TE Bvwg Beschluss 2018/4/13 G314 2192071-1

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Veröffentlicht am 13.04.2018
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Entscheidungsdatum

13.04.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67

Spruch

G314 2192071-1/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER im Verfahren über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, tschechische Staatsangehörige, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots:

A) Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Nach der Aktenlage weist die Beschwerdeführerin (BF) zwischen Oktober 2009 und Oktober 2014, zwischen Februar 2015 und September 2016 und wieder seit Juli 2017 Hauptwohnsitzmeldungen in Österreich auf. 2010 wurde ihr aufgrund der damaligen Lebensgemeinschaft mit XXXX eine Anmeldebescheinigung als "sonstige Angehörige" ausgestellt. Von 2013 bis Ende 2017 war sie im Bundesgebiet immer wieder - großteils kurzfristig - erwerbstätig; seither bezieht sie Notstands- bzw. Überbrückungshilfe. Sie hat zwei in Österreich lebende Kinder, die nicht mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt leben.

Die BF wurde in Österreich drei Mal strafgerichtlich verurteilt; zwei dieser Verurteilungen stehen zueinander im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB. 2014 und 2015 wurden wegen Suchtgiftdelikten und Verleumdung bedingte Freiheitsstrafen von insgesamt drei Monaten verhängt, die mittlerweile endgültig nachgesehen wurden. 2017 erfolgte eine Verurteilung wegen Vermögensdelikten zu einer Strafenkombination (bedingte Freiheitsstrafe 10 Monate, unbedingte Geldstrafe 200 TS á EUR 4).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde der BF gegen den oben genannten Bescheid vor. Damit wurde gegen sie gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbots geboten sei, weil die BF durch ihr Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.

In ihrer Beschwerde dagegen führt die BF aus, dass sich ihre Eltern, ihre Schwester und ihre Kinder in Österreich aufhielten und sie in ihrem Herkunftsstaat weder familiäre noch soziale Anknüpfungspunkte habe.

Die Verwaltungsakten und die Beschwerde langten am 11.04.2018 beim BVwG ein.

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte Verfügung, die den Ausgang des Verfahrens nicht vorwegnimmt. Es ist lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der BF als vertretbare Behauptungen zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Die sofortige Ausreise der BF ist nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich, zumal 2014 und 2015 nur geringe Strafen verhängt wurden (die etwa den Tatbestand des § 53 Abs 3 Z 1 FPG nicht erfüllen). Der letzten Verurteilung der BF lagen mehrere am selben Tag durchgeführte Straftaten zugrunde; eine gewerbsmäßige Vorgangsweise wurde ihr nicht angelastet. Da sich ihre Lebensverhältnisse seither nach dem Beschwerdevorbringen offenbar stabilisiert haben - die BF verfügt demnach wieder über einen festen Wohnsitz, bezieht Notstandshilfe und macht eine Umschulung - ist derzeit nicht davon auszugehen, dass die Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots vor der Entscheidung über die Beschwerde im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten ist. Angesichts des langjährigen Inlandsaufenthalts der BF und ihrer hier lebenden Kinder ist außerdem ohne nähere Prüfung des Sachverhalts nicht auszuschließen, dass ihre Ausreise in die Tschechische Republik eine reale Gefahr einer Verletzung ihrer Rechte gemäß Art 8 EMRK bedeuten würde, zumal Beweisergebnisse zur Intensität der Kontakte der BF zu ihren in Österreich lebenden Angehörigen und zum Alter ihrer Kinder (und damit zur Zumutbarkeit von Kontakten über Telefon und andere Kommunikationsmittel sowie bei Besuchen) fehlen. Der Beschwerde ist daher vom Amts wegen die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs

5 BFA-VG zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG aufwirft, nicht zuzulassen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2192071.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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