TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/16 98/21/0160

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Veröffentlicht am 16.12.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
25/01 Strafprozess;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
StPO 1975 §353;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des am 1. Juli 1961 geborenen H, vertreten durch

Dr. Ferdinand Weber, Rechtsanwalt in 3500 Krems an der Donau, Ringstraße 50, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 15. Dezember 1997, Zl. Fr 1584/97, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 15. Dezember 1997 gerichtet, mit dem gegen den Beschwerdeführer, einen tunesischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 16. November 1994 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 12 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden sei. Das Urteil sei seit dem 25. Juli 1995 rechtskräftig. Er habe seit Anfang des Jahres 1994 im Raum Wien eine große Menge Suchtgift (zumindest 900 g Heroin) "verhandelt", in Verkehr gesetzt und teils selbst konsumiert. Bei Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz handle es sich nicht nur um gravierende Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung, sondern es stelle dieses Verhalten auch eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit anderer Personen, insbesondere Jugendlicher, dar.

Der Beschwerdeführer sei im Oktober 1991 nach Österreich eingereist. Er habe sein Heimatland legal verlassen und sei im Besitz eines Reisepasses gewesen. Im Dezember 1991 sei er erstmals wegen seines rechtswidrigen Aufenthaltes zur Anzeige gebracht worden. Am 2. April 1992 sei er wegen eines versuchten Einbruchsdiebstahls festgenommen worden. Mit Straferkenntnis vom 6. April 1992 sei er wegen Übertretung des Meldegesetzes und des Fremdenpolizeigesetzes rechtskräftig bestraft worden. Die Bundespolizeidirektion Wien habe mit Bescheid vom 6. April 1992 ein Aufenthaltsverbot bis zum 30. Juni 1997 erlassen. Der Beschwerdeführer habe das Bundesgebiet jedoch offensichtlich nicht verlassen, weil er bereits am 19. August 1993 aufgrund eines Haftbefehles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (wegen §§ 15, 127, 128, 129 StGB) festgenommen worden sei. Eine Verurteilung wegen dieser Delikte sei jedoch nicht aktenkundig. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Familienangehörigen in Österreich. Weder aus den Akten noch aus seiner Berufung seien nähere Bindungen zu in Österreich aufhältigen Personen ersichtlich. Aufgrund der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers sei auch von keiner fortgeschrittenen Integration auszugehen, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers ein durchgehend rechtswidriger sei. Im Hinblick auf das bisherige Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers könne keine zu seinen Gunsten sprechende Prognose abgegeben werden.

Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eingangs ist klarzustellen, dass das Fremdengesetz 1997 keine Bestimmung enthält, derzufolge der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände. Der Beschwerdeführer wurde nämlich unbestritten vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 16. November 1994 wegen § 12 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt. Dies würde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 erfüllen. Es läge auch ein Fall des § 35 Abs. 3 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 vor, angesichts dessen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdengesetz 1997 eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich wäre (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490). Der angefochtene Bescheid ist daher nicht gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 außer Kraft getreten.

Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Gemäß § 18 Abs. 2 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 1) von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen erheblich gefährdet. § 18 Abs. 1 FrG ordnet sohin an, dass bei Vorliegen eines der in Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände auf der Grundlage des entsprechenden Sachverhaltes eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob in concreto die umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Um diese Gefährlichkeitsprognose treffen zu können, ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. September 1997, Zl. 95/21/0234, und vom 25. September 1998, Zl. 97/21/0829).

Der Beschwerdeführer bestreitet die Tatsache seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe wegen des Deliktes des Suchtgifthandels nicht. Er meint aber, dass die Verurteilung zu Unrecht erfolgt sei und er derzeit - soweit ihm dies aufgrund seiner Haft möglich sei - intensiv bemüht sei, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erlangen. Es sei durch eine Verwechslung zur Verurteilung gekommen und es wäre ihm die Möglichkeit von Beweisanboten vom Gericht verwehrt worden. Der Oberste Gerichtshof habe zwar seine Nichtigkeitsbeschwerde verworfen, er habe aber die Hoffnung nicht aufgegeben, dem Gericht zusätzliche Beweise anbieten zu können, die geeignet seien, seine Unschuld zu bekräftigen. Es sei nicht einzusehen, warum sich die Behörde mit diesen Einwendungen überhaupt nicht auseinander gesetzt habe. Es sei zwar richtig, dass er zu Beginn seines Aufenthaltes in Österreich Probleme mit Meldevorschriften gehabt habe; dies sei aber lediglich aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse sowie mangelnder Kenntnisse der konkreten Meldebestimmungen der Fall gewesen. Die unrichtige Behauptung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer sei aufgrund eines versuchten Einbruchsdiebstahls in das Islamische Zentrum in Wien festgenommen worden, sei zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer habe ein derartiges Delikt nicht gesetzt und eine Verurteilung sei auch nicht aktenkundig. Unberücksichtigt sei auch geblieben, dass der Beschwerdeführer Mitglied einer in Tunesien verbotenen Partei gewesen sei und wegen politischer Verfolgung gezwungen gewesen sei, aus Tunesien zu flüchten.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde durfte nämlich angesichts des unbestritten rechtskräftigen Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. November 1994 - womit für sie bindend feststand, dass der Beschwerdeführer die zu Grunde liegenden Straftaten begangen hatte (vgl. das hg. Erkennntis vom 8. Oktober 1997, Zl. 95/21/0900) - den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG als verwirklicht ansehen. Daran ändert auch der Hinweis des Beschwerdeführers nichts, dass er die Hoffnung habe, eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu erlangen.

Angesichts der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat stößt auch die Auffassung, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 FrG), auf keine Bedenken.

Der - unbestritten seit Oktober 1991 in Österreich aufhältige - Beschwerdeführer verweist auf keine privaten oder familiären Beziehungen im Bundesgebiet. Angesichts dessen sowie der Schwere der ihm zur Last liegenden Straftat ist der angefochtene Bescheid auch im Grund der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG nicht rechtswidrig, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von Fremden, die des Verbrechens des Suchtgifthandels rechtskräftig für schuldig erkannt worden sind, eine derart schwer wiegende Gefahr ausgeht, dass auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht unzulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 1997, Zl. 97/21/0375).

Soweit der Beschwerdeführer auf ihm im Fall seiner Abschiebung nach Tunesien dort drohende Gefahren hinweist, vermag er schon deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil solche Gefahren nicht der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegenstehen, sondern allenfalls seiner Abschiebung nach Tunesien im Grund des § 37 Abs. 1 und 2 FrG. Derartige Gefahren können in den gesonderten Verfahren gemäß § 36 Abs. 2 FrG und § 54 Abs. 1 leg. cit. geltend gemacht werden.

Bereits die Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Sie war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998210160.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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