TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/16 96/21/0307

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Veröffentlicht am 16.12.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der O, geboren am 8. März 1979, in Wien, vertreten durch Dr. Markus Heidinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 27. November 1995, Zl. Fr 4182/95, betreffend Ausweisung und Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich wurde die Beschwerdeführerin, eine ukrainische Staatsbürgerin, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 3 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, idF vor der Novelle BGBl. Nr. 436/1996, ausgewiesen und ihr Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführerin keine Mittel zu ihrem Unterhalt besitze und daher gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG im Interesse der öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden könne. Auch die Angaben der Beschwerdeführerin, dass sie von der Heilsarmee betreut werde, reichten nicht für die Erbringung des Nachweises der Mittel zum Unterhalt aus. Eine nicht bloß vorübergehende Sicherung des künftigen Unterhaltes könne daraus mangels eines durchsetzbaren Rechtsanspruches nicht abgeleitet werden. Es liege die gerechtfertigte Annahme einer Gefährdung maßgebender öffentlicher Interessen dann vor, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen in der Lage sei. Es liege am Fremden, initiativ zu beweisen, dass er über diese Mittel verfüge. Aufforderungen seitens der Behörde an den Fremden, dieser Beweislast entsprechend zu handeln, seien demnach keineswegs geboten.

Den Antrag auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes wies die Behörde wegen Unzuständigkeit zurück.

Gegen diesen Bescheid - den Beschwerdegründen zufolge lediglich im Umfang der Ausweisung - richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof wie folgt erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sie - infolge des Asylantrages ihres Vaters und ihres Asylerstreckungsantrages - zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei die Ausweisung auch im Interesse der öffentlichen Ordnung nicht geboten, da nicht zu befürchten sei, dass sich die Beschwerdeführerin kriminell betätigen werde. Gerade bei Asylwerbern und Familienangehörigen, die wie die Beschwerdeführerin einen Erstreckungsantrag gestellt hätten, sei § 17 Abs. 2 FrG eng auszulegen bzw. habe die Behörde ihr Ermessen pflichtgemäß so zu gebrauchen, dass die Rechte und Möglichkeiten der Asylwerber bzw. ihrer Familienangehörigen nicht beeinträchtigt würden. Dies habe die belangte Behörde jedoch nicht getan.

Zwar konnte sich die Beschwerdeführerin auf ein asylrechtliches vorläufiges Aufenthaltsrecht nicht berufen, weil im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend dargelegt wurde, dass ihr Vater, von dessen Stellung im Asylverfahren sie das besagte vorläufige Aufenthaltsrecht ableiten will, gemäß § 6 Abs. 1 oder 2 Asylgesetz 1991 nach Österreich eingereist sei. § 9 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 stand der Erlassung des angefochtenen Bescheides daher nicht entgegen.

Aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ist auch ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin am 29. August 1995 gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Baden angegeben hat, völlig mittellos zu sein. Die von der belangten Behörde daraus sowie aus dem bloßen Hinweis der Beschwerdeführerin, sie werde von der Heilsarmee betreut, gezogene rechtliche Schlussfolgerung auf das Vorliegen von Mittellosigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG, begegnet daher keinen Bedenken.

Die Beschwerde ist im Ergebnis dennoch berechtigt: Gemäß § 17 Abs. 2 FrG hat die Behörde bei Heranziehung der dort umschriebenen Tatbestände Ermessen zu üben. Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde damit begnügt, mangels Nachweises der Mittel zum Unterhalt der Beschwerdeführerin ihre Ausweisung als im Interesse der öffentlichen Ordnung gelegen anzusehen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keinerlei Gründe dafür angegeben, warum sie von dem ihr in § 17 Abs. 2 leg. cit. eingeräumten Ermessen, von einer Ausweisung Abstand zu nehmen, nicht Gebrauch gemacht hat. Die im Bescheid verwendete Formulierung, "eine gerechtfertigte Annahme einer Gefährdung maßgebender öffentlicher Interessen liegt dann vor, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen in der Lage ist", stellt in Wahrheit keine fallbezogene Begründung dar. Die belangte Behörde hätte vielmehr darzulegen gehabt, warum im vorliegenden Fall nicht eine (bloß) geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung vorlag. Selbst ein bloßer Hinweis auf das der Behörde eingeräumte Ermessen reicht zur Begründung einer Entscheidung jedenfalls in den Fällen nicht aus, in denen eine Überprüfung der getroffenen Maßnahme dahingehend, ob sie mit dem Sinn des Gesetzes in Einklang zu bringen ist, ohne eine die Erwägungen der Behörde darlegende Begründung nicht möglich ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. November 1966, Zl. 1990/65, Slg. Nr. 7022/A). Zweifellos gibt es auch im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 FrG Fälle, die so beschaffen sind, dass die für die Handhabung des von der Behörde zum Nachteil des Betroffenen geübten Ermessens maßgeblichen Gründe auch ohne ausdrückliche Erwähnung klar auf der Hand liegen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 95/21/0463). Von einem solchen Fall kann aber nicht die Rede sein, wenn die Beschwerdeführerin - wie von ihr im Verwaltungsverfahren vorgebracht - von der Heilsarmee versorgt wird. Nach § 17 Abs. 2 FrG hat die Behörde überdies darauf Bedacht zu nehmen, dass eine solche Ausweisung von Gesetzes wegen sofort vollstreckbar ist. Bei einer Ausweisung nach § 17 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. liegt eine solche Notwendigkeit - bei der hier gegebenen Sachlage - ohne Darlegung der für einen sofortigen Vollzug des Bescheides sprechenden Erwägungen in der Bescheidbegründung nicht auf der Hand (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1995, G 1306/95, und zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 6. November 1998, Zl. 96/21/0392).

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1999

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Ermessen Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996210307.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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