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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der N in Pasching (früherer Wohnsitz in Ennsdorf), geboren am 20. Oktober 1976, vertreten durch Dr. Gerold Ludwig, Rechtsanwalt in 3350 Stadt Haag, Höllriglstraße 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. Juli 1996, Zl. Fr 2557/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.
Diese Maßnahme begründete sie in folgender Weise: Die Beschwerdeführerin sei im November 1994 mittels eines Touristensichtvermerks in das Bundesgebiet eingereist und habe Österreich nach Ablauf von dessen Gültigkeitsdauer nicht verlassen. Sie halte sich somit schon über eineinhalb Jahre unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ihr am 10. Jänner 1996 gestellter Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 1996 rechtswirksam abgewiesen worden. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz 1991 komme ihr nicht zu. Die Rechtsordnung messe der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung fremdengesetzlicher Vorschriften ein solches Gewicht bei, dass selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin gehe in Österreich einer Beschäftigung nach. Das Assoziationsabkommen (EWG-Türkei) beziehe sich auf Familienangehörige türkischer Arbeitnehmer, die die Genehmigung erhalten hätten, zu ihren Verwandten zu ziehen. Die Beschwerdeführerin halte sich seit über eineinhalb Jahren rechtswidrig im Bundesgebiet auf und könne sich demnach nicht auf das Assoziationsabkommen berufen. In Anbetracht des langen rechtswidrigen Aufenthalts sei die Berufung trotz der familiären Bindungen im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere eines geordneten Fremdenwesens, abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zugrundeliegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.
Die Beschwerde lässt die Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen hegt der Gerichtshof gegen die darauf gestützte Ansicht der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall der Tatbestand des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben sei, keinen Einwand.
Die Beschwerde wendet sich indes gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 19 FrG durchgeführten Interessenabwägung. Gemäß dieser Bestimmung ist, würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf die ihr behauptetermaßen drohenden Gefahren in ihrem Heimatland verweist, ist ihr zu entgegnen, dass bei der Interessenabwägung nach § 19 FrG die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes und die behauptete dortige Verfolgungssituation keine Rolle spielen. Mit der Ausweisung wird nicht darüber abgesprochen, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er allenfalls abgeschoben werde (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 12. Februar 1998, Zl. 97/21/0791). Dem Schutz des Fremden vor Abschiebung in den behaupteten Verfolgerstaat dient das Verfahren nach § 54 Abs. 1 FrG.
Ihr privates Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet spricht die Beschwerdeführerin damit an, dass sie seit 1. September 1993 mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet sei, der sich seit 1987 in Österreich befinde, hier einer geregelten Arbeit nachgehe und über einen Befreiungsschein sowie über einen unbefristeten Sichtvermerk verfüge. Dieser Ehe entstamme ein am 30. Jänner 1996 in Österreich geborener Sohn.
Dieser Hinweis ist nicht zielführend. Die belangte Behörde stellte zutreffend den nach § 19 FrG geschützten Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Verbleib in Österreich das maßgebliche öffentliche Interesse an der Beendigung ihres Aufenthalts gegenüber. Wenn sie hiebei zu dem Ergebnis gelangt ist, dass dem zuletzt genannten Interesse der Vorrang einzuräumen sei, so stößt diese Beurteilung auf keinen Einwand. Das Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten weist nämlich aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung im Sinn des Art. 8 EMRK einen hohen Stellenwert auf. Dieses Interesse wurde durch den großteils rechtswidrigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin so nachhaltig beeinträchtigt, dass ihre persönlichen Interessen zurückzustehen haben. Sie durfte zu keinem Zeitpunkt damit rechnen, ohne die erforderliche Bewilligung auf Dauer in Österreich bei ihrem Ehegatten verbleiben zu dürfen; ungeachtet dessen hielt sie ihren rechtswidrigen Aufenthalt in Österreich auch nach und trotz Abweisung ihres Asylantrages aufrecht. Dem im Hinblick auf das Gebot der Achtung des Privat- und Familienlebens in § 19 FrG verankerten Ausweisungshindernis kann nicht die Bedeutung unterstellt werden, es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften und durch die derart bewirkten privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1999, Zl. 97/21/0582).
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Bemerkt sei, dass über die Beschwerde des Sohnes der Beschwerdeführerin betreffend dessen Ausweisung mit Erkenntnis vom heutigen Tag zur Zl. 96/21/1038 entschieden wurde.
Wien, am 16. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996211052.X00Im RIS seit
20.11.2000