TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/28 G306 2137809-3

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Veröffentlicht am 28.05.2018
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Entscheidungsdatum

28.05.2018

Norm

AEUV ProtokollNr. 24
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G306 2137809-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Slowakei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.01.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Stande der Strafhaft mit Schreiben vom 07.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005. Der Antrag langte beim Bundesamt am 19.10.2016 ein.

Am 20.10.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF nach dem Asylgesetz statt.

Zusammengefasst gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass er 20 Jahre lang drogenabhängig gewesen sei und in dieser Zeit auch Straftaten verübt habe. Der Beschwerdeführer sei in ein gewisses Drogen-Milieu geraten und habe das Vertrauen gewisser hochrangiger Personen einer Drogen-Organisation in der Slowakei gewonnen. Als die Polizei davon erfahren habe, habe diese gewollt, dass sich der BF weiter in dieses Milieu eingliedere und als Informant für die Polizei tätig sei. Dem sei der BF auch nachgekommen. Danach hätte die Polizei dem BF gesagt, dass er niemanden sagen dürfe, welche Tätigkeiten der BF für die Polizei durchgeführt habe und hätte weitere Mitarbeit vom BF verlangt. Der BF habe gefürchtet, dass er von den Leuten der Drogen-Organisation erwischt werde. Die Polizei habe den BF damit bedroht, der Drogen-Organisation einen Tipp zu geben, falls der BF irgendjemanden etwas von seinen Tätigkeiten für die Polizei verrate. Er sei von der Polizei auch mit dem Tod bedroht worden. Der BF fürchte sich vor den Polizisten und der Drogen-Organisation.

Am 03.11.2016 wurde der BF vor dem BFA, Erstaufnahmestelle Ost, niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF zusammengefasst an, dass er von der slowakischen Mafia verfolgt werde, da er als Informant für die Polizei hätte arbeiten sollen, was er abgelehnt habe. Der BF sei davor drogenabhängig und daher der Polizei bekannt gewesen. Die Polizei habe die Drogenabhängigkeit des BF ausgenützt, um ihn für die Mitarbeit zu gewinnen. Wegen seiner Drogenabhängigkeit habe der BF verschiedene Delikte (Diebstahl) begangen, um sich seine Sucht zu finanzieren. Er sei im Zuge einer Polizei-Razzia beim versuchten Drogenkauf erwischt worden. Bei der Razzia seien auch in der Drogenorganisation besser gestellte Personen anwesend gewesen, wie etwa der slowakische Innenminister. Alle - auch der BF - seien von der Polizei festgenommen worden. Dem BF sei inoffiziell eine Informantentätigkeit für die Polizei angeboten worden. Er sei in der Folge kurze Zeit für die Polizei tätig geworden und habe der Polizei Namen hochgestellter Personen der Organisation genannt. Der BF sei in der Folge von jemanden verraten worden und habe sich dann in einer Zwickmühle zwischen Polizei und Mafia befunden. Die Polizei habe den BF zwingen wollen, weiter als Informant zu arbeiten. Seine Mutter und sein Bruder seien von der Polizei auf der Straße angehalten und zur Polizeistation gebracht worden. Die Mutter habe Schwierigkeiten bekommen und sei auch befragt worden. Der BF habe eine weitere Zusammenarbeit mit der Polizei verweigert, sodass diese einen Haftbefehl gegen ihn erlassen habe und der BF immer wieder auf der Straße angehalten worden sei. Dem BF sei bewusst, dass er als Unionsbürger kein Recht auf Asyl in Österreich habe. Er fürchte sich jedoch vor einer Rückkehr und habe das Gefühl, in Österreich sicher zu sein. Er habe nicht bereits bei seiner Einreise einen Antrag gestellt, da er nicht gewusst habe, dass dies möglich sei. Ein Mithäftling hätte ihm dazu geraten

Mit Bescheid des BFA, dem BF am 21.11.2016 im Stande der Strafhaft zugestellt, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz gemäß Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum EU-Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, Amtsblatt (EG) Nr. C 306 bzw. BGBl. III Nr. 132/2009 zurückgewiesen.

Mit dem am 02.12.2016 beim Bundesamt, EAST Ost, eingelangten Schreiben vom 28.11.2016 erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den ihn betreffenden Bescheid.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 09.05.2017 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und erwuchs dieses Erkenntnis in Rechtskraft.

Am 19.12.2017 stellte der BF neuerlich - abermals im Zuge der Strafhaft - einen Antrag auf internationalen Schutz und gab dieser bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zusammengefasst als Fluchtgrund an, dass der BF nunmehr Zeuge von zwei Morden gewesen wäre. Im Falle einer Rückkehr hätte der BF Angst vor der Kriminalpolizei. Der BF Angst vor den Drogenhändlern habe und in der Slowakei der Folter ausgesetzt wäre.

Am 18.01.2018 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF zusammengefasst an, dass seine Mutter dem BF mitgeteilt habe, dass die Drogenorganisation nach ihm suche. Die Mutter des BF habe sich bei seiner Lebensgefährtin in der Slowakei über ihn erkundigt. Der BF habe mit seiner Mutter - welche sich in Norwegen aufhält telefoniert und habe ihm diese die Hilfe zugesagt. Die Mutter könne die Übergriffe von seitens der Polizei bezeugen.

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF am 01.02.2018 rechtmäßig zugestellt, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum EU-Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, Amtsblatt (EG) Nr. C 306 bzw. BGBl. III Nr. 132/2009 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der BF mit Schreiben vom 22.02.2018 das Rechtsmittel der Beschwerde. Der BF führte zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass er nach der Haftentlassung in die Slowakei abgeschoben werde. Er unter psychische Probleme leide und schon Suizidversuche hinter sich habe. Die Mutter und der Bruder seien ermordet worden. Die Gattin hätte Selbstmord begangen. Der BF wäre Drogenabhängig und würde an einem Substitutionsprogramm teilnehmen. Er bitte daher in Österreich verbleiben zu können, hier eine Entzugsklinik oder Schutzhaft etc. ein Entzugsprogramm unter ärztlicher Aufsicht zu bekommen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und langten dort am 12.03.2018 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF gibt an, die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) zu führen und Staatsangehöriger der Slowakischen Republik zu sein. Die Muttersprache des BF ist Slowakisch und er bekennt sich zum römisch-katholischen Glauben.

Der BF ist Unionsbürger.

Eigenen Angaben nach reiste der BF im Februar 2016 aus der Slowakei nach Österreich aus.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX2016, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX2016, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§, 15, 127, 129 (1) Z 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt. Der BF befindet sich nach wie vor in Strafhaft.

Der Bf weist im Bundesgebiet lediglich im Rahmen der Verbüßung seiner Haftstrafe Meldungen von Hauptwohnsitzen auf. Von XXXX2016 bis XXXX2016 befand sich der BF in der Justizanstalt XXXX. Von XXXX2016 bis zum Entscheidungszeitpunkt verbüßt der BF seine Haftstrafe in der Justizanstalt XXXX.

Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, vom 27.07.2016 wurde über den BF gemäß § 67 PFG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen, dem BF kein Durchsetzungsaufschub gewährt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Bescheid erwuchs mit 12.08.2016 in Rechtskraft.

Der BF ist ledig und ohne Sorgepflichten. Er ist in der Slowakischen Republik eigenen Angaben nach mehrfach wegen Eigentumsdelikten vorbestraft. Die Mutter des BF war seinen Angaben zu Folge - im ersten asylrechtlichen Verfahren - verstorben. Im gegenständlichen Verfahren behauptet der BF, dass die Mutter noch lebe und er mit ihr telefoniert habe, führt jedoch in seiner Beschwerde nun wieder an, dass die Mutter als auch der Bruder ermordet sowie, dass seine Lebensgefährtin Selbstmord begangen habe. Der BF legte keinerlei Beweise dafür vor und besteht die Beschwerdeeingabe insgesamt aus einem Wirrwarr. Im Herkunftsstaat hat der BF als Bauarbeiter gearbeitet.

In Österreich verfügt der BF über keinerlei familiäre oder private Bezüge. Eine maßgebliche Integration in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht liegt nicht vor.

Die Slowakische Republik gilt als sicherer Herkunftsstaat und ist seit 01.05.2004 Mitglied der Europäischen Union.

Die Slowakische Republik hat seit ihrem Beitritt zur Europäischen Union mit 01.05.2004 alle nachfolgenden Verträge - zuletzt den Reformvertrag von Lissabon - unterzeichnet, der nunmehr in seinem Art. 6 EUR die verbindliche Wirkung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 07.12.2000 in der am 12.12.2007 angepassten Fassung vorschreibt. Art. 2 EUV normiert darüber hinaus die Werte, auf die sich die Union gründet vor, die allen Mitgliedsstaaten der Union gemeinsam sind und die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Minderheitenrechte umfassen sowie einer Gesellschaft gemeinsam sind, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und durch Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet. Sowohl die Slowakische Republik als auch die Europäischen Union haben jeweils für sich die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnet. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat durch die von ihm mit seiner Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze die Bindung der Mitgliedstaaten an den gemeineuropäischen Grundrechtsbestand ausgesprochen und wurde diese Bedingung im Reformvertrag von Lissabon nunmehr auch normativ festgelegt, wobei sich dieser Grundrechtsbestand aktuell insbesondere aus der schon angeführten Grundrechtecharta sowie der EMRK speist (Art. 6 EUV). Die für den Beitritt neuer EU-Staaten zur Europäischen Union vorgesehenen Voraussetzungen (Art. 49 EUV iVm. Art. 6 EUV), darunter auch die untrennbare positive Beurteilung der jeweiligen allgemeinen Menschenrechtslage im jeweiligen beitrittswilligen Staat, beruhen daher auf den von den Gründungsmitgliedern abgeschlossenen Verträgen, die zur Gründung der Europäischen Union und damit auch zur den von der Europäischen Union selbstständig erlassenen und großteils bindenden Sekundärrechtsakten führten. Der Beitritt der neuen EU-Staaten zur Europäischen Union am 01.05.2004 und am 01.01.2007 ist daher untrennbar mit einer positiven Beurteilung der allgemeinen Menschenrechtslage in diesen Staaten verbunden.

All dies geht auch aus den Erwägungsgründen des Protokolls Nr. 24 zum EU-Vertrag (Protokoll über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union) hervor, in welchen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Union nach Art. 6 Abs. 1 EUV die Recht, Freiheiten und Grundsätze anerkennt, die in der Charta der Grundrechte der EU enthalten sind, die Grundrechte nach Art. 6 Abs. 3 EUV, wie sie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze zum Unionsrecht gehören und, dass der Gerichtshof der Europäischen Union dafür zuständig ist, sicherzustellen, dass die Union bei der Auslegung und Anwendung des Art. 6 Abs. 1 bis 3 EUV die Rechtsvorschriften einhält. Das in Art. 7 EUV vorgesehene Verfahren zur Aussetzung bestimmter Rechte ist nur für den Fall einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung dieser Werte durch einen Mitgliedstaat vorgesehen und zwar unter dem Hinweis darauf, dass jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates als Unionsbürger einen besonderen Status und einen besonderen Schutz genießt, welche die Mitgliedstaaten gemäß dem zweiten Teil des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährleisten sowie, dass die Verträge einen Raum ohne Binnengrenzen schaffen und jedem Unionsbürger das Recht gewähren, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.

Als Unionsmitglied ist die Slowakische Republik daher auch Teil des geltenden Unionsrechts, somit ein Rechtsstaat und eine Demokratie im Sinne der Standards der EU. Es kann daher auch von der grundsätzlichen Schutzgewährungsfähigkeit und Schutzgewährungswilligkeit der Sicherheitsbehörden und des Vorhandenseins eines funktionierenden rechtsstaatlichen Systems im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - so wie auch in anderen EU-Mitgliedstaaten - ausgegangen werden (zur Frage des ausreichenden staatlichen Schutzes vor Verfolgung auch von nichtstaatlicher bzw. privater Seite s. für viele VwGH 10.03.1993, Zl. 92/01/1090, 14.05.2002, Zl. 2001/01/140 bis 143; s.a. VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, u.a.).

Darüber hinaus wendet die Slowakische Republik weder Art. 15 EMRK samt Außerkraftsetzung der damit verbundenen Verpflichtungen an, noch ist ein Verfahren gemäß Art. 7 Abs. EUV eingeleitet worden oder hat der Rat oder ein Mitgliedstaat dazu einen Beschluss nach Art. 7 Abs. 2 erlassen.

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesasylamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort) des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF und den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten für die Identifizierung der Person des Antragstellers im gegenständlichen Verfahren.

Die Feststellungen zur Einreise des BF in das Bundesgebiet, seinen familiären und privaten Bezügen im Herkunftsstaat und den mangelnden familiären und privaten Bezügen sowie integrativen Momenten im Bundesgebiet ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF. Das Recht zur Einreise und zum Aufenthalt kommt ihm jedoch schon aufgrund seines Freizügigkeitsrechtes als Unionsbürger grundsätzlich zu.

Die strafgerichtliche Verurteilung, die Hauptwohnsitzmeldungen des BF in den Justizanstalten und die Erlassung eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes für die Dauer von zehn Jahren ergeben sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Strafregister, Zentrale Melderegister und Fremdenregister).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Protokoll (Nr.24) über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der europäischen Union lautet:

"Die hohen Vertragsparteien - in der Erwägung, dass die Union nach Artikel 6 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze anerkennt, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthalten sind, in der Erwägung, dass die Grundrechte nach Artikel 6 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze zum Unionsrecht gehören, in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Union dafür zuständig ist, sicherzustellen, dass die Union bei der Auslegung und Anwendung des Artikels 6 Absätze 1 und 3 des Vertrags über die Europäische Union die Rechtsvorschriften einhält, in der Erwägung, dass nach Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union jeder europäische Staat, der beantragt, Mitglied der Union zu werden, die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union genannten Werte achten muss, eingedenk dessen, dass Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union ein Verfahren für die Aussetzung bestimmter Rechte im Falle einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung dieser Werte durch einen Mitgliedstaat vorsieht, unter Hinweis darauf, dass jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats als Unionsbürger einen besonderen Status und einen besonderen Schutz genießt, welche die Mitgliedstaaten gemäß dem zweiten Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleisten, in dem Bewusstsein, dass die Verträge einen Raum ohne Binnengrenzen schaffen und jedem Unionsbürger das Recht gewähren, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in dem Wunsch, zu verhindern, dass Asyl für andere als die vorgesehenen Zwecke in Anspruch genommen wird, in der Erwägung, dass dieses Protokoll den Zweck und die Ziele des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beachtet - sind über folgende Bestimmungen Übereinkommen, die dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügt sind:

Einziger Artikel

In Anbetracht des Niveaus des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die Mitgliedstaaten füreinander für alle rechtlichen und praktischen Zwecke im Zusammenhang mit Asylangelegenheiten als sichere Herkunftsländer. Dementsprechend darf ein Asylantrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats von einem anderen Mitgliedstaat nur berücksichtigt oder zur Bearbeitung zugelassen werden,

a. wenn der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam

Artikel 15 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anwendet und Maßnahmen ergreift, die in seinem Hoheitsgebiet die in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen außer Kraft setzen;

b. wenn das Verfahren des Artikels 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union eingeleitet worden ist und bis der Rat oder gegebenenfalls der Europäische Rat diesbezüglich einen Beschluss im Hinblick auf den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, gefasst hat;

c. wenn der Rat einen Beschluss nach Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union im Hinblick auf den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, erlassen hat, oder wenn der Europäische Rat einen Beschluss nach Artikel 7 Absatz 2 des genannten Vertrags im Hinblick auf den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, erlassen hat;

d. wenn ein Mitgliedstaat in Bezug auf den Antrag eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats einseitig einen solchen Beschluss fasst; in diesem Fall wird der Rat umgehend unterrichtet; bei der Prüfung des Antrags wird von der Vermutung ausgegangen, dass der Antrag offensichtlich unbegründet ist, ohne dass die Entscheidungsbefugnis des Mitgliedstaats in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird."

Der Punkt d lässt die individuelle Einzelfallüberprüfung eines Schutzersuchens zu, allerdings ist vor einer genauen Prüfung zu entscheiden, ob der Antrag - von dessen offensichtlicher Unbegründetheit auszugehen ist - so viel Substanz hat, dass eine Prüfung notwendig ist, um die Verpflichtungen Österreichs nach der Genfer Flüchtlingskonvention einzuhalten. Dazu muss der Asylwerber allerdings eine glaubwürdige, nachvollziehbare und mit den Zuständen im Herkunftsstaat in Einklang zu bringende Fluchtgeschichte darlegen, die mit Beweisangeboten bzw. mit dem Hinweis, wie die nötigen Beweise beschafft werden können, unterlegt sein muss. Darüber hinaus muss der Asylwerber nachvollziehbare und mit den Zuständen im Herkunftsstaat in Einklang zu bringende Ausführungen darbringen, warum er sich nicht des Schutzes des Staates - also insbesondere der Gerichte - bedient hat, um einer privaten oder punktuellen staatlichen Verfolgung zu entgehen. Erst dann kann davon gesprochen werden, dass der Asylwerber in der Lage war darzulegen, die - widerlegliche - Vermutung des Gesetzes, der Antrag sei offensichtlich unbegründet, stimme nicht (s.a. UBAS 16.02.2007, Zl. 254.648/0/25E-XIII/66/04).

Die Tatbestände der lit. a bis c des angeführten Protokolls trafen und treffen derzeit auf keinen EU-Mitgliedstaat zu. Ebenfalls ergab bereits eine Grobprüfung des zum vorliegenden Asylantrag erstatteten Vorbringens im Lichte der Anforderungen für eine individuelle Einzelprüfung nach lit. d des Protokolls nicht, dass die in lit. d des Protokolls Nr. 24 statuierte Vermutung im Falle des Beschwerdeführers unzutreffend ist.

Von einer glaubwürdigen, nachvollziehbaren und mit den Zuständen im Herkunftsstaat in Einklang zu bringenden Fluchtgeschichte, die mit Beweisangeboten bzw. mit dem Hinweis, wie die nötigen Beweise beschafft werden können, unterlegt wäre, kann keine Rede sein. Da somit im vorliegenden Fall kein Anlass für eine Beschlussfassung iSd lit. d besteht und auch die Tatbestände der lit. a bis c des Protokolls Nr. 24 nicht erfüllt sind, darf der gegenständliche Asylantrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß dem einzigen Artikel des genannten Protokolls nicht berücksichtigt oder zur Bearbeitung zugelassen werden.

Die belangte Behörde hat den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zum Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, Amtsblatt (EG) Nr. C 306 bzw. Bundesgesetzblatt III Nr. 132/2009 zu Recht als unzulässig zurückzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die an sich zulässige Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde auch nicht beantragt. Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Asylantragstellung, EU-Bürger, mangelnder Anknüpfungspunkt,
Mitgliedstaat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G306.2137809.3.00

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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