Bescheid am 08.03.2018 in Rechtskraft.

Die dennoch erhobene gegenständliche Beschwerde erweist sich daher als unzulässig und war zurückzuweisen.

3.4. Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Beschwerdeverzicht, Willensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W205.2196946.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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