Index
E3R E02202000;Norm
31992R2913 ZK 1992 Art4 Z15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, Haunspergstraße 33, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. Jänner 1997, Zl. GA 13 - 7/H-440/2/13/93, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Zollamt Wien schrieb mit Zollabrechnungsbescheid vom 10. Dezember 1992 dem Beschwerdeführer Abgaben in der Höhe von S 85.673,-- vor. Anlässlich der Verbringung eines PKW der Marke Mercedes 380 SE durch den Beschwerdeführer aus der Bundesrepublik Deutschland in das österreichische Zollgebiet im Oktober 1987 habe das Zollamt Nickelsdorf als österreichisches Grenzeintrittszollamt das Beförderungsmittel infolge unvollständiger Angaben des Beschwerdeführers - nämlich Nichterklärung seines gewöhnlichen Wohnsitzes im Zollgebiet - zu Unrecht zum formlosen sicherstellungsfreien Vormerkverkehr abgefertigt. Für den Vormerknehmer sei daher die gemäss § 177 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ZollG 1988 entstandene Abgabenschuld nach § 177 Abs. 3 lit. e in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ZollG 1988 unbedingt und nach § 175 Abs. 2 ZollG 1988 gleichzeitig fällig geworden.
Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer mit Berufung angefochten und von der belangten Behörde mit Bescheid vom 29. November 1994 wegen Unzuständigkeit des Zollamtes Wien aufgehoben. In ihrer Begründung stützte sich die belangte Behörde auf § 69 BAO. Beim formlosen sicherungstellungsfreien Vormerkverfahren sei jenes Grenzzollamt für die Erhebung der Abgaben mit Abrechnungsbescheid zuständig, bei dem das Beförderungsmittel zu stellen ist, und nicht ein später von Amts wegen einschreitendes Zollamt.
Im fortgesetzten Verfahren schrieb das Hauptzollamt Wien, das seine Zuständigkeit nunmehr auf die durch BGBl. Nr. 681/1994 geänderte Fassung des § 14 AVOG stützte, wegen des eingangs erwähnten Sachverhaltes dem Beschwerdeführer mit Abrechnungsbescheid vom 4. Oktober 1995 Abgaben in der Höhe von S 83.993,-- vor und stützte seine Entscheidung ebenfalls auf die oben genannten Bestimmungen des Zollgesetzes 1988.
Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Behauptung, die bescheiderlassende Behörde wäre nach wie vor unzuständig. Er habe das Fahrzeug im Jahr 1990 beim Zollamt Walserberg nach Österreich eingeführt, wodurch allenfalls dieses Zollamt zur Bescheiderlassung zuständig gewesen wäre. Da er zu diesem Zeitpunkt aber seinen Wohnsitz in Berlin gehabt habe, wäre der formlose sicherstellungsfreie Vormerkverkehr auf seinen PKW anzuwenden gewesen. Außerdem habe er eine Herstellererklärung vorgelegt, weshalb die Behörde weder Zoll noch Einfuhrumsatzsteuer hätte vorschreiben dürfen.
Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer unter Wiederholung seines Rechtsstandpunktes fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie änderte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, dass sie den von der Behörde angenommenen Sachverhalt nunmehr unter Anwendung der Bestimmungen des Zollgesetzes 1955 und der Zollgesetz-Durchführungsverordnung 1972 in der im Oktober 1987 geltenden Fassungen beurteilte. Die erstmalige Einbringung des streitgegenständlichen Fahrzeuges sei am 15. Oktober 1987 über das Zollamt Nickelsdorf erfolgt. Der Beschwerdeführer habe den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse und damit seinen gewöhnlichen Wohnsitz gem. § 93 Abs. 4 ZollG in Wien gehabt. Die Übereinstimmung der vorgelegten Warenverkehrsbescheinigung mit dem streitverfangenen Kraftfahrzeug habe mangels Vorlage des Zulassungsscheines nicht überprüft werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, dass nicht entgegen den Bestimmungen des Zollgesetzes 1988, des Zollgesetzes 1955 bzw. des Zollrechtsdurchführungsgesetzes 1994 für sein Kraftfahrzeug Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) wegen unzulässiger Inanspruchnahme des Vormerkverkehrs sowie ein Säumniszuschlag festgesetzt würden.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ausgehend von der in der Beschwerde nicht mehr bestrittenen Feststellung, dass der verfahrensgegenständliche Pkw im Oktober 1987 über das Zollamt Nickelsdorf in das österreichische Zollgebiet eingebracht wurde, wurde die Frage der Zuständigkeit des Hauptzollamtes Wien von der belangten Behörde richtig gelöst:
Gemäss § 14 Abs. 1 AVOG in der Fassung BGBl. Nr. 681/1994 ist das Hauptzollamt Wien für die Länder Wien, Niederösterreich und Burgenland Zollbehörde erster Instanz. Diese Bestimmung gilt seit 1. Jänner 1995. Eine Auslagerung von Zuständigkeiten vom Hauptzollamt Wien zum Zollamt Nickelsdorf durch eine auf Grundlage des § 14b Abs. 4 leg. cit. ergangene Verordnung, der die Möglichkeit einer Auslagerung von Zuständigkeiten der Hauptzollämter an die Zollämter erster Klasse vorsieht, erfolgte nicht. Gemäß § 14a Abs. 2 Z. 1 leg. cit. sind Zollämter erster Klasse, zu denen auch das Zollamt Nickelsdorf zählt, befugt, alle Arten von Waren den im Zollrecht vorgesehenen Bestimmungen zuzuführen. Darunter ist jedoch nicht die Erlassung eines derartigen Abrechnungsbescheides zu verstehen, weil die Definition im Art. 4 Z. 15 iVm Z. 16 Zollkodex mit "zollrechtlicher Bestimmung einer Ware" gerade nicht die Erlassung derartiger Bescheide meint. Daher war das Hauptzollamt Wien und nicht das Zollamt Nickelsdorf am 5. Oktober 1995 zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides örtlich und sachlich zuständig. Maßgeblich für die Zuständigkeit einer Behörde ist nämlich die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides geltende Rechtslage (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, S. 586).
Die belangte Behörde hat auch richtig erkannt, welche materielle Rechtslage ihrer Entscheidung zugrunde zu legen war:
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, die Behörde hätte bei Erlassung ihres Bescheides nicht mehr das vor dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften geltende Zollrecht anwenden dürfen, hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, dass auf Sachverhalte, in denen die Zollschuld schon vor dem Beitritt Österreichs entstanden ist, noch die für den Zeitraum vor dem Beitritt Österreichs geltende Rechtslage anzuwenden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe der hg. Erkenntnisse vom 25. April 1996, Zl. 96/16/0068, und vom 20. August 1998, Zl. 97/16/0512 verwiesen. Im Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 94/16/0010; 94/16/0011; 94/16/0012 wurde Gleiches auch zum Integrations-Durchführungsgesetz gesagt.
Im nicht mehr bestrittenen Einfuhrzeitpunkt Oktober 1987 galt das Zollgesetz 1955. Gemäß Art. VIII BGBl. Nr. 644/1988 wurde das Zollgesetz 1955 mit dem Titel "Bundesgesetz über die Zölle und das Zollverfahren (Zollgesetz 1988 - ZollG)" wiederverlautbart. Nach Artikel IV Z 7 leg. cit. gilt Abschnitt I Art. III Z 1, 3 und 4 des Zollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 663/1987 nicht mehr. Unberührt blieb aber der Abschnitt I Art. III Z 2 des Zollgesetzes 1955, der die Anwendung von günstigeren Bestimmungen für den Abgabepflichtigen für im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch nicht rechtskräftig entschiedene Fälle vorsah. Da es hinsichtlich keiner der hier angewendeten Bestimmungen des ZollG 1955 für den Beschwerdeführer günstigeren Bestimmungen im Zollgesetz 1988 gibt, ist ausschließlich das Zollgesetz 1955 anzuwenden.
Die belangte Behörde war auch befugt, den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides insoferne abzuändern, weil die Berufungsbehörde bei der Rechtsanwendung nach ihrer Überzeugung - ohne Bindung an die Rechtsmeinung der Unterinstanz - vorzugehen hat (vgl. dazu Stoll, BAO-Kommentar, S. 2793) und sie daher ihre Abänderungsbefugnis, die durch "die Sache" beschränkt ist (vgl. dazu Ritz, BAO-Komm2 Rz 4 zu § 289 BAO), nicht überschritten hat.
Gemäß § 13 Abs. 1 Integrations-Durchführungsgesetz gelten die in den Integrationsabkommen geforderten Voraussetzungen für die Gewährung der Vorzugszollsätze als erfüllt, wenn ein für die Inanspruchnahme der Vorzugszollsätze gültiger Ursprungsnachweis gemäß den Bestimmungen der Ursprungsregeln vorgelegt wird. Die Vorlage einer Warenverkehrsbescheinigung EUR 1 (WVB) war materiell-rechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Zollfreiheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1989, Zl. 89/16/0151). Es musste jedoch für die Behörde möglich sein, die Übereinstimmung der vorgelegten Warenverkehrsbescheinigung mit dem zum formlosen Vormerkverfahren abgefertigten PKW zu überprüfen, zumal sich nach den Akten das gegenständliche Fahrzeug niemals in der Gewahrsame der Behörde befunden hat. Der belangten Behörde war lediglich das deutsche Kennzeichen des gegenständlichen PKW bekannt und sie hätte die Übereinstimmung mit der in der WVB und in der Herstellererklärung genannten Fahrgestellnummer nur durch Vorlage des Zulassungsscheines ermitteln können. Sie hat durch ihre Aufforderung in der Berufungsentscheidung vom 29. November 1994, ihr den Zulassungsschein zur Feststellung der Übereinstimmung vorzulegen, in hinreichender Weise versucht, diese Frage zu klären. Dadurch, dass der Beschwerdeführer den Zulassungsschein nie vorgelegt hat, hat er seine Offenlegungspflicht, die ihn bei begünstigenden abgaberechtlichen Vorschriften trifft (§ 119 Abs. 1 BAO), nicht erfüllt. Ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften konnte die Behörden davon ausgehen, dass die begünstigende Voraussetzung nicht vorliegt.
Die Beschwerde erwies sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Dezember 1999
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997160064.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
19.04.2011