TE Vfgh Erkenntnis 2017/3/15 E134/2016

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Veröffentlicht am 15.03.2017
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
KStG 1988 §9 Abs2, Abs6 Z7, §26c Z45 lita

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch einen Gruppenfeststellungsbescheid betreffend das Ausscheiden dreier ausländischer Gruppenmitglieder wegen Fehlens einer umfassenden Amtshilfevereinbarung; keine Bedenken gegen die Ungleichbehandlung von Gruppenmitgliedern in Staaten mit umfassender und ohne umfassende Amtshilfe; keine Unsachlichkeit der Nachversteuerung

Spruch

I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Die beschwerdeführende Gesellschaft ist Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe. Mit Gruppenfeststellungsbescheid 2014 vom 19. November 2014, welcher der beschwerdeführenden Gesellschaft als Gruppenträgerin zugestellt wurde, verfügte das Finanzamt Wien 1/23 gemäß §9 Abs9 Körperschaftsteuergesetz 1988 (in der Folge: KStG 1988) das Ausscheiden von drei ausländischen Gruppenmitgliedern. Dabei handelte es sich um zwei Tochtergesellschaften aus China und eine Tochtergesellschaft aus Kasachstan. Das Finanzamt Wien 1/23 begründete die Verfügung des Ausscheidens damit, dass mit diesen Staaten keine umfassende Amtshilfe bestehe.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob gegen diesen Gruppenfeststellungsbescheid Beschwerde, in der sie in Bezug auf alle drei Gruppenmitglieder die Feststellung hinsichtlich des Zeitpunktes des Ausscheidens anfocht und hinsichtlich des in Kasachstan ansässigen Gruppenmitgliedes beantragte, dass das Ausscheiden aus der Unternehmensgruppe nicht festgestellt werde.

2.       Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2015 gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde insoweit Folge, als der im Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vorgesehene Zeitpunkt des Ausscheidens aller drei Gruppenmitglieder mit 1. Jänner 2015 festgelegt wurde. Im Übrigen – also hinsichtlich des Antrages, dass das Ausscheiden des kasachischen Gruppenmitgliedes nicht festgestellt werde – wurde die Beschwerde abgewiesen.

Das Bundesfinanzgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es die verfassungsrechtlichen Bedenken zur unterschiedlichen Behandlung ausländischer Gruppenmitglieder mit umfassender Amtshilfevereinbarung bzw. ohne umfassende Amtshilfevereinbarung nicht teile. Bei Fehlen einer umfassenden Amtshilfe stehe keine Möglichkeit offen, die Angaben der Steuerpflichtigen hinsichtlich Höhe und allfälliger Nachversteuerung von im Ausland entstandenen Verlusten der ausländischen Gruppenmitglieder zu überprüfen. Der Unterschied in der Nachprüfbarkeit der Angaben des Abgabepflichtigen rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung.

3.       Gegen diese Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) und dem daraus erfließenden Vertrauensschutz sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet (§9 Abs2 zweiter Teilstrich iVm §26c Z45 lita KStG 1988) und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird:

3.1.    Auf Grund von §9 Abs2 zweiter Teilstrich iVm §26c Z45 lita KStG 1988 idF BGBl I 13/2014 komme es zu einer Ungleichbehandlung zwischen Tochtergesellschaften in Staaten mit umfassender Amtshilfe und jenen ohne umfassende Amtshilfe. Wenn das Bundesfinanzgericht ausführe, das Erfordernis einer umfassenden Amtshilfe sei insbesondere wegen der damit verbundenen "Überprüfungsmöglichkeiten bzw. der möglichen Kontrolle" gerechtfertigt, könne man einerseits bereits bezweifeln, ob nach dem vom Bundesfinanzgericht herangezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.3.1995, 93/13/0076) tatsächlich stets der Amtshilfemöglichkeit der Vorrang gegenüber der erhöhten Mitwirkungspflicht zukomme; andererseits sei auf Grund der nachfolgenden Judikatur, welche den Vorrang der Amtshilfe nicht mehr in gleicher Weise betont habe, davon auszugehen, dass der erhöhten Mitwirkungspflicht gegenüber der Amtshilfe eine eigenständige Bedeutung zukomme und dieser auch vorgehen könne; insofern sei das Argument der Überprüfungsmöglichkeit nicht überzeugend. Es sei darauf hinzuweisen, dass auch der Verfassungsgerichtshof der erhöhten Mitwirkungspflicht eine große Bedeutung zumesse (vgl. VfSlg 17.342/2004).

Selbst wenn man aber auf dem Standpunkt stehe, dass eine umfassende Amtshilfe zur Überprüfung bzw. Kontrolle notwendig sei, sei auf das Angebot des kasachischen Finanzministeriums zu verweisen: Die beschwerdeführende Gesellschaft habe nämlich vom kasachischen Finanzministerium ein Schreiben erhalten, das vom Vizefinanzminister unterzeichnet gewesen sei, worin das kasachische Finanzministerium seine Bereitschaft erklärt habe, Amtshilfe bereits rückwirkend ab dem 1. Jänner 2015 zu leisten. Das österreichische Finanzministerium hätte daher im vorliegenden Fall die Möglichkeit gehabt, die Angaben der beschwerdeführenden Gesellschaft bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2015 – durch Informationsaustausch zwischen den Finanzministerien – zu überprüfen.

Ferner sei §9 Abs2 zweiter Teilstrich iVm §26c Z45 lita KStG 1988 unverhältnismäßig: Die Nachteile des ex lege Ausscheidens des in Kasachstan ansässigen Gruppenmitgliedes lägen nicht nur darin, dass in den Jahren 2015 und 2016 keine Zurechnung der Verluste dieses Gruppenmitgliedes an die beschwerdeführende Gesellschaft möglich gewesen sei, sondern auch darin, dass die beschwerdeführende Gesellschaft sämtliche in den Vorjahren zugerechneten Verluste des kasachischen Gruppenmitgliedes nachversteuern müsse. Diese Nachversteuerungspflicht werde auch nicht durch §26c Z45 litb KStG 1988 abgefedert. In dieser Bestimmung werde zwar die Verteilung des Nachversteuerungsbetrages auf drei Jahre vorgesehen, dies bewirke aber nur eine Steuerstundung. Ein Liquiditätseffekt werde wegen des niedrigen Zinsniveaus nicht erzielt. Der negative Effekt der zwingenden Nachversteuerung könne daher nicht annähernd ausgeglichen werden.

Die Nachversteuerung sei insbesondere deshalb "absurd", weil die kasachische Tochtergesellschaft nach Inkrafttreten des multilateralen Amtshilfeabkommens der OECD (Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters) am 1. August 2015 für die Veranlagung des Jahres 2017 gemäß §9 KStG 1988 wieder in die Unternehmensgruppe aufgenommen werden könne. Die kasachische Tochtergesellschaft sei daher nur für die Veranlagung der Jahre 2015 und 2016 auszuscheiden gewesen. Es werde also lediglich auf Grund der Tatsache, dass die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Steuergruppe für zwei Veranlagungszeiträume (im Jahr 2015 und 2016) nicht erfüllt gewesen seien, die Nachversteuerung in voller Höhe ausgelöst.

3.2.    Aus der Sicht des Vertrauensschutzes sei es bedenklich, dass das ex lege Ausscheiden bestehender Gruppenmitglieder – ohne dass ein sonstiger Tatbestand gegeben sei – die Nachversteuerung aller bisher zugerechneten Verluste auslöse. Aus dem Erkenntnis VfSlg 15.739/2000 (Abschaffung der Firmenwertabschreibung) sowie der sonstigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Vertrauensschutz ließen sich folgende Schlüsse ziehen: Die beschwerdeführende Gesellschaft hätte bei früherer Kenntnis der vorzeitigen Abschaffung der Verlustverwertung bei ausländischen Gruppenmitgliedern (also vor dem Eintritt in den kasachischen Markt) einen anderen Weg der Verlustverwertung eingeschlagen (Option zur Steuerwirksamkeit der Beteiligungen gemäß §10 Abs3 KStG 1988). Die beschwerdeführende Gesellschaft sei in die Verlustverwertung im Rahmen der Gruppe "gelockt" worden. Der Konzern habe sich 2008 für den Markteintritt in Kasachstan entschieden. Der Markteintritt in Staaten mit einem nicht gesättigten Markt oder keinem modern strukturierten Handelswettbewerb biete Chancen, aber auch in den ersten fünf bis zwölf Jahren das Risiko von Anlaufverlusten. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe daher für die Anlaufphase mit Verlusten in ihrer kasachischen Tochtergesellschaft gerechnet. Dieser Sachverhalt sei insofern mit dem dem Erkenntnis VfSlg 15.739/2000 zugrunde liegenden Sachverhalt vergleichbar. Zudem fehle es an einer Übergangsbestimmung, die eine "realistische Chance einräume, die Auswirkungen der Änderung [schlagartige Beseitigung einer begünstigenden Regelung] abzufangen". Auch die Verteilung des Nachversteuerungsbetrages auf drei Jahre, die in §26c Z45 litb KStG 1988 vorgesehen sei, ändere nichts daran. Die Verteilung sei zu kurz, sie bewirke bloß eine Steuerstundung und es sei auch keine Regelung für den Fall vorgesehen, dass das ex lege ausgeschiedene Gruppenmitglied 2017 wieder in die Unternehmensgruppe aufgenommen werden könne. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe auch keine Möglichkeit, den Prozess der Ratifizierung des OECD-Übereinkommens zu beeinflussen.

Insgesamt liege daher ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor: Der Gesetzgeber habe einen Anreiz geschaffen (Verlustverrechnung zwischen inländischen und ausländischen Gruppenmitgliedern als Eckpunkt der Steuerreform 2005), die beschwerdeführende Gesellschaft hätte ansonsten einen anderen steuerlichen Weg eingeschlagen (Option zur Steuerwirksamkeit), es sei zu einer schlagartigen Beseitigung der begünstigenden Regelung gekommen und es gebe keine Übergangsbestimmung, die das abfederte.

4.       Das Finanzamt Wien 1/23 legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der den Beschwerdebehauptungen wie folgt entgegengetreten wird:

4.1.    Hinsichtlich der behaupteten Ungleichbehandlung zwischen Tochtergesellschaften in Staaten mit umfassender Amtshilfe und ohne umfassende Amtshilfe wird ausgeführt, dass die Ziele des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I 13/2014 (in der Folge: AbgÄG 2014), nämlich die Verbesserung der Vollzugs- und Kontrollmöglichkeiten der österreichischen Finanzverwaltung und die Erreichung eines strukturellen Nulldefizits im Jahr 2016, sachlich gerechtfertigte Gründe für die räumliche Einschränkung der Gruppenbesteuerung seien. Der Gesetzgeber habe das Vorliegen einer umfassenden Amtshilfe als geeignetes Kriterium zur Reduktion des räumlichen Anwendungsbereiches der Gruppenbesteuerung erachtet, weil damit Verbesserungen im Vollzug und bei der Überprüfung von Unternehmensgruppen erzielt und eine sachliche, klare, eindeutige und faire Unterteilung ausländischer Körperschaften vorgenommen werden könnten. Die Reduktion des räumlichen Anwendungsbereiches solle Missbrauch verhindern bzw. nur jene Sachverhalte zulassen, die auch durch die Abgabenverwaltung überprüf- und nachvollziehbar seien.

4.2.    Hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen den Vertrauensschutz führt das Finanzamt aus, dass §9 Abs2 zweiter Teilstrich KStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 2005, BGBl I 57/2004, zehn Jahre unverändert im Rechtsbestand gewesen sei. Innerhalb dieses Zeitraumes hätte – unabhängig von der Gesetzesänderung durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 – die Beteiligung an einem ausländischen Gruppenmitglied gruppenfremd übertragen oder die ausländische Körperschaft untergehen können. In diesen Fällen wäre die Nachversteuerung ohnehin eingetreten. Der Gesetzgeber habe, damit die mit dem ex lege Ausscheiden verbundenen Konsequenzen die Steuerpflichtigen nicht schwerwiegend und schlagartig träfen, die Regelungen des §26c Z45 lita und b KStG 1988 geschaffen. Ferner habe der Gesetzgeber mit Einführung der Gruppenbesteuerung dem Steuerpflichtigen ermöglichen wollen, vorübergehend Verluste, welche in anderen Besteuerungsregimen erlitten worden seien, in Österreich zum Abzug zu bringen. Sobald es aber zu einer Verlustverwertung im Ausland komme, spätestens jedoch bei Ausscheiden aus der Unternehmensgruppe durch Veräußerung oder durch eine andere Form der gruppenfremden Übertragung der Beteiligung oder des Vermögens sowie bei Liquidation, seien die noch nicht im Ausland verwerteten Verluste in Österreich zur Gänze nachzuversteuern. Nur im Falle tatsächlicher und endgültiger Vermögensverluste bei Untergang des ausländischen Gruppenmitgliedes habe der Gesetzgeber in §9 Abs6 Z7 KStG 1988 vorgesehen, dass der Nachversteuerungsbetrag um die während der Gruppenzugehörigkeit nicht steuerwirksamen Teilwertabschreibungen zu kürzen sei. Nur in diesem Fall habe der Gesetzgeber eine "finale Verwertung von Verlusten", welche in fremden Besteuerungsregimen erlitten worden seien, in Österreich explizit zugelassen. Es sei somit den Steuerpflichtigen bereits bei Einführung der Gruppenbesteuerung 2005 bekannt gewesen, dass der Abzug von Verlusten ausländischer Gruppenmitglieder nicht endgültig in Österreich stattfinde; insbesondere sei noch darauf hinzuweisen, dass der Steuerpflichtige durch den Gesetzgeber nicht dazu motiviert worden sei, in Staaten, mit denen keine umfassende Amtshilfe bestehe, zu investieren.

II.      Rechtslage

1.       Entwicklung des §9 Abs2 KStG 1988

1.1.    Mit dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl I 57/2004, wurde ein Gruppenbesteuerungskonzept eingeführt (§9 KStG 1988), das die bis dahin geltenden Organschaftsregelungen ablöste. Das Regelungskonzept basiert grundsätzlich auf der Zurechnung des steuerlichen Ergebnisses der Gruppenmitglieder an den Gruppenträger, auf dessen Ebene damit ein Ergebnisausgleich herbeigeführt werden kann.

In §9 Abs2 KStG 1988 wird geregelt, wer Gruppenmitglied sein kann. Diese Bestimmung sieht vor, dass auch ausländische Gruppenmitglieder in die Gruppenbesteuerung einbezogen werden können.

In der Fassung vor dem Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl I 13/2014, sah §9 Abs2 zweiter Teilstrich KStG 1988 keine Einschränkung hinsichtlich der Ansässigkeit eines ausländischen Gruppenmitgliedes vor.

§9 Abs2 KStG 1988 idF BGBl I 112/2012 (idF vor dem AbgÄG 2014, BGBl I 13/2014) lautete:

"Unternehmensgruppen

§9. […]

(2) Gruppenmitglieder (als Beteiligungskörperschaften oder als beteiligte inländische Körperschaften) können sein:

– unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die unter §7 Abs3 fallen,

– nicht unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Körperschaften, die mit einer inländischen Kapitalgesellschaft oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft vergleichbar sind und ausschließlich mit unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedern oder dem Gruppenträger finanziell verbunden sind (Abs4).

Gruppenmitglieder können nicht Mitbeteiligte einer Beteiligungsgemeinschaft sein."

1.2.    Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl I 13/2014, wurde jedoch mit Wirkung ab dem 1. März 2014 der Kreis der Ansässigkeitsstaaten ausländischer Gruppenmitglieder eingeschränkt. Nach §9 Abs2 zweiter Teilstrich KStG 1988 muss ein ausländisches Gruppenmitglied entweder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, mit dem eine umfassende Amtshilfe besteht, ansässig sein. Ab dem 1. März 2014 können neu aufzunehmende Gruppenmitglieder nur mehr dann aufgenommen werden, wenn der Ansässigkeitsstaat die Voraussetzungen des §9 Abs2 zweiter Teilstrich KStG 1988 erfüllt. Bei bereits am 1. März 2014 bestehenden Gruppenmitgliedern, welche die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht erfüllen, ist nach §26c Z45 lita KStG 1988 vorgesehen, dass diese von Gesetzes wegen am 1. Jänner 2015 aus der Unternehmensgruppe ausscheiden.

§9 Abs2 KStG 1988 idF BGBl I 13/2014 (AbgÄG 2014) lautet:

"Unternehmensgruppen

§9. […]

(2) Gruppenmitglieder (als Beteiligungskörperschaften oder als beteiligte inländische Körperschaften) können sein:

– unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die unter §7 Abs3 fallen,

– vergleichbare nicht unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften, die

– in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, mit dem eine umfassende Amtshilfe besteht, ansässig sind und

– ausschließlich mit unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedern oder dem Gruppenträger finanziell verbunden sind (Abs4).

Gruppenmitglieder können nicht Mitbeteiligte einer Beteiligungsgemeinschaft sein."

1.3.    Scheidet ein ausländisches Gruppenmitglied gemäß §26c Z45 lita KStG 1988 ex lege aus der Unternehmensgruppe aus, weil die Voraussetzung der umfassenden Amtshilfe zum 1. Jänner 2015 nicht erfüllt ist, sind die der Unternehmensgruppe zugerechneten Verluste des Gruppenmitgliedes auf Ebene des Gruppenträgers gemäß §9 Abs6 Z7 KStG 1988 idF BGBl I 13/2014 nachzuversteuern.

Anders als im Fall des Ausscheidens beispielsweise auf Grund des Verlustes der ausreichenden finanziellen Verbindung wird für den Fall des ex lege Ausscheidens der nach den allgemeinen Regeln ermittelte Nachversteuerungsbetrag dem Gruppenträger im Jahr des Ausscheidens nicht im vollen Umfang zugerechnet, sondern bloß zu einem Drittel und in den folgenden zwei Jahren wieder jeweils ein Drittel des Nachversteuerungsbetrages beim Gruppenträger angesetzt (§26c Z45 litb KStG 1988).

§26c Z45 lita und b KStG 1988 lautet:

"§26c.

[…]

45.    a) §9 Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 13/2014 tritt mit 1. März 2014 in Kraft. Ausländische Gruppenmitglieder, die die Voraussetzungen des §9 Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 13/2014 nicht mehr erfüllen, scheiden am 1. Jänner 2015 aus der Unternehmensgruppe aus. Dieses Ausscheiden sowie das dadurch bewirkte Ausscheiden weiterer Gruppenmitglieder führt zu keiner Verletzung der Mindestdauer des §9 Abs10.

b) Kommt es aufgrund des Ausscheidens nach lita zur Nachversteuerung gemäß §9 Abs6 Z7, sind die nachzuversteuernden Beträge gleichmäßig auf drei Jahre zu verteilen."

2.       Rechtsfolge bei Ausscheiden von ausländischen Gruppenmitgliedern

2.1.    §9 Abs6 Z6 KStG 1988 idF BGBl I 112/2012 (idF vor dem AbgÄG 2014) lautete:

"Unternehmensgruppen

§9. […]

(6) Bei Ermittlung des zuzurechnenden steuerlich maßgebenden Ergebnisses ist Folgendes zu beachten:

[…]

6. Bei nicht unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Gruppenmitgliedern sind nur die nach §5 Abs1 und den übrigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988 und dieses Bundesgesetzes ermittelten Verluste aus Einkunftsquellen des jeweiligen Wirtschaftsjahres, höchstens jedoch die nach ausländischem Steuerrecht ermittelten Verluste des betreffenden Wirtschaftsjahres dem unmittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger im Ausmaß der Beteiligungen aller beteiligter Gruppenmitglieder einschließlich eines beteiligten Gruppenträgers zuzurechnen. In Jahren, in denen der ausländische Verlust mit einem ausländischen Gewinn verrechnet wird oder verrechnet werden könnte, ist ein Betrag in diesem Ausmaß beim beteiligten inländischen Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger, dem der Verlust zugerechnet wurde, als Gewinn zuzurechnen. Scheidet das nicht unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Gruppenmitglied aus der Unternehmensgruppe aus, ist im Jahr des Ausscheidens ein Betrag im Ausmaß aller zugerechneten im Ausland nicht verrechneten Verluste beim Gruppenmitglied bzw. beim Gruppenträger als Gewinn zuzurechnen. Dem Ausscheiden ist ein Verlust der Vergleichbarkeit im Sinne §4 Z1 litc des Umgründungssteuergesetzes gleichzuhalten. Im Falle des Untergangs (Liquidation oder Insolvenz) des ausländischen Gruppenmitglieds ist bei tatsächlichem und endgültigem Vermögensverlust der zuzurechnende Betrag um die während der Gruppenzugehörigkeit nicht steuerwirksamen Teilwertabschreibungen zu kürzen."

2.2.    §9 Abs6 Z6 und Z7 KStG 1988 idF BGBl I 13/2014 (AbgÄG 2014) lautet:

"Unternehmensgruppen

§9. […]

(6) Bei Ermittlung des zuzurechnenden steuerlich maßgebenden Ergebnisses ist Folgendes zu beachten:

[…]

6. Bei nicht unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Gruppenmitgliedern sind nur die nach §5 Abs1 und den übrigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988 und dieses Bundesgesetzes ermittelten Verluste aus Einkunftsquellen des jeweiligen Wirtschaftsjahres, höchstens jedoch die nach ausländischem Steuerrecht ermittelten Verluste des betreffenden Wirtschaftsjahres dem unmittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger im Ausmaß der Beteiligungen aller beteiligter Gruppenmitglieder einschließlich eines beteiligten Gruppenträgers zuzurechnen. Zuzurechnende Verluste können nur im Ausmaß von 75% der Summe der eigenen Einkommen sämtlicher unbeschränkt steuerpflichtiger Gruppenmitglieder sowie des Gruppenträgers berücksichtigt werden. Insoweit dabei die Verluste im laufenden Jahr nicht berücksichtigt werden können, sind sie in folgenden Jahren als vortragsfähige Verluste des Gruppenträgers abzuziehen.

7. In Jahren, in denen ein gemäß Z6 zugerechneter ausländischer Verlust mit einem ausländischen Gewinn verrechnet wird oder verrechnet werden könnte, ist ein Betrag in diesem Ausmaß beim beteiligten inländischen Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger, dem der Verlust zugerechnet wurde, als Gewinn zuzurechnen. Scheidet das nicht unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Gruppenmitglied aus der Unternehmensgruppe aus, ist im Jahr des Ausscheidens ein Betrag im Ausmaß aller zugerechneten im Ausland nicht verrechneten Verluste beim Gruppenmitglied bzw. beim Gruppenträger als Gewinn zuzurechnen. Dem Ausscheiden ist ein Verlust der Vergleichbarkeit im Sinne §4 Z1 litc des Umgründungssteuergesetzes gleichzuhalten. Im Falle des Untergangs (Liquidation oder Insolvenz) des ausländischen Gruppenmitglieds ist bei tatsächlichem und endgültigem Vermögensverlust der zuzurechnende Betrag um die während der Gruppenzugehörigkeit nicht steuerwirksamen Teilwertabschreibungen zu kürzen."

III.    Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.

1.       Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.

Dieser Fall liegt hier jedoch nicht vor:

1.1.    Zur behaupteten Ungleichbehandlung von Gruppenmitgliedern in Staaten mit umfassender Amtshilfe und ohne umfassende Amtshilfe

Die mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 geschaffene Differenzierung der Gruppenzugehörigkeit ausländischer Körperschaften je nach Bestehen einer "umfassenden Amtshilfe" ist – entgegen der Behauptung der beschwerdeführenden Gesellschaft – nicht unsachlich: Von "umfassender Amtshilfe" kann ausgegangen werden, wenn der zwischen den betreffenden Staaten vereinbarte Informationsaustausch über den Umfang der für die reine Abkommensanwendung erforderlichen Informationen hinausgeht. Der Gesetzgeber geht zu Recht davon aus, dass das Bestehen einer umfassenden Amtshilfe vor dem Hintergrund der damit verbundenen Überprüfungs- und Kontrollmöglichkeiten der österreichischen Finanzverwaltung ein sachliches Kriterium dafür sein kann, ob eine ausländische Körperschaft als Gruppenmitglied in Betracht kommt, setzt doch die Zurechnung des Ergebnisses voraus, dass dieses unter Anwendung des ausländischen Rechtes ermittelt und unter Anwendung des inländischen Steuerrechtes "umgerechnet" wird. Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft ins Treffen geführte erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen mag zwar ein alternatives Konzept zur Überprüfung eines Auslandsverlustes bieten; dies führt aber nicht dazu, dass das Anknüpfen des Gesetzgebers an das Bestehen einer umfassenden Amtshilfe unsachlich wäre.

1.2.    Zur Sachlichkeit der Nachversteuerung

1.2.1.  Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er anlässlich der Einführung der umfassenden Amtshilfe als Kriterium für die Zulässigkeit der Einbeziehung ausländischer Körperschaften in die Gruppenbesteuerung anordnet, dass im Fall des Fehlens einer umfassenden Amtshilfe ausländische Gruppenmitglieder, die bis zur Einführung dieses Kriteriums die Voraussetzungen für die Gruppenzugehörigkeit erfüllt haben, ex lege aus der Gruppe ausscheiden. Das Konzept der Gruppenbesteuerung sieht grundsätzlich hinsichtlich der Zurechnung von Auslandsverlusten keine dauerhafte Verlustverwertung vor, sondern beruht auf dem Prinzip der Nachversteuerung. Danach sind zugerechnete Verluste spätestens im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gruppe (etwa im Fall der Veräußerung der Beteiligung) nachzuversteuern (§9 Abs6 Z7 KStG 1988). Dem Gesetzgeber kann vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes nicht entgegengetreten werden, wenn er diese Rechtsfolge auch für den Fall eines ex lege Ausscheidens vorsieht.

1.2.2.  Mit der Behauptung, dass §9 Abs6 Z7 iVm §26c Z45 lita KStG 1988 auch zur Nachversteuerung solcher Verluste führe, die auf Grund lokaler (kasachischer) Regelungen, die eine Begrenzung des Verlustvortrages auf drei Jahre (bis 2008) bzw. auf zehn Jahre (ab 2009) vorsähen, bereits verfallen seien, vermag die beschwerdeführende Gesellschaft keine Unsachlichkeit der Nachversteuerung im Fall des ex lege Ausscheidens aufzuzeigen. Zwar ist der Verlustvortrag in Kasachstan mit drei Jahren (bis 2008) bzw. mit zehn Jahren (ab 2009) begrenzt, wodurch im konkreten Fall bei aufrechtem Bestand der Gruppenmitgliedschaft solche nicht vortragsfähigen Verluste auf Ebene des Gruppenmitgliedes zu keiner Verrechnung mit Gewinnen und damit zu keiner Nachversteuerung auf Ebene der beschwerdeführenden Gesellschaft geführt hätten. Auch solche Verluste wären jedoch spätestens bei einem Ausscheiden des kasachischen Gruppenmitgliedes nachzuversteuern gewesen. Sondereffekte, die sich auf Grund spezieller ausländischer Verlustverrechnungsmöglichkeiten ergeben können, vermögen vor diesem Hintergrund keine Unsachlichkeit der Nachversteuerungspflicht bei einem ex lege Ausscheiden darzutun.

1.3.    Zur behaupteten Verletzung des Vertrauensschutzes

1.3.1.  Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (vgl. VfSlg 16.687/2002 mwN). Vielmehr bleibt es dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (zB VfSlg 18.010/2006 mwN).

1.3.2.  Der Verfassungsgerichtshof kann nicht erkennen, dass der Gesetzgeber durch die Rechtslage vor dem Abgabenänderungsgesetz 2014 den Steuerpflichtigen zu bestimmten Dispositionen (zB Gründung oder Erwerb eines Unternehmens) veranlassen wollte. Die Änderung der Rechtslage ist nicht mit der Konstellation vergleichbar, die der Entscheidung VfSlg 15.739/2000 zugrunde gelegen ist, weshalb hier kein vom Vertrauensschutz erfasster Fall vorliegt.

2.       Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Bundesfinanzgericht diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn das Bundesfinanzgericht Willkür geübt hätte:

Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft vorbringt, dass das kasachische Finanzministerium angeboten habe, Amtshilfe bereits für das Veranlagungsjahr 2015 zu leisten und daher hinsichtlich der beschwerdeführenden Gesellschaft seit 1. Jänner 2015 eine Überprüfungsmöglichkeit bestanden habe, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten: Die bloße Bereitschaft des kasachischen Finanzministeriums, rückwirkend mit 1. Jänner 2015 umfassende Amtshilfe zu leisten, erfüllt nicht die Vorgaben des §9 Abs2 zweiter Teilstrich KStG 1988. Das Bundesfinanzgericht ist daher nicht in gleichheitswidriger Weise davon ausgegangen, dass hinsichtlich des in Kasachstan ansässigen Gruppenmitgliedes die Voraussetzungen des §9 Abs2 zweiter Teilstrich KStG 1988 nicht erfüllt sind.

IV.      Ergebnis

1.       Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es ausgeschlossen, dass die beschwerdeführende Gesellschaft in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt wurde.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Gesellschaft in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

2.       Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Körperschaftsteuer, Gruppenbesteuerung, Amtshilfe, Vertrauensschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E134.2016

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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