TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/12 G311 2193722-1

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Veröffentlicht am 12.06.2018
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Entscheidungsdatum

12.06.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35

Spruch

G311 2193722-1/7E

Schriftliche Ausfertigung des am 27.04.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2018, Zl. XXXX sowie die andauernde Anhaltung in Schubhaft, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.04.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.

V. Der Antrag auf Haftentschädigung bzw. Schadenersatz wird gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung als unzulässig zurückgewiesen.

VI. Der Antrag auf "Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung" wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch angeführten und angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Steiermark, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs.2 Z 1 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 04.02.2016 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Der Beschwerdeführer sei am 28.06.2017 ua wegen einer versuchten Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Der Antrag auf internationalen Schutz sei von der belangten Behörde abgewiesen worden, weiter sei gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 FPG ein auf sechs Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Es sei festgestellt worden, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Die dagegen erhobene Beschwerde sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.03.2018 abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei nicht ausreisewillig, er sei am 06.04.2018 bei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle angetroffen worden. Der Beschwerdeführer sei weder sozial noch beruflich integriert, er habe keine Familienangehörigen in Österreich. Er habe nach seiner Haftentlassung keine Kontaktadresse angegeben, er sei seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen. Es bestehe ein beachtliches Risiko des Untertauchens.

Mit dem am 26.04.2018 per Fax beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer durch den Verein Menschenrechte Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und gegen die seither andauernde Anhaltung in Schubhaft. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen; den bekämpften Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgte; aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen; erkennen, dass die belangten Behörde dem Beschwerdeführer die entstandenen Kosten ersetzte; erkennen, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine angemessene Haftentschädigung bzw. Schadenersatz für die rechtswidrig verhängte Schubhaft zu leisten habe; in eventu wurde die Anordnung eines gelinderen Mittels beantragt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Zulässigkeit der Schubhaft verlange die Prüfung ihrer Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, zu deren Beurteilung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit vorzunehmen sei. Eingriffe in das Recht auf persönliche Freiheit zur Sicherung eines Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahrens seien gemäß Art 1 Abs. 3 PersFrSchG nur dann gerechtfertigt, wenn der Eingriff zum Zweck der Maßnahme notwendig sei und verhältnismäßig sei. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die Anwendung gelinderer Mittel zu prüfen. Aus den dargelegten Erwägungen sei der gegenständliche Schubhaftbescheid und die darauf basierende Anhaltung als rechtswidrig anzusehen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 27.04.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, ein Vertreter der Rechtsberatung, eine Dolmetscherin für Sprache Dari sowie ein Behördenvertreter teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde von Polizeibeamten des Anhaltezentrums Vordernberg vorgeführt.

Zunächst gab der Beschwerdeführer an,er fühle sich körperlich und geistig in der Lage der Verhandlung zu folgen.

Die erkennende Richterin verwies hinsichtlich der persönliche Daten des Beschwerdeführers auf die diesbezüglichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Erkenntnis vom 29.03.2018, Zl. W 266 2190253-1.

Der Beschwerdeführer gab dazu an, er habe diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Schubhaft erhalten, er habe keine Geburtsurkunde aus Afghanistan.

Über Befragen der erkennenden Richterin, ob es zutreffend sei, dass der Beschwerdeführer bei der afghanischen Botschaft gewesen sei um ein Heimreisezertifikat zu erlangen, gab er an: Nein, niemals.

Der Behördenvertreter führte dazu aus, dass das Heimreisezertifikat bei der belangten Behörde aufliege und der Abschiebetermin nach wie vor aufrecht sei.

Der Beschwerdeführer gab weiters an, er wolle nicht freiwillig nach Afghanistan zurück. Er habe keine Familienangehörigen, aber Freunde in Österreich. Er verfüge über Euro 450,--. Er wohne in XXXXbei der Caritas und könne eine Bestätigung darüber vorlegen.

Über Vorhalt des Gesundheitsblattes gab er an, es sei zutreffend, dass er unter Insomnia leide und Cannabis konsumiert habe.

Abschließend führte der Beschwerdeführer aus, er wolle auf keinen Fall zurück nach Afghanistan. Die Lage sei schlecht, es gebe oft Bombenanschläge. Auch in Pakistan, wo er zuletzt gelebt habe, sei die Lage ähnlich.

Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

Mit dem am 30.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 27.04.2018 wurde die schriftliches Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.02.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asyl berechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich seines Antrages auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG der Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), gemäß § 55 Abs. 4 AsylG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII.), festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab dem 11.4.2017 gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf 6 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen(Spruchpunkt IX.}.

Gegen die Spruchpunkte II. bis IX hat der Beschwerdeführer, durch seinen ausgewiesenen Vertreter, fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.03.2018, Zl. W 266 2190253-1, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und mit der Maßgabe hinsichtlich Spruchpunkt VIII. bestätigt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 04.12.2016 verloren hat. Diese Entscheidung erwuchs laut Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister am 30.03.2018 in Rechtskraft.

Zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Situation in Österreich sowie zu seinen Fluchtgründen wurde festgestellt:

"Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Mamen XXXX, geboren am XXXX. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er wurde in der Provinz XXXX, im DistrikXXXX geboren und lebte dort bis er, im Alter von ca. 2 Jahren mit seinen Eltern Afghanistan verließ. Anschließen lebte er, bis zu seiner Ausreise nach Europa, mit seinen Eltern in XXXX, Pakistan. Dort besuchte er für drei Jahre die Grundschule und ging danach einer Arbeit als Schneider nach und konnte damit für seinen Lebensunterhalt aufkommen und seine Flucht finanzieren.

Der Beschwerdeführer ist ein arbeitsfähiger, arbeitswilliger junger Mann; er leidet an keinen schwerwiegenden lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankungen oder sonstigen Beeinträchtigungen.

Der Beschwerdeführer ist in seinem Heimatstaat unbescholten und hat dort auch sonst noch nie Probleme mit der Polizei, dem Militär oder anderen Behörden gehabt. Er gehörte und gehört keiner politischen Partei oder sonst einer politischen Gruppierung an.

Zur maßgeblichen Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Februar 2016, sohin seit etwas über 2 Jahren, durchgehend im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer geht keiner Erwerbstätigkeit nach und lebte, bis zu deren Einstellung aufgrund seiner Haft am 3.12.2016, von der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familie, ist nicht verheiratet, lebt nicht in Lebensgemeinschaft, hat keine Freundin und verfügt über keinen nennenswerten Freundeskreis.

Er spricht mäßig Deutsch und besucht einen Deutschkurs in der Justizanstalt.

Der Beschwerdeführer hat jedoch weder einen Deutschkursabschluss noch einen sonstigen Abschluss. Er ging und geht in Österreich weder einer entgeltlichen noch einer ehrenamtlichen Beschäftigung nach, ist nicht Mitglied in Vereinen oder ähnlichem und verfügt auch sonst über keine wesentlichen sozialen oder wirtschaftlichen Bindungen zu Österreich. Er befindet sich seit dem XXXX.12.2016 in der JA XXXX in Haft (vom XXXX12.2016 bis XXXX6.2017 in U-Haft danach in Strafhaft) und wurde mit rechtskräftigem (Rechtskraft am XXXX2017) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX2017, XXXX, wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung als Beitragstäter sowie des Vergehens der sexuellen Nötigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Als mildernd wurden dabei das reumütige Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel, die Alkoholisierung und die untergeordnete Rolle sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, gewertet. Erschwerend wurde hingegen das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen gewertet.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Da sich die Beschwerde nur gegen die Spruchpunkte El. bis IX. und explizit nicht gegen Spruchpunkt 1 richtet, sind die Fluchtgründe des Beschwerdeführers nur mehr in Hinblick auf einen anfälligen subsidiären Schutzstatus zu beurteilen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass, im Falle einer Rückkehr nach XXXX oder Kabul das Leben des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gefährdet wäre oder er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre.

insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass das Leben des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur schulischen Glaubensrichtung des Islam bzw. als Rückkehrer aus Pakistan und zuletzt Europa bedroht wäre oder ihm aus diesen Gründen Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung drohen würden."

Ergänzend zu diesen im Erkenntnis Zl. W266 2190253-1 getroffenen Feststellungen, die der gegenständlich Entscheidung auch zugrunde gelegt werden, werden folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX04.2018 aus der Strafhaft entlassen. Am 06.04.2018 wurde er bei er fremdenpolizeilichen Kontrolle in einer Parkanlage in XXXX angetroffen. Noch an diesem Tag wurde mittels angefochtenem Bescheid seine Anhaltung in Schubhaft angeordnet.

Er verfügt über ca. Euro 450,--. Nach seiner Haftentlassung hat er sich nicht polizeilich gemeldet.

Hinsichtlich des Beschwerdeführers wurde seitens der belangten Behörde nach Vorführung vor der afghanischen Botschaft ein Heimreisezertifikat beschafft. Die Abschiebung nach Afghanistan war für 08.05.2018 geplant.

Der Beschwerdeführer will nicht freiwillig ausreisen, er hat keine Familienangehörigen in Österreich. Es leben jedoch Freunde des Beschwerdeführers in Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Haftentlassung, der finanziellen Mittel, der persönlichen Situation und der Ausreiseunwilligkeit des Beschwerdeführers beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Soweit er vorbrachte, nach der Haftentlassung bei der Caritas Unterkunft genommen zu haben, ist festzuhalten, dass keine Meldung im Zentralmelderegister aufscheint und er diesbezüglich keine Nachweise vorlegen konnte.

Das Vorliegen eines Heimreisezertifikates ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister, weiters wurde dies vom Vertreter der belangten Behörde in der Beschwerdeverhandlung bestätigt. Dieser bestätigte auch den in der Beschwerdevorlage angekündigten Abschiebetermin.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Abweisung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint (Z 1), sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind (Z 2), auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen (Z 3), oder sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind (Z 4).

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 FPG in der geltenden Fassung FrÄG 2017, BGBl. I. Nr. 145/2017, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Der mit "Gelinderes Mittel" betitelte § 77 FPG in der geltenden Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

"§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen."

Gemäß § 80 Abs. 1 FPG in der geltenden Fassung FrÄG 2017, BGBl. I Nr. 145/2017, ist das Bundesamt verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG in der geltenden Fassung BGBl. I Nr. 140/2017 die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlagen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA VG in der geltenden Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).

Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH 05.07.2011, Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).

3.1.3. Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung hinsichtlich des von ihm im Asylverfahren angegebenen Herkunftsstaates Afghanistan.

Der Beschwerdeführer hat mehrfach bekundet, nicht freiwillig nach Afghanistan zurückzukehren. Der Beschwerdeführer ist darüber hinaus strafgerichtlich verurteilt und wurde wegen versuchter Vergewaltigung, sexueller Nötigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nach Entlassung aus der Strafhaft ist er seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen und hat sich damit dem Zugriff der Behörden entzogen. Dem Vorbringen in der Beschwerde zur mangelnden Fluchtgefahr, zur Unverhältnismäßigkeit der Haft und dem Ausreichen der Verhängung gelinderer Mittel wie etwa der Anordnung einer periodischen Meldeverpflichtung gemäß § 77 Abs. 3 Z 2FPG und/oder der Unterkunftnahme gemäß § 77 Abs. 3 Z 1 FPG kann gerade aus diesen Gründen nicht gefolgt werden. Zudem liegen im konkreten Fall im Bundesgebiet keine maßgeblichen oder sonstigen sozialen Bindungen oder ein gesicherter Unterhalt des Beschwerdeführers vor.

Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass sich der Beschwerdeführer durch Untertauchen oder Flucht der beabsichtigen Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen oder die Abschiebung wesentlich erschweren könnte.

Insoweit die belangte Behörde in ihrer Würdigung auch davon ausging, dass ein konkreter Sicherungsbedarf für die Durchführung einer Abschiebung sowie die Erforderlichkeit der Schubhaft als einzige geeignete Sicherungsmaßnahme gegenüber der Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben waren, begegnet dies aus den bereits dargelegten Erwägungen keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass im vorliegenden Fall der erforderliche Sicherungszweck nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG erreicht werden kann. Wie bereits ausgeführt, verfügt der Beschwerdeführer weder über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war auf Grund des bisherigen Verhaltens davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Abschiebung jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung halten würde.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat. Die belangte Behörde konnte somit unter den gegebenen Umständen zu Recht von einer Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Auch erweist sich die bisherige Anhaltung in Schubhaft bei Abwägung aller betroffenen Interessen als verhältnismäßig.

Da die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sich der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Beschwerdeführer der zu sichernden Abschiebung entziehen könnte, und sie den gegenständlichen Bescheid zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften gestützt hat, war gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm.

§ 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Beschwerde hinsichtlich des Schubhaftbescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft als unbegründet abzuweisen.

3.2. Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft (Spruch A.II.):

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Den oben unter Punkt 3.1. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kommt auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unverändert Geltung zu.

Darüber hinaus war im gegenständlichen Fall bei der Beurteilung des konkreten Sicherungsbedarfs (infolge Fluchtgefahr) der weiter fortgeschrittene Stand des Verfahrens maßgeblich zu berücksichtigen:

So ist festzuhalten, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung aufrecht ist und die Vertretungsbehörde seines Herkunftsstaates ein Heimreisezertifikat ausstellte und bereits ein konkreter Abschiebetermin in Aussicht genommen wurde.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann nunmehr von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden, zumal eine Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat zeitnah möglich und auch wahrscheinlich ist und diese Tatsache dem Beschwerdeführer auch bewusst wurde. Auch die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers, insbesondere aufgrund seines bisherigen Gesamtverhaltens, lässt eine Fluchtgefahr als erheblich erscheinen. So wird der Sicherungsbedarf gerade dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer davon in Kenntnis ist, dass seine Abschiebung nach Afghanistan unmittelbar bevorstehet und er somit seinen bisherigen Aufenthalt in Österreich - entgegen seiner ausdrücklich erklärten Absicht - nicht mehr fortsetzen kann.

Aus den eben dargelegten Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung der geringen sozialen Bindungen in Österreich ist aktuell von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorliegen, die ein Untertauchen des Beschwerdeführers - um sich so einer Abschiebung zu entziehen - befürchten lassen.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass auch gelindere Mittel im Sinne des § 77 Abs. 1 FPG nicht geeignet sind, die erforderliche Minimalkooperation des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Dass besondere, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist weder dem Vorbringen in der Beschwerde noch den Ermittlungsergebnissen in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen.

Die fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft erweist sich daher zum Zweck der Sicherung der Abschiebung als notwendig und verhältnismäßig. Die Anhaltung in Schubhaft kann somit zum Entscheidungszeitpunkt auch aus diesem Gesichtspunkt, aber auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft fortgesetzt werden.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.3. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.III. und A.IV.):

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.

Die belangte Behörde hat fristgerecht beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes sowie des Verhandlungsaufwandes zuzusprechen.

Es war daher spruchgemäß der beschwerdeführenden Partei als unterlegener Partei der zu leistende Aufwandersatz (samt Verhandlungsaufwand) in der Gesamthöhe von 887,20 Euro aufzuerlegen.

Der in der Beschwerde gestellte Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.

3.4. Zur Zurückweisung des Antrages auf Haftentschädigung bzw. Schadenersatz:

Aufgrund der obigen Ausführungen und auch der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Anhaltung bedarf es keiner weiteren Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers auf Haftentschädigung und ist diesbezüglich spruchgemäß zu entscheiden.

Soweit der Beschwerdeführer Haftentschädigung begehrt, handelt es sich darüber hinaus hierbei um einen Anspruch, welcher entsprechend amtshaftungsrechtlicher Bestimmungen geltend zu machen ist und wäre der Beschwerdeführer gemäß § 6 AVG an die Finanzprokuratur des Bundes bzw. an die ordentlichen Gerichte zu verweisen.

3.5. Zur Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Der gegenständlich angefochtene "Schubhaftbescheid" ist bereits in Vollzug. Durch die oben getroffene Fortsetzungsentscheidung erhält die Schubhaft zudem eine neue Rechtsgrundlage. Im Übrigen ist die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung im Rahmen von Beschwerden gemäß § 22a BFA-VG gesetzlich nicht vorgesehen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Anhaltung, Antragsbegehren, Aufwandersatz, Fortsetzung der
Schubhaft, Gefährdungsprognose, Haft, Kostentragung, mangelnde
Auseinandersetzung mit der Lehrbefähigung, mangelnder
Anknüpfungspunkt, mündliche Verkündung, öffentliches Interesse,
persönlicher Eindruck, Schadenersatz, schriftliche Ausfertigung,
Schubhaft, Sicherungsbedarf, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G311.2193722.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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