TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/3 W257 2147209-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2018
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Entscheidungsdatum

03.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W257 2147209-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert Gerhard MANTLER, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, alias XXXX, alias XXXX, Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 24.01.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 20.07.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 17.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. In seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am gleichen Tag gab der Beschwerdeführer an, er sei Staatsbürger der Islamische Republik Afghanistan, sei am XXXX geboren, spreche Farsi, sei schiitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der "Seyed" an. Er sei 10 Jahre zur Schule gegangen und sei geflüchtet, weil er wegen des Kriegszustandes sein Leben in Gefahr sah. Er wolle in Österreich bleiben, um hier zur Schule gehen zu können. Er sei ledig und kinderlos. Sein Vater sei schon verstorben. Zu seinen engsten Verwandten zählt seine Mutter, sein älterer Bruder und seine drei Schwestern.

1.3. Mit Verfahrensanordnung vom 22.06.2016 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das Geburtsdatum des Beschwerdeführers unter Verweis auf das medizinische Sachverständigengutachten vom 19.06.2016 mit XXXX fest.

1.4. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.01.2017 führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass er Hazara sei und im Dorf XXXX und in der Stadt XXXX in der Provinz Balkh aufgewachsen sei. Er hätte dort 10 Jahre die Schule besucht. Er sei eigentlich 16 Jahre alt doch der Arzt (hier in Österreich) hätte ihm ein anderes Datum aufgezwungen. Auf Vorhalt, dass er laut den Dokumenten in Griechenland ein Alter von 20 Jahren angab, meinte er, dass er dort absichtlich gelogen hätte, sonst hätte man ihn dort in Griechenland behalten. Seine Mutter lebe noch in XXXX.

Auf die Frage, warum er aus Afghanistan geflohen ist brachte er vor:

"Weil man in meinem Land nicht sicher ist. Ich konnte keine Schule besuchen und keine Ausbildung machen. Es war keine Ruhe dort. Ich konnte dort nicht lernen. Das war es."

Er sei auch wegen seines Bruders in Lebensgefahr. Er sei schon in der Türkei in Richtung Europa unterwegs gewesen, als sein Bruder verstorben sei. Sein Bruder hätte gedient und er sei vor zwei Jahren bedroht worden. Er sei auf den Weg nachhause gewesen, als sein Bruder getötet worden sei. Wegen seines Bruders sei er vor ca 1 1/2 Jahren von einem Auto überfahren worden. Er sei "von denen" gefoltert worden und seine Schwägerin wäre vergewaltigt worden. "Diese" hätten von seiner Mutter verlangt, dass sein Bruder das Militär verlassen solle. Es könne sein, dass sie ihn auch töten würden. Auf Vorhalt, warum sein älterer Bruder nicht geflohen ist, fragte er, wo er - sein Bruder - denn hingehen solle. Da sein Bruder getötet worden sei, wäre die Familie nicht mehr bedroht worden. Er sei auch an dem Tag, als er überfahren worden sei mit einer Waffe bedroht worden und es sei ihm gesagt worden, dass sein Bruder das Militär verlassen solle. Zwei Jahre zuvor seien "sie", er wisse nicht genau ob es die Taliban gewesen seien, zu ihnen nachhause gekommen und hätten die Schwägerin vergewaltigt. Auf die Frage, was das fluchtauslösenden Moment gewesen war, brachte er vor, dass sein älterer Bruder ihm gesagt hätte, dass er Afghanistan verlassen solle.

Im Falle einer Rückkehr hätte er große Angst, weil sein Leben dort in Gefahr sei. Er wisse nicht, was ihm erwarten würde. Die Taliban seien auch gegen die Schiiten und würden diese töten.

Schließlich sei er aus Afghanistan geflüchtet, weil er wegen der unsicheren Lage nicht die Schule besuchen hätte können.

Er legte einige Schriftstücke und Kopien von Dokumenten in nicht deutscher Sprache vor, sowie ein Schülerausweis aus Österreich. Diese Kopien wurden übersetzt und in der behördlichen Niederschrift dokumentiert.

1.5. Die Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers mit dem im Spruch erwähnten Bescheid hinsichtlich des internationalen Schutzes ab, sowie wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten ebenso nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig sei. Der Beschwerdeführer bekam eine zweiwöchige Frist für seine Ausreise zugestanden.

Zur Nichtzuerkennung des Asylantrages vermeinte die Behörde, dass der Beschwerdeführer keinen glaubhaften Fluchtgrund vorbringen hätte können. Die Behörde vermeinte zusätzlich, dass keine Gründe hervortraten oder glaubhaft gemacht werden konnten, welche gegen eine Wiederansiedelung in Afghanistan, insbesondere in der Hauptstadt Kabul oder in Mazar-e Sharif, hervortraten und so keine reale Gefahr einer Verletzung seiner verbrieften Menschenrechte zu erwarten wäre.

1.6. Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers, vertreten durch die Diakonie, wobei er im Wesentlichen die Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht und unrichtige Beweiswürdigung geltend machte. Es wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer von Taliban aktuelle verfolgt werden würde, weil sein Bruder beim afghanischen Militär gearbeitet hätte.

1.7. Der Verwaltungsakt langte am 10.02.2017 am Bundesverwaltungsgericht ein und wurde entsprechend der Geschäftseinteilung der Gerichtsabteilung W257 zugewiesen (OZ 1).

1.8. Das Bundesverwaltungsgericht setzte für den 20.07.2018 eine mündliche Verhandlung fest, wovon die Parteien nachweislich verständigt wurden.

1.9. Folgende Länderberichte des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers wurden der Einladung angeschlossen und den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit geboten, dazu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen (OZ 5).

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Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.01.2018 (Beilage 1)

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UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, (Beilage 2)

Die Parteien nahmen von dieser Gelegenheit nicht Gebrauch.

1.10. Nachdem das Länderinformationsblatt (sh vorherigen Punkt, erster Spiegelstrich) eine Gesamtaktualisierung erfuhr, wurde die aktuelle Fassung vom 29.06.2018 den Parteien am 06.07.2018 zur Stellungnahme übersandt (OZ 6). Eine Stellungnahme hierzu langte nicht ein.

1.11. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer zu seinem primären Fluchtgrund befragt folgendes aus:

Er sei nur in XXXX aufgewachsen, sonst an keinem anderen Ort. In Mazar-e Sahrif lebe noch sein jüngerer Bruder und seine Mutter. Beide würden arbeiten gehen. Seine drei Schwestern würden nicht mehr im gemeinsamen Haushalt leben. Er würde bei einer Rückkehr nach Marar-e Sahrif keine Unterstützung von seiner Familie erfahren, weil er weg gewesen sei. Er vermeinte, dass sein jüngerer Bruder ihn keinen Besitz mehr geben würde. Er könne Dari, Deutsch, Englisch und Persisch lesen und schreiben. Sein älterer Bruder sei ermordet worden.

Nunmehr brachte der Beschwerdeführer vor, dass er keinen jüngeren Bruder hätte, sondern einen älteren Bruder. Dieser hätte eine Behinderung und er, der Beschwerdeführer, würde nicht mit ihm sprechen. Deswegen könne er auch nicht sagen, ob der ältere behinderte Bruder auch bedroht worden ist. Er sei jedenfalls vor ca 1 1/2 Jahre vor der ersten Einvernahme im Park von einem Lenker mit einem modernen schwarzen Fahrzeug angefahren worden. Er hätte ein Motorfahrrad gelenkt. Der Fahrer sei ausgestiegen und hätte ihm eine Waffe gezeigt und ihm aufgetragen, dass er davon seinen Bruder erzählen solle.

Zuvor, vor ca 2 Jahren, seien unbekannt, er könne nicht genau sagen, ob es Taliban gewesen seien, in das Haus eingedrungen. Nunmehr sei allerdings nicht nur seine Schwägerin vergewaltigt worden, sondern auch er selbst. Sie sind danach auch zur Polizei gegangen. Er nehme an, dass es sich dabei um Taliban gehandelt habe, denn er könne sich nicht erklären, wer sonst dazu fähig wäre. Die Angreife hätten auch seiner Mutter gesagt, dass sein Bruder vom Militär aufhören solle.

Sein älterer Bruder, welcher sich beim Militär befinden würde, hätte ihm gesagt, dass er das Land verlassen müsse. Er sei in ganz Afghanistan in Gefahr, sie würden ihn überall finden.

Folgende Dokumente, zum Nachweis des Integrationsfortschrittes, wurden bei der mündlichen Verhandlung vorgelegt:

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Zertifikat vom 02.03.2018 des ÖSD, womit er die Sprachstufe A2 gem. dem Europäischen Referenzrahmens erfolgreich abgeschlossen hat, samt einer Auswertung (höchste Sprachausbildung), Kursteilnahme "Deutschkurs für Asylwerber" vom 10.07.2017, ÖSD Zertifikat A1 vom 08.08.2017,

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Schulbesuchsbestätigung der landwirtschaftlichen Fachschule Hollabrunn vom 19.06.2018, wonach er als außerordentlicher Schüler diese Schule besucht, sowie Lichtbilder vom Unterricht

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Empfehlungsschreiben von XXXX vom 01.07.2018

1.12. Nachdem er an diesem Tag vorbrachte, dass - entgegen des bisherigen Vorbringens -auch er selbst vergewaltigt worden sei, von dem auch die Rechtsvertretung erst am Tag der der Verhandlung vor dem Gericht seitens des Beschwerdeführers unterrichtet worden sei, wurde dieser eine Frist zur Stellungnahme für diesen Punkt eingeräumt. Am 30.07.2018 langte seitens des Beschwerdeführers eine Stellungnahme ein. Darin wird vorgebracht, dass er wegen der Vergewaltigung im Falle der Rückkehr einer Verfolgung ausgesetzt sei, weil er als homosexuell eingestuft und diese in Afghanistan verfolgt werden würden. Es käme zu einer "Opfer-Täter-Umkehr", man würde ihm in Afghanistan eine Homosexualität anlasten. Er hätte Afghanistan aus Furcht vor weiteren sexuellen Übergriffen verlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht fest!

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Dies ergibt sich entweder aus seinen bisherigen übereinstimmenden Angaben vor der Behörde oder vor dem Gericht. Das Geburtsdatum ergibt sich aus den unzweifelhaften Gutachten. Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbrachte, dass es doch nachvollziehbar sei, dass er in Griechenland - von ihm zugegeben (sh Seite 5 des Bescheides) - vor den dortigen Behörden ein älteres Geburtsdatum angab, damit er nicht in Griechenland bleiben müsse um der "menschenunwürdigen Zuständen für Asylwerber in Griechenland" (Seite 34 der Beschwerde) zu entgehen, vermag diese Rechtfertigung die Tatsache der Lüge nicht zu entkräften, dies die Behörde auch richtigerweise erkannt hat. Das Gericht gelangt hier zum gleichen Ergebnis wie die Behörde: Der Beschwerdeführer war bereits in Griechenland - in einem minderjährigen Alter - nicht gescheut, falsche Angaben über seine Person vor den Behörden zu tätigen, um sich in eine für ihn günstigere Position zu bringen.

Der Beschwerdeführer wurde in Mazar-e Sharif geboren, wuchs dort auf und reiste von dort ca im Oktober 2015 nach Europa. Er ging 10 Jahre zur Schule und übte keinen Beruf aus.

2.1.2. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 17.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.1.3. Es kann nicht festgestellt werden, aus wieviel Personen aktuell seine Kernfamilie besteht. Die Familie liebt in Mazar-e Sharif.

2.1.4. Die wirtschaftliche Situation der Familie des Beschwerdeführers ist durchschnittlich. Sie könnten ihm bei einer Rückkehr persönlich und finanziell unterstützen.

2.1.5. Der Beschwerdeführer leidet an posttraumatischer Belastungsstörung und an Kopfschmerzen. Er ist abgesehen von diesen Belastungen grundsätzlich gesund und arbeitsfähig.

2.1.6. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht außerdem Deutsch, Englisch und Persisch.

2.1.7. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Zu seinem primären Fluchtgrund (Bruder als Militärangehöriger)

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer deswegen, weil sein Bruder angeblich beim Militär gearbeitet hat, einer Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle der Rückkehr ausgesetzt ist.

2.2.2. Zu seinem sekundären Fluchtgrund: Die unterstellte Homosexualität wegen der vorgebrachten Vergewaltigung

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vergewaltigt wurde. Aus diesem Grund kann nicht festgestellt werden, dass er im Falle einer Rückkehr einer Verfolgung ausgesetzt ist.

2.2.3. Ergebnis

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat einer systematischen Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, dh. wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt war oder ihm in Falle einer Rückkehr derartiges droht.

2.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Heimatstadt in Afghanistan kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

2.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Dezember 2015 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er bezieht seit seiner Antragstellung Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen engen sozialen Bindungen in Österreich.

Die höchste deutschsprachige Ausbildung des Beschwerdeführers befindet sich entsprechend dem Europäische Referenzrahmen auf dem Niveau "A2". Er besucht als außerordentlicher Schüler die Landwirtschaftliche Fachschule in Hollabrunn, Fachrichtung Weinbau. Es gibt keinen Hinweis auf nachhaltige Integrationsbestrebungen.

2.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

In der Folge bedeutet "LIB" folgende Quelle: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018

2.6. Zur allgemeinen Sicherheitslage:

"Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018). (LIB auf Seite 24)."

2.7. Zur aktuellen Sicherheitslage in Kabul (LIB ab Seite 46ff)

"Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. ....

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018). Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

(Grafik)

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018). Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018)."

2.8. Zur Möglichkeit sich in Mazar-e Sharif anzusiedeln ohne eine Existenzbedrohung

Der Beschwerdeführer hat sein soziales Umfeld in Mazar-e Sahrif. Vor diesem Hintergrund ist abgesehen von dieser sozialen Verbindung bezüglich

2.9. - der Sicherheitslage festzustellen:

Auf Seite 29 des LIB:

"Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017)."

Auf Seite 36 des LIB:

High-profile Angriffe:

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017)."

Auf Seite 65 des LIB:

"Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015)."

2.10. - der Versorgungslage der Rückkehrer festzustellen:

Auf Seite 324ff des LIB:

"Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018). Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018).

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Ausführliche Informationen zu den Programmen und Maßnahmen der erwähnten Organisationen sowie weitere Unterstützungsmaßnahmen können dem FFM-Bericht Afghanistan 4.2018 entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

(...)"

Zu diesen Feststellungen gelangt das Gericht aufgrund folgender

3. Beweiswürdigung

3.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

3.1.1. Ad Punkt 2.1.1.: Dies ergibt sich aus seinen übereinstimmenden Angaben vor der Behörde und dem Gericht.

3.1.2. Ad Punkt 2.1.2.: Dies ergibt sich aus dem Akteninhalt.

3.1.3. Ad Punkt 2.1.3.:

Der Beschwerdeführer machte hinsichtlich seiner Familie, insbesondere bei seinem Bruder ganz offen widersprüchliche Angaben:

Bei der Ersteinvernahme brachte er vor, dass sein Bruder XXXX 18 Jahre alt sei, also jünger als er. Dies wiederholte er vor der Behörde (sh Seite 6 der behördlichen Niederschrift). Dabei blieb er auch anfänglich vor dem Gericht (sh Seite 6 der gerichtlichen Niederschrift; "Ich habe einen jüngeren Bruder, der heißt XXXX...").

Gegen Ende der gerichtlichen Niederschrift brachte er dagegen vor:

"Ich habe keinen jüngeren Bruder... Es gibt keinen der jünger ist als ich..." (sh Seite 11 der gerichtlichen Niederschrift). Darauf angesprochen brachte er vor, dass er bei der Ersteinvernahme 16 Jahre alt gewesen sei, sein Bruder 18. Es hätte sein können, dass sein Bruder auch bedroht worden wäre, er würde allerdings mit ihm nichts reden.

Mit diesen widersprüchlichen Angaben, vor dem Hintergrund, dass er bereits in Griechenland falsche Angaben über seine Person tätigte, ist die Glaubwürdigkeit seiner Person, auch vor dem Hintergrund, dass er beim Grenzübertritt nach Österreich erst 16 Jahre und somit minderjährig war, stark erschüttert. Auch von einem 16-järhigen kann man voraussetzen, dass dieser einwandfrei erklären kann, ob seine Brüder nun älter oder jünger sind als er und auch bei diesen Angaben bleibt, zumal er bei der Einvernahme vor dem Gericht nicht mehr Minderjährig war.

Damit kann aber auch nicht für das Gericht zweifelsfrei festgestellt werden, wieviel Brüder er hat, wie viele noch leben, ob und wieviele davon gestorben sind, ob er zu seiner Familie noch Kontakt hat, usw. Nachdem keine Urkunden vorliegen, welche den Sachbeweis ergeben könnten, ist das Gericht auf seine Angaben angewiesen. Diese sind in dem Punkt der Familie äußerst unglaubwürdig. Damit kann das Gericht jedoch auch das Gegenteil nicht feststellen, etwa dass er noch einen älteren behinderten Bruder hat. Damit erscheinen jedoch auch die künftigen Angaben in diese Richtung zweifelhaft. Soweit damit das Vorbringen auf seine Angaben gestützt werden, ist zu bedenken, dass er bei diesem Punkt widersprüchliche Angaben vorbrachte.

Glaubhaft waren die Ausführungen bei dem Wohnort seiner Familie. Dies konnte er detalliert aus eigenem Antrieb heraus frei erzählen (sh Seite 5ff der gerichtlichen Niederschrift). Das Gericht geht daher davon aus, dass sich die restliche Familie in Mazar-e Sahrif aufhalten.

3.1.4. Ad Punkt 2.1.4.:

Sowohl die Mutter, als auch sein Bruder gehen arbeiten. Weitere Familienangehörige befinden sich nicht mehr in dem Haushalt. Nachdem beide arbeiten gehen, geht das Gericht davon aus, dass die finanzielle Situation ausreichend ist, um den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr auch zu unterstützten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass ihn die Familie im Falle der Rückkehr nicht mehr unterstützt, nur weil er "weg war", so wie er auf Seite 7 der gerichtlichen Niederschrift angab.

3.1.5. Ad Punkt 2.1.5.:

Die Feststellung der PTBS und der Cephalea ergibt sich aus einen Befund vom 04.07.2018, welches er dem Gericht bei der mündlichen Verhandlung vorbrachte. Ältere Befunde sind irrelevant und zeigen im Übrigen auch kein anderes Bild. Nachdem er regelmäßig die Schule besucht, ist zudem anzunehmen, dass er grundsätzlich arbeitsfähig ist. Es kamen keine Gründe hervor, die für eine akute lebensnotwendige Operation sprechen würden.

3.1.6. Ad Punkt 2.1.6.:

Dies ergibt sich aus seinen Angaben vor dem Gericht. Die Kenntnisse der deutschen Sprache ergibt sich aus dem vorgelegte Zertifikat vom 02.03.2018, nachdem der Beschwerdeführer die Sprachstufe A2 gem. dem Europäischen Referenzrahmens erfolgreich abgeschlossen hat.

3.1.7. Ad Punkt 2.1.7.:

Das Gericht nahm am 13.02.2017 Einsicht in das Strafregister. Seitdem erfolgte keine Mitteilung, dass der Beschwerdeführer einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig sei.

3.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich seiner Fluchtvorbringen

3.2.1.1. Generelles zur Glaubhaftmachung:

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

3.2.1.2. Zu seiner persönlichen Glaubwürdigkeit:

Der Beschwerdeführer war bei seiner vorgetragenen Flucht ca. 16 Jahre alt und war somit minderjährig. Die Aussagen des Beschwerdeführers, wurden daher der erwartenden Wiedergabefähigkeit eines 16-jährigen angepasst (VwGH vom 16.04.2002, 2000/20/0200). Dabei ist jedoch anzumerken, dass die Aussagen deswegen nicht weniger Wahrheitsgehalt hätten, sondern der 16-jähriger wird die Eindrücke nicht in solch einem detaillierten Grad vorbringen können, als eine erwachsene Person. Bei dem Erwähnen der Vergewaltigung vor dem Gericht in der mündlichen Verhandlung, war der Beschwerdeführer allerdings bereits volljährig.

Die Darstellung hinsichtlich seines älteren bzw jüngeren Bruders machen den Beschwerdeführer an sich bereits unglaubwürdig (sh dazu Punkt 3) Seine Aussagen generell werden daher unter dem Licht einer geringeren Glaubhaftigkeit gesehen.

3.2.2. Zu seinem primären Fluchtgrund (Bruder als Militärangehöriger)

Dieses Fluchtvorbringen ist für das Gericht aus mehrfacher Sicht nicht glaubwürdig: In seiner Ersteinvernahme brachte er die unter Punkt 1.2 vorgebrachten Fluchtgründe vor (allgemeiner Kriegszustand, Wunsch zur Schule gehen zu können). In der Einvernahme vor der Behörde brachte er in seiner freien Einvernahme einen ähnlichen Fluchtgrund vor (sh unter Punkt 1.4): "Weil man in meinem Land nicht sicher ist. Ich konnte keine Schule besuchen und keine Ausbildung machen. Es war keine Ruhe dort. Ich konnte dort nicht lernen. Das war es." Erst beim Nachfragen durch den Organwalter der Behörde, brachte er vor, dass er vor ca 1 1/2 Jahren wegen seines Bruders, der beim Militär dienen soll, von einem Auto überfahren worden sei. Ebenso brachte er vor, dass zuvor seine Schwägerin vergewaltigt worden sei, wobei er nicht sagen könne, ob es sich dabei um Taliban handelt.

Vor dem Hintergrund, dass er bereits bei dem Alter seines zweiten Bruders in Widerspruch gelangte (sh dazu Punkt 3.1.3), der Feststellung, dass keine Beweismittel über das Anstellungsverhältnis des Bruders zum Militär vorliegen (das im Akt befindliche Foto zeigt lediglich einen Militärangehörigen, ohne Nachweis, dass dies tatsächlich der Bruder ist) fällt zunächst auf, dass sein Bruder - bei einer Wahrunterstellung seiner Aussagen - erst dann ermordet worden sei, als sich der Beschwerdeführer bereits auf der Flucht befand (sh behördliche Niederschrift, Seite 7). Dies kann somit nicht der fluchtauslösende Moment gewesen sein. Im Übrigen gab es nach seinen Schilderungen vor der Behörde gar kein fluchtauslösendes Moment. Sein Bruder hätte ihm gesagt, dass er ausreisen solle (Seite 10 der behördlichen Niederschrift). Zudem wurde er gefragt, warum sein Bruder nach wie vor in Afghanistan leben könne. Diesbezüglich brachte er vor, dass er nicht so einfach weggehen könne, denn "wohin solle er den gehen?" (Seite 7 der behördlichen Niederschrift). Damit legt er allerdings für sich fest, dass wohl sein Bruder, welcher noch dazu beim Militär gearbeitet hat und wohl eher von der Bedrohung der Taliban betroffen sein wird als er, nicht flüchten könne, er aber sehr wohl flüchten könnte. Diesen Widerspruch ergänzte er noch, indem er vorbrachte, dass sein beim Militär arbeitender Bruder nicht so einfach flüchten könne, denn er müsse zuerst mit seinem Vorgesetzten sprechen (sh Seite 10 der gerichtlichen Niederschrift). Weiters ist in diesem Fall bemerkenswert, dass er mehrmals bezüglich der Flucht auf die Schule zu sprechen kam. Erstmals bei der Ersteinvernahme vor der Polizei, dann auch mehrmals vor der Behörde und vor dem Gericht. Vor der Behörde meinte er auf die Frage, ob er nun wegen den Taliban oder wegen der fehlenden Bildungsmöglichkeit nach Europa gekommen sei, dass er wegen der unsicheren Lage gekommen sei und deswegen nicht zur Schule hätte gehen hätte können. Dies wird auch wohl der einzige und im Kern richtige Fluchtgrund sein, denn die nachfolgenden vorgebrachten Fluchtgründe wirken nicht so, als ob er es tatsächlich erlebt hat.

Hier ist zu erwähnen, dass er vorbrachte, mit einem Motorrad im Park in Mazar-e Sahrif gewesen zu sein. Er wäre von einem Lenker eins neuen schwarzen Autos angefahren worden, ein Mann sei ausgestiegen und hätte ihm nur die Pistole gezeigt und gesagt, dass sein Bruder aufhören soll, beim Militär zu arbeiten. Dies hätte er seinen Bruder erzählt. Dieser hätte sich entschlossen den Militärdienst zu verlassen, auf dem Weg nachhause sei er ermordet worden. Gleichzeitig sei aber der Beschwerdeführer selbst bereits in der Türkei gewesen, als er von dem Tod seines Bruders erfahren hätte. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Bruder einerseits den Militärdienst deswegen verlassen hätte, und gleichzeitig er von Afghanistan geflüchtet ist. Näherliegender ist es, dass sein Bruder den Militärdienst verlässt, so wie angeblich die Taliban gefordert hätten, und damit kein Grund mehr für eine Flucht besteht. Stattdessen flüchtet aber gleich der Beschwerdeführer. Darauf angesprochen brachte er vor: "Was sollte am Ende sein. Sie haben meinen Bruder getötet. Es kann sein, dass sie auch mich verfolgen."

(Seite 7 der behördlichen Niederschrift). Damit zeigt er aber, sollte dies tatsächlich zutreffen, dass er auf Verdacht hin, ohne auf eine weitere Bedrohung, die möglicherweise garnichtmehr stattfinden werde, weil ja die Forderung der Taliban erfüllt wurde, das Land verlassen hat. Er hat sich nicht gleich einfach innerhalb von Afghanistan umgesiedelt, der Verdacht alleine hätte in veranlasst bis nach Europa zu flüchten. Überdies konnte er keine Details von dem Unfall vorbringen. Auch scheint es für das Gericht völlig unplausibel, dass die angeblichen Taliban wussten, dass sich der Beschwerdeführer zu dieser Zeit im Park aufhält. Viel leichter wäre es gewesen, ihn zuhause aufzusuchen. Zudem scheint es unplausibel ihn zuerst anzufahren und danach die Waffe zu zeigen. Die Bedrohung mit der Waffe wäre auch ohne dem Unfall möglich gewesen, wodurch das neue schwarze Fahrzeug der angeblichen Taliban unbeschädigt geblieben wäre. Aus all den Gründen sind seine Angaben nicht glaubwürdig und es konnte keine aktuelle, gegen ihn gerichtete Fluchtgefahr von ihm nachgewiesen werden.

3.2.3. Zu seinem sekundären Fluchtgrund: Die unterstellte Homosexualität wegen der vorgebrachten Vergewaltigung

Bis vor der gerichtlichen Einvernahme brachte er vor, dass nur seine Schwägerin vergewaltigt worden sei. Nunmehr bringt er in gesteigerter Fassung vor, dass an diesem Abend nicht nur seine Schwägerin, sondern auch er vergewaltigt worden sei. Er sei auch dabei mit einem Messer am Rücken verletzt worden. Bis zu dieser Aussage, rührten die Verletzungen von dem oben erwähnten Motorradunfall (sh Seite 7 der behördlichen Niederschrift). Laut den Schilderung vor der Behörde war dies ca 2 Jahre vor der Ausreise. Ein fluchtauslösendes Moment kann damit nicht in Zusammenhang gebracht werden. Ebenso brachte er vor, dass er nicht genau wisse, ob es die Taliban gewesen seien. Er hätte dies auch der Polizei angezeigt. Damit fällt jedoch eine weitere Asylrelevanz weg, denn wenn es nicht jene Macht war, gegen die der Staat Afghanistan generell nichts ausrichten könne, es somit "einfache" Verbrecher waren, dies noch dazu zur Anzeige gebracht wurde, ist der Zusammenhang dieser Tat - bei einer Wahrunterstellung - zu einem Asylgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht gegeben. Daran vermögen auch die einschlägigen Berichte der Rechtsvertretung in der nach der Verhandlung eingebrachten Stellungnahme, welche ausführen, dass dem Beschwerdeführer eine Homosexualität unterstellt werden würde, nichts ändern. Ein Zusammenhang zwischen dieser Vergewaltigung - sollte sie so passiert sein - und der generellen Unterstellung der Homosexualität des Beschwerdeführers konnte nicht hergestellt werden.

Zudem ist es für das Gericht völlig unplausibel dass der Beschwerdeführer nicht bereits vor der Behörde diesen Grund darlegte und vor dieser ausführte, dass er vergewaltigt worden sei. Dass er solch ein massiven Fluchtgrund nicht dann vorlegte, wenn er dadurch die Chance gehabt hätte, Asyl zu bekommen, stattdessen einen negativen Asylbescheid abwartet und erst bei der zweiten Möglichkeit vor dem Gericht diesen Fluchtgrund vorbringt, ist weder logisch nachvollziehbar noch aus der in irgendeiner Weise lebensnah. Es reiht sich vielmehr generell in die bisherigen Aussage

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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