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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1336;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde 1.) der K Gesellschaft m.b.H in W und 2.) der W AG in W, beide vertreten durch Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwalt in Wien IX, Universitätsstraße 4, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 23. September 1999, Zl. Jv 3975 - 33a/99, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit der Beschwerde vorgelegten Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Zwischen der Beschwerdeführerin und der Betreiberin eines Detailhandelsgeschäftes war beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien ein Mietzins- und Räumungsverfahren wegen offener Mietzinsforderungen anhängig. Anlässlich der am 22. März 1999 stattgefundenen Tagsatzung endete das Verfahren durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches, welcher auszugsweise wiedergegeben lautet:
"1) Die beklagte Partei ist verpflichtet, bei sonstiger Exekution den gesamten bestehenden Mietzinsrückstand von
S 512.817,76 samt 12 % Zinsen aus ..., und 12 % Zinsen seit 1.1.1999 aus diesem Betrag zu bezahlen. Die Bezahlung erfolgt in vier Raten, und zwar ... bis längstens 15.5.1999 und der gesamte Zinsenbetrag aus diesen Beträgen bis längstens 15.6.1999.
2) Es wird festgestellt, dass ab Februar 1999 eine titellose Benützung des Objektes vorliegt. Die beklagte Partei verpflichtet sich hiemit, das gegenständliche Mietobjekt ..., Geschäftsflächen
... bis längstens 30.6.1999 geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben.
3) Für den Zeitraum der titellosen Benützung, sohin ab 1.2.1999, ist die beklagte Partei verpflichtet, ein monatliches Benützungsentgelt von S 96.000,-- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, gesamt sohin monatlich S 115.200,-- zuzüglich Betriebskosten und Werbekostenbeitrag bis spätestens 1. eines jeden Monats zu bezahlen.
4) Vorausgesetzt der unter Punkt 1) genannte Rückstand von
S 512.817,76 wird bis inklusive 15.5.1999 pünktlich und fristgerecht bezahlt, gilt der in Punkt 1) obgenannte Zinsenbetrag ebenso nachgelassen wie das monatliche Benützungsentgelt von
S 96.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer für die Monate Februar bis inklusive Juni 1999.
5) Die beklagte Partei ist jedenfalls bei sonstiger Exekution verpflichtet, für den Zeitraum Februar bis inklusive Juni 1999 ein monatliches Pauschalentgelt an Betriebskosten und Werbekosten ... bis spätestens jeweils 1. jeden Monats zu bezahlen.
...
9) Für den Fall, dass die Räumung gemäß Punkt 2) des gegenständlichen Vergleiches nicht rechtzeitig erfolgen sollte, wird festgestellt, dass ab 1.7.1999 ein monatliches Benützungsentgelt von S 192.000,-- zuzüglich 20 % UST (S 38.400,--) insgesamt S 230.400,-- zuzüglich Betriebskosten und Werbekostenbeitrag von weiteren S 20.000,-- zuzüglich 20 % UST (S 24.000,--) monatlich insgesamt daher S 254.400,-- bis zur tatsächlichen geräumten Übergabe oder exekutiven Räumung als vereinbart gilt."
Mit Zahlungsauftrag vom 5. Mai 1999 schrieb der Kostenbeamte die restliche Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG im Betrage von S 417.943,-- an die Klägerinnen zur ungeteilten Hand zur Zahlung vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde einem dagegen erhobenen Berichtigungsantrag nicht Folge gegeben. Die belangte Behörde ermittelte die Bemessungsgrundlage unter Heranziehung der Vergleichspunkte wie folgt:
1) Mietrückstand S 512.817,76
2) Räumung S 7.950,--
3) Benützungsentgelt S 115.200,-- für 5 Monate S 576.000,--
5) Betriebskosten und
Werbekosten S 13.182,31 für 5 Monate S 65.911,55
9) Benützungsentgelt S 254.400,-- laufend S 30.528.000,--
insgesamt daher S 31.690,679,31.
Dies begründete die belangte Behörde mit dem Hinweis auf § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG, wonach die Pauschalgebühr bei einem Vergleich unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen ist. Hinsichtlich des im Punkt 9 des Vergleiches vereinbarten Benützungsentgeltes wurde eine Verpflichtung auf unbestimmte Zeit, welche gemäß § 58 Abs. 1 JN mit dem Zehnfachen der Jahresleistung zu bewerten sei, angenommen, weil das Benützungsentgelt bis zur tatsächlichen Räumung zu bezahlen sei. Bei der nunmehr ermittelten Bemessungsgrundlage betrage die Gesamtpauschalgebühr somit S 432.815,24, weshalb abzüglich der bereits entrichteten Gebühr von S 14.872,-- noch S 417.943,-- nachzufordern waren.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht darauf verletzt, dass ohne Verwirklichung eines gebührenrechtlichen Tatbestandes den Beschwerdeführern keine weitere Pauschalgebühr vorgeschrieben werden dürfe. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, "in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Zustandekommens".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer wehren sich nicht gegen die Einbeziehung der Vergleichspunkte 1 und 2 in die Bemessungsgrundlage, zumal sie dafür die Pauschalgebühr bereits mit der Klagseinbringung entrichtet hätten; sie anerkennen auch, dass hinsichtlich des Punktes 5 des Vergleiches eine Leistung vorlag, deren Wert das Klagebegehren überstiegen hat und dass diesbezüglich eine ergänzende Pauschalgebühr zu ermitteln war.
Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Wird allerdings der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
Die Beschwerdeführer bekämpfen die Vorschreibung aufgrund des Punktes 3 des Vergleiches, weil nach dessen Punkt 4 ein Nachlass dieses Benützungsentgeltes für den Zeitraum von fünf Monaten unter der Voraussetzung vereinbart worden sei, dass der Ratenvergleich pünktlich und fristgerecht erfüllt werde. De facto sei Punkt 4 des Vergleiches zur Gänze wirksam geworden, weshalb die Bezahlung des Benützungsentgeltes für fünf Monate ebenso wie die im Punkt 1 des Vergleiches genannten Zinsen nachgelassen worden seien. Daher sei eine Leistung, die den Wert des Klagebegehrens übersteige, nicht vereinbart worden. Die Einbeziehung des Punktes 3 des Vergleiches in die Bemessungsgrundlage sei daher nicht gerechtfertigt.
Punkt 3 stellt im Zusammenhang mit Punkt 4 des Vergleiches einen sog. "Prämienvergleich" dar. Für den Fall, dass die hauptsächliche Zahlungsverpflichtung (hier im Punkt 1 des Vergleiches) fristgerecht erfüllt wird, wird ein weiters geschuldeter Betrag (hier laut Punkt 3 des Vergleiches) nachgelassen. Dabei handelt es sich in Wahrheit um nichts anderes als eine Vertragsstrafe im Sinne des § 1336 ABGB, weil der Schuldner dem Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung eine weitere Leistung verspricht. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun in ständiger Rechtsprechung zur Vereinbarung einer Pönale bzw. Vertragsstrafe (zu den Begriffen siehe Reischauer in Rummel2, RZ. 10 zu § 909 ABGB;
Reugeldvereinbarungen lagen, soweit ersichtlich, nicht vor) ausgeführt, dass es sich bei einer derartigen weiteren Verpflichtung nicht um eine Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs. 2 JN handle und sie daher bei Berechnung des Streitwertes zu berücksichtigen sei (siehe die Nachweise unter E 50 bis E 55 bei Tschugguel-Pötscher, Die Gerichtsgebühren6, zu § 18 GGG).
Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Vereinbarung, im Falle der nicht rechtzeitigen Erfüllung von Punkt 1 des Vergleiches weitere S 576.000,-- zu bezahlen, als Vereinbarung einer Leistung anzusehen ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt. Der zuletzt genannte Betrag wurde daher von der belangten Behörde zu Recht der Bemessungsgrundlage hinzugeschlagen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist
die in einem Vergleich übernommene Verpflichtung zur Leistung eines
Benützungsentgeltes oder Mietzinses als Recht auf den Bezug auf
wiederkehrende Nutzungen und Leistungen von unbestimmter Dauer
anzusehen, wenn diese Verpflichtung "für die Dauer der Benützung",
"bis zur tatsächlichen Räumung", "für den Fall der nicht
rechtzeitigen Räumung", "für den Fall der Überziehung des
Räumungstermines" u.ä. übernommen wurde (siehe die umfangreichen
Nachweise bei Tschugguel-Pötscher a.a.O. E 27 ff, aber auch die
schon zitierten Entscheidungen E 50 ff zu § 18 GGG; siehe
beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 9. September 1993,
Zl. 92/16/0127). Die hier gewählte Formulierung: "Für den Fall,
dass die Räumung ... nicht rechtzeitig erfolgen sollte, wird
festgestellt, dass ab .... ein monatliches Benützungsentgelt von
... bis zur tatsächlich geräumten Übergabe oder exekutiven
Räumung
als vereinbart gilt" lässt keine andere Beurteilung zu.
Entscheidend ist, dass die im Vergleich übernommene Zahlungs zeitlich nicht begrenzt ist; auch aus der Alternative "oder exekutiven Räumung" lässt sich eine Begrenzung keineswegs entnehmen. Mit der alternativen Formulierung soll nur klar gestellt werden, dass sowohl die freiwillige Übergabe als auch die exekutive Räumung erfasst ist; eine zeitliche Fixierung ergibt sich daraus keineswegs.
Ohne Belang ist es, dass das Objekt vereinbarungsgemäß geräumt wurde. Dem Zeitpunkt des tatsächlichen Auszuges kommt für die hier allein wesentliche Frage der Bewertung der durch den Vergleich vereinbarten Leistung rechtliche Bedeutung nämlich nicht zu (hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1991, Zl. 90/16/0083).
Die Beschwerdeführer machen die Verletzung "des Gebotes der richtigen und angemessenen Berücksichtigung eines Irrtums der Parteien über die Rechtsfolgen, welche die Vereinbarung auslöste", geltend. Sie verweisen dazu auf das Urteil des OGH vom 12. Dezember 1996, GZ 8 Ob 2361/96 f. Zu diesem Zivilprozess kam es aufgrund des vom Verwaltungsgerichtshof im schon genannten Erkenntnis vom 9. September 1993 entschiedenen Gerichtsgebührenfalles. Die im Vergleich vereinbarte Pönale für den Fall der nicht fristgerechten Räumung betrug täglich S 5.000,--; daraus ergab sich aufgrund der schon zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Gerichtsgebührenvorschreibung über S 260.578,-- hinsichtlich des einen und S 112.334,-- hinsichtlich des anderen Beklagten. Der Oberste Gerichtshof gab der Regressklage des Klägers aufgrund der Vereinbarung im Vergleich, dass die Beklagten die Gerichtsgebühren tragen, in Anwendung des § 47 Abs. 1 ZPO zur Hälfte Folge. Er sah die Kostentragungsklausel als Nebenabrede an, wobei die Vergleichspartner von der Annahme ausgegangen seien, dass sich diese Gerichtsgebühren "im Rahmen des Üblichen" halten würden. Dass eine außergewöhnliche Bemessungsgrundlage (des 3.650-fachen der für einen Tag vereinbarten Vertragsstrafe) herangezogen werden würde, hätten die Vergleichsparteien nicht vorhergesehen; keine der Vergleichsparteien hätte eine auch nur ungefähre Rahmenvorstellung von den zu erwartenden Rechtsfolgen der Kostentragungsklausel gehabt. Die Kostentragungsklausel sei daher nicht vom Konsens der Vergleichsteile erfasst gewesen.
Ausgehend davon bringen die Beschwerdeführer vor, dass auch sie nicht mit der hier herangezogenen Bemessungsgrundlage gerechnet hätten, zumal den beteiligten Parteien klar vor Augen gestanden sei, dass die Räumung spätestens einige Monate nach Ablauf der vereinbarten Räumungsfrist vorgenommen werden würde. Andererseits verweisen die Beschwerdeführer völlig zu Recht auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das Gerichtsgebührengesetz bewusst an formale äußere Tatbestände anknüpft, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten (siehe die Nachweise bei Tschugguel-Pötscher a.a.O. E 6 ff zu § 1 GGG). Völlig ausgeschlossen ist es daher, dass der Kostenbeamte bei Beurteilung der für einen Vergleich allenfalls anfallenden Ergänzungsgebühr die Frage zu prüfen hat, ob die Parteien bei Abschluss des Vergleiches sich über die Rechtsfolgen in einem Nebenpunkt geirrt haben. Aus dem in der Beschwerde zitierten Urteil des OGH lässt sich daher eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht ableiten.
Da sich aus dem Vergleichstext selbst eine von vornherein feststehende, bestimmte zeitliche Begrenzung der vereinbarten Leistung nicht ergibt, hat die belangte Behörde im Sinne der langjährigen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht das Zehnfache der Jahresleistung für die Berechnung der erhöhten Pauschalgebühr herangezogen.
Sohin ließ bereits der Beschwerdeinhalt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäss § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Wien, am 16. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999160387.X00Im RIS seit
24.10.2001