TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/17 W161 2176953-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2018
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Entscheidungsdatum

17.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W161 2176953-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) des XXXX, geb. am XXXX, StA. Somalia, vertreten durch Edward W. DAIGNEAULT, Rechtsanwalt in 1160 Wien, betreffend seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 26.04.2016, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag vom 26.04.2016 des XXXXauf internationalen Schutz wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 17.7.2019 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Somalias und stellte am 26.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab der Beschwerdeführer an ledig zu sein und Somalisch zu sprechen. Er bekenne sich zum sunnitischen Islam. Er habe von 01.01.2004 bis 01.01.2015 eine Grundschule in XXXX besucht. Berufsausbildung habe er keine. Er habe in Somalia in XXXX gelebt.

Er sei im Juni 2015 aus seinem Herkunftsstaat ausgereist und über Kenia, Uganda, den Südsudan, den Sudan und Libyen nach Italien und dann weiter nach Österreich gereist. Die Reise von Somalia nach Kenia habe er selbst organisiert. Die Reise von Kenia nach Libyen und nach Italien habe er mit einem Schlepper gemacht. Die Reise habe 7.000 USD gekostet.

Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass eine islamische Gruppe habe seinen Vater umgebracht. In der Nacht kontrolliere diese islamische Gruppe den Bezirk und sie heiße Al Shabaab. Er habe vor dieser Gruppe Angst. Am Tag kontrolliere das Militär der Regierung. Bei einer Rückkehr befürchte er Probleme mit dieser Gruppe namens Al Shabaab zu bekommen. Er habe Angst, dass man ihn umbringe.

In Somalia würden noch seine Mutter, seine Schwester sowie seine beiden Brüder (ca. 14 und 16 Jahre) leben. Sein Vater sei bereits verstorben. Innerhalb der Europäischen Union habe er keine Familienangehörigen.

2. Am 09.08.2017 bracht der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein und führte begründend aus, dass sein Verfahren beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) seit mehr als 15 Monaten anhängig sei und über seinen Antrag bis dato nicht entschieden worden sei. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgabe der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und dem Beschwerdeführer Asyl, gegebenenfalls subsidiären Schutz gewähren.

3. Mit Verfahrensanordnung wurde dem Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation beigegeben.

4. Am 14.11.2017 legte das BFA die gegenständliche Säumnisbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor. Eine Erklärung für die Säumnis findet sich darin nicht. Angemerkt wurde, dass nach individueller Prüfung des Verwaltungsaktes eine Erledigung im vorliegenden Fall nicht innerhalb der 3-Monatsfrist erfolgen könne, weshalb der Akt in Vorlage gebracht werde.

5. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 12.12.2017 beauftragte das Bundesverwaltungsgericht das BFA gemäß § 19 Abs. 6 AsylG, in der Fassung BGBl Nr. 24/2016, mit der Einvernahme des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer wurde in weitere Folge am 17.01.2018 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Somali niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er sich psychisch und physisch dazu in der Lage fühle Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Er habe keine physischen oder psychischen Probleme. Er habe im Verfahren bis dato die Wahrheit gesagt und es sei alles rückübersetzt und korrekt protokolliert worden. Er könne sich an seine Angaben bei der Erstbefragung erinnern. Seine damaligen Angaben seien vollständig und er habe damals alles gesagt.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er ergänzend an, dass er dem Clan der Digil und Mirifle, Subclan XXXX, Subsubclan XXXX angehöre. Er sei traditionell verheiratet und habe die Ehe in Österreich geschlossen. Er habe keine Kinder und seine Ehefrau lebe in Somalia. Seine Brüder seien ca. 18 und 15 Jahre alt. Er habe von 2004 bis 2015 eine Grund- und eine Hauptschule in XXXX besucht. Für den Lebensunterhalt sei seine Mutter aufgekommen. Diese habe sie ernährt und sie hätten ganz normal leben können. Seine Mutter sei Krankenschwester gewesen. Ein eigenes Einkommen habe er nicht gehabt. Sie hätten in einem eigenen Haus gewohnt, welches später zur Finanzierung seiner Flucht verkauft worden wäre. Besitztümer habe seine Familie nicht. Seine Frau habe er am XXXX telefonisch auf traditionelle Art geheiratet. Zuletzt habe er vor vier Tagen mit seiner Mutter gesprochen. Diese würde noch arbeiten. Er habe noch Freunde und Bekannte im Heimatland, zu denen er eigentlich keinen Kontakt mehr habe. In Somalia sei er eigentlich nur in XXXX, gelegentlich auch in Mogadischu gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er in freier Erzählung vor, dass er Schüler gewesen sei. Als er die Hauptschule abgeschlossen habe, sei er gerade dabei gewesen sich auf sein Studium vorzubereiten. Die Al Shabaab habe ihn zwangsrekrutieren wollen. Fünf Mitglieder der Al Shabaab hätten ihn deswegen in der Moschee angesprochen. Sie hätten sich vorgestellt und gewollt, dass er sich anschließe. Es gäbe ein Trainingslager, wo er ausgebildet werden würde. Er habe aber abgehlehnt, da er weiter studieren und zur Universität gewollt habe. Die Männer hätten daraufhin gesagt, dass er müsse. Er sei aber dabei geblieben, dass er nicht wolle. Dann seien die fünf Männer gegangen und er sei nach Hause zurückgekehrt. Dies sei am 20.04.205 gewesen. Am 25.04.2015, als er in einer privaten Schule gewesen sei, seien ca. acht Männer zu ihm nach Hause gekommen. Dies habe ihm seine Mutter erzählt. Bei Al Shabaab gebe es verschiedene Gruppen. Die ersten fünf, die mit ihm gesprochen hätten, seien Leute gewesen, welche nur Vorträge gehalten hätten, um Mitglieder zu rekrutieren. Die zweite Gruppe (die 8 Männer), die ihn zu Hause gesucht hätten, seien Leute, die ausgesendet werden würden, um jemanden umzubringen. Sie seien zu seinem Haus gekommen und hätten sich mit dem Vater unterhalten. Der habe ihnen gleich erzählt, dass der Beschwerdeführer der Erstgeborene sei und er nicht wolle, dass seine Kinder Soldaten werden würden. Er wolle, dass sie eine gute Ausbildung erhalten und arbeiten. Daraufhin hätten die Männer den Vater umgebracht, da sie ihm vorgeworfen hätten, ein Ungläubiger und Gegner von Al Shabaab zu sein. Der Beschwerdeführer habe einen Anruf von seiner Mutter erhalten, die ihm geschildert habe, was vorgefallen sei. Sie habe ihm gesagt, dass er nicht nach Hause zurückkehren dürfe und so schnell wie möglich die Stadt verlassen solle. Er sei in den nächsten Linienbus nach Mogadischu gestiegen. Dort habe er mehrere SMS erhalten und sei telefonisch bedroht worden. Am 10.05.2015 habe er Mogadischu verlassen. Bis dahin habe er sich auf verschiedenen Plätzen in Mogadischu versteckt. Er sei nach Kismayo, wo er ca. bis 30.05.2015 geblieben sei, als er Richtung Nairobi aufgebrochen sei.

Nach Befragung durch die Behörde bracht er vor, dass XXXX zum Teil unter Kontrolle der Al Shabaab und zum Teil unter Kontrolle von AMISOM gewesen sei. Es seien Truppen aus Uganda und Burundi stationiert gewesen. Er habe eine medizinische Ausbildung zum Doktor machen wollen. Die Privatschule habe "XXXX" geheißen und er sei in der englischen Sprache unterrichtet worden. Befragt, woher man seine Nummer gehabt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass Al Shabaab Beziehungen zu den Telekommunikationsfirmen habe und so die Nummern eruieren könne. In Mogadischu habe er sich bei Bekannten und manchmal auf der Straße aufgehalten. Der größte Teil seiner Familie lebe bzw. habe in XXXX gelebt. Die Männer von der Moschee habe er vom Sehen sehr gut gekannt, sie seien öfter in der Moschee gewesen. Ihre Namen bzw. persönlich kenne er sie nicht. Es gebe regelmäßige Rekrutierungen in der Moschee. Manchmal gebe es Vorträge. Wenn die Leute nicht hören würden, würden sie anfangen Zwang auszuüben.

Er sei in der Heimat nicht vorbestraft und werde nicht von den Behörden gesucht. Er habe auch keine Probleme mit den Behörden in der Heimat gehabt. Er sei auch kein Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen und sei von staatlicher Seite nicht wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt worden. Auch sei er nicht von staatlicher Seite wegen seiner Rasse oder wegen seiner Religion verfolgt worden. Von staatlicher Seite sei er auch nicht wegen seiner Nationalität, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden. Es sei aber gelegentlich zu Beleidigungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit gekommen. Übergriffe habe es aber nicht gegeben und es sei auch persönlich niemand an ihn herangetreten. Befragt, was er bei einer Rückkehr befürchte, gab er an, dass es Al Shabaab dort noch gäbe. Sie würden auch gelegentlich zu ihnen nach Hause kommen und hätten gesagt, dass er ein Ungläubiger sei. Befragt, warum er nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er Mogadischu gewesen sei, es dort die Regierung gäbe, er aber auch dort angerufen und bedroht worden wäre. Er würde sich auch in anderen Gegenden unsicher fühlen.

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen hinsichtlich seiner Integration in Österreich vor.

6. Mit Schreiben vom 07.02.2018 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.04.2018 unter gleichzeitiger Übermittlung eines aktuellen Länderberichtes zu Somalia (Stand 12.01.2018) geladen.

7. Am 23.04.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung durch.

Der Beschwerdeführer gab an, dass er psychisch und physisch dazu in der Lage sei, der mündlichen Verhandlung zu folgen. Seine persönlichen Angaben seien korrekt und er habe am XXXX in Abwesenheit seiner Ehefrau telefonisch traditionell geheiratet. Er gehöre dem Clan der Digil Mirifle, Subclan der XXXX, Subsubclan der XXXX an.

Befragt zu seinen Lebensumständen und seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung an wie folgt:

"BF: Meine Eltern, meine zwei Brüder, eine Schwester und ich wohnten in einem Haus in der Stadt XXXX. Ich besuchte elf Jahre die Schule (2004 - 2015). Nach der Schule wollte ich studieren, das war aber aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich.

R: Was haben Sie nach der Schule gemacht?

BF: Ich habe nichts gemacht.

R: Haben Ihre Eltern gearbeitet?

BF: Meine Mutter hat gearbeitet.

R: War Ihre Familie reich oder arm?

BF: Mittelmäßig

R: Hat Ihre Mutter die ganze Familie ernährt?

BF: Ja.

R: Was hat dazu geführt dass Sie das Land verlassen mussten?

BF: Ich hatte Schwierigkeiten mit Al-Shabab (AS). Eines Tages als ich mit Freunden in der Moschee war, kamen fünf Männer zu uns. Sie kamen zu mir und forderten mich auf, an einem Training teilzunehmen. Sie sagten mir auch, dass ich Soldat werden solle. Ich lehnte das ab und sagte, dass ich weiterstudieren wolle.

R: Vh: Vorher gaben Sie an, Sie hätten nicht angefangen zu studieren, jetzt geben Sie an, Sie wollten weiter studieren.

BF: Ich war in der Vorbereitung. Ich wollte meiner eigenen Familie helfen.

R: Das war die Vorbereitung zu Ihrem Studium?

BF: Während der Vorbereitung kamen die AS in die Moschee.

R: Was haben Sie für die Vorbereitung gemacht?

BF: Bei uns gibt es eine Aufnahmeprüfung und ich habe gelernt.

R: Haben Sie gewusst wer die fünf Männer sind?

BF: Sie sagten, dass sie von AS wären. Sie waren aber nicht bewaffnet.

R: Haben die Leute von AS nur mit Ihnen gesprochen oder auch mit Ihren Freunden?

BF: Mit allen.

R: Was ist dann passiert?

BF: Ich wiederholte mehrere Male, dass ich nicht bereit wäre, an diesem Training teilzunehmen und gingen die Männer dann weg. Ich ging auch nach Hause und erzählte diesen Vorfall meinen Eltern. Und sie sagten mir auch, ich solle studieren. Und sie sagten auch, ich solle nicht wieder zur Moschee gehen. Eines Tages als ich in einer privaten Schule war, wo ich Englisch lernte, der Name der Schule war XXXX, bekam ich einen Anruf von meiner Mutter und sie sagte mir, dass acht bewaffnete und vermummte Männer bei uns zu Hause wären und auf der Suche nach mir seien. Diese acht Männer hatten ein Gespräch mit meinem Vater und wollten von meiner Mutter wissen, wo ich mich versteckt halte. Die Männer sagten, dass sie vorhätten, mich zu töten, da ich mich ihren Befehlen widersetzt hätte. Mein Vater sagte zu den Männern, dass er nicht einverstanden sei, dass ich mich AS anschließe und rekrutiert werde. Aus diesem Grund wurde er auf der Stelle getötet. Meine Mutter erklärte mir das alles am Telefon und sagte mir auch, dass ich nicht nach Hause zurückkehren solle. Ich fuhr nach Mogadischu und bekam dort mehrere Droh-SMS von AS.

R: Welchen Inhalts?

BF: Dass sie in der Lage wären, mich auch in Mogadischu aufzufinden und zu töten. Aus diesem Grunde musste ich aus meiner Heimat fliehen.

R: Wie viel Zeit verging zwischen dem Vorfall in der Moschee und dem Besuch der Männer bei Ihnen zu Hause?

BF: Der Vorfall in der Moschee war am 20.04 und der Anruf von meiner Mutter am 25.04.2015

R: Sind Sie dann nach dem Anruf der Mutter sofort geflüchtet?

BF: Richtig. Ich war nicht mehr zu Hause.

R: Woher hatten Sie das Geld für die Flucht?

BF: Wir hatten ein Haus und dieses wurde von meiner Mutter verkauft.

R: Wohin gingen Sie in Mogadischu (Familie, Freunde, Hotel)?

BF: Ich war dort obdachlos und musste auf der Straße schlafen.

R: Wie lange waren Sie in Mogadischu?

BF: Zwei Wochen.

R: Haben Sie sich Ihre Flucht alleine organisiert oder hat Ihnen ein Schlepper dabei geholfen?

BF: Durch einen Schlepper bin ich von Mogadischu nach Kenia geflohen. Auch bei der Weitereise nach Europa hatte ich Unterstützung durch einen Schlepper.

R: Wie wurde Ihr Vater getötet?

BF: Ich war nicht dabei. Meine Mutter erzählte mir nur, dass er getötet worden wäre.

R: Was war mit Ihren Brüdern? Sollten sie auch rekrutiert werden?

BF: Sie waren jünger als ich.

R: Was haben Ihre Freunde in der Moschee gesagt? Haben sie sich auch geweigert zu dem Trainingslager zu gehen?

BF: Die anderen waren damit einverstanden dieses Training zu absolvieren.

R: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie seitdem sie in Österreich sind?

BF: Meine Mutter ruft mich an.

R: Kam es noch zu Vorfällen mit AS in Bezug auf Ihre Familie seit Ihrer Flucht?

BF: Nein.

R: Sind Sie noch immer gesund und haben keine schweren Erkrankungen?

BF: Ja, ich leide an keinen schweren Erkrankungen.

....

R: Bitte schildern Sie uns noch, wie es zu Ihrer Heirat kam.

BF: Sie war meine Freundin. Wir hatten engen Kontakt in XXXX.

R: Wie alt ist sie? Wie lange waren sie befreundet vor Ihrer Flucht?

BF: Sie war damals 18 Jahre alt, jetzt ist sie 21. Wir waren ein Jahr befreundet.

R: Möchten Sie uns sonst noch etwas angeben, das für dieses Verfahren von Relevanz sein könnte?

BF: Nein.

R: Wie viel hat Sie die Flucht gekostet von Somalia nach Europa?

BF: 7000 US-Dollar.

R: Haben Sie das Geld an die Schlepper gezahlt oder die Familie?

BF: Meine Mutter hat sie bezahlt."

Abschließend brachte der Rechtsvertreter vor, dass die Sicherheit und Versorgung mit Nahrung in Somalia prekär bleibe. Die AMISOM Truppen seien in verschiedenen südlichen Städten stationiert. Die Städte seien zumindest in der Nacht unter dem Einfluss der Al Shabaab. Die Reise zwischen den Städten sei gefährlich. XXXX sei bekannt dafür, dass Al Shabaab dort eine dauerhafte Präsenz habe. Für den Beschwerdeführer gäbe es keine Fluchtalternative, da er kein soziales Netzwerk in einem anderen Teil von Somalia habe. Die Dürre und verschiedene Clan-Konflikte in der Region würden die Unsicherheit und die Nahrungsmittelknappheit verschärfen.

Im Zuge der Verhandlung legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen hinsichtlich seiner Integration in Österreich vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund des Asylantrags vom 26.04.2016, der Einvernahmen des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesamt, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung am 23.04.2018 werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt.

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Somalias, bekennt sich zum muslimischen Glauben (Sunnit) und gehört dem Clan der Digil Mirifle, Subclan der XXXX, Subsubclan der XXXX an. Er stammt aus der Stadt XXXX in der Region Lower Shabelle, wo er zuletzt mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt hat.

Der Beschwerdeführer hat Somalia im Juni 2015 verlassen und ist über Kenia, Uganda, den Südsudan, den Sudan und Libyen nach Italien und dann weiter nach Österreich gereist., wo er am 26.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Al-Shabaab ausgesetzt war. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft gemacht.

Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an seine Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seine politische Überzeugung anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Somalia, aufgrund der instabilen und prekären Sicherheits- und Menschenrechtslage und insbesondere aufgrund der schwierigen allgemeinen Versorgungslage, Gefahr laufen würde, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.

1. Länderberichte zur Situation in Somalia

Zur maßgeblichen Situation in Somalia wird festgestellt:

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017). Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017). Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g.

Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017). Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)

Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).

Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).

Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.

Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).

Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).

1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).

2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017). Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).

3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

-

DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

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WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen:

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die

Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd (z.B. Problematik der unterschiedlichen Einflusslage bei Tag und Nacht; der Fluktuation entlang relevanter Nachschubwege). Um die Karten übersichtlich zu gestalten, wurde eine Kategorisierung der auf somalischem Boden operierenden (Konflikt-)Parteien vorgenommen (BFA 8.2017):

a) Alle auf irgendeine Art und Weise mit der somalischen Regierung verbundenen und gleichzeitig gegen al Shabaab gestellten Kräfte wurden als "anti-al-Shabaab Forces" zusammengefasst. Diese Kategorie umfasst neben Bundeskräften (SNA) auch Kräfte der Bundesstaaten (etwa Jubaland, Galmudug, Puntland) sowie AMISOM und bi-lateral eingesetzte Truppen (und damit de facto auch die Liyu Police).

b) Die ASWJ wurde nicht in diese Kategorie aufgenommen, da sie zwar gegen al Shabaab kämpft, die Verbindung zur Bundesregierung aber momentan unklar ist.

c) Einige Clans verfügen über relative Eigenständigkeit, die auch mit Milizen abgesichert ist. Dies betrifft in erster Linie die Warsangeli (Sanaag), Teile der Dulbahante (Sool) und die Macawusleey genannte Miliz in Hiiraan. Keine dieser Milizen ist mit Somaliland, einem somalischen Bundesstaat, mit der somalischen Bundesregierung oder al Shabaab verbunden; sie agieren eigenständig, verfügen aber nur über eingeschränkte Ressourcen.

Operational Areas

d) Operationsgebiete, in welchen die markierten Parteien über relevanten Einfluss verfügen (einfarbig): Dort können die Parteien auf maßgebliche Mittel (Bewaffnung, Truppenstärke, Finanzierung, Struktur, Administration u.a.) zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Es sind dies die Republik Somaliland;

Puntland; teilweise auch Galmudug; AMISOM in Tandem mit der somalischen Regierung bzw. mit Bundesstaaten; äthiopische Kräfte im Grenzbereich; al Shabaab; Ahlu Sunna Wal Jama'a in Zentralsomalia;

e) Einige Gebiete (schraffiert) - vorwiegend in Süd-/Zentralsomalia - unterliegen dabei dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien.

f) Alle in der Karte eingetragenen Städte und Orte wurden einer der o. g. Parteien zugeordnet. Sie gelten als nicht schraffiert, die Kommentare unter 4.1.2 sind zu berücksichtigen. Soweit bekannt wurden den Städten AMISOM-Stützpunkte oder Garnisonen bi-lateral eingesetzter Truppen zugeordnet. In den Städten ohne eine derartige Präsenz gibt es eine SNA-Präsenz, oder aber Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten; oder Somalilands.

g) Operationsgebiete, in welchen kleinere Parteien über eingeschränkten Einfluss verfügen (strichliert): Dort sind neben den o. g. relevanten Parteien noch weitere Parteien mit eingeschränkter Ressourcenlage aktiv. Ihr Einfluss in diesen Operationsgebieten ist von wechselnder Relevanz und hängt von den jeweiligen verfügbaren Ressourcen und deren Einsatz ab (BFA 8.2017)

...

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2016; vgl. ACLED 2017).

Quellen:

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

Süd-/Zentralsomalia

Die Präsenz von AMISOM in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in Somalia zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).

Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017).

Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017).

Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf. Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017).

Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).

Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 9.2016).

Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werde

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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