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90/01 StraßenverkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit des in der Fahrradverordnung normierten Verbots der Montage eines Kindersitzes zwischen Sattel und Lenkstange, des Erfordernisses einer Lehne mit Kopfstütze sowie der Gleichwertigkeitsklausel betr die in anderen EU-Mitgliedstaaten zugelassenen Ausrüstungsgegenstände; teilweise Zulässigkeit des IndividualantragsRechtssatz
Abweisung des Individualantrags auf Aufhebung der §§6 und 8 der FahrradV, BGBl II 146/2001 idF BGBl II 297/2013, hinsichtlich der Wortfolgen "hinter dem Sattel" in §6 Abs1 sowie "mit einer Lehne, die das Abstützen des Kopfes erlaubt" in §6 Abs2 Z4 sowie "und die Anforderungen dasselbe Niveau für den Schutz der Gesundheit und Verkehrssicherheit gewährleisten, wie in dieser Verordnung verlangt" in §8 der FahrradV; im Übrigen Zurückweisung des Antrags.
Als Radfahrer, der seine Tochter im Kleinkindalter auf seinem Rad mit einem Sitz befördern möchte, der nicht hinter dem Sattel, sondern zwischen Lenker und Fahrer anzubringen ist, ist der Antragsteller Adressat der FahrradV; das darin enthaltene Gebot trifft den Antragsteller unmittelbar und aktuell in seiner Rechtssphäre, weil die Regelungen ihm vorschreiben, einen Fahrradkindersitz hinter dem Fahrer zu montieren und der Sitz überdies eine Lehne zum Abstützen des Kopfes aufweisen muss. Ein anderer zumutbarer Weg, die behauptete Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungsstelle an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, steht dem Antragsteller insbesondere deshalb nicht zur Verfügung, da die Nichteinhaltung der Gebote der Fahrradverordnung gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 unter verwaltungsstrafrechtlicher Sanktion steht.
Dass die Regelungen der Fahrradverordnung, die eine Montage von Kindersitzen hinter dem Sattel des Fahrers und mit einer Lehne vorsehen, nicht nur zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung, sondern auch nach dem gegenwärtigen Wissensstand den Zielsetzungen des Gesetzes dienen, ergibt sich aus dem - vom Antragsteller unwidersprochen gebliebenen - Gutachten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) vom 21.04.2016.
Das Verbot, Fahrradkindersitze zwischen dem Sattel und der Lenkstange des Fahrrades zu montieren, sowie das Erfordernis einer Lehne, die das Abstützen des Kopfes erlaubt, dienen daher dem Schutz des mitfahrenden Kindes vor Verletzungen bei Stürzen, weil bei Montage des Kindersitzes vor dem Sattel und dem fehlenden Schutz des Nackenbereiches ohne entsprechende Rückenlehne das Verletzungsrisiko des Kindes höher erscheint.
Ausgehend davon, dass unionsrechtlich die Frage der Anforderungen an Kindersitze auf Fahrrädern zur Verwendung im Straßenverkehr nicht harmonisiert ist und den einzelnen Mitgliedstaaten ein Regelungsspielraum eingeräumt ist, ist es Sache des (österreichischen) Gesetzgebers, eine sachlich gerechtfertigte Regelung zu treffen.
Das Erfordernis, dass in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für Fahrräder zugelassene Ausrüstungsgegenstände in Österreich im Straßenverkehr nur dann verwendet werden dürfen, wenn diese Gegenstände dasselbe Niveau für den Schutz der Gesundheit und für die Verkehrssicherheit gewährleisten, ist gerechtfertigt.
Die Gleichwertigkeitsklausel verfolgt ebenso wie die Bestimmungen über die Montage und Ausstattung von Kindersitzen in der Fahrradverordnung den Zweck des Schutzes der Gesundheit. Dem Verordnungsgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er eine auch durch das aktuelle Gutachten untermauerte größere Gefährdung der Gesundheit und des Lebens eines mitfahrenden Kindes, dessen Kindersitz vor dem Sattel und ohne entsprechende Rückenlehne angebracht wird, annimmt.
Schlagworte
Straßenpolizei, Fahrräder, VfGH / Individualantrag, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:V102.2015Zuletzt aktualisiert am
05.09.2018