TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/30 W103 2201680-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2018
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Entscheidungsdatum

30.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W103 2201680-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Ukraine, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zl. 1089860506-151489035, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46 und 55 FPG 2005, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsbürger der Ukraine, gelangte illegal in das Bundesgebiet und stellte am 04.10.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes, zu welchem er am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er stamme aus XXXX, gehöre der Volksgruppe der Tataren an und sei Moslem. Sein Vater und seine Stiefschwester würden seit etwa einem Jahr in Österreich leben. Der Beschwerdeführer habe im Juli 2015 den Entschluss gefasst, seine Heimat zu verlassen und sei Anfang Oktober 2015 im Besitz eines ungarischen Visums legal aus der Ukraine ausgereist. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, sein Vater habe in der Ukraine in einer Moschee unterrichtet; in der Ukraine gebe es gemäßigte und radikale Moslems. Ein paar Jahre zuvor hätten sich seine Eltern scheiden lassen. Sein Vater sei nach der Scheidung plötzlich verschwunden, in der Folge seien radikale, dem Beschwerdeführer unbekannte, Personen zu ihnen gekommen und hätten nach dem Vater des Beschwerdeführers gefragt. Seine Familie sei von diesen Personen immer stärker bedrängt worden, weshalb sie ihren Wohnort verlegt hätten. Nach kurzer Zeit hätten diese Personen sie jedoch gefunden, weshalb sie nach Russland ausgereist wären. In Russland habe der Beschwerdeführer jedoch bald Probleme mit der Polizei aufgrund seiner Herkunft bekommen. Als er erfahren hätte, dass sein Vater in Österreich lebe, habe er beschlossen, ebenfalls hierherzukommen. Seine Mutter hätte keine Probleme in Russland gehabt und wäre dort verblieben. Sichergestellt wurde der ukrainische Reisepass des Beschwerdeführers (vgl. AS 33 ff).

Mit Eingabe vom 11.07.2017 übermittelte der Beschwerdeführer diverse Fotos sowie eine Ausweiskopie zum Beleg seines Vorbringens. Mit weiterer Eingabe vom 04.10.2017 übermittelte der Beschwerdeführer eine Deutschkursteilnahmebestätigung sowie ein Empfehlungsschreiben durch den Leiter des Deutschkurses.

Nach Zulassung seines Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 07.06.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die ukrainische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er auf entsprechende Befragung hin zusammenfassend vor, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen und sich nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden. Seine im Rahmen der Erstbefragung erstatteten Angaben seien wahrheitsgemäß gewesen. Der Beschwerdeführer sei im Gebiet XXXX geboren worden und habe nie in einem anderen Teil der Ukraine gelebt. Im Herkunftsstaat hielten sich noch ein Onkel und dessen Kinder auf, zu welchen der Beschwerdeführer jedoch keinen Kontakt habe. Sein Vater sei in Österreich aufhältig, wo er jedoch bereits einen negativen Asylbescheid erhalten hätte; seine Mutter sei in Russland wohnhaft. In Russland befänden sich desweiteren eine Schwester und ein Bruder des Beschwerdeführers, eine weitere Halbschwester habe er erst in Österreich kennengelernt. Mit seiner Mutter habe der Beschwerdeführer ein gutes Verhältnis, die Beziehung zu seinem Vater sei angespannt. Der Beschwerdeführer habe noch Freunde und Bekannte im Heimaltland.

Der Beschwerdeführer sei Ukrainer und zur Hälfte Tatar, er bekenne sich zum moslemischen Glauben und habe neun Jahre lang die Mittelschule sowie vier Jahre lang ein College besucht und einen Abschluss als Ingenieur und Mechaniker erlangt. Der Beschwerdeführer habe im Anschluss in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet und sei dadurch selbständig für seinen Lebensunterhalt aufgekommen. Ende des Jahres 2011 sei er nach XXXX gezogen und hätte dort ebenfalls gearbeitet.

Zu den Gründen seiner Ausreise führte der Beschwerdeführer wie folgt aus:

"Ich habe die Ukraine aus Gründen des radikalen Islams verlassen. Wenn jemand aus meiner Familie oder ich dort geblieben wären, wären wir getötet worden. Mein Vater war islamischer Gelehrter, er hat auch einen Religionsunterricht geführt. Der wesentliche Teil seiner Tätigkeit richtete sich gegen den radikalen Islam. Am Anfang habe ich davon nichts gewusst, bis mich das Ganze auch betroffen hat. Ursprünglich wusste mein Vater nur davon und auch wurde nur er zusammengeschlagen. Andere Familienmitglieder hatten am Anfang ihre Ruhe. Als ich 16 oder 17 Jahre alt war, kamen plötzlich Leute zu mir und sagten dass mein Vater ein guter Moslem ist. Sie sagten, dass alle Moslems zusammenhalten müssen. Ein Jahr später kamen andere Leute zu mir und haben zu mir gesagt, dass wenn es so weiter geht kann es Konsequenzen für uns haben. Nachdem mein Vater fast totgeschlagen wurde, hat er die Ukraine verlassen. Vorher hat er sich von meiner Mutter aus diesem Grund scheiden lassen müssen. Ich und meine Geschwister wussten eigentlich nicht von der Scheidung, wir haben erst erfahren als mein Vater das Land verlassen hat. Nach der Ausreise meines Vaters bekam ich Probleme. Das erste Mal war im Sommer 2011, ich wurde zusammengeschlagen, aber nicht stark und es wurde mir dabei gesagt, dass wenn es so weiter geht, dass es schlimmer werden wird und nicht nur für mich. Wir mussten deswegen unserer Wohnung verkaufen und in eine andere Stadt ziehen. Wir sind nach XXXX gezogen. Danach hörte ich bis etwa September 2011 nichts mehr von diesen Leuten. Einmal als ich am Weg von XXXX nach Hause war, wurde ich diesmal halb totgeschlagen. Als Beweis kann ich meine gebrochene Nase vorzeigen. Nachdem ich wieder halbwegs in Ordnung war habe ich meine Sachen gepackt und bin nach XXXX gereist. Meine Familie war weiterhin in der Ukraine wohnhaft.

F: Haben sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja.

F: In welchem Zusammenhang steht Ihr Fluchtvorbringen im Jahr 2011 mit Ihrer Einreise in Österreich im Jahr 2015?

A: Ich habe die Ukraine 2011 verlassen und bin dann erst 2015 in Österreich eingereist und habe um Asyl angesucht. Ich habe die Zeit dazwischen in Russland verbracht. Aber 2015 war es mir nicht mehr möglich in Russland zu leben. Das hat mit unterschiedlichen Problemen zu tun. Da ich mich nicht mehr in Russland aufhalten konnte, habe ich beschlossen nach Europa zu reisen und um Asyl anzusuchen. Ich möchte hinzufügen, dass ich in Russland auch durch einen Ortswechsel versucht habe Probleme zu vermeiden. F: Wer waren diese Leute die Ihren Vater bedroht haben? A: Persönlich und namentlich kenne ich die Leute nicht, aber sie gehören dem radikalen Islam an. Das sind die Leute die Menschen für terroristische Aktivitäten anwerben.

F: Weshalb sollten diese Leute Sie bedrohen, nachdem Ihr Vater ausgereist ist? A: Ich weiß es nicht. F: Wie viele waren es? A:

Zusammengeschlagen wurde ich von zwei. Beim zweiten Mal waren es auch zwei, aber andere Leute. Die Leute was mich nur angesprochen haben, waren auch zwei. Sie kannten mich alle namentlich. Ich wurde auf der Straße einfach angesprochen. Ich habe mich nicht mehr umgedreht, als ich meinen Namen gehört habe.

F: Können Sie den Vorfall bei dem Sie verprügelt wurden konkreter beschreiben? A: Ja, einmal wurde ich in die Bauchgegend geschlagen, einmal wurde ich auf den Boden geschlagen. Zuerst wurde ich mit der Faust geschlagen, danach wurde ich mit Händen und Faustschlägen auf den Boden geschlagen: Danach wurde ich einfach getreten. Meine Nase wurde sofort gebrochen, ich hatte Blutergüsse deswegen.

F: Wie ist es überhaupt dazu gekommen? A: Es war in XXXX, in der Nähe meines Wohnhauses. Ich beschreibe jetzt den letzten Vorfall. In der Nähe unseres Wohnhauses war eine Baustelle, dort habe ich immer einen Umweg gemacht.

Wiederholung der Frage! A: Beim Ersten Vorfall wurde ich gewarnt, dass es beim nächsten noch schlimmer sein wird. Beim letzten Mal sagten Sie dass es die letzte Warnung ist. Sie haben sicherlich nicht konkret gesagt, dass sie mich töten werden, aber ich hab verstanden was sie gemeint haben.

F: Wurden Familienangehörige auch bedroht? A: Ja, aber erst nachdem ich ausgereist bin. Darum ist meine Familie auch nach Russland gezogen. Wir waren gezwungen nach Russland zu ziehen. Die Situation meines Bruders war noch schlimmer als meine.

F: Wurden Sie von staatlicher Seite jemals persönlich verfolgt oder bedroht in der Ukraine?

A: Nein.

F: Sind Sie in Ihrer Heimat vorbestraft?

A: Nein.

F: Sind Sie in einem anderen Land vorbestraft?

A: Nein.

F: Wieso haben Sie sich nicht an staatliche Stellen gewendet? A: Ich war bei der Polizei.

F: Was haben Sie dort gesagt? A: Ich habe dort Anzeige erstattet, nach dem ersten Vorfall. Der Vorfall ereignete sich aber am Abend ich habe die Leute nicht gekannt. Ich musste die Anzeige gegen Unbekannt machen. Die Polizei hat zwar alles aufgenommen aber sich nicht mehr gemeldet.

F: Gibt es Nachweise? A: Nein. Ich habe nichts bekommen.

F: Wieso haben Sie nach dem zweiten Vorfall nicht auch an die Polizei gewendet? A: Weil ich gleich ausgereist bin.

F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung, oder Ihrer Religion verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt?

A: Nein.

F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in die Ukraine?

A: Diese Leute haben immer das getan, was sie angekündigt haben. Dass heißt ich werde wahrscheinlich getötet. Das betrifft den gesamten Männlichen Teil meiner Familie. Meine Mutter und meine Schwester sind Christen und wurden nie belästigt.

F: Hatten Sie kurz vor Ihrer Einreise in Österreich Probleme in der Ukraine? A: Nein. Ich habe das Monat das Haus nicht verlassen, also ich bin schon paar Mal aus dem Haus gegangen. Ich bin aus dem Haus gegangen um meinen Reisepass und das Visum zu holen. Ich hatte keine andere Wahl. In Russland konnte ich nicht mehr sein. (...)"

Zu seinen Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer aus, in einem Lagerhaus sowie als Küchenhilfe im Flüchtlingsheim gearbeitet zu haben und seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung zu bestreiten. Der Beschwerdeführer habe einen Deutschkurs besucht sowie an einem Sprachcafé teilgenommen und andere Asylwerber als Dolmetscher unterstützt. Der Beschwerdeführer sei in keinem Verein Mitglied, er plane eine Lehre als Programmierer und versuche, seine Deutschkenntnisse zu verbessern.

Der Beschwerdeführer erklärte im Anschluss, alles aus seiner Sicht Wesentliche vorgebracht zu haben und verzichtete auf eine Einsichtnahme in die seitens der Behörde herangezogenen Länderberichte zur Ukraine.

Der Beschwerdeführer legte ein ÖSD-Zertifikat B1 (gut bestanden), ein Empfehlungsschreiben seiner Deutschlehrerin vom 17.10.2017, ein Schreiben über Terminbestätigungen durch die XXXX, russische Beschäftigungsbewilligungen in Kopie sowie ukrainische Kaufverträge vor.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.06.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Die Behörde stellte die Staatsbürgerschaft, Identität, Volksgruppenzugehörigkeit sowie Religion des Beschwerdeführers fest und legte ihrer Entscheidung ausführliche Feststellungen zur aktuellen Situation in dessen Herkunftsstaat zu Grunde. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine asylrelevanter Verfolgung oder Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt gewesen wäre oder dies künftig zu befürchten hätte. Es hätten keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Beim Beschwerdeführer handle es sich um eine erwachsene und arbeitsfähige Person mit einer entsprechend guten Schul- und Berufsausbildung; der Beschwerdeführer sei in der Ukraine in unterschiedlichen Bereichen berufstätig und zur Bestreitung seines Lebensunterhalts in der Lage gewesen, weshalb insgesamt nicht davon ausgegangen werden könne, dass dieser im Falle einer Rückkehr in eine Existenz bedrohende Notlage geraten würde. In der Ukraine, welche seit Februar 2018 zu den sicheren Herkunftsstaaten zählen würde, verfüge er unverändert über soziale und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte.

Der unbescholtene Beschwerdeführer verfüge über keine aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen im Bundesgebiet und weise keine nachhaltige wirtschaftliche oder soziale Integration in Österreich auf. Dieser lebe von der Grundversorgung und habe sich der Ungewissheit eines weiteren Aufenthalts stets bewusst sein müssen.

Der Entscheidung des Bundesamtes wurden insbesondere die folgenden beweiswürdigenden Erwägungen zugrunde gelegt:

"(...) Niederschriftlich ist es Ihnen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nicht gelungen, ein fundiertes und substantiiertes Vorbringen rund um Ihre etwaige Fluchtgründe darzulegen. Sie haben beim BFA ein vages, abstraktes Vorbringen präsentiert.

So haben Sie in Ihrer Einvernahme vom 07.06.2018 behauptet, dass Sie in der Ukraine wegen der Tätigkeit Ihres Vaters von unbekannten Leuten bedroht worden wären. Auch hätten diese Leute Sie fast totgeschlagen. Im September 2011 hätten Sie beschlossen die Ukraine nach Russland zu verlassen. 2015 reisten Sie erneut in die Ukraine ein, um ein ungarisches Visum für eine legale Einreise nach Österreich zu beantragen.

Sie hätten die Ukraine wegen Gründen des radikalen Islams verlassen. Wenn jemand Ihrer Familie in der Ukraine geblieben wäre, wären Sie getötet worden. Ihr Vater wäre islamischer Gelehrter gewesen und hätte einen Religionsunterricht geführt, der gegen den radikalen Islam wäre. Anfänglich hätten Sie von seiner Tätigkeit nichts mitbekommen und auch hätten die Probleme Ihres Vaters Sie in keinerlei Hinsicht betroffen. Als Sie 16 oder 17 Jahre alt gewesen wären, wären auf einmal Leute zu Ihnen gekommen und hätten Ihnen mitgeteilt, dass Ihr Vater ein guter Moslem ist und dass alle Moslems zusammenhalten müssten. Ein Jahr später hätten Sie andere Leute aufgesucht und Ihnen gesagt, dass es nicht mehr so weiter gehen könnte und das Ganze Konsequenzen für Ihre Familie haben würde. Ihr Vater wäre daraufhin eines Tages fast totgeschlagen worden und hätte daraufhin die Ukraine verlassen müssen. Vorher wäre es jedoch notwendig gewesen, dass sich Ihr Vater von Ihrer Mutter scheiden lassen müsste. Nach der Ausreise Ihres Vaters hätten Sie auf einmal Probleme bekommen. Das erste Mal das Sie Probleme gehabt hätten, wäre im Sommer 2011 gewesen, als Sie von unbekannten Leuten zusammengeschlagen worden wären. Dabei wäre Ihnen gesagt worden, dass es nicht so weitergehen könnte und es schlimmer werden würde. Aus diesem Grund hätten Ihre Familie und Sie die Wohnung verkauft und sind in die Stadt XXXX gezogen. Bis September 2011 hätten Sie nichts mehr von diesen Leuten gehört, bis Sie eines Tages auf Ihren Weg von XXXX nach Hause fast totgeschlagen worden wären. Ein Beweis hierfür wären die Fotos Ihrer gebrochenen Nase. Nachdem es Ihnen wieder halbwegs gut gegangen wäre, beschlossen Sie Ihre Sachen zu packen und nach XXXX, Russland zu ziehen. Ihre Familie war weiterhin in der Ukraine wohnhaft.

Sie selbst wüssten nicht weshalb Sie ausgerechnet nach der Auseise Ihres Vater von diesen Leuten bedroht worden wären. Unglaubwürdig wird erachtet, weshalb diese ausgerechnet gegen Sie Rache ausüben sollten, zumal Sie mit der Tätigkeit Ihres Vaters absolut nichts zu tun hätten. Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Bedrohungen gegen Sie gerade erst nach der Ausreise Ihres Vaters stattgefunden hätten. Alleine die Tatsache, dass Sie behaupten, dass Ihre Familie von diesen Leuten über einen so langen Zeitraum bedroht worden wäre, ist unglaubwürdig. Sie schilderten, dass nach Ihrer Ausreise aus der Ukraine Ihr Bruder bedroht worden wäre, weshalb daraufhin Ihre gesamte Familie die Ukraine verlassen müsste.

Näher zu den Vorfällen und den involvierten Personen befragt gaben Sie an, dass Sie diese Personen nicht namentlich kennen, aber wissen würden dass diese Personen dem radikalen Islam angehören würden. Diese Leute würden Menschen für terroristische Tätigkeiten anwerben wollen. Fraglich ist, weshalb Sie sich über deren Tätigkeit so bewusst sind, zumal Sie nicht einmal wissen, weshalb Sie bedroht worden wären und auch selbst in keinster Weise in den Aktivitäten Ihres Vaters involviert wären. Sie schilderten, dass Sie bei beiden Bedrohungen jeweils von zwei Männern bedroht worden wären. Seitens der ho. Behörde wurden Sie aufgefordert den Vorfall näher zu konkretisieren, weshalb Sie begannen zu schildern, in die Bauchgegend geschlagen worden zu sein, dass Sie auf den Boden gedrückt wurden und Sie mit Fäusten geschlagen worden wären. Ihre Nase wäre auch sofort gebrochen gewesen. Sie legten der ho. Behörde als Beweis für den versuchten Todschlag an Ihnen Fotos vor. Die Fotos zeigten Sie mit einer Wunde an der Nase und nach Ihrer Nasenoperation. Seitens der Behörde können die vorgelegten Fotos nicht eine Intensivität erreichen, um den Überfall zu beweisen. Nicht erwiesen ist es, dass die gebrochene Nase ein Beweismittel für einen Überfall auf Sie darstellen kann. Sie behaupteten auch in der Bauchgegend getreten worden zu sein, so hätten Sie diesbezüglich ebenfalls Fotos vorlegen müssen und nicht nur ein Foto der gebrochenen Nase.

Auch die Tatsache, dass Sie angaben, sich nach dem Vorfall erst einmal erholt zu haben, deutet darauf hin, dass Sie niemals einer tatsächlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen waren.

Der erste Vorfall hätte sich im Sommer 2011 ereignet, danach wären Sie mit Ihrer Familie in eine andere Stadt gezogen. Auch gaben Sie an, Anzeige bei der Polizei erstattet zu haben. Diese hätten die Anzeige aufgenommen, jedoch war es Ihnen nur möglich gegen Anonym Anzeige zu erstatten, da Sie die Personen nicht kannten. Daraufhin bedauerten Sie, dass sich die Polizei nicht mehr bei Ihnen gemeldet hat. Diesbezüglich muss angemerkt werden, dass es häufig bei Anzeigen gegen Anonym der Fall ist, dass Täter nicht sofort ausgeforscht werden können. Zumindest kann erachtet werden, dass es Ihnen möglich war den Schutz des Staates zu beanspruchen. Nachdem Sie verzogen sind, wären Sie erneut von den Leuten der Terroristen aufgesucht worden und wären diesmal fast totgeschlagen worden. Bei dem zweiten Vorfall hätten Sie sich nicht mehr an die Polizei gewendet, da Sie beschlossen nach Russland zu ziehen.

Bei einer Rückkehr in die Ukraine würden Sie befürchten von den unbekannten Leuten umgebracht zu werden, da diese gegen alle männlichen Familienangehörigen vorgehen würden. Umso verwunderlicher ist, dass Sie trotzdem im Jahr 2015 erneut in die Ukraine einreisten und dort ein Monat ohne jegliche Probleme wohnhaft waren.

Es konnte kein Zeitlichen Zusammenhang zwischen Ihrer Einreise nach Österreich und den geschilderten Geschehnissen festgestellt werden. Lediglich zog die ho. Behörde in Erwägung, dass Sie die Ukraine erneut verließen, um bei Ihrem Vater in Österreich zu leben. Die Behörde erweckte den Eindruck, dass Sie die Ukraine aus wirtschaftlichen Gründen verlassen haben.

Sie waren von September 2011 bis 2015 in Russland wohnhaft. Sie legten auch eine Arbeitsbestätigung vor, die beweisen soll, dass Sie in Russland aufhältig waren. Bezüglich Ihrem Aufenthalt und der vorgelegten Beweismittel wird Ihrem Aufenthalt in Russland Glauben geschenkt. Im Jahr 2015 hätten Sie auf einmal keine andere Wahl mehr gehabt, als Russland zu verlassen, weswegen Sie 2015 erneut in die Ukraine reisten. Sie waren ein Monat in der Ukraine aufhältig und hatten während Ihrem einmonatigen Aufenthalt keine Probleme.

Als Conclusio kann festgestellt werden, dass Sie rund um die religiösen Tätigkeiten Ihres Vaters und Ihrer diesbezüglichen Verfolgung eine Fluchtgeschichte konstruiert haben.

Es ist davon auszugehen, dass Personen, die aufgrund einschneidender Ereignisse gezwungen wurden das Heimatland zu verlassen, detailliert und konkret bezüglich der Beweggründe die zu diesem Schritt geführt haben, berichten. Das gilt besonders bereits im Erstverfahren. Personen, die eine tatsächliche Begebenheit im Asylverfahren schildern, sind regelmäßig in der Lage und vor allem auch gewillt, möglichst alles, was die Erlebnisse nachvollziehbar erscheinen lässt, vorzubringen - umso mehr, als dass die Möglichkeit der Einvernahme im Asylverfahren das Beste und manchmal auch einzige Beweismittel des Asylwerbers ist, die behauptete Gefahrenlage glaubhaft zu machen und somit die Gewährung des internationalen Schutzes zu erreichen.

Wenn es also darum geht, Ihr Vorbringen zu beurteilen, wonach Sie auf Grund der Tätigkeiten Ihres Vaters in Ihrer Heimat bedroht wären, so war Ihnen die Glaubwürdigkeit zur Gänze abzusprechen.

Sie lassen in Ihrer Erzählung sämtliche Details vermissen, es mangelt Ihren Ausführungen an jeglichen Hinweisen auf die gesamte Situation, Ihre damalige Verfassung bzw. die von Ihnen in dieser Lage empfundenen Emotionen und stellt dies jedenfalls alles andere als eine lebensnahe Schilderung dar, was unweigerlich zur Feststellung der Unglaubwürdigkeit führen muss.

Ihren Angaben fehlt es generell an sämtlichen Hinweisen, die annehmen ließen, dass Sie wahre Erlebnisse schilderten. Aus Ihren Aussagen gehen keine Schilderungen hervor, die von einer Erzählung sprechen lassen, die sich auf wahre Begebenheiten beziehen würde. Sie brachten in keiner Weise Interaktionen vor, unterließen es, Ihre Schilderung durch Gespräche und Emotionen zu untermalen und erweckten damit den Eindruck, Ihre Geschichte noch während der Einvernahme zu konstruieren.

Zusammengefasst zeigt Ihre eigenen Darstellung Ihrer Fluchtgründe dass Sie bloß einen höchst abstrakten und unkonkreten Sachverhalt behaupten. Es ist aus diesem Grund davon auszugehen, dass Ihr Vorbringen beim BFA eine gedankliche Konstruktion darstellt! (...)

Aus Ihrer Einvernahme geht hervor, dass Sie niemals persönlich auf Basis der Konventionsgründe in der Ukraine verfolgt wurden.

Weitere zu prüfende, asylrelevante Zwischenfälle, Verfolgungshandlungen oder Fluchtgründe, außer die bereits erwähnten, führten Sie nicht an. Auch im amtswegig geführten Verfahren sind keinerlei derartige Hinweise aufgekommen. (...)"

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung stamme. Für die Behörde stünde fest, dass für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben wäre und eine sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten wäre. Es sei ihm daher zumutbar, einen Ausgang seines Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.

3. Mit Eingabe vom 20.07.2018 wurde unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch bezeichneten Vollmachtsverhältnisses fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben, in welcher der dargestellte Bescheid vollumfänglich wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten wurde. Unter einem wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Ukraine aufgrund von Verfolgung durch radikale Islamisten verlassen. Sein Vater sei islamischer Gelehrter gewesen, welcher aufgrund seiner gemäßigten Haltung von radikalen Islamisten verfolgt worden wäre und aus diesem Grund nach Österreich gereist wäre. Seit der Ausreise seines Vaters sei der Beschwerdeführer zweimal von radikalen Islamisten angegriffen worden, Bei einer Rückkehr in die Ukraine würde der Beschwerdeführer von radikalen Islamisten aus religiösen Gründen getötet werden. Der Beschwerdeführer habe die Geschehnisse seiner Flucht so detailliert, wie er es vermocht hätte, geschildert und sich ohne Zweifel bemüht, auf die Fragen der Behörde akkurat einzugehen. In Anbetracht der konkreten Umstände hätte die belangte Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis kommen müssen, dass das Leben des Beschwerdeführers aufgrund der Verfolgung durch radikale Islamisten in Gefahr wäre und diesem internationalen Schutz gewähren müssen.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 24.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Grundlage des Verwaltungsakts der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Ukraine wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Ukraine, er gehört der ukrainischen/tatarischen Volksgruppe sowie dem moslemischen Glauben an. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer reiste im Oktober 2015 unter Mitführung seines ukrainischen Reisepasses sowie eines ungarischen Schengenvisums in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX, wo er die Mittelschule und eine Ausbildung zum Ingenieur absolviert und im Anschluss in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet hat, wodurch er eigenständig für seinen Lebensunterhalt aufgekommen ist. Im Jahr 2011 verzog der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach XXXX, wo er ebenfalls einer Berufstätigkeit nachgegangen ist. Im Jahr 2015 kehrte er zwecks Ausstellung seiner Reisedokumente für rund einen Monat in seinen Herkunftsstaat zurück, bevor er seine Ausreise nach Österreich angetreten hat.

1.2. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in der Ukraine festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, welche einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Der unbescholtene Beschwerdeführer verfügt in Österreich über kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Er hat keine aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen oder sonstigen engen sozialen Bezugspunkte im Bundesgebiet, ist nicht selbsterhaltungsfähig und bestreitet seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer absolvierte eine Deutschprüfung auf dem Niveau B1, er verrichtete ehrenamtliche Tätigkeiten bei der XXXX und war als Küchenhilfe in seiner Flüchtlingsunterkunft tätig. Eine tiefgreifende Verwurzelung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet konnte nicht erkannt werden. Eine den Beschwerdeführer betreffende aufenthaltsbeendende Maßnahme würde keinen ungerechtfertigten Eingriff in dessen gemäß Art. 8 EMRK geschützte Rechte auf Privat- und Familienleben darstellen.

1.3. Insbesondere zur allgemeinen Situation und Sicherheitslage, zur allgemeinen Menschenrechtslage, zur medizinischen Versorgungssituation und zur Lage von Rückkehrern und Binnenflüchtlingen wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Länderfeststellungen Folgendes festgestellt:

...

KI vom 30.11.2017, Zeugen Jehovahs (relevant für Abschnitt 15/Religionsfreiheit)

In verschiedenen Regionen der Ukraine beklagen religiöse Minderheiten Diskriminierung durch lokale Behörden. Die ukrainischen Gesetze verbieten jedenfalls Diskriminierung aufgrund des Glaubens, und religiöse Gruppen haben auch Möglichkeiten im Gesetzgebungsprozess gehört zu werden. Ukrainische Gerichte haben an mehreren Orten Polizeistrafen aufgehoben, welche gegen Zeugen Jehovahs wegen der Verteilung ihrer Schriften an öffentlichen Orten verhängt worden waren. Es gibt Berichte von physischen Angriffen auf Zeugen Jehovahs und von Vandalenakten gegen ihre Einrichtungen. Für 2016 werden 21 Fälle von Vandalismus (davon drei Brandstiftungen) gegen Königreichhallen gezählt, während es 2015 noch 56 Fälle von Vandalismus (davon fünf Brandstiftungen) waren. Es gibt aber auch Berichte über behördliche Gegenmaßnahmen, etwa die Verurteilung von Tätern bei Körperverletzungen. 2015 hatte der Gemeinderat eines ukrainischen Dorfes im Oblast Kirovohrad alle Religionsgemeinschaften außer der lokalen orthodoxen Gemeinde verboten, darunter auch die Zeugen Jehovahs. Dieses Verbot wurde auf Intervention des Büros des Ombudsmanns zurückgenommen, was die Zeugen Jehovahs sehr begrüßten. (USDOS 15.8.2017a).

In früheren Jahren zählten die Zeugen Jehovahs 64 Körperverletzungen (2008-2014) und 190 Vandalenakte (2008-2013) bei, nach eigenen Angaben, 150.000 Mitgliedern. Sie beklagten die Passivität von Polizei und Gerichten bei der Verfolgung der Delikte (JW 28.7.2014). 2014-2016 zählten die Zeugen Jehovahs 115 Übergriffe; acht Täter wurden in diesem Zeitraum gerichtlich verurteilt. Auch beklagten sie Einmischung der Behörden bei der Errichtung von Königreichsälen (UNHRC 31.8.2017). Andererseits sehen die Zeugen Jehovahs in der Ukraine ihre Position im Land durch ein ukrainisches Gerichtsurteil gestärkt, das der Religionsgemeinschaft die Anmietung von Gebäuden erleichtert (JW 24.3.2017). Laut Bericht wurde der Tag der offenen Tür der Zeugen Jehovahs in Lemberg auch von Behördenvertretern besucht (JW 25.7.2017).

Die Zeugen Jehovas sind eine jener Religionsgemeinschaften, deren Angehörige in der Ukraine ausdrücklich für einen Wehrersatzdienst aus Gewissensgründen infrage kommen, was auch für den Mobilisierungsfall gilt, wie eindeutig gerichtlich bestätigt wurde (USDOS 10.8.2016) (siehe dazu Kap. 9.1. Wehrersatzdienst, Anm.).

Die Separatisten in den selbsternannten Volksrepubliken Donetsk (DPR) und Lugansk (LNR) sperrten unter anderem eine Reihe von Zeugen Jehovahs ein. Nachdem in der DPR ein Gesetz zum Verbot von Sekten erlassen wurde, wurden einige Königreichhallen der Zeugen Jehovas besetzt, zwei davon aber auch wieder zurückgegeben (USDOS 15.8.2017a). Auf der Krimhalbinsel wird faktisch russisches Recht umgesetzt (USDOS 15.8.2017b). Die Zeugen Jehovahs wurden auf der Krimhalbinsel im April 2017 durch Entscheidung des russischen Verfassungsgerichts für illegal erklärt, weil sie eine extremistische Organisation seien. Am 1. Juni 2017 wurden alle 22 Gemeinden dieser Religionsgemeinschaft auf der Krim (geschätzte 8.000 Mitglieder) amtlich abgemeldet. Am 9. Juni 2017 wurde einem Zeugen Jehovahs auf der Krim erklärt, er habe als solcher in der Russischen Föderation kein Recht auf einen Wehrersatzdienst aus Glaubengründen. Am 27. Juni 2017 wurde das Oberhaupt einer Gemeinde der Zeugen Jehovahs wegen unerlaubter Missionierungstätigkeit vor Gericht geladen und starb später am Tag an einer Herzattacke (OHCHR 25.9.2017).

Quellen:

JW - Jehovahs Witnesses (24.3.2017): Oberstes Gericht der Ukraine stärkt Versammlungsfreiheit,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/high-gericht-st%C3%A4rkt-versammlungsfreiheit/, Zugriff 29.11.2017

JW - Jehovahs Witnesses (25.7.2017): Behördenvertreter besuchen Zweigbüro von Jehovas Zeugen in der Ukraine am Tag der offenen Tür, https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/pressemitteilungen/nach-region/ukraine/behoerdenvertreter-besuchen-zweigbuero-jehovas-zeugen-tag-der-offenen-tuer/, Zugriff 29.11.2017

JW - Jehovahs Witnesses (28.7.2014): Passivität der Strafverfolgungsbehörden in der Ukraine leistet weiteren Straftaten Vorschub,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/religioes-motivierte-gewalt-bleibt-ungestraft/, Zugriff 29.11.2017

OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (25.9.2017): Situation of human rights in the temporarily occupied Autonomous Republic of Crimea and the city of Sevastopol, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1506587856_crimea2014-2017-en.pdf, Zugriff 29.11.2017

UNHRC - UN Human Rights Council (31.8.2017): Summary of Stakeholders' submissions on Ukraine; Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1510062028_g1725515.pdf, Zugriff 29.11.2017

USDOS - US Department of State (15.8.2017a): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/345317/489112_de.html, Zugriff 29.11.2017 , USDOS - US Department of State (15.8.2017b): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/345319/489113_de.html, Zugriff 29.11.2017 USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/328420/455696_en.html, Zugriff 29.11.2017

3. Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Seite 23 von 77

Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

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AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

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USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017

3.1. Halbinsel Krim

Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten:

Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u.

a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).

Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).

Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).

Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).

Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).

Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336532/479204_de.html, Zugriff 1.6.2017

-

FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/338537/481540_de.html, Zugriff 1.6.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/334769/476523_de.html, Zugriff 6.6.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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