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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §1 Abs3 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des KY in Pasching (früherer Wohnsitz in Ennsdorf), geboren am 30. Jänner 1996, vertreten durch seinen Vater MY, dieser vertreten durch Dr. Robert Fuchs, Rechtsanwalt in 4300 St. Valentin, Hauptplatz 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. Juli 1996, Zl. Fr 2558/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.
Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie aus: Der Beschwerdeführer sei am 30. Jänner 1996 in Österreich geboren worden; seine Mutter halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Weder er noch seine Mutter seien im Besitz einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bzw. eines Sichtvermerks. Der Vater des Beschwerdeführers halte sich im Bundesgebiet auf und gehe hier einer Beschäftigung nach. Dass der Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung durch den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht von ihm, sondern von seiner Mutter zu vertreten sei, ändere nichts an der Tatsache, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet unrechtmäßig sei. Das Assoziationsabkommen (EWG-Türkei) beziehe sich auf Familienangehörige türkischer Arbeitnehmer, die die Genehmigung erhalten hätten, zu ihren Verwandten zu ziehen. Der Beschwerdeführer halte sich rechtswidrig in Österreich auf und könne sich demnach nicht auf das Assoziationsabkommen berufen. In Anbetracht des fünf Monate dauernden rechtswidrigen Aufenthalts sei die Berufung trotz der familiären Bindungen im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere eines geordneten Fremdenwesens, abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten im Verfahren Zl. 96/21/1052 vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zugrundeliegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.
Die Beschwerde lässt die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen hegt der Gerichtshof gegen die darauf gestützte weitere Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben sei, keinen Einwand.
Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grund des § 19 FrG, indem sie auf den mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers hinweist. Der Vater des Beschwerdeführers halte sich seit 1987 rechtmäßig in Österreich auf und sei im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltsrechts und eines Befreiungsscheines.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Unter der - in der Beschwerde behaupteten - Annahme, dass der Vater des Beschwerdeführers sich rechtmäßig in Österreich aufhalte und diese Rechtsstellung seit mehr als zwei Jahren und auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder gemäß § 1 Abs. 3 Z. 4 und 5 AufG innehaben sollte, wäre dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1 leg. cit.) vorliegt. Weiters wäre der Beschwerdeführer gemäß der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, von der Anrechnung auf die in § 1 festgelegte Zahl von Bewilligungen ausgenommen und berechtigt, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausnahmsweise im Inland zu stellen. Vor diesem Hintergrund würde die allein mit dem bisherigen unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers begründete Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses ausnahmsweise an Gewicht verlieren, sodass nicht gesagt werden könnte, dass diese Beeinträchtigung den mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers rechtfertigte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1999, Zl. 97/21/0582).
In Verkennung dieser Rechtslage traf die belangte Behörde keine näheren Feststellungen zum Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers in Österreich. Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Bemerkt sei, dass über die Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers betreffend deren Ausweisung mit Erkenntnis vom heutigen Tag zur Zl. 96/21/1052 entschieden wurde.
Wien, am 16. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996211038.X00Im RIS seit
02.05.2001