TE Vfgh Erkenntnis 2017/3/14 G346/2016 ua

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Veröffentlicht am 14.03.2017
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Index

20/06 Konsumentenschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
KSchG §29 Abs1, §30 Abs1
UWG §25 Abs3 bis Abs7
StGG Art2, Art5

Leitsatz

Keine Gleichheitswidrigkeit der Regelungen betreffend die Veröffentlichung des Urteils über eine Verbandsklage; Bestimmungen im öffentlichen Interesse des Konsumentenschutzes gelegen, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt; kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot

Spruch

I. Der Antrag auf Aufhebung der Wendung ", 25 Abs3 bis 7" in §30 Abs1 des Bundesgesetzes vom 8. März 1979, mit dem Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher getroffen werden (Konsumentenschutzgesetz – KSchG), BGBl Nr 140/1979, in der Fassung BGBl I Nr 6/1997, und auf Aufhebung des §25 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG, BGBl Nr 448/1984, in der Fassung BGBl I Nr 79/2007, wird abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, der Verfassungsgerichtshof möge

"1.1 §30 Abs1 KSchG idF BGBl I Nr 6/1997 bezüglich dessen Wortfolge ', 25 Abs3 bis 7'

in eventu:

1.1.1 §29 Abs1 KSchG idF BGBl I Nr 185/1999 bezüglich dessen Wortfolge 'dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, dem Verein für Konsumenteninformation und dem Österreichischen Seniorenrat'

in eventu:

1.1.2 §29 Abs1 KSchG idF BGBl I Nr 185/1999 bezüglich dessen Wortfolge ', dem Verein für Konsumenteninformation'

und

1.2. §25 UWG idF BGBl I Nr 79/2007

in eventu:

1.2.1 §25 Abs3 bis 7 UWG idF BGBl I Nr 79/2007

in eventu:

1.2.2 §25 Abs3 UWG bezüglich dessen Wortfolge 'auf Kosten des Gegners' sowie §25 Abs6 UWG

sowie

1.3 §85a Abs5 AMG idF BGBl I Nr 110/2012 bezüglich dessen Wortfolge ', §25 Abs3 bis 7'

1.4 §113 Abs3 LFG idF BGBl I Nr 108/2013 bezüglich dessen Wortfolge ', §25 Abs3 bis 7'

1.5 §25 Abs1 Vermarktungsnormengesetz idF BGBl I Nr 68/2007 bezüglich dessen Wortfolge 'und 20 bis 28'

und

1.6 §460 Abs1 UGB idF BGBl I Nr 50/2013 bezüglich dessen Wortfolge ', §25 Abs3 bis 7';

[…] als verfassungswidrig aufheben".

II.      Rechtslage

1.       §§28 bis 30 des Bundesgesetzes vom 8. März 1979, mit dem Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher getroffen werden (Konsumentenschutzgesetz – KSchG), BGBl 140/1979, idF BGBl I 105/2015, lauten bzw. lauteten (die angefochtenen Wortfolgen, welche in der Fassung BGBl I 185/1999 bzw. der Fassung BGBl I 6/1997 gelten, sind hervorgehoben):

"II. HAUPTSTÜCK

Verbandsklage

Unterlassungsanspruch

§28. (1) Wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er von ihm geschlossenen Verträgen zugrunde legt, oder in hiebei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, oder wer solche Bedingungen für den geschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung geklagt werden. Dieses Verbot schließt auch das Verbot ein, sich auf eine solche Bedingung zu berufen, soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden ist.

(2) Die Gefahr einer Verwendung und Empfehlung derartiger Bedingungen besteht nicht mehr, wenn der Unternehmer nach Abmahnung durch eine gemäß §29 klageberechtigte Einrichtung binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt.

(3) Wer Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Formblätter für Verträge verwendet oder empfiehlt, hat diese einer nach §29 klagebefugten Einrichtung auf deren Verlangen binnen vier Wochen auszufolgen, sofern die Einrichtung glaubhaft macht, dass die Kenntnis der Geschäftsbedingungen oder Formblätter zur Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher erforderlich ist.

§28a. (1) Wer im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Zusammenhang mit Haustürgeschäften, außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, den allgemeinen Informationspflichten des Unternehmers (§5a), Verbraucherkreditverhältnissen, Pauschalreisevereinbarungen, Teilzeitnutzungsrechtsverhältnissen, Abschlüssen im Fernabsatz, der Vereinbarung von missbräuchlichen Vertragsklauseln, der Gewährleistung oder Garantie beim Kauf oder bei der Herstellung beweglicher körperlicher Sachen, der Forderung von Telefonkosten (§6b) oder zusätzlichen Zahlungen (§6c), der Leistungsfrist (§7a) oder dem Gefahrenübergang (§7b), im Zusammenhang mit Diensten der Informationsgesellschaft im elektronischen Geschäftsverkehr, Wertpapierdienstleistungen, Dienstleistungen der Vermögensverwaltung, Zahlungsdiensten, der Ausgabe von E-Geld gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot verstößt, im Zusammenhang mit der alternativen Streitbeilegung (§19 AStG) oder der Online-Streitbeilegung (Artikel 14 Abs1 und 2 der Verordnung (EU) Nr 524/2013) Informationspflichten verletzt oder gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot auf Grund der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr L 376 vom 27. 12. 2006, S. 36, bei der Erbringung von Dienstleistungen im Binnenmarkt verstößt und dadurch jeweils die allgemeinen Interessen der Verbraucher beeinträchtigt, kann unbeschadet des §28 Abs1 auf Unterlassung geklagt werden.

(1a) Abs1 ist auch anzuwenden, wenn ein Unternehmer im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Zusammenhang mit Heimverträgen gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot verstößt und dadurch die allgemeinen Interessen der Verbraucher beeinträchtigt.

(2) §28 Abs2 ist anzuwenden.

Klageberechtigung

§29. (1) Der Anspruch kann von der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer, dem Österreichischen Landarbeiterkammertag, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, dem Verein für Konsumenteninformation und dem Österreichischen Seniorenrat geltend gemacht werden.

(2) Liegt der Ursprung des Verstoßes (§§28 Abs1 und 28a Abs1) in Österreich, so kann der Anspruch auch von jeder der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften von der Kommission gemäß Artikel 4 Abs3 der Richtlinie 98/27/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABl. Nr L 166 vom 11. Juni 1998, S 51, veröffentlichten Stellen und Organisationen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union geltend gemacht werden, sofern

1. die von dieser Einrichtung geschützten Interessen in diesem Mitgliedstaat beeinträchtigt werden und

2. der in der Veröffentlichung angegebene Zweck der Einrichtung diese Klagsführung rechtfertigt.

(3) Die Veröffentlichung ist bei Klagseinbringung nachzuweisen.

Anwendung des UWG

§30. (1) Die §§24, 25 Abs3 bis 7 und 26 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 gelten sinngemäß.

(2) Der §7 Abs2 erster Satz und der §8 Abs2 JN sind nicht anzuwenden."

2.       Die angefochtene Bestimmung des §25 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG, BGBl 448/1984, idF BGBl I 79/2007, lautet:

"Urteilsveröffentlichung

§25. (1) In den Fällen der §§4 und 10 kann angeordnet werden, daß das verurteilende Erkenntnis auf Kosten des Verurteilten zu veröffentlichen sei.

(2) In den Fällen der §§4 und 10 kann das Gericht dem freigesprochenen Angeklagten auf seinen Antrag die Befugnis zusprechen, das freisprechende Urteil innerhalb bestimmter Frist auf Kosten des Privatanklägers zu veröffentlichen.

(3) Wird, ausgenommen die Fälle der §§11 und 12, auf Unterlassung geklagt, so hat das Gericht der obsiegenden Partei, wenn diese daran ein berechtigtes Interesse hat, auf Antrag die Befugnis zuzusprechen, das Urteil innerhalb bestimmter Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen

(4) Die Veröffentlichung umfaßt den Urteilsspruch. Die Art der Veröffentlichung ist im Urteil zu bestimmen.

(5) Im Zivilverfahren kann das Gericht auf Antrag der obsiegenden Partei einen vom Urteilsspruch nach Umfang oder Wortlaut abweichenden oder ihn ergänzenden Inhalt der Veröffentlichung bestimmen. Dieser Antrag ist spätestens vier Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu stellen. Ist der Antrag erst nach Schluß der mündlichen Streitverhandlung gestellt worden, so hat hierüber das Erstgericht nach Rechtskraft des Urteils mit Beschluß zu entscheiden.

(6) Das Gericht erster Instanz hat auf Antrag der obsiegenden Partei die Kosten der Veröffentlichung festzusetzen und dem Gegner deren Ersatz aufzutragen. Auf Antrag der obsiegenden Partei kann es der unterlegenen Partei auch die Vorauszahlung der voraussichtlich für die Veröffentlichung auflaufenden Kosten binnen einer Frist von vier Wochen auftragen. Von einem Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten ist abzusehen, wenn die unterlegene Partei bescheinigt, dass ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine solche Leistung derzeit nicht zulassen. Der Lauf der Frist zur Urteilsveröffentlichung wird durch einen Antrag auf Erlag der voraussichtlichen Veröffentlichungskosten bis zum Tag des Einlangens der Vorauszahlung oder der Abweisung dieses Antrags gehemmt. Die obsiegende Partei hat nach erfolgter Veröffentlichung der unterlegenen Partei hierüber unter Bekanntgabe der tatsächlich aufgelaufenen Kosten einen Mehrbetrag samt Zinsen zurückzuerstatten.

(7) Die Veröffentlichung auf Grund eines rechtskräftigen Urteils oder eines anderen vollstreckbaren Exekutionstitels ist vom Medienunternehmer ohne unnötigen Aufschub vorzunehmen."

3.       §85a des Bundesgesetzes vom 2. März 1983 über die Herstellung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG), BGBl 185/1983, idF BGBl I 110/2012, lautet (die angefochtene Wendung ist hervorgehoben):

"Unterlassungsklagen

§85a. (1) Wer Werbung betreibt, die nicht den §§50 bis 56 entspricht, kann auf Unterlassung geklagt werden. Die Gefahr eines entsprechenden Verstoßes besteht nicht, wenn der Unternehmer nach Abmahnung durch eine gemäß Abs2 klagsberechtigte Einrichtung binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt.

(2) Der Anspruch kann von der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer, dem Österreichischen Landarbeiterkammertag, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, der Patientenanwaltschaft, dem Verein für Konsumenteninformation, dem Österreichischen Seniorenrat, der Pharmig (Vereinigung pharmazeutischer Unternehmer), der Österreichischen Ärztekammer und der Österreichischen Apothekerkammer geltend gemacht werden.

(3) Liegt der Ursprung des Verstoßes im Sinne des Abs1 in Österreich, so kann der Anspruch auch von jeder der im Amtsblatt der Europäischen Union von der Kommission gemäß Art4 Abs3 der Richtlinie 2009/22/EG vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABl. Nr L 110 vom 1. Mai 2009 S. 30, veröffentlichten Stellen und Organisationen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union geltend gemacht werden, sofern

1. die von dieser Einrichtung geschützten Interessen in diesem Mitgliedstaat beeinträchtigt werden und

2. der in der Veröffentlichung angegebene Zweck der Einrichtung diese Klagsführung rechtfertigt.

(4) Die Veröffentlichung im Sinne des Abs3 ist bei Klagseinbringung nachzuweisen.

(5) §24, §25 Abs3 bis 7 und §26 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 gelten sinngemäß.

(6) Die Gerichtsbarkeit in Rechtsstreitigkeiten nach Abs1 wird durch die Handelsgerichte ausgeübt. §51 Abs2 Z10 und §83c der Jurisdiktionsnorm finden sinngemäß Anwendung."

4.       §113 des Bundesgesetzes vom 2. Dezember 1957 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz – LFG), BGBl 253/1957, idF BGBl I 108/2013, lautet (die angefochtene Wendung ist hervorgehoben):

"Unterlassungsanspruch

§113. (1) Ein Luftfahrtunternehmen kann auf Unterlassung geklagt werden, wenn es gegen Ge- oder Verbote verstößt, die sich aus der Verordnung (EG) Nr 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr 295/91, ABl. Nr L 46 vom 17. Februar 2004, S. 1, ergeben, und dadurch die allgemeinen Interessen der Verbraucher beeinträchtigt. Die Gefahr eines entsprechenden Verstoßes besteht nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen nach Abmahnung durch eine gemäß Abs2 klageberechtigte Einrichtung binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§1336 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs) besicherte Unterlassungserklärung abgibt.

(2) Der Anspruch kann von der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer, dem Österreichischen Landarbeiterkammertag, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, dem Verein für Konsumenteninformation und dem Österreichischen Seniorenrat geltend gemacht werden.

(3) Die §§24, 25 Abs3 bis 7 und 26 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984, BGBl Nr 448/1984, gelten sinngemäß.

(4) §7 Abs2 erster Satz und §8 Abs2 der Jurisdiktionsnorm, RGBl. Nr 111/1895, sind nicht anzuwenden."

5.       §25 des Bundesgesetzes über die Einstufung und Kennzeichnung landwirtschaftlicher Erzeugnisse für Zwecke der Vermarktung (Vermarktungsnormengesetz – VNG), BGBl I 68/2007, lautet (die angefochtene Wendung ist hervorgehoben):

"Verhältnis zu anderen gesetzlichen Vorschriften

§25. (1) Wer den in §21 angeführten Bestimmungen zuwiderhandelt, kann unbeschadet einer Strafverfolgung auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Der Anspruch kann nur im ordentlichen Rechtswege geltend gemacht werden. Die Bestimmungen der §§14 bis 18 und 20 bis 28 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 23. November 1984, BGBl Nr 448 und die Kundmachung BGBl Nr 422/1994 sind entsprechend anzuwenden.

(2) Wurden für Erzeugnisse Vermarktungsnormen eingeführt, so sind, so lange und in dem Umfang, als Verordnungen nach diesem Bundesgesetz in Geltung stehen, die Bestimmungen der §§32, 33 und 35 bis 37 UWG hinsichtlich dieser Erzeugnisse nicht anzuwenden. Im Übrigen bleiben dessen Bestimmungen unberührt.

(3) Das LMSVG und das Tierseuchengesetz (TSG), RGBl. Nr 177/1909, werden durch dieses Bundesgesetz nicht berührt."

6.       §460 des Bundesgesetzes über besondere zivilrechtliche Vorschriften für Unternehmen (Unternehmensgesetzbuch – UGB), dRGBl. S 219/1897, idF BGBl I 50/2013, lautet (die angefochtene Wendung ist hervorgehoben):

"Verbandsklage

§460. (1) Ein Unternehmer, der im geschäftlichen Verkehr ohne sachliche Rechtfertigung grob nachteilige Vertragsbestimmungen im Sinn des §459 verwendet oder grob nachteilige Geschäftspraktiken in diesem Sinn ausübt, kann von Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern auf Unterlassung geklagt werden, soweit diese Vereinigungen Interessen vertreten, die durch die Handlung berührt werden. Der Unterlassungsanspruch kann auch von der Wirtschaftskammer Österreich und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs geltend gemacht werden. Die §§24, 25 Abs3 bis 7 und 26 UWG 1984 sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Gefahr einer Verwendung derartiger Vertragsbestimmungen oder einer Ausübung derartiger Geschäftspraktiken besteht nicht mehr, wenn der Unternehmer nach Abmahnung durch eine nach Abs1 klagebefugte Vereinigung binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt."

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Mit Schriftsatz vom 4. April 2016 brachte der Verein für Konsumenteninformation (die beteiligte Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, ein verbandsklagsberechtigter Verband iSd §29 KSchG) beim Landesgericht Wiener Neustadt eine Klage gegen die antragstellende Gesellschaft ein, in der die beteiligte Partei begehrte, die antragstellende Gesellschaft schuldig zu erkennen, die Verwendung einer näher bezeichneten Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder sinngleicher Klauseln im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen. Ferner begehrte die beteiligte Partei, das Gericht möge sie ermächtigen, den klagstattgebenden Teil des Urteilsspruches und die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft einmal in der Samstagsausgabe des redaktionellen Teils der bundesweit erscheinenden Ausgabe der "Kronen Zeitung" auf Kosten der antragstellenden Gesellschaft zu veröffentlichen.

Mit Urteil vom 29. August 2016, 28 Cg 11/16m, wies das Landesgericht Wiener Neustadt die Klage der beteiligten Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ab. Die beteiligte Partei erhob gegen dieses Urteil Berufung.

Aus Anlass der Berufungsbeantwortung brachte die antragstellende Gesellschaft den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag ein und begründete diesen folgendermaßen (ohne die Hervorhebungen im Original):

"[…]

2.3 Präjudizialität

Die drei bekämpften Gesetzesbestimmungen sind für das Ausgangsverfahren präjudiziell. Darf sie das Berufungsgericht nicht anwenden, muss dies zwingend zu einer Abweisung des Klagsantrags auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung bzw des Berufungsbegehrens auf Abänderung des Urteils und folglich Stattgebung des Klagsantrags führen. Die bekämpften Bestimmungen regeln mit §29 Abs1 KSchG die Aktivlegitimation der klagenden Partei, mit §25 UWG die Urteilsveröffentlichung und mit §30 Abs1 KSchG die Anwendbarkeit dieser UWG-Bestimmung selbst.

Da die Antragstellerin mit Stattgebung des auf Grundlage der bekämpften Bestimmungen gestellten Antrags der klagenden Partei zudem eine Kostentragungspflicht träfe, würde die Aufhebung der bekämpften Bestimmungen und somit die Abweisung des Antrages auf Ermächtigung zur kostenpflichtigen Urteilsveröffentlichung im Ausgangsverfahren die Gefahr beseitigen, dass die Antragstellerin in der zugrundeliegenden Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt wird.

3. Begründung der Verfassungswidrigkeit

3.1 Grundrechtswidrigkeit

3.1.1 Verletzte Grundrechte

Die oben genannten Bestimmungen verletzen die Grundrechte der Antragstellerin nach Art5, Art18 StGG, Art1 1. ZPEMRK sowie Art16, 17 GRC. Die Grundrechte der GRC sind anwendbar, da diese 'in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleich[en]' (VfSlg 19.632).

Bei Betrachtung dieser Grundrechtswidrigkeit sind §30 Abs1 KSchG (bzw dessen beanstandete Wortfolge) und §25 UWG als untrennbare Einheit anzusehen, da die genannten Grundrechte durch den Inhalt des §25 UWG verletzt werden, dieser jedoch im gegenständlichen Fall nur durch §30 Abs1 KSchG anwendbar wird. Würde nur der §30 Abs1 KSchG aufgehoben, würde die materielle Grundrechtswidrigkeit im Rechtsbestand bestehen bleiben, die Verfassungswidrigkeit also nur formell im Verfahren der §§28 ff KSchG, nicht jedoch materiell beseitigt werden. Würde hingegen nur der §25 UWG aufgehoben, so würde §30 Abs1 KSchG als 'sinnentleerter sprachlicher Torso' (VfGH 09.12.2014[,] G136/2014) das Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B-VG nicht mehr erfüllen. Die Grundrechtswidrigkeit dieser einheitlich zu betrachtenden Bestimmungen wird im Folgenden ausgeführt.

Die eventualiter beantragte Aufhebung des §29 Abs1 KSchG (bzw dessen beanstandeter Wortfolge) ergibt sich aus der Grundrechtswidrigkeit der Aktivlegitimation der dort angeführten Vereine zur Beantragung der Ermächtigung zur Veröffentlichung. Diese wird weiter unten (Punkt 3.1.4.2.) begründet.

3.1.2 Eingriffswirkung

Die vorliegende Bestimmung stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum dar (Art5 StGG; Art1 1.ZPEMRK; Art17 GRC).

Die Auferlegung von Strafen, Abgaben oder sonstigen Zahlungen greift in das grundrechtlich geschützte Eigentumsrecht ein (VfSlg 12.967/1992; Berka, Verfassungsrecht5 (2014) RZ1543 mwN).

Ein solcher Eingriff liegt hier vor, da die beklagte Partei bei Zuspruch des Veröffentlichungsbegehren zur Zahlung der Kosten der Veröffentlichung des Urteils an den Kläger zu Gunsten eines im Urteilsantrag bestimmten Dritten verpflichtet wird. Die beklagte Partei unterliegt hierbei einem Kontrahierungszwang, ohne beeinflussen zu können, zu welchem Preis oder Zeitpunkt und in welchem Medium die Veröffentlichung durchgeführt wird. Im Resultat wird jedenfalls der beklagten Partei einer Verbandsklage durch den Veröffentlichungszuspruch die Privatautonomie entzogen, die Ausfluss des Grundrechts auf Eigentum ist (VfSlg 12.227; Berka, Verfassungsrecht5 (2014) RZ1543).

Doch nicht nur derartige Veröffentlichungsermächtigungen stellen einen Eingriff dar, sondern die gesamte durch die beanstandeten Bestimmungen geschaffene Regelung (insb §30 Abs1 KSchG iVm §25 Abs3 bis 7 UWG). Diese beinhaltet eine generelle Ermächtigung, dass der Obsiegende die Veröffentlichung auf Kosten des Unterlegenen durchführen darf. Da dies eine zwangsweise Auferlegung von Kosten darstellt, greift jede solche Ermächtigung und damit die Norm an sich schon in das Eigentumsgrundrecht ein.

Gegenstand des Parteiantrags sind zwar ausschließlich die vorgenannten Gesetzesbestimmungen, während deren Umsetzung durch die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte nicht vom hohen Verfassungsgerichtshof zu überprüfen ist. Dennoch mag der bei weitem häufigste Zuspruch einer Veröffentlichung in einer Samstagsausgabe der 'Kronen Zeitung' hier als Beispiel der Intensität des Grundrechtseingriffs gelten, vor allem weil dies im zugrundeliegenden Verfahren von der dort klagenden Partei begehrt wird.

Bei solch einer Veröffentlichung belaufen sich die Veröffentlichungskosten nach der aktuellen Preisliste der Kronenzeitung – je nach Platzierung – auf einen Betrag zwischen EUR 28.000,– und EUR 42.000,–. Es handelt sich dabei sohin um einen sehr substantiellen Betrag, dem de facto im wesentlichen Strafcharakter zukommt, weshalb jedenfalls ein erheblicher Eingriff in die genannten Grundrechte vorliegt.

Diese Eingriffswirkung durch hohe Kosten muss ebenfalls berücksichtigt werden, denn würde man Gegenteiliges annehmen und wäre nur die konkrete Veröffentlichung in der 'Kronen Zeitung' aufgrund der Höhe ihrer Kosten verfassungswidrig, so müsste das Gericht in jedem Verbandsprozess eine umfassende verfassungskonforme Interpretation und Reduktion der bekämpften Bestimmungen vornehmen. Verfassungskonform und daher von der Regelung erlaubte Veröffentlichungen wären dann wohl nur solche, deren Kosten höchstens einen Bagatellbetrag ausmachen würden. Was tatsächlich zugesprochen werden dürfte und was nicht, sowie wo die Kostengrenze läge, wäre unklar.

Die konkrete Veröffentlichung – die stets unter dem Verdacht der Verfassungswidrigkeit stünde – wäre auch einer Prüfung durch den VfGH nicht zugänglich. Folgte man also dieser Ansicht und verneinte man diese Eingriffswirkung der Bestimmung, so müsste man die Bestimmung im selben Atemzug als verfassungswidrig erkennen. Denn bei genannter Interpretation würde diese das Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B-VG verletzen.

Dieses ist dann verletzt, wenn aus der Bestimmung 'die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns' nicht eindeutig ersichtlich sind (Berka, Verfassungsrecht5 (2014) RZ500). Gerade das läge hier vor, da nicht eindeutig festgeschrieben wäre, welche Veröffentlichungen das Gericht bzw bis zu welcher Kostenhöhe das Gericht Veröffentlichungen zusprechen dürfte. Im konkreten Fall ist sogar noch ein höherer Bestimmtheitsgrad erforderlich, da es sich um eine gesetzliche Bestimmung handelt, die zum Eingriff in ein Grundrecht ermächtigt (Berka, Verfassungsrecht5 (2014) RZ507 mwN).

Zusätzlich greift die Bestimmung durch die Ermächtigung zur Veröffentlichung unabhängig von der Kostentragung durch den Unterlegenen in das Grundrecht auf Eigentum und die anderen genannten Grundrechte ein. Denn durch die Veröffentlichung des Urteilsspruches, wo festgestellt wird, dass der Unternehmer unzulässige AGB verwendete, wird dieser jedenfalls gegenüber der Öffentlichkeit 'in ein schlechtes Licht gerückt'.

Durch diesen Imageschaden ist die gegenständliche Regelung also geeignet, potentielle Kunden vom Eingehen von Vertragsbeziehungen mit dem Unterlegenen abzubringen. Durch den mit der Veröffentlichung also zwingend einhergehenden Imageschaden entsteht dem Unterlegenen jedenfalls ein Vermögensschaden, der ebenfalls einen Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum und die genannten anderen Grundrechte begründet. Zusätzlich werden seine künftigen Erwerbschancen beschränkt.

Ebenso greift die gegenständliche Regelung in genannte Grundrechte ein, da durch die Kostentragungspflicht des Unterlegenen, dieser in seiner freien Mittelverwendung und Privatautonomie beeinträchtigt wird.

Aus all diesen Gründen ist offenkundig, dass die gegenständliche Regelung jedenfalls in die genannten Grundrechte, insbesondere das Grundrecht auf Eigentum, eingreift.

3.1.3 Verhältnismäßigkeitsprüfung

Die durch die beanstandeten Bestimmungen geschaffene Regelung vermag der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standzuhalten. Zwar mag sie einem legitimen Zweck – der Verbraucherinformation – dienen, allerdings ist sie zur Erreichung dieses Zwecks überschießend und nicht auf das Notwendige beschränkt.

3.1.3.1 Fehlende Notwendigkeit

Die gegenständliche Regelung stellt nicht das gelindeste Mittel dar, das zur Erreichung des legitimen öffentlichen Interesses zur Verfügung steht. Dies deshalb, da es andere Mittel gibt, die weniger stark in die genannten Grundrechte eingreifen, jedoch das legitime Interesse gleichermaßen (wenn nicht sogar effizienter) erfüllen würde.

Konkret betroffen ist das Recht, das die Regelung dem Gericht verleiht, die obsiegende Partei zu ermächtigen, das Urteil auf Kosten der unterlegenen Partei zu veröffentlichen. Diese Ermächtigung stellt – wie oben gezeigt – einen Eingriff in die Grundrechte des Unterlegenen dar.

Ein deutlich geringerer Eingriff in das Grundrecht – jedoch mindestens genauso zielführend – wäre es, die unterlegene Partei selbst zu verpflichten, das Urteil zu veröffentlichen. Die unterlegene Partei könnte sohin auf dem freien Markt den Preis der Veröffentlichung verhandeln und beispielsweise durch Zusage von Inseraten in der entsprechenden Tageszeitung und damit Aushandeln eines Rabattes einen günstigeren Preis erzielen. Immerhin ist weitreichend bekannt, dass Inserate am freien Markt tatsächlich fast ausschließlich unter dem Listenpreis vergeben werden.

Wird jedoch die obsiegende Partei ermächtigt, das Urteil zu veröffentlichen, wird sie kein Interesse daran haben, einen günstigen Preis zu erzielen und ohne Preisverhandlungen den von der Tageszeitung angesetzten Listenpreis – wie hoch dieser auch immer sein mag – auf Kosten der unterlegenen Partei vereinbaren. Dies wird dadurch verstärkt, dass die gegenständliche Regelung keine Prüfung der Angemessenheit der tatsächlich anfallenden Kosten der Veröffentlichung vorsieht.

Durch die Ermächtigung der obsiegenden Partei anstelle der Verpflichtung der unterlegenen Partei entsteht daher der unterlegenen Partei ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Nachteil. Diesem wirtschaftlichen Nachteil steht allerdings kein öffentliches Interesse gegenüber, da die Veröffentlichung in beiden Fällen in gleicher Form erfolgen würde. Dies insbesondere, da das Gericht [gemäß] §25 Abs4 UWG die Art der Veröffentlichung (Zeitraum, Schriftgröße, Schriftart, etc.) im Urteil festzulegen hat.

Zudem stellt die geltende Regelung eine unsachliche Differenzierung im Vergleich mit der grundlegenden Systematik der österreichischen Rechtsordnung dar. Nach dieser Gesetzessystematik ist es eine Folge des Grundsatzes der Privatautonomie, dass der Schuldner einer Leistung gerichtlich stets zunächst verpflichtet wird, diese Leistung zu erbringen und erst im Verzugsfall (wenn überhaupt) der Gläubiger zur gerichtlichen Ersatzvornahme ermächtigt wird.

Die gegenständliche Regelung folgt diesem Grundsatz nicht. Für diese Einschränkung der Privatautonomie gibt es allerdings – wie gezeigt – keinen rechtfertigenden Grund. Auch die Privatautonomie ist jedoch vom Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum umfasst (VfSlg 12.227; Berka, Verfassungsrecht5 (2014) RZ1543). Auch die hier vorliegende ungerechtfertigte Einschränkung der Privatautonomie stellt sohin einen nicht notwendigen und damit nicht verhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht sowie die oben genannten Grundrechte dar.

Erwähnt sei auch, dass die gegenständliche Regelung nicht nur die Privatautonomie und damit die Grundrechte des Unterlegenen, sondern auch jene des veröffentlichenden Mediums beeinträchtigt, da auch dieses von einem Kontrahierungszwang mit dem Obsiegenden betroffen ist.

Die gegenständliche Regelung ist daher nicht das gelindeste zur Verfügung stehende Mittel, um das legitime Interesse zu erfüllen. Die Verpflichtung des Unterlegenen anstatt der Ermächtigung des Obsiegenden würde das legitime öffentliche Interesse auf (mindestens) gleiche Weise erfüllen. Es würde jedoch dem Unterlegenen weniger Kosten bereiten sowie weniger stark dessen Privatautonomie beschränken und somit weniger intensiv in die genannten Grundrechte eingreifen.

Da die gegenständliche Regelung somit nicht das gelindeste Mittel zur Zweckerreichung darstellt, ist die Veröffentlichungsermächtigung im gegenwärtigen Umfang zur Erreichung des Zwecks nicht notwendig. Da sohin die durch die bekämpften Bestimmungen gebildete Regel mangels Notwendigkeit zur Zweckerreichung der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standhalten kann, ist sie verfassungswidrig.

3.1.3.2 Fehlende Eignung

Bereits das oben illustrierte Fehlen der Notwendigkeit begründet die Verfassungswidrigkeit der durch die bekämpften Bestimmungen geschaffenen Regelung. Doch selbst wenn man eine solche Notwendigkeit annähme, würde dies nicht zur Verfassungskonformität der gegenständlichen Regelung führen. Unabhängig davon hält die gegenständliche Regelung der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung nämlich schon deshalb nicht stand, da sie zur Erreichung des legitimen öffentlichen Interesses nicht geeignet ist.

Der Zuspruch der Veröffentlichung auf Kosten des Unterlegenen stellt wie gezeigt einen Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum und weitere Grundrechte dar. Dies bedeutet auch, dass dieser nur zulässig ist, wenn er im Interesse des Verbraucherschutzes unbedingt notwendig und unerlässlich ist, es also aus Sicht des Gerichts nicht zumutbar ist, dass die Information der Verbraucher unterbleibt. Zusätzlich muss die Veröffentlichung das gelindeste Mittel zur Erreichung dieses Zwecks sein.

Bedenkt man dies, so wird offenbar, dass jedes Urteil, das auf Basis von (§30 Abs1 KSchG iVm) §25 Abs3 bis 7 UWG den Obsiegenden zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten des Unterlegenen ermächtigt, implizit mitausspricht, dass die Veröffentlichung aus Sicht des Gerichts und damit aus Sicht des Staates unbedingt notwendig, unerlässlich und deren Unterbleiben unzumutbar ist. Diese Notwendigkeit der Veröffentlichung wird durch Rechtskraft des Urteils Teil der Rechtsordnung.

Bedenkt man nun diesen impliziten Urteilsinhalt, so zeigt sich die fehlende Eignung der gegenständlichen Regelung zur Erreichung des legitimen öffentlichen Interesses, namentlich der Verbraucherinformation. Ob eine solche rechtskräftig als unerlässlich bestimmte Veröffentlichung nun erfolgt oder nicht, wird gem §29 Abs1 KSchG unter Anderem in die Hand einer privaten Körperschaft, namentlich des Vereins für Konsumenteninformation ('VKI'), gelegt.

Der VKI (im Ausgangsverfahren klagende Partei) ist ein Verein iSd Vereinsgesetzes (ZVR-Nr 389759993). Die einzigen beiden ordentlichen (und daher stimmberechtigten) Mitglieder dieses Vereins sind die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte (BAK) und der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB). Der ÖGB ist selbst ein privater Verein nach dem Vereinsgesetz (ZVR-Nr 576439352), in dem Privatpersonen die Stimmenmehrheit halten. Die öffentliche Hand kann daher keinen entscheidenden Einfluss auf die Handlungen des VKI nehmen und hat kein Weisungsrecht in Bezug auf dessen Leitung. Der VKI ist daher als private, nicht-staatliche Organisation zu werten.

Der Gesetzgeber legt nun aber durch die gegenständliche Regelung die rechtskräftig als unerlässlich festgestellte Veröffentlichung in die Hand eines Privaten (des VKI). Damit liegt es im Gutdünken dieses Privaten, ob die unerlässliche Veröffentlichung erfolgt oder nicht. Es gibt keinerlei Möglichkeit für den Bund oder für andere Verbraucherschutzorganisationen, – erst recht nicht für den einzelnen Verbraucher – diese Veröffentlichung zu erzwingen, sollte der VKI entscheiden, sie zu unterlassen.

Der VKI unterliegt in seinen Entscheidungen auch keiner weiteren staatlichen Aufsicht als der allgemeinen vereinsrechtlichen durch die Vereinsbehörde. Die Stellung des VKI ist daher auch nicht mit einer Gesellschaft vergleichbar, die mit behördlichen Aufgaben belehnt wurde. Eine solche würde entweder der Aufsicht einer Oberbehörde unterliegen, oder durch innerstaatliche oder gemeinschaftsrechtliche Normen weisungsfrei gestellt werden. Eine solche mit behördlichen Aufgaben belehnte Gesellschaft wäre jedoch besonderen Regelungen unterworfen, die im Resultat einer Erfüllungs- und Sorgfaltspflicht entsprechen. Dies ist beim VKI nicht der Fall, auch wenn er durch §29 Abs1 KSchG wohl zur Erfüllung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse gesetzlich ermächtigt ist.

Da der Gesetzgeber durch die gegenständliche Regelung also die Durchführung einer aus seiner Sicht unbedingt notwendigen Veröffentlichung in die Hand eines Privaten legt, dessen Entscheidungen er nicht beeinflussen kann, ist die gegenständliche Regelung (insb die Ermächtigung des Obsiegenden) zur Erreichung des legitimen Zwecks, des Verbraucherinteresses, nicht geeignet. In anderen Worten: Die gegenständliche Regelung kann die Erreichung des legitimen Zwecks nicht garantieren. Ob sie diesen Zweck erfüllt oder nicht, liegt im Gutdünken eines Privaten.

Im Übrigen gilt dies nicht nur für die Veröffentlichungsermächtigung des VKI, die durch §§29 Abs1, 30 Abs1 KSchG iVm §25 UWG ermöglicht wird, sondern ebenso für die diesbezügliche Berechtigung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und des Österreichischen Seniorenrates.

Aus den genannten Gründen kann die gegenständliche Regelung schon mangels Eignung zur Zweckerreichung der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standhalten.

Da die vorliegende Regelung also weder geeignet, noch notwendig oder verhältnismäßig ist, hält sie der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand. Sie stellt daher eine nicht gerechtfertigte Grundrechtsverletzung dar, und ist sohin verfassungswidrig.

3.2 Verstoß gegen den Gleichheitssatz und das Sachlichkeitsgebot

Aus dem in Art7 B-VG, Art2 StGG festgeschriebenen Gleichheitssatz leitet der VfGH ein allgemeines Sachlichkeitsgebot ab (VfSlg 13.781/1994; Berka, Verfassungsrecht5 (2014) RZ1640). Unsachliche Regelungen sind folglich verfassungswidrig. Die im Folgenden begründete Unsachlichkeit und damit Verfassungswidrigkeit, betrifft nach Ansicht der Antragstellerin alle bekämpften Bestimmungen, insbesondere jedoch §30 Abs1 KSchG und §25 Abs3 bis 7 UWG.

3.2.1 Unsachlichkeit der Ermächtigung der obsiegenden Partei

Da es keine sachliche Rechtfertigung dafür gibt, die obsiegende Partei zur Veröffentlichung zu ermächtigen, anstatt die unterlegene zu dieser zu verpflichten, ist diese Regelung unsachlich und damit verfassungswidrig.

Dies trifft insbesondere auf die reine Ermächtigung der obsiegenden Partei zu, die zu der – wie gezeigt – unerlässlichen Veröffentlichung nur berechtigt, nicht aber verpflichtet wird. Die obsiegende Partei kann über die Veröffentlichung also frei entscheiden. Dies mag im Bereich des UWG Sinn machen, wo der Kläger idR seine eigenen Interessen vertritt und daher im eigenen Interesse von der Veröffentlichung absehen kann. Da im Verbandsprozess jedoch der Kläger nicht seine eigenen Interessen, sondern die Verbraucherinteressen vertreten soll, ist diese Ermächtigung des obsiegenden Klägers, von der unerlässlichen Veröffentlichung abzusehen, unsachlich und sohin verfassungswidrig.

3.2.2 Unsachlichkeit der Veröffentlichungsermächtigung in jedem beliebigen Medium

Auch das Gebot bzw die Erlaubnis der Veröffentlichung in einem beliebigen Medium (je nach Antragstellung des Obsiegenden – im zugrundeliegenden Verfahren die 'Kronen Zeitung') ist unsachlich. Diese erlaubt dem Obsiegenden, für hohe Kosten die Veröffentlichung vorzunehmen, und zwingt das beantragte Medium gleichzeitig dazu, mit den Prozessparteien zu kontrahieren.

Insb für derartige Veröffentlichungen, bei denen ein Informationsinteresse der gesamten Bevölkerung besteht, hat der Gesetzgeber jedoch mit der Ediktsdatei gem §§89j f[.] GOG eine Plattform geschaffen, deren Inhalt der Öffentlichkeit nach zahlreichen Gesetzesbestimmungen als bekannt gemacht gilt. Somit ist ex lege davon auszugehen, dass eine Veröffentlichung in der Ediktsdatei der gesamten Bevölkerung – sohin auch allen Verbrauchern und auch Konkurrenten mit potentiell ähnlichen AGB-Klauseln – zur Kenntnis gelangt. Dies kann bei jeder anderen Veröffentlichung nicht angenommen werden, auch nicht bei der üblichen Veröffentlichung in der 'Kronen Zeitung', die hier beispielgebend ist. Deren Reichweite beträgt nach eigenen Angaben laut Preisliste 2016 zwischen 6% (in Vorarlberg) und 47% (im Burgenland).

Während also Fakten, die wesentlich weitreichendere Folgen haben als die Verwendung einer einzigen Klausel in den AGB der beklagten Partei – bspw eine Insolvenzeröffnung – bei Kundmachung in der Edikt[s]datei als ausreichend veröffentlicht gelten, kann für ein Urteil in einem Verfahren nach den §§28 ff KSchG nichts anderes gelten. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung ist daher unsachlich.

Darüber hinaus ist die geltende Regelung aufgrund der durch sie verursachten Kosten unsachlich: Bei einer Veröffentlichung in einem privaten Medium – etwa der 'Kronen Zeitung' – entstehen – zu Gunsten eines privaten Dritten – Kosten, die um ein Vielfaches höher sind, als jene, die eine Veröffentlichung in der Ediktsdatei verursachen würde (EUR 117,– gem TP 14 Z6, 12 GGG). Diese höheren Kosten entstehen, obwohl eine Veröffentlichung in der Ediktsdatei ex lege die gesamte Bevölkerung erreicht, was für eine Veröffentlichung in jedem anderen Medium jedenfalls nicht gilt.

Eine Veröffentlichung in der Ediktsdatei würde also für geringe Kosten die gesamte Bevölkerung erreichen. Durch die gegenständliche Regelung wird für hohe Kosten nicht die gesamte Bevölkerung erreicht.

Diese Differenzierung – insbesondere da bereits jetzt für Verbraucher sehr relevante Informationen, wie die Insolvenz eines Handelsunternehmens, ausschließlich in der Ediktsdatei veröffentlicht werden – ist unsachlich und daher verfassungswidrig. Dass die bekämpften Gesetzesbestimmungen nur die Veröffentlichung in einem privaten Medium zulassen, ergibt sich ua aus der Bestimmung des §25 Abs7 UWG, der ausdrücklich auf einen 'Medienunternehmer' Bezug nimmt.

Entscheidet sich der Gesetzgeber also nicht dafür, die Zugangsfiktion der Ediktsdatei aufzuheben, ist er im Lichte des Gleichheitssatzes dazu verpflichtet, auch die gegenständliche Veröffentlichung zur Verbraucherinformation auf die Ediktsdatei als Veröffentlichungsplattform zu beschränken. Damit ließe sich auch das zuvor relevierte Problem sehr einfach lösen, indem die Veröffentlichung in der Ediktsdatei nicht einer der Verfahrensparteien überlassen, sondern vom entscheidenden Gericht direkt angeordnet wird.

3.3 Verletzung des Bestimmtheitsgebots

Die angefochtenen Bestimmungen, insbesondere jedoch der §25 UWG, sind bereits deshalb auch verfassungswidrig, da sie gegen Art18 Abs1 B-VG und das daraus entspringende Bestimmtheitsgebot verstoßen.

Wie bereits oben erwähnt, verpflichtet das Legalitätsprinzip des Art18 Abs1 B-VG nach hA den Gesetzgeber dazu, die von ihm erlassenen Normen derart bestimmt abzufassen, dass die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns aus dem Gesetz ersichtlich sind [...] (Berka, Verfassungsrecht5 (2014) RZ500)[.] Dieses Bestimmtheitserfordernis wird dann noch erhöht, wenn es sich um gesetzliche Bestimmungen handelt, die zu Eingriffen in Grundrechte ermächtigen – wie hier vorliegend [...] (Berka, Verfassungsrecht5 (2014) RZ507).

Hierzu der VfGH: 'Ein eingriffsnahes Gesetz (…) muß deutlich die Eingriffsschranken, wie sie [das Verfassungsrecht] vorschreibt, erkennen lassen.' (VfSlg 10.737/1985, ebenso VfSlg 11.455/1987, 13.336/1993)[.]

Solche Eingriffsschranken lässt die gegenständliche Regelung nicht erkennen. Auf Grundlage dieser Regelung könnte der klagende Verband auch die Veröffentlichung in allen Tages- und Wochenzeitungen Österreichs (oder gar Europas), sowohl in den Print-Ausgaben, als auch auf deren Websites, – selbst auf dem Titelblatt all dieser Zeitungen – beantragen. Das Gericht könnte ohne gesetzliche Schranken auf Grundlage des Wortlauts der durch die bekämpften Bestimmungen geschaffenen Regelung den Obsiegenden zu einer solchen Veröffentlichung ermächtigen – die Kosten von vielen hunderttausend Euro hätte der Unterlegene ohne Kontrollmöglichkeit durch den VfGH zu bezahlen. Die gegenständliche Regelung setzt der Reichweite der Veröffentlichung – und damit der Kostenbelastung des Unterlegenen – keine Grenzen.

Dass eine solche Veröffentlichung auf den Titelseiten aller österreichischen Tageszeitungen und all deren Websites nicht verfassungskonform wäre, erscheint offensichtlich und muss daher nicht weiter ausgeführt werden. Dass die unterlegene Partei darüber hinaus vom Gesetzgeber keine Möglichkeit eingeräumt bekommt, niedrigere notwendige Kosten nachzuweisen und lediglich diese zu tragen, verstärkt das Problem noch.

Dadurch zeigt sich jedoch, dass das Gericht bei jeder beantragten Veröffentlichung abzuwägen hat, ob sie bereits verfassungswidrig ist oder noch nicht. Die Regelung selbst lässt die Grenze, bis zu welcher ein Zuspruch verfassungskonform und sohin zulässig ist, nicht erkennen.

Da die gegenständlichen Gesetzesbestimmungen also weder Eingriffsschranken in Bezug auf die Grundrechte, in welche sie regelmäßig eingreifen, definieren, noch die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns aus dem Gesetz ersichtlich sind, verstoßen die gegenständlichen Regelungen gegen das Bestimmtheitsgebot und sind sohin verfassungswidrig.

3.4 Mit den bekämpften Normen in untrennbarem Zusammenhang stehende Normen

Dass §30 Abs1 KSchG und §25 Abs3 bis 7 UWG durch die generelle Verweisung ersterer Norm auf letztere, wobei erstere die Präjudizialität, letztere aber die materielle Verfassungswidrigkeit begründet, in untrennbarem Zusammenhang stehen, wurde bereits oben gezeigt.

Doch auch weitere Normen stehen insbesondere mit dem §25 UWG in untrennbarem Zusammenhang, weshalb jene gemeinsam mit diesen aufzuheben sind (ua VfGH 01.12.2014, G32/2014).

So sind zunächst zusätzlich zu den Abs3 bis 7 des §25 UWG auch dessen Abs1-2 aufzuheben, weshalb der gesamte §25 zu entfallen hat. Dies deshalb, da die Abs3 bis 7 die Modalitäten für die in Abs1 f[.] angeordneten Veröffentlichungen bestimmen. Würde der VfGH sohin nur die Abs3 bis 7 aufheben, würden Abs1 und 2 mit unklarem Inhalt bestehen bleiben. Da solche in untrennbarem Zusammenhang stehende Normen gemeinsam aufzuheben sind, ist der gesamte §25 UWG als verfassungswidrig aufzuheben. Dies führt auch zu keinem unbilligen Ergebnis, da die obigen Ausführungen natürlich auch für Veröffentlichungen nach §25 Abs1 bis 2 UWG gelten und deren Verfassungswidrigkeit begründen.

Umso mehr gilt dies für Verweisungsnormen auf §25 UWG in anderen Gesetzen. Diese – die idR sinngleich wie §30 Abs1 KSchG auf §25 UWG verweisen – müssen nach der Judikatur des VfGH ebenfalls aufgehoben werden, da sie sonst nur mehr einen 'sinnentleerten sprachlichen Torso' (VfGH 09.12.2014[,] G136/2014) bilden würden.

Dies betrifft die folgenden Verweisungsnormen im nachstehend angeführten Umfang:

-      §85a Abs5 AMG idF BGBl I Nr 110/2012 bezüglich dessen Wortfolge

       ', §25 Abs3 bis 7';

-      §113 Abs3 LFG idF BGBl I Nr 108/2013 bezüglich dessen Wortfolge ', §25  Abs3 bis 7';

-      §25 Abs1 Vermarktungsnormengesetz idF BGBl I Nr 68/2007 bezüglich  dessen Wortfolge 'und 20 bis 28' [es ist hier sprachlich nicht möglich,

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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