Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VStG §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 1. Februar 2018, LVwG 30.21-2489/2017-2, betreffend Bestrafung nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 2008 und dem Steiermärkischen Baugesetz 1995 (mitbeteiligte Partei: S A in G; oberste Verwaltungsbehörde: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkentnnisses wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte wurde mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz (Revisionswerber) vom 10. August 2017 dafür bestraft, dass er zwischen 4. und 9. Februar 2015 an einem näher beschriebenen Ort Werbeeinrichtungen errichtet habe, ohne dafür über eine Bewilligung nach dem Steiermärkischen Baugesetz 1995 (Stmk BauG) bzw. nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 2008 (GAEG) verfügt zu haben. Von den insgesamt zehn Straftatbeständen, deren Übertretung dem Revisionswerber zur Last gelegt wurde, stützen sich die ersten fünf auf das GAEG und die weiteren fünf auf das Stmk BauG.
2 Aufgrund eines "Einspruchs" des Mitbeteiligten, der vom Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) als Beschwerde gewertet wurde, wurde der Strafausspruch hinsichtlich der Verletzung des GAEG behoben (Spruchpunkt I.), die Beschwerde gegen die Strafhöhe betreffend eine Verletzung des Stmk BauG wurde hingegen als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, die Beschwerde richte sich ausschließlich gegen die Strafhöhe; der zur Last gelegte Tatvorwurf sei dementgegen nicht in Beschwerde gezogen worden. Daher sei der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen.
Hinsichtlich der Aufhebung des Strafausspruches betreffend eine Verletzung des GAEG sei - ungeachtet dessen, dass der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen sei - unter Bedachtnahme auf den festgestellten engen zeitlichen Rahmen, die lange Verfahrensdauer, die Einkommensverhältnisse und Sorgepflichten des Mitbeteiligten und "vor allem aber aufgrund des Umstandes, dass nicht einmal festgestellt und dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß vorgehalten wurde, dass die Werbe- und Ankündigungseinrichtungen an einem schutzwürdigen Bauwerk angebracht worden sind und daher tatsächlich vor deren Anbringung eine Bewilligung einzuholen gewesen wäre, (war) der diesbezügliche Strafausspruch zu beheben."
Als Rechtsgrundlage wurde unter anderem § 19 Abs. 1 und 2 VStG angeführt.
Die Abweisung der Beschwerde gegen die verhängten Strafen nach dem Stmk BauG begründete das LVwG damit, dass der Revisionswerber die Strafzumessung "völlig rechtskonform unter Darlegung der für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen vorgenommen" habe und die verhängten Strafen ohnedies "im untersten Bereich" angesiedelt seien.
3 Dagegen richtet sich die außerordentliche Amtsrevision mit den Anträgen, das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich des Spruchpunktes I. (Behebung des Strafausspruches wegen Verletzung des GAEG) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. infolge Unzuständigkeit aufzuheben, oder eine Sachentscheidung nach § 42 Abs. 4 VwGG in Form der Abweisung der Beschwerde zu treffen.
4 Der anwaltlich nicht vertretene Mitbeteiligte führte in seiner Revisionsbeantwortung aus, sein Einspruch habe sich gegen die Höhe der Strafe gerichtet und auch das Ersuchen um Aufhebung der Strafe beinhaltet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision wendet sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses (Aufhebung des Schuldspruches betreffend Verletzung des GAEG) und bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst vor, das LVwG weiche von der hg. Rechtsprechung ab, wenn es unter Hinweis auf § 44a VStG den Strafausspruch betreffend Verletzung des GAEG zur Gänze aufhebe, weil es aufgrund des auf die Strafhöhe eingeschränkten Beschwerdevorbringens den Schuldspruch keiner Überprüfung mehr unterziehen dürfe (Hinweis auf VwGH 27.10.2014, Ra 2014/02/0053). Das LVwG gehe selbst von einer Teilrechtskraft der Strafbarkeit aus; wenn es dennoch deren Prüfung zum Gegenstand seiner Entscheidung mache, nehme es eine Zuständigkeit in Anspruch, die ihm nicht zukomme (Hinweis auf VwGH 25.4.2002, 2000/15/0084). Sollte das LVwG mit der ersatzlosen Aufhebung des Strafausspruches eine außerordentliche Strafmilderung erreichen wollen, sei die absolute Strafuntergrenze des § 13 VStG unterschritten worden (Hinweis auf VwGH 20.9.1996, 95/17/0495). Die Voraussetzungen für eine Ermahnung gemäß § 45 Abs. 1 VStG lägen fallbezogen nicht vor; das angefochtene Erkenntnis könne auch nicht als Ermahnung verstanden werden.
6 Die Revision ist im Hinblick auf das Vorbringen zu § 13 VStG zulässig; sie ist auch begründet.
7 §§ 13, 19, 44a und 45 Abs. 1 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF
BGBl. I Nr. 33/2013, lauten (auszugsweise):
"Verhängung einer Geldstrafe
§ 13. Abgesehen von Organstrafverfügungen ist mindestens eine Geldstrafe von 7 Euro zu verhängen.
Strafbemessung
§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt
worden ist;
3. die verhängte Strafe und die angewendete
Gesetzesbestimmung;
4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;
5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über
die Kosten.
§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. ...
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
(2) ..."
8 Aus Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses ergibt sich eindeutig, dass sich die Aufhebung nur auf den Strafausspruch (die Festsetzung der Strafe) wegen Verletzung des GAEG, nicht jedoch auf den Schuldspruch bezieht. Nach der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ging das VwG davon aus, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Strafhöhe gerichtet habe; der zur Last gelegte Tatvorwurf sei dementgegen nicht in Beschwerde gezogen worden, weshalb der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen sei.
Es trifft jedoch zu, dass das LVwG in der Begründung der Aufhebung des Strafausspruches betreffend das GAEG auf Argumente zurückgreift, die nicht die Strafbemessung, sondern den Schuldspruch betreffen, wenn es "vor allem aber" den Umstand berücksichtigte, "dass nicht einmal festgestellt und dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß vorgehalten wurde, dass die Werbe- und Ankündigungseinrichtungen an einem schutzwürdigen Bauwerk angebracht worden sind und daher tatsächlich vor deren Anbringung eine Bewilligung einzuholen gewesen wäre". Dies kann fallbezogen aufgrund der eindeutigen Formulierung in Spruchpunkt I. aber nicht dahin interpretiert werden, das LVwG habe auch über den Schuldspruch entschieden. Vielmehr zeigt die Revision damit eine mangelhafte Begründung der mit der ersatzlosen Behebung des Strafausspruches im Ergebnis vorgenommenen Strafbemessung auf.
9 Das angefochtene Erkenntnis enthält - wie die Revision zutreffend ausführt - keinen Hinweis darauf, dass fallbezogen - unabhängig vom Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen - eine Ermahnung im Sinn des § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG ausgesprochen worden wäre. Angesichts dessen weist die Revision zu Recht darauf hin, dass der in § 13 VStG vorgesehene Mindestbetrag von EUR 7,-- pro Straftatbestand für Geldstrafen durch die ersatzlose Behebung der vom Revisionswerber verhängten Strafhöhe nicht eingehalten wurde.
10 Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 1. August 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018060040.L00Im RIS seit
05.09.2018Zuletzt aktualisiert am
28.09.2018