Entscheidungsdatum
09.02.2018Index
34 MonopoleNorm
GSpG §2 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin MMag. Dr. Ollram über die Beschwerde des H. B., … Wien, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 23.11.2016, VStV/..., wegen Verwaltungsübertretungen gemäß
1.) § 52 Abs. 1 Z 1 vierter Fall GSpG (Beteiligen an verbotenen Ausspielungen als Unternehmer)
2.) § 52 Abs. 1 Z 5 letzter Fall GSpG (Verstoß gegen eine Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG)
nach mündlicher Verhandlung gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG zu Recht:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis in allen Spruchpunkten ersatzlos aufgehoben; beide Strafverfahren werden gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 erster Fall VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG wird dem Beschwerdeführer kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
III. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Im angefochtenen Straferkenntnis legte die belangte Behörde dem BF sinngemäß zur Last, er habe
1.) sich am 9.12.2015 um 13:30 Uhr in Wien, ..., Lokal „C.“, insofern unternehmerisch an verbotenen Ausspielungen zur Teilnahme vom Inland aus beteiligt, als er einem Glücksspielveranstalter ein näher spezifiziertes Glücksspielgerät gegen Entgelt zur Verfügung gestellt habe, um aus den veranstalteten Glücksspielen, nämlich virtuellen Walzenspielen, fortgesetzt Einnahmen zu erzielen;
2.) zur selben Zeit und am selben Ort Organen der Finanzpolizei die Überwachung der Einhaltung des GSpG „massiv erschwert“ und seine Mitwirkungspflicht verletzt, indem er bei der Kontrolle im Lokal keine umfassende Auskunft über das vorgefundene und ohne Bewilligung betriebene Gerät erteilt habe.
Ausgehend von einem verfahrensgegenständlichen Eingriffsgegenstand verhängte die Behörde über den BF für beide angelasteten Übertretungen jeweils eine Geldstrafe von 3.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe von 198 Stunden; die Verfahrenskostenbeiträge wurden gemäß § 64 Abs. 2 VStG jeweils mit 300 Euro (10 % der verhängten Geldstrafen) festgesetzt; im Spruch ist als übertretene Norm für beide Fälle ohne nähere Präzisierung der Sammeltatbestand „§ 52 Abs. 1 Z 1 (GSpG)“ angeführt. Begründet ist der Bescheid unter Bezugnahme auf die im Verfahren eingelangte Rechtfertigung vom 24.6.2016 sowie auf einschlägige Judikatur des EuGH sinngemäß damit, dass die Verwaltungsübertretung aufgrund einer Anzeige von Einsatzbeamten der Finanzpolizei nach eigenen dienstlichen Wahrnehmungen vom 9.12.2015 als erwiesen anzusehen sei. Im Ablauf näher beschriebene Testspiele hätten ergeben, dass für die auf dem Gerät angebotenen Walzenspiele bestimmte Geldeinsätze erforderlich gewesen und mittels Gewinnplan unterschiedlich hohe Geldgewinne in Aussicht gestellt worden seien, sowie, dass die Entscheidung über das Spielergebnis ohne Einflussmöglichkeit von Spielerseite ausschließlich vom Zufall abhängig gewesen sei. Es handle sich dabei um Glücksspiel und mangels Bewilligung und Anwendbarkeit eines Ausnahmetatbestandes um verbotene Ausspielungen; das Gerät sei daher ein Eingriffsgegenstand iSd GSpG. Der BF ziehe nach den „Erhebungsergebnissen“ im Rahmen seiner unternehmerischen Beteiligung den wirtschaftlichen Nutzen aus der Veranstaltung der betreffenden Glücksspiele; das Gerät sei von der P. GmbH aufgestellt worden. Ferner sei in der Anzeige der Kontrollorgane festgehalten, dass der BF bezüglich des Geräts keinerlei Auskünfte gegeben habe, weshalb er seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Mangels Bekanntgabe der wirtschaftlichen Verhältnisse sei (bei der Strafbemessung) ohne Berücksichtigung von Sorgepflichten ein durchschnittliches Einkommen und Vermögenslosigkeit anzunehmen gewesen. Milderungsgründe seien nicht hervorgekommen, jedoch sei eine wiederholte Fortsetzung der strafbaren Handlung über eine längere Zeit erschwerend zu werten.
Dagegen richtet sich die fristgerecht und mängelfrei erhobene Beschwerde mit den Begehren, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG eine Ermahnung aussprechen bzw. die Höhe der verhängten Strafe herabzusetzen. In den begründenden Ausführungen wird u.a. sinngemäß (unter mehreren Aspekten) eingewendet, dass die Voraussetzungen für die gegenständliche Tatanlastung nicht erfüllt seien; ferner wird sachliche und örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde behauptet. Auch in der vorangehenden Rechtfertigung vom 24.6.2016 hatte der BF die Begehung der angelasteten Verwaltungsübertretung bzw. die Erfüllung der betreffenden Tatbestandsmerkmale vollinhaltlich bestritten.
Das Finanzamt Wien, Finanzpolizei Team ..., als Anzeigenleger (Amtspartei nach § 50 Abs. 5 GSpG) äußerte sich nach Beschwerdemitteilung durch das VGW mit schriftlicher Stellungnahme vom 23.11.2017, in welcher es der Beschwerde ausführlich begründet entgegentritt.
Knapp drei Stunden vor Verhandlungsbeginn übermittelte der ausgewiesene Vertreter der BF dem VGW eine weitere Stellungnahme zur Frage der Unionsrechtskonformität des GSpG sowie einen (weiteren) Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis der Qualifikation des verfahrensgegenständlichen Spielgeräts als Geschicklichkeitsapparat. In der Verhandlung vom 11.12.2017, der der BF und die BB wegen Terminkollisionen fernblieben, wurden in der Sache keine weiteren Vorbringen erstattet.
Aufgrund des Ermittlungsverfahrens ist von folgendem (entscheidungsrelevanten) Sachverhalt auszugehen:
Der BF ist bosnischer Staatsangehöriger und seit 10.4.2014 am Standort Wien, ..., zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart „Kaffeehaus“ berechtigt; jedenfalls im Dezember 2015 betrieb er dort im Rahmen eines Einzelunternehmens ein Gastlokal mit der Geschäftsbezeichnung „C.“. Die P. GmbH (nachfolgend: P.), eine Gesellschaft nach österreichischem Recht mit Sitz in W., deren einziger zur selbständigen Außenvertretung befugte handelsrechtliche Geschäftsführer seit 5.10.2013 der serbische Staatsangehörige A. K. ist, hat seit den Jahren 2007 bzw. 2011 (an anderen Standorten) durchgehend aufrechte Berechtigungen zur Ausübung der freien Gewerbe der Spielautomatenvermietung und der Dienstleistungsvermittlung. Im Rahmen seiner Haupterwerbstätigkeit im Gastgewerbe hatte der BF für den genannten Standort seit zumindest 22.4.2015 eine unbefristete und im Dezember 2015 aufrechte Vereinbarung mit der P., die dieser das Recht einräumte, einen Bereich des Gastlokals gegen regelmäßige Entgeltleistung für die Aufstellung eines eigenen als „Geschicklichkeitsapparat“ bezeichneten und durch Verweisung auf ein Sachverständigengutachten vom 20.9.2014 funktionsmäßig festgelegten Spielautomaten zu nutzen. Die in dieser Vereinbarung festgelegten Pflichten des BF (dort bezeichnet als „Partner“) bestanden im Wesentlichen in der laufenden Versorgung des Automaten mit Strom und Internetzugang über einen österreichischen Anbieter, der Anzeige allfälliger Schäden oder Funktionsstörungen bei der P. (bezeichnet als „Vermittler“), der täglichen Entleerung, gesonderten treuhändigen Verwahrung, Verwaltung und Sicherung des Geldinhalts bis zur Übergabe an die P. als einziger Verfügungsberechtigter, der Versicherung des Automaten gegen Beschädigung und Diebstahl sowie der laufenden Kontrolle und Archivierung ausgedruckter Bons („Tickets“); ferner haftete der BF als Treuhänder für von ihm allenfalls verursachte Fehlbeträge. Die Aufstellung vergleichbarer Spielgeräte des BF oder Dritter war mittels „Konkurrenzverbot“ samt Pönale ausgeschlossen. Als Entgelt für die Flächennutzung samt Betreuungsleistungen hatte die P. dem BF einen monatlich abzurechnenden Anteil von 50 % der auf dem Gerät einbezahlten Geldbeträge abzüglich „Bonustickets“ (Spielern zustehender Guthaben) zu entrichten. Mit diesen Beträgen sollten 50 % der von der P. als Eigentümerin abgeführten Vergnügungssteuer von 1.400 Euro, sohin monatlich 700 Euro Fixanteil des BF gegenverrechnet werden. Letztlich wurde in diesem Vertrag wiederholt auf mögliche Auseinandersetzungen mit Behörden hingewiesen und diesbezüglich die Rechtsvertretung auf Kosten der P. zugesagt.
Das verfahrensgegenständliche im Eigentum der P. stehende Spielgerät der Marke/Type „KA.“, Spielprogramm „Skill Games“, Seriennummer ... (FA-Kontrollnummer 1) wurde aufgrund der vorgenannten Vereinbarung zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor der gegenständlichen Kontrolle vom 9.12.2015 funktionstüchtig und spielbereit im Lokal des BF aufgestellt, dort von der P. jedenfalls unmittelbar vor Kontrollbeginn vertragsgemäß auf eigene Rechnung betrieben, jedoch bereits per 30.11.2015 bei der Magistratsabteilung 6 von der Vergnügungssteuer abgemeldet. Vorangehend war ab 31.7.2015 ein gleichartiger Spielapparat der P. zur Erzielung geldwerter Gewinne („Skill Games“) zur Vergnügungssteuer angemeldet worden. Allfällige erspielte Endguthaben konnten direkt am Gerät auf einem Bon ausgedruckt werden und wurden vom BF oder Bediensteten seines Lokalbetriebs in Bargeld ausbezahlt. Weder die P. noch der BF haben oder hatten jemals eine behördliche Konzession oder Bewilligung für Ausspielungen nach dem österreichischen GSpG.
Am 9.12.2015 ab etwa 13:30 Uhr führten Organe der Finanzpolizei Wien (Team ...) im geöffneten Lokal des BF von Amts wegen eine unangekündigte Kontrolle nach dem GSpG durch. Nach Betreten des Lokals fand die Amtsabordnung im rechten hinteren Gastraumbereich neben der Schank das gegenständliche Spielgerät funktionstüchtig und betriebsbereit eingeschaltet vor. Aufgrund der Wahrnehmungen der Kontrollorgane, insbesondere der von ca. 13:30 Uhr bis ca. 13:35 Uhr durchgeführten Testspiele, wurde bis ca. 14:30 Uhr die vorläufige Beschlagnahme (§ 53 Abs. 2 GSpG) des Spielapparats einschließlich des vor Ort mangels Schlüssels nicht zugänglichen Kasseninhalts (abzüglich des lokalseitig beigestellten Testspielgelds in der Höhe von 10 Euro) durchgeführt und bescheinigt. Mit dem vor Ort anwesenden BF als Lokalinhaber wurde von etwa 13:30 Uhr bis 14:00 Uhr unter dem Titel der Auskunftserteilung (§ 50 Abs. 4 GSpG) eine Niederschrift aufgenommen, wobei der BF nach sinngemäßer Belehrung über Aussageverweigerungsrechte iSd § 49 AVG einschlägige Auskünfte gänzlich verweigerte. In der Folge wurde das beschlagnahmte Gerät aus dem Lokal entfernt und der belangten Behörde zur Verwahrung übergeben. Der BF wurde von den Kontrollorganen mit zwei Schreiben vom 19.4.2016 wegen Verwaltungsübertretungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 drittes - laut Überschrift irrtümlich „viertes“ - Tatbild (unternehmerisches Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen) und nach § 52 Abs. 1 Z 5 letzter Fall GSpG (Verletzung von Mitwirkungspflichten nach § 50 Abs. 4 GSpG durch Verweigerung von Auskünften) zur Anzeige gebracht.
Weitere Feststellungen – etwa zur genauen Funktion des Spielgeräts und des Spielablaufs sowie zur österreichischen Situation in den Bereichen Glücksspielregulierung, Glücksspielverhalten und faktischer Spielerschutz – können im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung entfallen.
Beweisverfahren und (entscheidungsrelevante) Beweiswürdigung:
In der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2017 wurden folgende Beweise aufgenommen: Verlesung des bisherigen Akteninhalts (Behörden- und Gerichtsakten) und der Akteninhalte der gleichzeitig verhandelten Beschlagnahme-, Einziehungs- und weiteren aus dem Sachverhalt resultierenden Verwaltungsstrafverfahren (…); Vernehmung des Zeugen R. (Kontrollteam Finanzpolizei). Eine erneute Ladung zweier weiterer unentschuldigt nicht erschienener Zeugen, allenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln, erwies sich für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts letztendlich als nicht mehr erforderlich. Die bei der Kontrolle erstellte Niederschrift mit dem beschuldigten BF als Auskunftsperson (§ 50 Abs. 4 GSpG) blieb wegen gänzlicher Aussageverweigerung ohne Inhalt, weshalb sich eine allfällige Zustimmung zur Verlesung erübrigte.
Die relevanten persönlichen, unternehmensrechtlichen und gewerberechtlichen Daten bzw. Funktionen der Beteiligten sind den in den Akten aufliegenden Urkunden bzw. den öffentlichen Registern (Melderegister, Firmenbuch, GISA) zu entnehmen und, ebenso wie das schon in der Beschwerde nicht in Abrede gestellte Fehlen von Berechtigungen nach dem GSpG, unstrittig. Das Eigentumsrecht der P. an den vorläufig und bescheidmäßig beschlagnahmten bzw. eingezogenen Gegenständen mit allen daraus resultierenden Verfügungsbefugnissen ergibt sich aus dem bereits im Behördenverfahren vorgelegten „Eigentumsnachweis“ und der Aufstellvereinbarung vom 22.4.2015 (B/E-Akt Bl. 33-38; 46), die entsprechende unbestrittene Erklärungen enthalten, in Verbindung mit der Fotodokumentation der Finanzpolizei vom 9.12.2015 (Aufkleber mit Seriennummer und Eigentumsvermerk, B/E-Akt Bl. 14). Die zwischen der P. und dem BF für die Aufstelldauer vereinbarten wechselseitigen Verpflichtungen einschließlich der Grundlagen für die Ermittlung des von der P. an den BF zu leistenden Entgelts, die ausschließliche Verfügungsbefugnis der P. über das Gerät sowie über die mit dem Betrieb verbundenen Geldbeträge und die Modalitäten der Abrechnung und Auszahlung von spielerseitigen Guthaben sind ebenfalls in der vorgelegten Vertragsurkunde vom 22.4.2015 festgehalten; die Möglichkeit zur Einlösung über den Betrieb des BF ist auch auf den Guthabensbons erwähnt (B/E-Akt Bl. 18). Die Feststellungen zu den Vergnügungssteuermeldungen und zur vorangehenden Aufstellung eines gleichartigen Spielapparats ergeben sich aus einem am Kontrolltag abfotografierten Formular in Verbindung mit der amtlichen Korrespondenz zwischen belangter Behörde und Magistratsabteilung 6 (B/E-Akt Bl. 19; 33-38).
Der Ablauf der finanzpolizeilichen Kontrolle vom 9.12.2015 ist durch den Behördenakt und die Zeugenaussage des Kontrollorgans R. nachvollziehbar dokumentiert und in den hier wesentlichen Punkten unstrittig.
Rechtliche Beurteilung:
Auf die Beschwerdevorbringen zu Verfahrens- und Begründungsmängeln im Behördenverfahren ist - abgesehen von der hier ausschlaggebenden Prüfung einer fristgerechten und zureichenden Verfolgungshandlung - in diesem Stadium nicht mehr einzugehen, da das VG nicht die Verfahrensschritte und Entscheidung der belangten Behörde „nachzuprüfen“, sondern gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG unter Beachtung aller Verfahrensvorschriften ohnedies eine Sachentscheidung zu treffen hat.
Die im Beschwerdeschriftsatz beschriebene „Subsidiaritätsregel" betrifft eine alte Rechtslage (§ 52 Abs. 2 GSpG aF), nach welcher die verwaltungsstrafrechtliche Ahndung hinter einer allfälligen Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktrat. Diese Regelung ist bereits durch die Novelle BGBl. I 13/2014 am 28.2.2014 außer Kraft getreten. Auch die vom BF wiederholt zitierte Entscheidung des VfGH vom 13.6.2013, B 422/2013, bezieht sich auf die frühere Rechtslage. Nach dem nunmehr geltenden § 52 Abs. 3 GSpG ist der Verwaltungsstraftatbestand vorrangig und der gerichtliche subsidiär anzuwenden. Da der Gesetzgeber das Konzept einer ziffernmäßigen betragsmäßigen Trennung der verwaltungsstrafbehördlichen und strafgerichtlichen Zuständigkeit aufgegeben hat, ist auch die Ermittlung von Einsatzhöhen im Hinblick auf eine Zuständigkeitsabgrenzung nicht mehr erforderlich. Dass die neue Regelung auch nicht als verfassungswidrig anzusehen ist, hat der VfGH bereits klargestellt (vgl. VfGH 10.3.2015, G 203/2014 ua; 18.6.2015, G 55/2015 ua); die belangte Behörde war somit gemäß § 52 Abs. 3 GSpG sachlich für das Strafverfahren zuständig.
Das dem BF angelastete Verhalten erfolgte rechtlich an einem Wiener Standort, da in seinem Lokal in Wien der Spielauftrag erteilt, der Einsatz geleistet, die Starttaste betätigt, der Spielvorgang beobachtet und allfällige Guthaben an die Spieler ausgezahlt werden konnten. Selbst wenn über das Gerät nach den entscheidenden Spielereingaben mittels Internetverbindung ein an einem anderen Ort durchgeführtes Spiel im engeren Sinn (die Positionierung der virtuellen Walzen) beobachtet werden sollte, wäre bei Vorliegen von Ausspielungen von solchen in Wien auszugehen (vgl. VwGH 14.12.2011, 2011/17/0155). Damit steht auch die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde außer Frage.
Gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 erster Fall VStG hat das VG von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.
Zu Bescheid-Spruchpunkt 1:
Die einschlägigen Verwaltungsstrafbestimmungen des GSpG in der zur angelasteten Tatzeit und zum Entscheidungszeitpunkt anwendbaren Fassung lauten:
§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro […] zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt; […].
(3) Ist durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht, so ist nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 zu bestrafen.
Gemäß § 1 Abs. 1 GSpG ist ein Glücksspiel iSd GSpG ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.
Gemäß § 2 Abs. 1 GSpG sind Ausspielungen Glücksspiele,
1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und
2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zu-sammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und
3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).
Gemäß Abs. 2 ist „Unternehmer“ iSd Abs. 1, wer selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Werden von unterschiedlichen Personen in Absprache miteinander Teilleistungen zur Durchführung von Glücksspielen mit vermögenswerten Leistungen iSd Z 2 und 3 des Abs. 1 an einem Ort angeboten, so liegt auch dann Unternehmereigenschaft aller an der Durchführung des Glücksspiels unmittelbar beteiligten Personen vor, wenn bei einzelnen von ihnen die Einnahmenerzielungsabsicht fehlt oder sie an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels nur beteiligt sind.
Gemäß Abs. 4 sind verbotene Ausspielungen solche, für die eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind. Gemäß § 4 Abs. 2 GSpG unterliegen u.a. Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten nach Maßgabe des § 5 nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes.
Im Spruchtext des Strafbescheides vom 23.11.2016 wurde dem BF Beteiligen an verbotenen Ausspielungen als Unternehmer nach dem vierten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit folgendem Wortlaut angelastet (Hervorhebungen VGW):
„1.) Sie haben am 9.12.2015 um 13:30 Uhr, in Wien, ... Lokal „C.“, zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch beteiligt, indem Sie, entgegen den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes das funktionsfähige und in betriebsbereitem Zustand aufgestellte Glücksspielgerät […] gegen Entgelt als Unternehmer, dem Glücksspielveranstalter zur Verfügung gestellt um fortgesetzt Einnahmen aus den veranstalteten Glücksspielen zu erzielen und an denen Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an Glücksspielen ermöglicht wurde. Das Glücksspielgerät wurde von der Firma P. GmbH aufgestellt. […]“
Die Bescheidbegründung (Straferkenntnis S. 3/5) „erläutert“ das angelastete Verhalten des BF wie folgt:
„Sie haben es zu verantworten, dass am 9.12.2015 um 13:30 Uhr am angeführten Standort verbotene Ausspielungen mit dem angeführten Glücksspielgerät gem. § 2 Abs. 4 GSpG durchgeführt wurden […] und an dem Spieler vom Inland aus teilnehmen konnten, an denen Sie sich unternehmerisch beteiligt haben. Das Glücksspielgerät wurde von der Firma P. GmbH aufgestellt. Aufgrund der Erhebungsergebnisse ziehen Sie den wirtschaftlichen Nutzen aus der Veranstaltung der angezeigten Glücksspiele. Es wurden diese Glücksspiele somit mit dem Vorsatz veranstaltet, an denen Sie sich unternehmerisch beteiligt haben, um fortgesetzt Einnahmen aus der Durchführung dieser Glücksspiele (vornehmlich in Form von virtuellen Walzenspielen) zu erzielen und gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. Sie haben daher eine Verwaltungsübertretung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG viertes Tatbild begangen, was Sie zu verantworten haben. […]“
Die Tatanlastung in der vorausgehend am 21.6.2016 expedierten und naturgemäß nicht näher begründeten Aufforderung zur Rechtfertigung bezog sich - inhaltlich abweichend – auf ein unternehmerisches Beteiligen an verbotenen Ausspielungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 3. Fall GSpG und hatte folgenden Wortlaut (Hervorhebungen VGW):
„1) Sie haben am 9.12.2015 um 13:30 Uhr, in Wien, ... Lokal „C.“, zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch zugänglich gemacht, indem Sie entgegen der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes das funktionsfähige und in betriebsbereitem Zustand aufgestellte Glücksspielgerät […] gegen Entgelt zur Verfügung gestellt, welches von der Firma P. aufgestellt wurde und an dem Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an Glücksspielen ermöglicht wurde um fortgesetzt Einnahmen aus den veranstalteten Glücksspielen zu erzielen […]“.
Mit Schreiben der Behörde vom 20.6.2016 (expediert am 21.6.2016) wurden dem BF Kopien der beiden finanzpolizeilichen Strafanzeigen zur Akteneinsicht übermittelt. In der einschlägigen Anzeige vom 19.4.2016 ist seine Tathandlung wie folgt beschrieben:
„Herr H. B. hat zumindest am 9.12.2015 die mit dem Eingriffsgegenstand ermöglichten Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen dadurch im angeführten Standort unternehmerisch zugänglich gemacht, dass er gegen Entgelt die Veranstaltung der verbotenen Ausspielungen in seinem Lokal geduldet und an der Auszahlung erzielter Spielgewinne und an der erneuten Bereitstellung des Gerätes für den nächsten Spieler („Nullstellen“) mitgewirkt hat. Er hat damit selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausgeübt und ist daher als Unternehmer iSd. § 2 Abs. 2 GSpG zu betrachten.
Herr H. B. hat somit Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte, nämlich in Form von Walzenspielen, unternehmerisch zugänglich gemacht und deshalb eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1, drittes Tatbild, GSpG begangen.“ Das Anzeigeschreiben enthält ferner die ermittelten Einsatz- und Gewinnhöhen in Euro-Beträgen sowie eine Beschreibung des getesteten Spielablaufs. In der Überschrift ist die angezeigte Übertretung – offenkundig irrtümlich – mit § 52 Abs. 1 Z 1, „viertes Tatbild“ GSpG bezeichnet.
In der Begründung des dem BF am 27.4.2016 zugestellten Beschlagnahme- und Einziehungsbescheides vom 25.4.2016, ..., ist dieser ohne nähere Präzisierung seines Tatverhaltens als Beschuldigter im gegenständlichen Strafverfahren „wegen unternehmerischer Beteiligung an verbotenen Ausspielungen gem. § 52 Abs. 1 Z 1, 4. Fall GSpG“ angeführt (B/E-Akt Bl. 207).
Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt als Veranstalter nach dem ersten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG in Betracht, wer das Spiel auf eigene Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt. Zugänglichmachen nach dem dritten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG liegt vor, wenn eine Person das betreffende Gerät in ihrer Gewahrsame hat und es dabei Spielern zugänglich macht, wie etwa ein Wirt, der sich von der Aufstellung eines Apparats durch den Betreiber (Veranstalter) nur eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft oder vom Betreiber einen vom Ertrag des Apparats unabhängigen Mietzins erhält (vgl. VwGH 26.4.2017, Ra 2016/17/0273, mwV). Das vierte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG („Beteiligung als Unternehmer“) betrifft nach Wortlaut und Systematik des GSpG ein Mitwirken - allenfalls auch ohne Einnahmenerzielungsabsicht oder nur untergeordneter Natur -, welches per se nicht unter die Tatbestände des Veranstaltens, Organisierens oder unternehmerischen Zugänglichmachens subsumierbar ist (§ 2 Abs. 1 und 2 zweiter Satz GSpG). In Betracht kämen hier beispielsweise ein (insbesondere entgeltliches) Zurverfügungstellen eigener oder in der eigenen Dispositionsbefugnis stehender Glücksspielautomaten bzw. anderer Eingriffsgegenstände an den Veranstalter oder auch eine zweckgerichtete Beistellung von Veranstaltungsraum, dessen konkretes Zugänglichmachen einem Dritten - etwa einem Gastwirt - obliegt, der das Gerät faktisch in seiner Gewahrsame hat.
Unterstellt man im vorliegenden Fall Glücksspiel und verbotene Ausspielungen iSd §§ 1 und 2 GSpG - in den parallel geführten Beschlagnahme-, Einziehungs- und weiteren Strafverfahren (…) wurden entsprechende Feststellungen und Rechtsausführungen getroffen – ergibt sich im konkreten Fall folgende Rollenverteilung: Die P. ließ den in ihrem Eigentum stehenden Spielapparat als Unternehmerin iSd § 2 Abs. 2 GSpG, nämlich im Rahmen ihres weiteren Unternehmensgegenstandes aufgrund einer dauerhaften und im eigenen Namen geschlossenen Vereinbarung mit dem BF als Lokalinhaber, sohin selbständig und nachhaltig, im Lokal für Gäste frei zugänglich aufstellen und betrieb ihn dort auf eigene Rechnung, um aus der Durchführung der darauf angebotenen Glücksspiele Einnahmen aus aufgeladenen und verspielten Geldguthaben zu erzielen. Das Risiko von Gewinn und Verlust des Glücksspielbetriebs lag nach den festgestellten Umständen zweifellos und auch unstrittig in der Vermögenssphäre der P., die während der Aufstelldauer über das Gerät und die darauf eingegangenen Geldbeträge alleine verfügungsbefugt blieb und dem BF in einem weiteren Schritt ein regelmäßiges Entgelt für die Nutzung des Aufstellbereichs leistete. Der BF ließ den Spielapparat im Rahmen seines gewerblichen Lokalbetriebs und aufgrund der vorgenannten Aufstellvereinbarung mit der P., sohin selbständig und nachhaltig, in seinem für jedermann frei zugänglichen Lokal aufgestellt, sorgte selbst bzw. durch Anweisung seiner Mitarbeiter für die Betriebsbereitschaft sowie für die Auszahlung von Gewinnen und erzielte durch die Entgeltzahlung der P. Zusatzeinnahmen; auch durch erhöhte Kaffeehaus-Konsumationen im Rahmen des Spielbetriebs waren für den Gastbetrieb des BF Zusatzeinnahmen zu erwarten. Der BF agierte damit ebenfalls als Unternehmer iSd § 2 Abs. 2 GSpG, trug jedoch bei bloß treuhändiger Verwahrung der Einnahmen - abgesehen von unter diesem Aspekt zu vernachlässigenden Fixkosten wie Stromkosten u.ä. - lediglich das Risiko niedriger Zusatzeinnahmen und war an echten (im Minusbereich liegenden) Verlusten der P. überhaupt nicht beteiligt. Somit hätte die P. mit ihrem eigenen Gerät jedenfalls unmittelbar vor der Kontrolle vom 9.12.2015 verbotene Ausspielungen veranstaltet und der BF, in dessen Gewahrsame sich das Gerät befand, diese Ausspielungen als Lokalbetreiber unternehmerisch zugänglich gemacht.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist eine allenfalls erforderliche Korrektur oder Präzisierung der im Spruch umschriebenen Tat iSd § 44 a Z 1 VStG im Rechtsmittelverfahren möglich und geboten, sofern die Behörde gegen den Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist (§ 31 Abs. 1 VStG) eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG gesetzt hat (VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0033). An eine die Frist nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung sind bezüglich der Umschreibung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses. Insofern hat sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend konkretisierten Tatort sowie sämtliche Tatbestandsmerkmale der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44 a Z 2 VStG, sohin auf alle der späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente zu beziehen; die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen noch nicht erforderlich (vgl. VwGH 5.12.2017, Ra 2017/02/0186; 29.3.2017, Ra 2016/02/0226, mwV). Folglich kann eine von der Behörde zureichend angelastete Tat vom VG auch noch im Beschwerdeverfahren unter einen anderen Tatbestand subsumiert werden, sofern das vorab konkret angelastete Verhalten diesem Tatbestand zuordenbar ist und es sich um ein und dasselbe Verhalten des Täters handelt, also Identität des Tatsachverhalts vorliegt. Eine Auswechslung der Tat durch die Rechtsmittelinstanz war und ist hingegen keinesfalls möglich (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2016/02/0226; 27.2.2015, 2011/17/0131, mwV). Den Anforderungen des § 44 a Z 1 VStG ist nach ständiger Rechtsprechung dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um den Tatvorwurf zu widerlegen, und er durch hinreichende Identifizierung der Tat rechtlich davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Tatumschreibung zu stellende Genauigkeitserfordernis wird – gemessen an diesen Rechtsschutzüberlegungen - nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall unterschiedlich sein (vgl. VwGH 25.9.2017, Ra 2017/02/0101; 19.12.2016, Ra 2016/17/0034; 14.12.2016, Ra 2015/17/0109; 13.9.2016, Ra 2016/03/0048; 20.4.2006, 2004/15/0030, mwV). Der bloße Vorhalt der „verba legalia“ des Straftatbestandes ist zur Wahrung der Verteidigungsrechte wohl insbesondere dann nicht ausreichend, wenn diese ein Verhalten beschreiben, das faktisch in unterschiedlichen Varianten verwirklicht werden kann, oder das im allgemeinen Sprachgebrauch nicht mit einer nachhaltig etablierten Bedeutung versehen ist.
Nach der Aktenlage verließen alle eingangs genannten gegen den BF als Beschuldigten gerichteten behördlichen Amtshandlungen (einschließlich des Strafbescheides selbst) die Behördensphäre vor dem 9.12.2016, sohin vor Ablauf der Frist nach § 31 Abs. 1 VStG.
Im Spruchtext des Strafbescheides wird dem BF – wenn auch bei fehlender Präzisierung der übertretenen Norm – unmissverständlich ein unternehmerisches Beteiligen an verbotenen Ausspielungen in Form des entgeltlichen Zurverfügungstellens (Vermietens bzw. Verpachtens) eines Glücksspielgeräts an einen namentlich nicht genannten Veranstalter zur Last gelegt. Da das Ermittlungsverfahren schon auf der Behördenebene eindeutig ergeben hat, dass Eigentümerin des in Rede stehenden Geräts die Veranstalterin (P.) selbst war, der BF der Veranstalterin kein Gerät, sondern ein Stück Aufstellfläche entgeltlich zur Verfügung stellte und jedenfalls keine entgeltliche Gerätenutzung von Seiten der P. oder eines dritten Veranstalters vorlag, ist dieser Tatvorwurf, was die Art der Tathandlung betrifft, schlichtweg falsch. Auch die zitierten einschlägigen Passagen der Bescheidbegründung, bei welchen es sich im Wesentlichen nur um Tautologien und syntaktische Fehlkonstruktionen ohne verständliche Grundaussage handelt, führen zu keinem anderen objektiven Erklärungswert.
In der vorangehenden (systemgemäß nicht begründeten) Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21.6.2016 ist zwar das richtige Tatbild des unternehmerischen Zugänglichmachens explizit angeführt und – anders als im Bescheid – auch noch nicht von einem Zurverfügungstellen des Geräts an einen „Glücksspielveranstalter“ die Rede, weshalb das dort genannte „Zurverfügungstellen gegen Entgelt“ im Gesamtzusammenhang noch im Sinn eines Zugänglichmachens des Geräts für Lokalgäste hätte verstanden werden können, wofür der BF ein Entgelt lukrierte. Allerdings fehlen an dieser Stelle wesentliche Tatmerkmale der Ausspielung, nämlich ein Hinweis auf Einsätze von echtem Geldwert (etwa im Gegensatz zu „Spielgeld“), sowie jegliche Hinweise auf ein Inaussichtstellen geldwerter oder sonstiger Gewinne. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist ein „virtuelles Walzenspiel“ auch nicht per definitionem ein Glücksspiel und sind etwa Geschicklichkeitsspiele in Form virtueller Walzenspiele sehr wohl technisch denkbar, weshalb mangels Hinweises auf die zumindest vorwiegende Zufallssteuerung ein weiteres wesentliches Tatmerkmal fehlt. Das Aufforderungsschreiben vom 21.6.2016 erfüllt daher bei Alleinbetrachtung die Anforderungen des § 44 a Z 1 VStG jedenfalls nicht. Da dem BF aber am selben Tag die oben auszugsweise zitierte Strafanzeige vom 19.4.2016 übersendet wurde, welche grundsätzlich alle wesentlichen (und richtigen) Tatmerkmale enthält, kann insgesamt von einer fristgerechten und hinreichend konkretisierten Verfolgung eines unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen ausgegangen werden.
In der Folge hat die belangte Behörde jedoch keinen entsprechenden Strafbescheid erlassen, sondern dem BF im Straferkenntnis vom 23.11.2016 eine neue, anders geartete Tat (unternehmerisches Beteiligen an verbotenen Ausspielungen durch entgeltliches Zurverfügungstellen eines Glücksspielgeräts an einen Glücksspielveranstalter) zur Last gelegt, welche in der Verfolgungshandlung keine Deckung findet und zudem auf den vorliegenden Fall nicht zutrifft. Eine Korrektur dieser Tatanlastung im Sinn des Ermittlungsergebnisses (unternehmerisches Zugänglichmachen eines fremden Glücksspielgeräts im eigenen Gastbetrieb) kommt im Beschwerdeverfahren schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht nur die rechtliche Subsumtion, sondern wesentliche Sachverhaltselemente zu ändern wären, bei deren Austausch nicht mehr vom selben Verhalten und von derselben Tat gesprochen werden kann. Dass die Behörde gegen den BF grundsätzlich eine fristgerechte Verfolgungshandlung betreffend unternehmerisches Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen gesetzt hat, ändert nichts daran, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG der angefochtene Bescheid ist, der die Bestrafung hier nicht für das vorab verfolgte, sondern für ein anderes Tatverhalten verfügt. Träfe das VG aufgrund der noch im Raum stehenden Verfolgungshandlung der Behörde an deren Stelle (erstmals) eine entsprechende Sachentscheidung, würde es seine Zuständigkeit im Beschwerdeverfahren jedenfalls überschreiten.
Da der BF die ihm im angefochtenen Strafbescheid zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nachweislich nicht begangen hat, erweist sich die Bestreitung der Tat im Ergebnis als zutreffend; der betreffende Spruchpunkt war daher (ohne auf weitere Beschwerdepunkte näher eingehen zu müssen) aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 erster Fall VStG einzustellen.
Zu Bescheid-Spruchpunkt 2:
Die einschlägige Verwaltungsstrafbestimmung des GSpG in der zur angelasteten Tatzeit und zum Entscheidungszeitpunkt anwendbaren Fassung lautet:
§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde […] mit einer Geldstrafe […] in den Fällen der Z 2 bis 11 […] bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, […]
5. wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs. 3, § 12a Abs. 4 und § 21 Abs. 10 vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs. 6 oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 verstößt; […].
Gemäß § 50 Abs. 3 erster Satz GSpG sind die Organe der öffentlichen Aufsicht iSd Abs. 2, also jedenfalls die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden, zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG auch aus eigenem Antrieb berechtigt.
Gemäß Abs. 4 sind die zuständige Strafbehörde und die Organe der öffentlichen Aufsicht zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben u.a. der Strafbehörde und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach dem GSpG aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.
Durch die Rechtsprechung des VwGH ist klargestellt, dass mit den in § 50 Abs. 4 GSpG enthaltenen Duldungs- und Mitwirkungspflichten dem Versuch der Glücksspielanbieter begegnet werden sollte, durch mangelnde Kooperation die Behörden an der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente zu hindern und so bereits im Ansatz die Einleitung von Strafverfahren zu vereiteln (VwGH 24.2.2014, 2013/17/0834). Wie die Ausführungen im Volltext der zitierten Entscheidung erkennen lassen, handelt es sich bei den in § 50 Abs. 4 GSpG normierten Melde- und Auskunftspflichten nicht um solche, die iSd Rechtsprechung des VfGH intentional auf eine Informationsbeschaffung zum Zweck strafrechtlicher Verfolgung des Verpflichteten gerichtet sind, zumal diese Auskunftspflichten sowohl im Rahmen legaler als auch illegaler (iSv in das Glücksspielmonopol des Bundes eingreifender) Glücksspielbetriebe Anwendung finden (vgl. sg. VwGH 6.7.2017, Ra 2017/17/0451, uvm). Folglich war hierfür (anders als etwa im Fall einer Lenkerauskunft nach § 103 Abs. 2 KFG 1967) wohl auch keine Verfassungsbestimmung erforderlich. Welche Art von Auskünften nach § 50 Abs. 4 GSpG wie „umfassend“ zu erteilen sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Dem Volltext des Erkenntnisses vom 24.2.2014, 2013/17/0834, und den dortigen Zitierungen ist aber zu entnehmen, dass im Einzelfall mit zu berücksichtigen sein wird, ob im Zeitpunkt einer Auskunftsverweigerung bereits eine Situation vorlag, in der das Selbstbezichtigungsverbot/Schweigerecht iSd Art. 6 ERMK der Auskunftsperson, zum Tragen hätte kommen können, etwa deshalb, weil bereits vorher ein konkreter Verdacht einer ihr zuzurechnenden Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 GSpG bestand. Bei Verständnis des Schweigerechts iSd EMRK erscheint auch nicht ausschlaggebend, dass es sich bei der Einforderung von Auskünften nach § 50 Abs. 4 GSpG noch nicht um eine strafbehördliche Vernehmung, sondern um eine eigeninitiierte Befragung durch Organe der öffentlichen Aufsicht handelt, dies vor allem auch im Hinblick darauf, dass die Verwaltungsvorschriften eine allenfalls nachfolgende Strafanzeige durch die - von ebendiesen Organen vertretene - Abgabenbehörde besonders institutionalisieren (§ 50 Abs. 5 GSpG). In den Kontrollunterlagen vom 9.12.2015 ist zwar nicht ausdrücklich dokumentiert, inwieweit die Kontrollorgane gegenüber dem BF eine vor Ort bereits bestehende begründete Verdachtslage kommunizierten, oder inwiefern dieser sich einer solchen ausgesetzt sah. Da sich die vorgefundene Situation jedoch – und zwar offensichtlich auch ohne jede Verbalauskunft von Seiten des BF – jedenfalls als so eindeutig erwies, dass dieser unmittelbar aufgrund des Kontrollergebnisses auch als Beschuldigter wegen unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall GSpG zur Anzeige gebracht wurde, kann zum einen nicht angenommen werden, dass die Behörden an der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente gehindert wurden (VwGH 24.2.2014, 2013/17/0834) und ist zum anderen davon auszugehen, dass ein diesbezügliches Strafverfahren schon vor Ort so deutlich im Raum stand, dass das Selbstbezichtigungsverbot iSd Art 6 EMRK bereits zum Tragen kam und der BF zu Recht annehmen konnte, dass jegliche einschlägige Auskunft in diesem Strafverfahren zu seinen Lasten gehen könne. Insofern ist – bezogen auf den konkreten Einzelfall – auch nicht von der Verletzung einer Mitwirkungspflicht iSd § 50 Abs. 4 GSpG auszugehen.
Die Verletzung einer Mitwirkungspflicht ist aber auch unter einem weiteren Aspekt in Frage zu stellen: Im Rahmen der Niederschrift vom 9.12.2015 (ggst. Strafakt, Bl. 10-12) wurde der BF ausdrücklich über Aussageverweigerungsrechte nach Art des § 49 Abs. 1 AVG belehrt. Festgehalten ist, dass die Auskunftsperson die Aussage u.a. über Fragen verweigern darf, deren Beantwortung sie einer Gefahr „strafgerichtlicher“ (richtig: strafrechtlicher) Verfolgung aussetzen würde, worunter eine rechtsunkundige Person grundsätzlich jegliche, also auch eine verwaltungsrechtliche Strafverfolgung verstehen wird. Unmittelbar nachfolgend ist im Rahmen derselben Belehrung (nur) für den Fall einer ungerechtfertigten Aussageverweigerung eine Anzeige nach dem gegenständlichen Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG angedroht. Wie bereits ausgeführt, haben die Kontrollorgane den BF eigenständig und unmittelbar aufgrund der Kontrolle wegen eines Tatbestandes nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zur Anzeige gebracht, was für eine Kontrollsituation spricht, in der der BF bereits mit einem diesbezüglichen Strafverfahren rechnen musste. Alle ihm in diesem Zusammenhang potenziell schadenden Antworten durfte er laut einer ausdrücklichen, speziell auf die geforderte Auskunftserteilung bezogenen Information der Kontrollorgane verweigern. Selbst wenn daher ein Aussageverweigerungsrecht rechtlich noch nicht zum Tragen gekommen wäre (vgl. VwGH 19.12.2016, Ra 2016/17/0034, mwV), ist in Anbetracht der expliziten Belehrung über einschlägige Aussageverweigerungsrechte im Strafdrohungsfall davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Auskünfte von den Kontrollorganen nur bedingt eingefordert und vom BF im Rahmen dieser Bedingung verweigert wurden; im Ergebnis liegt daher wiederum keine Verletzung einer Mitwirkungspflicht vor.
Somit war auch der zweite Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides mangels Erfüllung des objektiven Tatbestands aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 erster Fall VStG einzustellen.
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Infolge Obsiegens in beiden Strafverfahren war dem BF gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
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Zur Unzulässigkeit der Revision (§ 25 a Abs. 1 VwGG):
Im Beschwerdeverfahren stellten sich keine materiellen oder verfahrensrechtlichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG: Die rechtliche Beurteilung folgt den Leitlinien der jeweils zitierten Rechtsprechung des VwGH; auch das einschlägige Verfahrensrecht erscheint, soweit für die Lösung des vorliegenden Falles erforderlich, hinreichend ausjudiziert. Die Beweiswürdigung einschließlich der Beurteilung von Beweisanträgen unterliegt - ebenso wie die rechtliche Einzelfallbeurteilung – grundsätzlich nicht der Nachprüfung des VwGH (vgl. VwGH 8.11.2016, Ra 2016/09/0097; 20.4.2016, Ra 2016/17/0066; 24.2.2016, Ra 2016/04/0013, mwV).
Schlagworte
Glücksspiel; Glücksspielgerät; veranstalten, zugänglich machen, unternehmerisch; verbotene Ausspielung; Veranstalter; Mitwirkungspflicht; Auskunftspflicht; Tatbestand; Tatanlastung; VerfolgungshandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.002.079.228.2017Zuletzt aktualisiert am
04.09.2018