Entscheidungsdatum
01.08.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W251 2143939-1/29E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Herbert POCHIESER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 05.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 06.02.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er als freiwilliger Helfer für das rote Kreuz gearbeitet habe und deshalb von den Taliban verfolgt und mit dem Tod bedroht worden sei.
3. Am 30.08.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an als freiwilliger Helfer beim Roten Kreuz tätig gewesen zu sein. Eines Tages sei ein Polizei-wagen von den Taliban zerstört worden. Er habe mit seinen Kollegen der Hilfsorganisation Erste Hilfe geleistet. Die Taliban hätten deshalb die Mitarbeiter der Organisation mit dem Tode bedroht und er habe einen Drohbrief erhalten, weshalb er Afghanistan verlassen habe.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte und sich auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan nicht ergäbe, dass er einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass sich das Bundesamt mit dem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt habe, sondern lediglich Nebensächlichkeiten thematisiert worden seien. Der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen hinreichend konkret geschildert und sogar Beweismittel zur Untermauerung seines Vorbringens vorgelegt. Das Bundesamt habe es hingegen unterlassen Recherchen anzustellen. Aufgrund der Hilfstätigkeit des Beschwerdeführers sei er ins Augenmerk der Taliban gefallen, weshalb ihm eine individuelle Verfolgung drohe. Zudem bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative, da die Taliban im ganzen Land aktiv sein würden. Darüber hinaus habe sich das Bundesamt nicht mit dem Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich ausreichend auseinandergesetzt.
6. Mit Stellungnahme vom 28.08.2017 zitierte der Beschwerdeführer Berichte betreffend die Sicherheitslage in Afghanistan. Er brachte vor, dass sich diese keineswegs beruhigt habe und ihm eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei. Untereinem legte der Beschwerdeführer Unterlagen betreffend seine Integration in Österreich vor.
7. In der Stellungnahme vom 31.08.2017 setzte sich der Beschwerdeführer ausführlich mit dem Gutachten von Mag. Mahringer auseinander und brachte vor, dass eine erzwungene Rückkehr nach Afghanistan eine ernsthafte Gefährdung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 sowie 8 EMRK bedeuten würde, weshalb seine Abschiebung jedenfalls unzulässig sei.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.09.2017 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Verhandlung wurde zur fortgesetzten Einvernahme des Beschwerdeführers sowie zur Einvernahme der Zeugin
XXXX vertagt.
9. Mit Stellungnahme vom 31.10.2017 brachte der Beschwerdeführer vor durch seine Tätigkeit beim roten Halbmond zu den Feinden der Taliban und des IS zu zählen, weil er jenen geholfen habe, die diese durch Anschläge verletzt hätten. Die Taliban würden davon ausgehen, dass er mit der Regierung oder der internationalen Gemeinschaft zusammen-arbeite bzw. diese unterstütze, obwohl der rote Halbmond regierungsunabhängig sei. Zudem stelle eine Rückkehrentscheidung einen gravierenden Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK gewährleistetes Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass das Gutachten von Mag. Mahringer einen falschen Befund und ein falsches Gutachten erstatte, was nach § 288 Abs. 1 StGB gerichtlich strafbar ist. Der Beschwerdeführer schließe sich dem im Wege einer Pflichtanzeige durch das Bundesverwaltungsgericht einzuleitenden gerichtlichen Strafverfahren als Opfer und Privatbeteiligter iSd. § 66 StPO an.
10. Am 16.11.2017 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerde-führers fortgesetzt. Es erfolgte die Einvernahme des Beschwerdeführers sowie die Einvernahme der Zeugin XXXX. Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.
11. Das Bundesverwaltungsgericht setzte die öffentliche mündliche Verhandlung am 05.07.2018 Verhandlung in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers fort.
12. Mit Stellungnahme vom 19.07.2018 verwies der Beschwerdeführer auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018, wonach allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan die Gefahr bestehe einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden. Zudem führte der Beschwerdeführer wiederum aus, dass er in Österreich aufgrund seiner Verlobung über ein Familienleben verfüge, weshalb er im Falle seiner erzwungenen Rückkehr in seinem Recht nach Art. 8 EMRK verletzt wäre.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX alias XXXX. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Paschtu als Muttersprache. Er hat keine Kinder (AS 1, 56; Protokoll vom 15.09.2017 = OZ 16 Seite 7).
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Nangarhar in der Stadt XXXX geboren. Er ist dort aufgewachsen und hat dort 12 Jahre lang die Schule besucht (AS 1, 57, 95 f; OZ 16 Seite 7-9). Er hat dort bei seinen zwei ältesten Brüdern, die beide über Eigentumshäuser in der Stadt XXXX besitzen, gewohnt (AS 58). Nach seinem Schulabschluss ist er zu seiner Mutter in ein Dorf im Bezirk XXXX (beim Bundesamt geschrieben: XXXX) in der Provinz Nangarhar gezogen (AS 56; OZ 16 Seite 9). Er hat dort mit seiner Mutter in einem Haus gelebt (AS 58; OZ 16 Seite 10). Er hat auch einen Englischkurs in Kabul sowie Computerkurse absolviert (AS 87-89). Die Familie des Beschwerdeführers verfügt über Grundstücke im Ausmaß von 3 oder 4 Jirib in Afghanistan, die von Bauern bewirtschaftet wurden (AS 60; OZ 16 Seite 11). Den Unterhalt für sich und seine Mutter hat der Beschwerdeführer aus den Nahrungsmitteln der Ernte sowie aus Einnahmen aus dem Verkauf der Ernten bestritten. Zudem ist der Beschwerdeführer und seine Mutter von seinen zwei ältesten Brüdern finanziell unterstützt worden (AS 60; OZ 16 Seite 8).
Der Beschwerdeführer verfügt in der Stadt XXXX über drei Brüder und zwei Schwestern sowie über eine Schwester in seinem Heimatdorf im Distrikt XXXX. Der älteste Bruder des Beschwerdeführers betreibt zwei eigene Geschäfte, sein zweitältester Bruder führt ein eigenes Lebensmittelgeschäft und sein drittältester Bruder hat sein Studium beendet und geht derzeit keiner beruflichen Tätigkeit nach (AS 58; OZ 16 Seite 10). Die zwei ältesten Brüder des Beschwerdeführers besitzen Eigentumshäuser in der Stadt XXXX (AS 58). Die Schwestern des Beschwerdeführers sind alle verheiratet und leben von den Einkünften ihrer Ehemänner (AS 58). Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt mit seinen drei Brüdern in Afghanistan. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Geschwister des Beschwerdeführers wegen diesem Probleme in Afghanistan haben.
Die Familie des Beschwerdeführers verfügt nach wie vor über ein Haus im Distrikt XXXX in der Provinz Nangarhar sowie über Grundstücke im Ausmaß von 3 oder 4 Jilibs, die auch nach wie vor bewirtschaftet werden.
Der Beschwerdeführer hat zumindest grundlegende Ortskenntnisse betreffend Kabul.
Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest 05.02.2015 durchgehend in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht (AS 71; Beilage ./G, ./H und ./L) und die Deutschprüfung für die Stufe A2 bestanden (AS 253). Der Beschwerdeführer ist dreimal zur Deutschprüfung für die Stufe B1 angetreten, hat diese jedoch nicht bestanden (Beilage ./E, ./F, ./M und ./N). Er hat an einem Erste-Hilfe-Kurs (AS 81) sowie einem Werte- und Orientierungskurs des österreichischen Integrationsfonds teilgenommen (Beilage ./B).
Der Beschwerdeführer erbrachte im Jahr 2016 und 2017 immer wieder Dolmetscher- und diverse Hausmeistertätigkeiten in seiner Unterkunft sowie Arbeiten für Gemeinden (AS 83; Beilage ./C). Im Jahr 2018 begleitet der Beschwerdeführer bei Bedarf Personen ins Krankenhaus (Protokoll vom 05.07.2018 = OZ 27 Seite 5 f).
Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung. Er hat eine Einstellungszusage eines Tischlerbetriebs vorgelegt (Beilage ./i). Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass diese Einstellungszusage noch aufrecht ist (OZ 27 Seite 10).
Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer sehr um sprachliche und berufliche Integration bemüht.
Der Beschwerdeführer hat freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern knüpfen können und er wird von seinen Betreuern auch sehr geschätzt (AS 255; Beilage ./K), jedoch bestehen keine engen sozialen Bindungen zu diesen.
Der Beschwerdeführer hat sich am 22.09.2017 mit einer österreichischen Staatsbürgerin (in der Folge als Verlobte bezeichnet) verlobt (Protokoll vom 16.11.2017 = OZ 23 Seite 6, 11), die er im Juli 2015 im Zuge von Aktivitäten mit seinen Betreuern des Flüchtlingscamps kennengelernt hat (OZ 23 Seite 10). Der Beschwerdeführer steht seit Juli 2015 regelmäßig mit seiner Verlobten in Kontakt, sie haben jedoch nie im gemeinsamen Haushalt gelebt. Es kann nicht festgestellt werden, dass beim Beschwerdeführer und seiner Verlobten ein tatsächlicher Heiratswille oder die Planung einer gemeinsamen Zukunft vorliegt. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer und seine Verlobte beabsichtigen in absehbarer Zeit gemeinsam in einem Haushalt zu leben oder zu heiraten. Der Beschwerdeführer steht zu seiner Verlobten in keinem Abhängigkeitsverhältnis.
Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandte in Österreich.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund (AS 54; OZ 16 Seite 16; OZ 27 Seite 7).
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer für das Rote Kreuz bzw. den Roten Halbmond in Afghanistan (freiwillige) Tätigkeiten erbracht hat. Es kann daher auch der Vorfall, wonach der Beschwerdeführer bei einem Einsatz des Roten Halbmond nach einem Raketenanschlag auf ein Polizeiauto geholfen hat, nicht festgestellt werden.
Weiters kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einen Drohbrief von den Taliban erhalten hat noch, dass er von den Taliban konkret und individuell mit der Ausübung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht worden ist.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in die Provinz Nangarhar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Kabul sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann zumindest anfänglich mit finanzieller Unterstützung seiner zwei ältesten Brüder und der Familie seiner Verlobten rechnen. Zudem kann der Beschwerdeführer auf die Einnahmen durch den Verkauf der Ernte sowie auf das in Afghanistan vorhandene Vermögen seiner Familie zurückgreifen, weshalb er dann selber in Afghanistan für sein Auskommen und Fortkommen sorgen kann.
Es ist dem Beschwerdeführer somit möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Kabul Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 - LIB 29.06.2018, S. 20).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 29.06.2018, S. 20).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 29.06.2018, S. 24).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 29.06.2018, S. 32).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 29.06.2018, S. 25).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 29.06.2018, S. 25).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB 29.06.2018, S. 25).
Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 29.06.2018, S. 26 ff, 30).
Taliban:
Die Taliban konzentrierten sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" nicht. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 ist auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (LIB 29.06.2018, S. 34).
Die Veränderungen des Konfliktschemas wirken sich auf die Rekrutierungsstrategien der Taliban aus. Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht, Personal mit militärischem Hintergrund oder militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Da das Personal der afghanischen Streitkräfte über diese Fähigkeiten verfügt, versuchen die Taliban diese auf ihre Seite zu ziehen. Aufgrund der Schwerpunktlegung auf militärisches Wissen ist auch das Durchschnittsalter der Rekruten gestiegen (Beilage ./VIII, S. 8).
Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden (Beilage ./VIII, S. 12-13). Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage ./VIII, S. 18). Taliban haben keine Schwierigkeiten beim Zugang zu neuen Rekruten (Beilage ./VIII, S. 8).
Die Taliban nehmen heute vermehrt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gemeinschaften Rücksicht. Die Organisation der Taliban betreibt Zwangsrekrutierung nicht systematisch und Personen, die sich gegen eine Mobilisierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Reaktionen angedroht. Zudem steht eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in sehr beschränkten Ausmaß und in Ausnahmefällen zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, da die Taliban ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten haben. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./VIII, S. 19).
Die Taliban sind zwar im gesamten Staatsgebiets Afghanistans miteinander verbunden, sie verfolgen jedoch nur jene Personen, deren Tätigkeit bei ausländischen Kräften einen Schaden für die Taliban verursacht haben oder dass die Taliban davon ausgehen, dass diese mit den Ausländern an die Front gehen würden, also ausschließlich Personen, die nach wie vor eine Gefahr für die Taliban darstellen oder die nach wie vor aktive Mitarbeiter und Mitglieder der ausländischen Behörden sind (Beilage ./V).
Drohbriefe
Die Taliban verfolgen das Schreiben von Drohbriefen nicht mehr und die meisten Drohbriefe sind Fälschungen. Ein Taliban-Sprecher hat dazu angegeben: "Wenn ein Kämpfer vermutet, dass jemand mit der Regierung oder den Sicherheitskräften arbeitet, wird dessen Familie kontaktiert und aufgefordert, diese Tätigkeit einzustellen. Wir senden keine Drohbriefe, das ist nicht unser Stil. Nur sehr selten verwenden wir das Telefon, wenn wir auf ernsthafte Probleme stoßen. All diese Talibanbriefe sind gefälscht". Gefälschte Briefe werden auf dem Briefpapier des islamischen Emirats für USD 1.000 pro Stück verkauft. Ein Fälscher ging davon aus, dass aktuell nur 1% der Briefe ernsthafte Drohungen beinhalten würde (Beilage ./VI, Seite 2f)
Nangarhar
Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und an den Gebirgszug Spinghar im Süden. Die Provinzhauptstadt Jalalabad ist 120 Kilometer von Kabul entfernt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf
1.573.973 geschätzt. Die Provinz Nangarhar besteht, neben der Hauptstadt Jalalabad aus 21 Distrikten (LIB 29.06.2018, S. 150).
In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert. Nangahar war seit dem Sturz des Taliban-Regimes eine der relativ ruhigen Provinzen im Osten Afghanistans, jedoch versuchen bewaffnete Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Provinz auszuweiten. In den letzten Jahren versuchen Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen. Befreiungsoperationen, in denen auch Luftangriffe gegen den IS getätigt werden, werden in den unruhigen Distrikten der Provinz durchgeführt. Angriffe auch auf lokale Beamte und Sicherheitskräfte in der Provinz werden regelmäßig von Aufständischen der Taliban und dem IS durchgeführt (LIB 29.06.2018, S. 151).
Nangarhar war die Provinz mit den meisten im Jahr 2017 registrierten Anschlägen. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Nangarhar 862 zivile Opfer (344 getötete Zivilisten und 518 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 1% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 29.06.2018, S. 152).
In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen ausgeführt, um gewisse Distrikte von Aufständischen zu befreien. Ebenso werden Luftangriffe durchgeführt bei denen Aufständische getötet wurden, darunter auch IS-Kämpfer (LIB 29.06.2018, S. 152).
Anhänger der Taliban, als auch des IS haben eine Präsenz in mehreren südlichen Distrikten. Nachdem die Grausamkeit des IS ihren Höhepunkt erreicht hat, sind die Taliban in Nangarhar beliebter geworden und haben an Einfluss gewonnen. Auch ist es dem IS nicht mehr so einfach möglich, Menschen zu rekrutieren (LIB 29.06.2018, S. 152).
Obwohl militärische Operationen durchgeführt werden, um Aktivitäten der Aufständischen zu unterbinden, sind die Taliban in einigen Distrikten der Provinz aktiv. In Nangarhar kämpfen die Taliban gegen den IS, um die Kontrolle über natürliche Minen und Territorium zu gewinnen; insbesondere in der Tora Bora Region, die dazu dient, Waren von und nach Pakistan zu schmuggeln. Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und IS fanden statt, dabei ging es um Kontrolle von Territorium. In einem Falle haben aufständische Taliban ihren ehemaligen Kommandanten getötet, da ihm Verbindungen zum IS nachgesagt wurden (LIB 29.06.2018, S. 152).
Seit dem Jahr 2014 gibt es einen Anstieg von Aktivitäten des IS in manchen abgelegenen Teilen der Provinz - dazu zählt auch der Distrikt Achin. Der IS zeigte weiterhin große Widerstandsfähigkeit, wenngleich die afghanischen und internationalen Kräfte gemeinsame Operationen durchführten. Die Gruppierung führte mehrere Angriffe gegen die zivile Bevölkerung und militärische Ziele aus - insbesondere in Kabul und Nangarhar (LIB 29.06.2018, S. 152 f).
Eine Anzahl Aufständischer der Taliban und des IS haben sich in der Provinz Nangarhar dem Friedensprozess angeschlossen (LIB 29.06.2018, S. 153).
Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf
4.679.648 geschätzt (LIB 29.06.2018, S. 46).
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (LIB 29.06.2018, S. 46).
Kabul ist durch einen internationalen Flughafen sicher erreichbar (LIB 29.06.2018, S. 47, 221 f).
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (LIB 29.06.2018, S. 47).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 29.06.2018, S. 48).
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungs-institutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (LIB 29.06.2018, S. 49).
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 29.06.2018, S. 49).
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (LIB 29.06.2018, S. 49).
Paschtunen
Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari. Pashtunwali ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (LIB 29.06.2018, S. 275).
Korruption
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2017 von Transparency International, belegt Afghanistan von 180 Ländern den 177. Platz. 83,7% der Afghanen betrachten die Korruption als ein Hauptproblem des Landes. Die Provinzen mit der höchsten Korruptionswahrnehmung sind Kabul mit 89,6%, Uruzgan mit 87,9%, Nangarhar mit 87,8% und Helmand mit 86,9% (LIB 29.06.2018, S. 244).
Das Gesetz sieht zwar strafrechtliche Sanktionen für amtliche Korruption vor, jedoch setzt die Regierung diese Vorschriften nicht effektiv um. Beamte gehen oft ungestraft korrupten Praktiken nach. Korruption ist in der afghanischen Gesellschaft verbreitet und die Geldflüsse des Militärs, der internationalen Geldgeber und des Drogenhandels verschärfen das Problem zusätzlich. Verschiedene Bereiche sind von Korruption betroffen. Auch im Justizsystem ist Korruption weit verbreitet, insbesondere im Strafrecht und bei der Anordnung von Haftentlassungen. Es wird auch von illegaler Aneignung von Land durch staatliche und private Akteure berichtet (LIB 29.06.2018, S. 245).
Bestechung bleibt im öffentlichen Sektor weiterhin verbreitet und Schmiergeldzahlungen können direkt oder indirekt von Beamten gefordert oder auch von den Bürgern und Bürgerinnen selbst angeboten werden. Afghanen zahlen in den folgenden Bereichen Bestechungsgelder: Rechtswesen, Arbeitsmarkt, an administrativen Behörden auf Provinz- und Distriktebene, Sicherheitsbehörden sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen. Trotz der Bemühungen der Geldgeber und der afghanischen Regierung Mechanismen zur Förderung von Verantwortlichkeit und Transparenz zu entwickeln, wurde ein erheblicher Teil der Hilfsgelder für Afghanistan durch Korruption und Fehlleitung veruntreut (LIB 29.06.2018, S. 245).
NGOs, internationale Menschenrechtsorganisationen und Zivilgesellschaft
Korruption in den Behörden, bürokratische Meldepflichten und Bedrohungen durch militante Gruppierungen behindern manchmal die Aktivitäten der NGOs. Im Jahr 2017 musste das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) wegen einiger erlittener Angriffe auf Personal und Gesundheitseinrichtungen seine Tätigkeiten in bestimmten Gegenden im Norden Afghanistans einstellen. Im Jänner 2018 fand ein Angriff auf das Büro von Save The Children in Jalalabad statt. NGO-Personal und Mitarbeiter von internationalen Menschenrechtsorganisationen sind in der Regel Ziele aufständischer Gruppierungen. Zwischen Jänner und Februar 2018 wurden 31 Gewaltvorfälle gegenüber NGOs registriert. 30% dieser Vorfälle waren Einschüchterungen und Drohungen (LIB 29.06.2018, S. 248).
Die Bedrohung von NGOs ist jedoch rückläufig und afghanische NGO-Arbeitnehmer werden nicht mehr systematisch von den Aufständischen verfolgt. Unter bestimmten Umständen kann dies dennoch der Fall sein: Arbeit für eine US-finanzierte oder eine US-Organisation oder wenn es um Aktivitäten geht die von den Aufständischen als politisch erachtet werden. Das Risiko einer derartigen Bedrohung ist jedoch in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat gering. Wenn ein afghanischer Zivilist seine Arbeit für eine NGO, eine internationale Organisation oder für ein ausländisches Unternehmen beendet und in eine sicher Gegend umsiedelt, besteht für ihn - sofern keine spezifischen individuellen Umstände, welche zu einer Verfolgung führen bestehen - die Möglichkeit sich den Bedrohungen der Aufständischen zu entziehen (Beilage ./IV, S. 11 f).
Wirtschaft:
Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 29.06.2018, S. 311).
Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 29.06.2018, S. 312).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, S. 29 - 30).
Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 29.06.2018, S. 324 f).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 29.06.2018, S. 326 f).
IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 29.06.2018, S. 327 f).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 29.06.2018, S. 328).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 29.06.2018, S. 329 f).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 29.06.2018, S. 330).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 29.06.2018, S. 330).
Es kann nicht festgestellt werden, dass Rückkehrer, auf Grund dieses Merkmals, in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeuginnen XXXX (Verlobte des Beschwerdeführers), XXXX (Schwester der Verlobten des Beschwerdeführers) und XXXX (Mutter der Verlobten des Beschwerde-führers) in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./IX (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister - Beilage ./I;
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 02.03.2017 mit Aktualisierung vom 30.01.2018 - Beilage ./II;
Gutachten von Mag. Mahringer vom 05.03.2017 - Beilage ./III;
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend die Gefährdungslage von Dolmetschern und Regierungsmitgliedern vom 11.02.2014 - Beilage ./IV; Gutachterliche Stellungnahme Dr. Rasuly vom 13.06.2012, Tätigkeit für ausländische Organisationen - Beilage ./V; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Drohbriefe der Taliban vom 28.07.2016 - Beilage ./VI;
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 - Beilage ./VII; Bericht Landinfo betreffend Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne in Afghanistan vom 23.08.2017 - Beilage ./VIII; EASO-Bericht betreffend Netzwerke in Afghanistan aus Jänner 2018 - Beilage ./IX) und Beilage ./A bis ./N (Kopie der Tazkira - Beilage ./A; Teilnahmebestätigung Werte und Orientierungskurs vom 13.07.2017 - Beilage ./B;
Bestätigung gemeinnützige Tätigkeit vom 11.09.2017 - Beilage ./C;
Konvolut von Fotos, 5 Seiten - Beilage ./D; Zertifikat ÖSD Prüfung Deutsch B1 nicht bestanden vom 20.06.2017 - Beilage ./E; ÖSD Zertifikat B1, Aufgliederung - Beilage ./F; Kursbesuchsbestätigung Deutsch B1, Teil 2 vom 31.05.2017 - Beilage ./G;
Kursbesuchsbestätigung Deutsch B1, Teil 1 vom 10.04.2017 - Beilage ./H; eine Bestätigung über eine Arbeitseinstellungszusage vom 24.10.2017 - Beilage ./i; ein Foto des Beschwerde-führers mit der Weste des roten Halbmondes (Beschwerdeführer gibt an, dass das Foto vom Jahr 2011 oder 2012 ist) - Beilage ./J; Empfehlungsschreiben der Regionalleitung der Caritas vom 15.11.2017 - Beilage ./K; Kursbesuchsbestätigung Deutsch B2, Teil 1 vom 24.01.2018 - Beilage ./L; Zertifikat ÖSD Prüfung Deutsch B1 nicht bestanden vom 02.01.2018 - Beilage ./M; Zertifikat ÖSD Prüfung Deutsch B1 nicht bestanden vom 09.02.2018 - Beilage ./N) sowie durch Einsichtnahme in die Stellungnahme vom 28.08.2017 (OZ 13), vom 31.08.2017 (OZ 14), vom 31.10.2017 (OZ 22) und vom 19.07.218 (OZ 28) sowie in die mit Stellungnahme vom 28.08.2017 vorgelegten Urkunden (Beilagen zu OZ 13: Teilnahmebestätigung Werte und Orientierungskurs vom 13.07.2017 [ident mit Beilage ./B]; Kursbesuchsbestätigung Deutsch B1, Teil 2 vom 31.05.2017 [ident mit Beilage ./G]; Kursbesuchsbestätigung Deutsch B1, Teil 1 vom 10.04.2017 [ident mit Beilage ./H]; Zertifikat ÖSD Prüfung Deutsch B1 nicht bestanden vom 20.06.2017 samt Aufgliederung [ident mit Beilage ./E und ./F]).
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre und wirtschaftliche Situation in Afghanistan, seine Schulausbildung) sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seine diesbezüglich im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers, weshalb das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung hat, an diesen zu zweifeln.
Dass der Beschwerdeführer und seine Mutter in Afghanistan durch seine zwei ältesten Brüder finanziell unterstützt worden sind, ergibt sich aus seinen diesbezüglich schlüssigen Angaben beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung. Dass es sich dabei um seine zwei ältesten Brüder gehandelt hat, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer angegeben hat, dass sein drittältester Bruder noch studiert und in einem Studentenheim in XXXX gewohnt habe (AS 60; OZ 16 Seite 9). Es ist daher davon auszugehen, dass dieser nicht genügend Geld gehabt habe um den Beschwerdeführer und seine Mutter finanziell zu unterstützen. Die zwei ältesten Brüder des Beschwerdeführers waren hingegen schon im Besitz von Eigentums-häusern und haben eigene Geschäfte betrieben (AS 58; OZ 16 Seite 10). Es war daher festzustellen, dass die zwei ältesten Brüder des Beschwerdeführers den Beschwerdeführer und seine Mutter finanziell in ihrem Heimatdorf unterstützt haben.
Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer noch über drei Brüder und zwei Schwestern in der Stadt XXXX sowie eine Schwester in seinem Heimatdorf im Distrikt XXXX verfügt sowie zu deren Lebenssituation in Afghanistan, ergeben sich aus seinen diesbezüglich stringenten Aussagen beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung (AS 58; OZ 16 Seite 10). Dass der Beschwerdeführer Kontakt mit seinen drei Brüder hat ergibt sich aus seiner Aussage beim Bundesamt, wonach er mit seinem drittältesten Bruder per Handy Kontakt habe und mit den Anderen wenig Kontakt habe (AS 58) sowie aus den Länderfeststellungen. Diesen ist zu entnehmen, dass die Großfamilie die zentrale soziale Institution in Afghanistan ist, zu der alle Familienmitglieder zählen. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan und verlieren nur selten den Kontakt zu ihrer Familie. Insbesondere durch technologische Entwicklungen verliert der Faktor geographische Nähe an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Die Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihren nach Europa ausgewanderten Familienmitgliedern und wissen genau Bescheid, wo sich diese aufhalten und wie es ihnen in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (vgl. Punkt II.1.5.). Sofern der Beschwerdeführer in Beschwerdeverhandlung daher nunmehr angab nur mehr mit seinem drittältesten Bruder Kontakt zu haben (OZ 16 Seite 10 f; OZ 23 Seite 5; OZ 27 Seite 7), ist dies nicht glaubhaft. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Beschwerdeführer einige Zeit bei seinen zwei ältesten Brüdern gelebt hat und von diesen auch finanziell unterstützt worden ist (AS 58, 60; OZ 16 Seite 8), sodass davon auszugehen ist, dass er eine gute Beziehung zu seinen zwei ältesten Brüdern gehabt hat. Der Beschwerdeführer hat beim Bundesamt zwar angegeben, dass er abgesehen von seinem drittältesten Bruder nur wenig Kontakt zu den Anderen habe (AS 58), dennoch ist aus den soeben ausgeführten Gründen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach wie vor - wenn auch nur wenig - Kontakt zu seinen drei Brüdern in Afghanistan hat.
Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass Menschen, die nicht bei der Regierung arbeiten normal leben können. Da seine Brüder privat tätig seien, hätten sie keine Probleme und können normal leben (AS 58). Auch in der Beschwerdeverhandlung am 15.09.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass es seinem Bruder gut gehe (OZ 16 Seite 11). Sofern der Beschwerdeführer nunmehr in der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung am 16.11.2017 angab, dass sein Bruder seinetwegen Probleme in Afghanistan habe (OZ 23 Seite 5), ist dies nicht glaubhaft. Einerseits sind die Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtvorbringen nicht glaubhaft (siehe Punkt II.2.2.), sodass es unplausibel ist, dass nunmehr der Bruder des Beschwerdeführers seinetwegen Probleme haben sollte. Andererseits sind die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers derart vage, dass nicht ersichtlich ist worin die Probleme bestehen, die sein Bruder seinetwegen haben soll. Darüber hinaus hätte der Beschwerdeführer bereits beim Bundesamt oder der ersten mündlichen Verhandlung die Gelegenheit gehabt etwaige Probleme seiner Geschwister in Afghanistan vorzubringen. Der Beschwerdeführer hat hingegen ausdrücklich angegeben, dass sie keine Probleme haben und es ihnen gut gehe (AS 58; OZ 16 Seite 11). Dass die Probleme des Bruders des Beschwerdeführers erst nach der Beschwerdeverhandlung am 15.09.2017, somit mehr als 4 1/2 Jahre nach seiner Ausreise aus Afghanistan [Anm. BVwG: Ausreise aus Afghanistan am 31.12.2012 (AS 57; OZ 16 Seite 10)], angefangen haben sollen, ist unplausibel. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass die Geschwister des Beschwerdeführers wegen diesem Probleme in Afghanistan haben.
Dass die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor über ein Haus im Distrikt XXXX in der Provinz Nangarhar sowie über Grundstücke im Ausmaß von 3 oder 4 Jilibs verfügt, ergibt sich aus den diesbezüglich stringenten Angaben des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung (AS 58; OZ 16 Seite 11). Dass die Grundstücke nach wie vor bewirtschaftet werden, ergibt sich daraus, dass diese schon damals von Bauern bewirtschaftet wurden und lediglich die Ernte von der Familie des Beschwerdeführers verkauft wurde (AS 58). Es ist daher davon auszugehen, dass die Grundstücke weiterhin von den Bauern bewirtschaftet und die Ernte von den Brüdern des Beschwerdeführers verkauft wird.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zumindest grundlegende Ortskenntnisse über Kabul verfügt, ergibt sich aus seiner Aussage, wonach er 1 1/2 Monate in Kabul verbracht habe bevor er Afghanistan verlassen habe (AS 57; OZ 16 Seite 20). Da die Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtvorbringen nicht glaubhaft sind (siehe Punkt II.2.2.), ist es für das Gericht unplausibel, dass er sich in Kabul versteckt habe und das Haus nicht verlassen habe (OZ 16 Seite 20). Zudem legte der Beschwerdeführer ein Zertifikat des "Kabul English Language and Computer Center" vor, weshalb das Gericht davon ausgeht, dass er einen Kurs in Kabul absolviert hat (AS 91 f).
Die Feststellungen zur Einreise sowie das Datum der Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers sowie der Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 16 Seite 13-19; OZ 23; OZ 27) sowie auf die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Beilage ./A bis ./N).
Dass der Beschwerdeführer dreimal zur ÖSD Deutsch Prüfung für die Stufe B1 angetreten ist, diese jedoch nicht bestanden hat, ergibt sich aus den jeweils vorgelegten ÖSD Zertifikaten (Beilage ./E, ./F, ./M und ./N). Aus der jeweiligen Aufgliederung der Prüfungsergebnisse geht hervor, dass der Beschwerdeführer insbesondere beim dritten Antritt hinsichtlich der schriftlichen Prüfung im Vergleich zu seinen zwei vorherigen Prüfungsantritten am wenigsten Punkte erreichen konnte. Auch hinsichtlich der mündlichen Prüfung hat sich der Beschwerdeführer im Vergleich zu den vorherigen Prüfungsantritten punktemäßig nicht verbessern könne (Beilage ./F, ./M und ./N). Das Gericht leitet daraus ab, dass die Bemühungen des Beschwerdeführers an einer sprachlichen Integration nachgelassen haben.
Der Beschwerdeführer hat eine Einstellungszusage eines Tischlerbetriebs vom 24.10.2017 vorgelegt. Dieser ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der derzeitigen Auftragslage als Tischler eingestellt werden kann (Beilage ./i). Da die Einstellungszusage bereits mehr als ein halbes Jahr zurückliegt und ausdrücklich wegen der damaligen Auftragslage erfolgt ist und sich der Beschwerdeführer nicht erkundigt hat, ob diese noch aufrecht ist (OZ 27 Seite 10), konnte nicht festgestellt werden, dass die Einstellungszusage noch aufrecht ist. Zudem lässt das Unterlassen der Nachfrage beim Tischlerbetrieb am Interesse des Beschwerdeführers einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen zweifeln.
Dass zu den in Österreich geknüpften freundschaftlichen Beziehungen keine engen sozialen Bindungen bestehen, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerde-verhandlung zwar drei Vornamen seiner Freunde nannte, jedoch sonst keine weiteren Angaben zu ihnen gemacht hat (OZ 16 Seite 15). Der Beschwerdeführer hat diese - bis auf das eine Mal - im Verfahren nicht wieder erwähnt.
Die Feststellungen betreffend die Verlobung des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeuginnen. Der Beschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung am 15.09.2017 an: "Seit über 2 Jahren sind wir zusammen. Wir werden in der Zukunft sehen, ob wir heiraten. Zuerst muss ich einen Asylstatus, ein Einkommen und eine Arbeit haben. Dann werden wir sehen, ob wir heiraten. Ich möchte unbedingt dieses Mädchen heiraten." (OZ 16 Seite 7). Die Angaben des Beschwerdeführers sind in sich widersprüchlich, da er zum einen angibt, er werde sehen, ob sie heiraten, zum anderen jedoch angibt, dass er seine nunmehrige Verlobte unbedingt heiraten wolle. Überraschend ist daher, dass der Beschwerdeführer am 22.09.2017 (OZ 23 Seite 6, 11), somit lediglich eine Woche nach der Beschwerdeverhandlung am 15.09.2017, seiner nunmehrigen Verlobten einen Heiratsantrag gemacht hat, zumal der Beschwerdeführer auch angegeben hat, dass er ers