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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Manfred C. Müllauer, Rechtsanwalt in Wien IV, Wohllebengasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. Februar 1995, GZ GA 13-2/Sch-195/1/15/93, betreffend Haftung gemäß § 11 BAO für eine Zollschuld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 24. September 1987, GZ 12a Vr 870/87, 12 Hv 16/87-113, wegen des Verbrechens gemäß §§ 12 StGB und 12 SGG sowie wegen des Vergehens des Schmuggels gemäß §§ 11, 35 Abs 1 FinStrG schuldig gesprochen. Der Spruch des (nach Zurückweisung einer vom Beschwerdeführer erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde durch den OGH mit Urteil des OLG Wien vom 3. März 1988, Zl 26 Bs 47/88 bestätigten) Urteiles lautet auszugsweise:
"Franz Schraib ist schuldig, er hat in Wien
I.
im August 1985 dadurch, dass er einen Bargeldbetrag von
S 63.000,-- zur Finanzierung des Ankaufes von Suchtgift und der anschließenden Schmuggelfahrt von Marokko nach Österreich an Karin S übergab, dazu beigetragen, dass Anton S, Karl S, Waltraud S, Karl H und Karin S vorsätzlich ... Suchtgift ..., nämlich 129,16 kg Cannabisharz aus Marokko aus- und nach Österreich einführten;
II.
dadurch dazu beigetragen, dass die genannten Personen eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich 129,16 kg Cannabisharz zu einem zollrechtlichen Verkürzungsbetrag von S 2,265.067,30 unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen.
Daraufhin zog das Zollamt Wien den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 13. Mai 1992 unter Bezugnahme auf die strafgerichtliche Verurteilung gemäß § 11 BAO zur Haftung heran, und zwar (wie aus dem dem Bescheid angeschlossenen Berechnungsblatt näher ersichtlich ist) für einen Gesamtbetrag von S 2,650.673,-- an Eingangsabgaben samt Säumniszuschlag.
Die Berufung gegen diesen Haftungsbescheid wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. April 1993, Zl GA 14-2/Sch-195/1/93, als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde mit hg Erkenntnis vom 18. August 1994, Zl 94/16/0013, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In der Begründung dieses Erkenntnisses - auf das im Sinne des § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird - ging der Verwaltungsgerichtshofes unter Hinweis auf die Vorjudikatur davon aus, dass ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkungen hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen entfaltet, auf denen sein Spruch beruht, wozu auch jene Feststellungen gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt. Die Bindungswirkung erstreckt sich dabei auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickte der Gerichtshof in dem Umstand, dass die belangte Behörde von dem vom Gericht festgestellten Verkürzungsbetrag von S 2,265.067,30 abwich.
Im fortgesetzten Verfahren wurde der Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid teilweise stattgegeben und der Haftungsbetrag auf S 2,265.067,-- herabgesetzt. In der Begründung dieses Bescheides wurde auf die Feststellungen im oben bezeichneten Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 24. September 1987 hingewiesen. Weiters vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der Beteiligte an einem Finanzvergehen könne zur Haftung für den gesamten Verkürzungsbetrag herangezogen werden. Zur Begründung der Ermessensentscheidung, den Beschwerdeführer mit dem gesamten Eingangsabgabenbetrag zur Haftung heranzuziehen, wurde ausgeführt, es sei nach dem Zahlungsverhalten der übrigen Gesamtschuldner die Einbringlichkeit der Abgaben bei diesen nur in einem geringem Ausmaß zu erwarten, sodass dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben der Vorrang einzuräumen sei.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem Gerichtshof mit Beschluss vom 9. Oktober 1996, B 1922/95, abgelehnt; gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt, nur für die Haftung hinsichtlich solcher Steuern, Zölle und Abgabenbeträge herangezogen zu werden, die in einem ordentlichen Verwaltungsverfahren, bei dem dem Beschwerdeführer sowohl das Parteiengehör gewährt wurde als auch seine Beweisanträge berücksichtigt wurden, festgestellt wurden. Ferner hafte er nur für gesetzmäßig berechnete Einfuhrumsatzsteuer und dürfe nur entsprechend der tatsächlichen Beteiligung an einer Straftat für daraus entspringende Abgabenschulden herangezogen werden.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Akten des Verfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Soweit sich der Beschwerdeführer in umfangreichen Ausführungen gegen die Höhe des Abgabenbetrages wendet, für den er von den Abgabenbehörden zur Haftung herangezogen wurde, ist er auf die Begründung des hg Vorerkenntnisses vom 18. August 1994, Zl 94/16/0013, zu verweisen, an dessen Rechtsanschauung die belangte Behörde ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof selbst im Grunde des § 63 Abs 1 VwGG gebunden sind. Darüber hinaus ist neuerlich darauf zu verweisen, dass die Abgabenbehörden an den im Spruch des den Beschwerdeführer verurteilenden Strafurteils genannten Eingangsabgabenbetrag gebunden sind (vgl die im Vorerkenntnis ausführlich wiedergegebene Rechtsprechung). Dabei ist die Auffassung des Beschwerdeführers, der Abgabenbetrag sei lediglich in die Begründung des Strafurteiles "eingeflossen", unrichtig, da der Betrag sehr wohl im Tenor des Urteils genannt ist. Die Ansicht des Beschwerdeführers, der Abgabenbetrag habe "nur" den Strafrahmen nach oben begrenzt und sei "nicht im strafgerichtlichen Urteil in Rechtskraft erwachsen", und der Abgabenbetrag diene nur zur Begründung der Strafbemessung, ist ebenfalls unrichtig: Der Betrag der Eingangsabgaben ist als strafbestimmender Wertbetrag vielmehr Tatbestandsmerkmal des Finanzvergehens. Er ist als einen bestimmten Strafsatz bedingender Tatumstand im Urteilsspruch ziffernmäßig anzuführen. Darüber hinaus kommt dem strafbestimmenden Wertbetrag auch sonst rechtliche Relevanz, etwa für die Abgrenzung der gerichtlichen von der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit zur Ahndung von Finanzvergehen zu.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, er habe nach den Urteilsfeststellungen S 63.000,-- zum Ankauf des Suchtgiftes an die unmittelbaren Täter übergeben, woraus bei Anwendung des (von den Abgabenbehörden zu Grunde gelegten) Importwertes von S 40,-- pro Gramm Cannabisharz folge, dass mit diesem Betrag nur 1.575 g angekauft hätten werden können, das seien 1,22 % der Gesamtmenge. Abgesehen davon, dass diese Argumentation schon deswegen unzutreffend ist, weil mit dem vom Beschwerdeführer beigestellten Geldbetrag Ankäufe von Cannabisharz bei marokkanischen Bauern getätigt wurden, zu einem Preis, der zweifellos unter dem von der Abgabenbehörde in der oben angegebenen Höhe geschätzten Wert lag, hat der Beschwerdeführer nach den Urteilsfeststellungen des Strafgerichtes mit seiner Teilfinanzierung des Ankaufes der Suchtgiftes einen Beitrag zu der gesamten einheitlichen Tat geleistet. Der Haftungstatbestand im Sinne des § 11 BAO ist aber nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes durch jede Art von Beteiligung am Finanzvergehen erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, welche Bedeutung dem Tatbeitrag für die Verwirklichung der Tat beizumessen ist.
Gegen die Inanspruchnahme als Haftender - die im Ermessen der Abgabenbehörde liegt - im Ausmaß von S 2,265.067,-- wird vom Beschwerdeführer schließlich eine unrichtige Ermessensübung eingewendet. Die belangte Behörde hat ihre Ermessensübung damit begründet, dass eine Einbringung der Abgabenschuld bei den übrigen Gesamtschuldnern "nur in geringem Ausmaß" zu erwarten ist. Damit hat die Behörde aber gegenüber dem Beschwerdeführer als einem nicht unwesentlich als Beitragstäter in Erscheinung Getretenen die Ermessensübung ausreichend begründet, da die Heranziehung eines Haftenden - der hiedurch zum Gesamtschuldner wird - schon dann im Sinne des Gesetzes gelegen ist, wenn die Einhebung bei den anderen Gesamtschuldnern mit großen Schwierigkeiten verbunden ist (vgl das hg Erkenntnis vom 5. September 1985, Zl 84/16/0117). Die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Beschwerdeführer konnte die belangte Behörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 16. Dezember 1999
Schlagworte
Ermessen Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997160006.X00Im RIS seit
11.07.2001