TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/16 99/07/0110

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.1999
beobachten
merken

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

Marchfeld wasserwirtschaftliche Rahmenverfügung 1964 §3;
Marchfeld wasserwirtschaftliche Rahmenverfügung 1964;
WRG 1959 §10;
WRG 1959 §31;
WRG 1959 §32;
WRG 1959 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde des W M in U, vertreten durch Dr. Josef Lachmann und Dr. M. Alexander Pflaum, Rechtsanwälte in Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 11. April 1999, Zl. 512.885/01-I5/99, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Dr. M. Alexander Pflaum, und des Vertreters der belangten Behörde, Min.Rat Ing. Mag. Rudolf Hackauf, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.765,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte beim Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Erweiterung einer bestehenden Nassbaggerung zur Entnahme von Sand und Kies auf näher bezeichneten Grundstücken.

Im Rahmen der vorläufigen Überprüfung des Vorhabens äußerte sich das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in einer Stellungnahme vom 19. April 1991 zu diesem Vorhaben wie folgt:

Die geplante Erweiterung der Nassbaggerung sei in einem von der wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung für das Marchfeld, BGBl. Nr. 32/1964, erfassten Gebiet gelegen. Durch den Abbau der über dem Grundwasserspiegel liegenden Bodenschichten werde das Grundwasser der schützenden Wirkung dieser Bodenschicht durch Filterung, Adsorption, Absorption oder biologischen Abbau von auf oder in den Boden anthropogen eingetragenen Stoffen beraubt. Dies ermögliche eine Einwirkung dieser Stoffe auf das Grundwasser im Sinne einer anthropogenen Veränderung seiner Qualität. Erfolge darüber hinaus noch eine Materialentnahme im Grundwasser selbst, so werde der dadurch freigelegte Grundwasserkörper zu einem Oberflächengewässer, d.h. zu einem grundlegend anderen ökologischen System als das Grundwasser. Bereits kurze Zeit nach Freilegung des Grundwassers erfolge eine Änderung der Wassertemperatur sowie eine Besiedlung des Wasserkörpers mit diversen mikroskopischen (Plankton) und makroskopischen (Makrophyten, Makrozoobenthos) Tier- und Pflanzenarten. Unter dem Einfluss des Sonnenlichtes trete durch die photosynthetische CO2-Fixierung der Planktonalgen und Makrophyten u.a. eine Veränderung des pH-Wertes und des Sauerstoffgehaltes auf. Besonders während der warmen Jahreszeit komme es zu einem deutlichen Anstieg des pH-Wertes und zu einer erheblichen Sauerstoffübersättigung. Die Vermehrung dieser photosynthetisch aktiven Organismen sei wiederum vom Nährstoffgehalt des Gewässers, speziell vom Phosphorgehalt abhängig. Sei dieser hoch (hoher Phosphor- und Stickstoffgehalt im Grundwasser in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten oder Eintrag auf angrenzenden Ackerflächen durch Einschwemmung und Windverfrachtung in das Gewässer), so seien dies optimale Voraussetzungen für eine Massenentwicklung dieser eutrophen Organismen. Als Folge davon sinke während der Nachtstunden der Sauerstoffgehalt drastisch ab (Dissimulation). Außerdem träten beim Absterben des Phytoplanktons verstärkte Sauerstoffzehrungsvorgänge auf, sodass die abgestorbene organische Substanz nicht mehr vollständig mineralisiert werden könne und zu faulen beginne (Bildung von Faulschlamm, Methangas und Schwefelwasserstoff). Diese eben geschilderten Prozesse würden als Phänomene der Eutrophierung zusammen gefasst und stellten in begrenztem Umfang einen natürlichen Vorgang innerhalb jedes stehenden und langsam fließenden Gewässers in Abhängigkeit von seinem Alter und seiner Lage dar. Finde dieser Eutrophierungsprozess jedoch in einem grundwassergespeisten Teich statt, so sei mit Auswirkungen auf den Grundwasserabstrom zu rechnen (z.B. Mobilisierung von Eisen und Mangan durch reduzierte Verhältnisse, Erhöhung des Gehaltes an organischen Stoffen durch unvollständigen Abbau der Biomasse im Gewässer). Bei diesen Vorgängen würden sicherlich die Grundwasserabstandsgeschwindigkeit und die Durchlässigkeit des Untergrundes die bestimmenden Faktoren sein. Sowohl infolge des natürlichen Strömungsverhältens des Grundwassers wie auch der periodisch auftretenden Schwankungen der Grundwasserspiegellage sei ein laufender Austausch zwischen Teichwasserkörper und Grundwasserkörper gegeben, der zu einer Beeinflussung der Grundwasserbeschaffenheit führe (Möglichkeit des Schadstoffeintrages, der Erwärmung, der Sauerstoffzehrung u.dgl.). Nach Ansicht des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes stehe die Freilegung des Grundwasserspiegels innerhalb des Geltungsbereiches der wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung für das Marchfeld im Widerspruch zu der Widmung des Grundwassers für Zwecke der Trinkwasserversorgung und der landwirtschaftlichen Bewässerung in dieser Rahmenverfügung.

In seiner Stellungnahme zu diesen Ausführungen des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans erklärte der Beschwerdeführer, hinsichtlich der Wasserqualität habe es bisher keine Klagen gegeben; aus wasserwirtschaftlicher Sicht wisse er, dass große Teiche besser als kleine seien.

Bei einer am 28. Februar 1994 vom LH durchgeführten mündlichen Wasserrechtsverhandlung schloss sich der wasserbautechnische Amtssachverständige vollinhaltlich den Ausführungen des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans an.

Der Amtssachverständige für Geohydrologie verwies auf eine bereits früher abgegebene Stellungnahme.

Mit Bescheid des LH vom 15. April 1994 wies der LH den Antrag des Beschwerdeführers um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Erweiterung einer Nassbaggerung gemäß §§ 32, 54 Abs. 3 und 105 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) ab.

In der Begründung stützte sich der LH auf die Äußerung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans, die sich dieser Äußerung anschließende Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen und das Gutachten des Amtssachverständigen für Geohydrologie. Letzteres wird im Bescheid des LH wie folgt wiedergegeben:

Der Abbaubereich des Unternehmens des Beschwerdeführers schließe im Norden bzw. im Nord-Nordosten von Untersiebenbrunn an das Ortsgebiet an und erreiche nach Norden eine Erstreckung von über 800 m. Das Grundwasser ströme in diesem Bereich laut großräumigen Unterlagen von Nordwest nach Südost. Der HGW komme auf einer Höhe von 148,8 m ü.A., der NGW bei 145,5 m ü.A. zu liegen. Die Grundwasserabstromgeschwindigkeit dürfte rund 1 m pro Tag betragen. Laut eingereichtem Projekt solle anschließend an den bereits bestehenden und bewilligten Abbaubereich ein Trockenabbau der wenige Meter unter Geländeoberkante (ca. 148 m ü.A.) beginnenden Schotter der Gänserndorfer Terrasse bis auf eine Höhe von 0,5 m über HGW vorgenommen werden. Wie im Zuge des Lokalaugenscheines festgestellt habe werden können bzw. wie aus einem dem Projekt beigelegten Lage-Höhenplan entnommen werden könne, sei bereits ein Teil des Abbauvorhabens durchgeführt worden, wobei der Schotterabbau bis in den Grundwasserschwankungsbereich vorgedrungen sei. Durch diese Maßnahme könne es zu einem Aufspiegeln von Grundwasser kommen, was einen negativen Einfluss auf das Grundwasser ausüben könne (z.B. Fäulnisprozesse oder Eutrophierung). Je geringer der Abstand zwischen Grundwasser und Abbausohle sei, desto eher sei mit einem Eintrag von Schadstoffen ins Grundwasser durch Manipulation und durch den Abbau zu rechnen. Auch auf die thermische Belastung des Grundwassers durch die Nähe zum Gelände werde hingewiesen.

Aus den eingeholten Stellungnahmen und Gutachten folgerte der LH, dass vom Vorhaben des Beschwerdeführers eine nachteilige Beeinflussung der Beschaffenheit des Wassers ausgehe und dem auch nicht durch Vorschreibung entsprechender Auflagen abgeholfen werden könne. Aus diesem Grund sei das Vorhaben wegen Beeinträchtigung öffentlicher Interessen nicht bewilligungsfähig.

Der Beschwerdeführer berief.

Er brachte vor, in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides habe zu den ursprünglichen "pseudowissenschaftlichen Erkenntnissen" nichts Neues hinzugefügt werden können. Als einziges Kriterium für die Ablehnung seines Vorhabens bleibe nach wie vor das so genannte Vorsorgeprinzip aufrecht, wonach die Möglichkeit einer Beeinträchtigung (des Grundwassers) für diese (gemeint: die Versagung der Bewilligung) ausreiche. Dass eine solche Beeinträchtigung im vorliegenden Fall nicht gegeben sei, werde durch die seit 1985 durchgeführten Untersuchungsbefunde des Teichwassers und der Sonden im Abstrom des Teiches sowie auch der Deponie eindeutig belegt. Die Teichöffnung selbst existiere schon seit den 60iger-Jahren und dieser ursprüngliche Zustand sei im Jahre 1977 erstmals wasserrechtlich bewilligt worden. Sowohl bei dieser Bewilligung als auch bei der Erweiterungsbewilligung im Jahr 1985 sei festgestellt worden, dass kein Widerspruch zu einer Rahmenverfügung vorliege. Dies werde auch durch die Untersuchungen bestätigt. Es würden daher alle bisher im Verfahren vorgebrachten Argumente aufrecht erhalten. Da eine Wasserfläche bereits existiere, sei die Argumentation, welche sich auf die Öffnung eines Grundwasserkörpers beziehe, hinfällig. Ein negativer Einfluss, welcher den Widmungszweck der Rahmenverfügung beeinträchtige, sei bisher nicht festgestellt worden. Dieser sei daher auch durch eine Erweiterung nicht zu befürchten. Abschließend werde darauf hingewiesen, dass in Zukunft um die Teichfläche ein Grüngürtel errichtet werde, um in der Agrarsteppe Marchfeld einen Lebensraum für Kleintiere und Vögel zu schaffen. Ein Eintrag von Schadstoffen von landwirtschaftlichen Flächen sei somit hintangehalten.

Die belangte Behörde befasste einen Amtssachverständigen für Wasserbautechnik mit der Frage, ob das Projekt des Beschwerdeführers öffentlichen Interessen widerspreche, ob das Kriterium, dass bisher keine Grundwasserbeeinträchtigung vorgelegen sei und dass bereits eine Teichöffnung existiere, von Bedeutung sei und ob durch die Errichtung eines Grüngürtels sich eine Änderung ergeben könnte.

In seiner Stellungnahme vom 6. Februar 1995 führte der Amtssachverständige aus, die geplante Nassbaggerung liege innerhalb des Geltungsbereiches der Rahmenverfügung für das Marchfeld, somit innerhalb eines wasserrechtlich besonders geschützten Gebietes. Innerhalb des Geltungsbereiches der Rahmenverfügung sei das Grundwasservorkommen der Wasserversorgung und der Bewässerung gewidmet. Es sei daher darauf zu achten, dass das Grundwasser seiner Menge und Beschaffenheit nach dauernd erhalten bleibe. Die Entwicklung der Qualität des Grundwassers im Marchfeld zeige, dass die genannten Zielsetzungen in der Vergangenheit bei weitem nicht immer hätten erreicht werden können. Neben dem Eintrag von Nähr- und Schadstoffen aus der Landwirtschaft zeichneten zweifelsfrei die Freilegung des Grundwassers und die unsachgemäße Ablagerung von Abfällen für diese negative Entwicklung verantwortlich. Im gegenständlichen Fall werde das Risiko einer Grundwassergefährdung noch dadurch erhöht, dass sich auf den in unmittelbarer Nähe befindlichen Grundstücken bereits bewilligte Bauschuttdeponien befänden. Mit Grundwasserfreilegungen seien jedenfalls nachteilige Folgen für das stromab befindliche Grundwasser verbunden. Diese seien vor allem durch den Eintrag wärmeren Wassers, den Eintrag von aus dem Sediment rückgelösten Nähr- und Schadstoffen, den Eintrag sauerstoffarmen Wassers oder organischen Materials aus dem Baggersee in den Grundwasserkörper bedingt. Durch derartige Vorgänge, die auch in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zutreffend beschrieben seien, seien aus fachlicher Sicht Beeinträchtigungen des Grundwassers zu erwarten, die über das geringfügige Ausmaß weit hinausgingen. Die Ergebnisse der in der Berufungsschrift genannten, angeblich seit 1985 durchgeführten Befundungen seien weder dem Projekt noch dem Fremdakt angeschlossen. Die diesbezüglichen in der Berufungsschrift enthaltenen Aussagen könnten somit nicht nachvollzogen und beurteilt werden. Grundsätzlich sei festzuhalten, dass im Rahmen des Gewässerschutzes und insbesondere des Grundwasserschutzes dem Prinzip der Vorsorge ganz wesentliche Bedeutung zukomme. Dies insbesondere deshalb, weil aufgrund der im Grundwasserleiter bzw. im Grundwasser ablaufenden Transport- und Selbstreinigungsprozesse einmal in den Untergrund eingebrachte Schadstoffe nicht oder nur mit erheblichem Aufwand wieder entfernt werden könnten. Aus fachlicher Sicht könnten aus den genannten und auch im erstinstanzlichen Bescheid dargestellten Gründen daher insbesondere im Gebiet der Rahmenverfügung Grundwasserfreilegungen, die den Intentionen des Grundwasserschutzes nicht entsprächen bzw. eine Gefährdung des Grundwassers befürchten ließen, nicht positiv beurteilt werden. Die Beurteilung habe unabhängig davon zu erfolgen, ob bereits Nassbaggerungen vorhanden seien oder nicht. Darüber hinaus müsse bei der Beurteilung des Sachverhaltes auch die Summationswirkung möglicher negativer Auswirkungen berücksichtigt werden. Aufgrund der Exposition der geplanten Nassbaggerung inmitten von zwar wasserrechtlich bewilligten, jedoch zum Teil vorschriftswidrig betriebenen Deponien sei es aus fachlicher Sicht völlig unerheblich, ob die geplante Grundwasserfreilegung von einem Grüngürtel umgeben werde oder nicht. Aufgrund der gegebenen Randbedingungen müsse davon ausgegangen werden, dass ein möglicher Schadstoffeintrag nicht windbedingt, sondern über andere Pfade erfolgen werde.

In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten wandte der Beschwerdeführer ein, es seien die konkreten Standortgegebenheiten unzutreffend beurteilt worden. Wären dem Amtssachverständigen die in der Berufung angesprochenen Grundwasserbefundungen aus den Fremdakten zur Verfügung gestellt worden, hätte sich zweifelsfrei ergeben, dass die bewilligten Nassbaggerungen des Beschwerdeführers inklusive Folgenutzung als extensiver Sportfischteich ausgezeichnete Grundwasserwerte aufwiesen. Die seinerzeitigen Rahmenbedingungen, wie sie bei der Bewilligung der Nassbaggerung im Jahr 1985 vorhanden gewesen seien, seien unverändert aufrecht. Die Nassbaggerung stelle sogar einen positiven Umfeldfaktor dar.

Der Amtssachverständige äußerte sich dazu am 27. September 1996 dahingehend, dass die Auffassung des Beschwerdeführers, die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Nassbaggerung seien noch die selben wie 1985, unzutreffend sei. Wie bereits in der ersten Stellungnahme vom 6. Februar 1995 ausgeführt, zeige die Entwicklung des Grundwassergeschehens im Marchfeld sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht, dass die Zielsetzung der Rahmenverfügung bei weitem nicht immer habe erreicht werden können. Die überaus negative Entwicklung des Grundwassergeschehens erkläre sich als Summe der negativen Auswirkungen einer Vielzahl von bewilligten und auch nicht bewilligten Einzelmaßnahmen. Auf diese sei in der Stellungnahme vom 6. Februar 1995 bereits eingegangen worden. Um dieser Entwicklung entsprechend entgegen wirken zu können, sei seitens des Amtes der niederösterreichischen Landesregierung am 23. Juli 1992 eine generelle Richtlinie betreffend die Anforderungen an wasserwirtschaftlich relevante Vorhaben innerhalb des Geltungsbereiches aller wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügungen erlassen worden. Damit solle eine einheitliche, insbesondere den Grundsätzen des Grundwasserschutzes verpflichtete Vorgangsweise bei Bewilligungs- und Berufungsverfahren in diesen wasserrechtlich besonders geschützten und sensiblen Gebieten sichergestellt werden. Diese Richtlinien seien mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft weitestgehend abgestimmt. Punkt C der genannten Richtlinie regle die Vorgangsweise bei Feuchtbiotopen und Nassbaggerungen. Danach stünden Nassbaggerungen im Sinne der Freilegung des Grundwassers und aufgrund der damit verbundenen Änderung des Gewässers (Überführung von Grundwasser in ein Oberflächengewässer, verbunden mit den durch Eutrophierung bedingten Auswirkungen und der Entfernung der schützenden natürlich gelagerten Deckschichte) jedenfalls mit dem Widmungsziel der Rahmenverfügung (Trinkwassernutzung) im Widerspruch. Auch der Entwurf einer Neufassung der Rahmenverfügung Marchfeld enthalte die Bestimmung, dass die Gewinnung von Sand und Kies in Form von Nassbaggerungen dem Widmungsziel der Rahmenverfügung widerspreche. Ausgenommen davon könnten lediglich Bereiche sein, die nach Standortkriterien von der wasserwirtschaftlichen Planung als solche ausgewiesen worden seien. Derartige Festlegungen seien nach Wissen des Amtssachverständigen bisher nicht getroffen worden und seien für diesen Bereich auch nicht zu erwarten. Der in der Stellungnahme des Beschwerdeführers enthaltene Hinweis, dass der Widmungszweck durch das geplante Vorhaben schon allein aufgrund der derzeit gegebenen Grundwassersituation (hohe Nitratbelastung) nicht beeinträchtigt sein könne, gehe insofern ins Leere, als das Wasserrecht keine Bestimmungen enthalte, die die "Aufgabe" von belasteten Grundwasservorkommen rechtfertigen würde. Aufgrund der eingetretenen Entwicklung des Grundwasservorkommens im Marchfeld und des vermehrten Wissens um die die wasserwirtschaftliche Entwicklung beeinflussenden Faktoren und deren Zusammenwirken hätten sich die für eine wasserrechtliche Bewilligung von Nassbaggerungen maßgeblichen Rahmenbedingungen seit 1985 ganz wesentlich verändert. Die Behauptung, dass alle Bewilligungsvoraussetzungen des Jahres 1985 auch heute unverändert gegeben seien, entbehre daher jedweder fachlicher Grundlage. Eine Nassbaggerung bzw. deren Erweiterung stehe zu den Zielsetzungen der Rahmenverfügung Marchfeld im Widerspruch und ein derartiges Vorhaben könne, unabhängig davon, ob Wasserbefunde vorgelegt würden oder nicht, aus fachlicher Sicht nicht positiv beurteilt werden. In diesem Zusammenhang werde auch darauf hingewiesen, dass die Erweiterung einer Nassbaggerung einer Neuanlage gleichgesetzt werde. Dies deshalb, weil im Zuge des Abbaues wesentliche, durch Alterungsprozesse gegenüber dem Grundwasser stark abgedichtete Bereiche entfernt und aufgerissen bzw. aufgelockert würden und so eine Kommunikation von Grundwasser und Baggerseen mit allen negativen Konsequenzen (Schadstoffeintrag und -transport) gegeben sei. Die Feststellung des Beschwerdeführers, dass die Erweiterung der Nassbaggerung als positiver Umweltfaktor anzusehen sei, entbehre jeder fachlichen Grundlage. Diesen Gedanken konsequent weiter gedacht, würde bedeuten, dass das Grundwasser wohl am besten dann zu schützen wäre, wenn es auf einer möglichst großen Fläche freigelegt werde. Dies könne aber wohl nicht Ziel des Grundwasserschutzes sein. Das Selbstreinigungsvermögen von Grundwasserseen sei als äußerst begrenzt anzusehen. So habe unter ganz bestimmten Voraussetzungen in Baggerseen eine Reduktion des Nitratgehaltes gegenüber dem zufließenden Grundwasser festgestellt werden können. In der Regel aber würden die in die freie Wasserfläche eingetragenen Nähr- und Schadstoffe sowie die im Baggersee selbst entstehenden chemischen und biochemischen Umsetzungsprodukte und die Stoffwechselendprodukte der sich im Baggersee einstellenden Biozönose in das unterstromige Grundwasser ausgetragen. Ein Baggersee könne aufgrund seiner Genesis nicht als isoliertes Gebilde betrachtet werden, sondern müsse im Zusammenhang mit dem Grundwasser gesehen werden, mit welchem er in enger Wechselbeziehung stehe. Art und Umfang dieser Beziehung sowie ihre Entwicklung seien abhängig von der Durchlässigkeit des Grundwasserleiters, dem Verhältnis der kleinen zur großen Seeachse bei gegebener Oberfläche, der Lage der großen Seeachse zum Grundwasserstrom u.dgl.. Durch diese Wechselwirkung könne z.B. sauerstoffarmes Tiefenwasser des Baggersees stromabwärts im Grundwasser eine Mobilisierung von Eisen und Mangan auslösen. Ebenso könnten Schwefelwasserstoff oder Methan, welche durch Fäulnisprozesse am Seeboden entstanden seien, ins Grundwasser übertreten. Die vom Grundwasserstrom mitgeführten Schadstoffe könnten das Einzugsgebiet eines Grundwasservorkommens nachhaltig beeinflussen, wobei derartige Beeinflussungen unter Umständen erst nach vielen Jahren erkannt werden könnten. Im Hinblick darauf, dass allgemein nachteilige Folgen für das Grundwasser nicht ausgeschlossen werden könnten, sie vielmehr aufgrund von Erfahrungswerten wahrscheinlich seien, sollte bei der wasserrechtlichen Bewilligung von Nassbaggerungen äußerst restriktiv vorgegangen werden. Die vom Beschwerdeführer getroffene Aussage, dass Kohlenwasserstoffbelastungen durch die freiliegende Grundwasserfläche und die dadurch bedingte UV-Strahlung gestrippt würden, entbehre jeder fachlichen Grundlage.

In seiner Stellungnahme hiezu verwies der Beschwerdeführer im Wesentlichen wieder auf die gute Wasserqualität des bestehenden Baggersees und machte geltend, eine Abdichtung gegenüber dem Grundwasser des Baggersees könne noch nicht erfolgt sein, da hiefür der Zeitraum nicht ausreichend gewesen bzw. immer wieder Kiesentnahmen erfolgt seien.

Auch dazu nahm der wasserbautechnische Amtssachverständige nochmals Stellung und erklärte, der Richtlinie des Amtes der niederösterreichischen Landesregierung über die Vorgangsweise bei Nassbaggerungen liege die aus zahlreichen Einzelergebnissen gewonnene Erkenntnis zugrunde, dass die konkrete Beeinträchtigung des Grundwassers durch dessen Freilegung aus einer Summe von unterschiedlichen Einzelwirkungen (Eutrophierung, Schadstoff- und Nährstoffeintrag, Stoffumsetzungen, Erhöhung der Wassertemperatur, Sauerstoffreduktion u.dgl.) resultiere, die jeweils in Abhängigkeit von der Exposition, Größe, Umgebung und Folgenutzung des Baggersees u. dgl. einen unterschiedlichen Beitrag zur Beeinträchtigung der freigelegten Wasserfläche und damit des Grundwassers leisteten. Die Entwicklung der Wasserqualität in einem Baggersee unterliege einem dynamischen Prozess, an dessen Ende immer ein eutrophiertes Gewässer stehe. Die Beurteilung der Entwicklung der Wasserqualität eines Baggersees könne daher nicht an einzelnen Analysedaten, die kurz nach Errichtung des Baggersees erhoben worden seien, beurteilt werden, sondern habe vor dem Hintergrund der natürlich und anthropogen bedingten Prozesse zu erfolgen. Im Hinblick auf die mit der Eutrophierung verbundene Beeinträchtigung des Abstromes im Grundwasser sollte der Eutrophierungsprozess möglichst langsam erfolgen, da durch den gleichzeitig ablaufenden Abdichtungsprozess die Gefahr eines Schadstoffaustrages aus dem Baggersee minimiert werde. Durch die genannten, vor allem anthropogen bedingten Einwirkungen würden jedoch die in einem Baggersee ablaufenden Prozesse begünstigt und beschleunigt, wodurch sich die Gefahr von Grundwasserverunreinigungen noch wesentlich erhöhe. Der Beschwerdeführer führe ins Treffen, dass der Baggersee im Vergleich zur umliegenden Grundwasserqualität eine exzellente Wassergüte aufweise und durch die Nassbaggerung eine weit gehende Verbesserung der Grundwasserqualität erreicht werden könne. Dazu sei zu bemerken, dass die genannten Untersuchungsergebnisse nicht vorlägen und die genannten Schlussfolgerungen mit Ausnahme einer geringfügigen Verringerung des Nitratgehaltes in Baggerseen auch aus anderen Untersuchungsergebnissen nicht ableitbar seien. Der Abdichtungsgrad sei neben zahlreichen anderen, die negative Beurteilung des Vorhabens begründenden Argumenten ins Treffen geführt worden. Sollte eine ausreichende Abdichtung des Baggersees noch nicht erfolgt sein, dann seien Einwirkungen auf die Grundwasserqualität in verstärktem Maß zu besorgen.

Auf diese letzte Äußerung des Sachverständigen reagierte der Beschwerdeführer mit Fristverlängerungsansuchen; eine Äußerung erfolgte aber nicht mehr.

Bereits am 5. Mai 1997 hatte ein Lokalaugenschein im Beisein des Beschwerdeführers stattgefunden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 11. April 1999 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid ab.

In der Begründung stützte sie sich im Wesentlichen auf die eingeholten Äußerungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen. Weiters führte sie auch noch aus, entscheidungsrelevant sei auch der rechtskräftige Bescheid der belangten Behörde vom 25. Mai 1998, mit welchem ein Ansuchen des Beschwerdeführers um Erstreckung der Bauvollendungsfrist für die mit Bescheid des LH vom 11. März 1985 wasserrechtlich bewilligte Nassbaggerung abgewiesen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die Wasseruntersuchungsergebnisse, die der Beschwerdeführer in seiner Berufung erwähnt habe, von Amts wegen beizuschaffen. Wären diese dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt worden, wäre dieser in seinem Gutachten zu einem anderen Ergebnis gekommen. Selbst wenn man keine Verpflichtung zur amtswegigen Beischaffung der Untersuchungsbefunde annehme, so hätte die belangte Behörde zumindest den Beschwerdeführer auffordern müssen, diese Befunde beizubringen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung erwogen:

Der Beschwerdeführer hat die wasserrechtliche Bewilligung für eine Nassbaggerung beantragt. Diese bedarf einer Bewilligung nach § 32 WRG 1959.

Für Bewilligungen nach § 32 WRG 1959 gelten die Grundsätze des § 12 WRG 1959.

Nach § 12 Abs. 1 WRG 1959 ist das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung derart zu bestimmen, dass das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

Nach § 105 Abs. 1 WRG 1959 kann im öffentlichen Interesse ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen bewilligt werden, wenn:

...

e)

die Beschaffenheit des Wassers nachteilig beeinflusst würde;

f)

eine wesentliche Behinderung des Gemeingebrauches, eine Gefährdung der notwendigen Wasserversorgung oder der Landeskultur entstehen kann.

Das geplante Vorhaben liegt innerhalb des örtlichen Geltungsbereiches der Rahmenverfügung für das Marchfeld (Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Februar 1964, BGBl. Nr. 32).

§ 1 dieser Rahmenverfügung bestimmt, dass das Grundwasservorkommen im Marchfeld - unbeschadet bestehender Rechte - der Wasserversorgung und der Bewässerung gewidmet wird.

Nach § 3 dieser Rahmenverfügung ist bei der Handhabung der Bestimmungen der §§ 9, 10 und 31 bis 34 WRG 1959 im Gebiet der Rahmenverfügung maßgebend, dass der Widmungszweck (§ 1) nicht beeinträchtigt wird. Vor allem ist darauf zu achten, dass das Grundwasser seiner Menge und Beschaffenheit nach dem Widmungszweck dauernd erhalten bleibt und die verschiedenen wasserwirtschaftlichen Interessen (Wasserversorgung, Bewässerung, Abwasserbeseitigung, Hochwasserschutz) zur Ermöglichung einer gesunden wasserwirtschaftlichen Entwicklung dieses Gebietes aufeinander abgestimmt werden.

Die Rahmenverfügung enthält kein Verbot anderer Wassernutzungen als jener zu Zwecken der Wasserversorgung und der Bewässerung; vielmehr wird (lediglich) eine Koordinierung aller möglichen Wassernutzungszwecke - sogar einschließlich der Abwasserbeseitigung - verlangt, wobei das Ziel der Reinhaltung des Grundwassers zu Trinkwasserzwecken zu beachten ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1999, 98/07/0090).

Der im angefochtenen Bescheid als entscheidungsrelevant bezeichnete Bescheid der belangten Behörde vom 25. Mai 1998 und die darin genannten Gründe könnten die nunmehr angefochtene Entscheidung nicht tragen. Mit dem erwähnten Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erstreckung der Bauvollendungsfrist für die bereits bestehenden Nassbaggerungen abgewiesen. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1999, 98/07/0090, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil seine Begründung unzureichend war.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid aber nicht allein mit dem Hinweis auf die Gründe dieses aufgehobenen Bescheides begründet, sondern vielmehr auch mit den von ihr eingeholten Sachverständigengutachten. In diesen Gutachten, denen der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist, wird - anders als in dem mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1999, 98/07/0090, entschiedenen Fall - eingehend und nachvollziehbar erläutert, dass und aus welchen Gründen eine Verwirklichung des Projektes des Beschwerdeführers nachteilige Einwirkungen auf die Beschaffenheit des Grundwassers hätte, die weit über den Grad der Geringfügigkeit hinausgehen und die damit der Erhaltung dieses Grundwassers für Trinkwasserzwecke zuwiderlaufen.

Projekte aber, die in einem von einer Rahmenverfügung erfassten Gebiet derartige Auswirkungen haben, sind nicht bewilligungsfähig, da sie der Rahmenverfügung und damit öffentlichen Interessen zuwiderlaufen.

Der Beschwerdeführer hat in der Berufung und auch in seinen Stellungnahmen zu den Äußerungen des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik immer wieder auf nicht näher bezeichnete Wasseruntersuchungen hingewiesen. Wie angesichts dieser unbestimmten Hinweise die belangte Behörde die Möglichkeit gehabt haben sollte, diese Befunde von Amts wegen beizuschaffen, bleibt unerfindlich.

Dem Beschwerdeführer wurde auch eröffnet, dass der Amtssachverständige zu diesen Befunden nicht Stellung nehmen könne, weil sie ihm nicht vorliegen. Dem Beschwerdeführer musste damit bewusst sein, dass es an ihm gelegen war, die Befunde vorzulegen. Dies ist nicht geschehen. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, gegen die die belangte Behörde verstoßen habe, geht fehl, weil diese Rechtsprechung lediglich besagt, dass die Behörde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens im Rahmen ihrer Möglichkeiten amtswegig vorzugehen hat und dass sie die Beweislast nicht auf die Partei verschieben darf. Dies hat die belangte Behörde aber ohnehin nicht getan.

Davon abgesehen sind die vom Beschwerdeführer in den Vordergrund seiner Argumentation gestellten Wasseruntersuchungsbefunde aber ohnedies belanglos. Sie beziehen sich auf die Wasserqualität in bestehenden Baggerseen, während es im Beschwerdefall um die Bewilligung für eine neue Nassbaggerung geht. Der Amtssachverständige hat an mehreren Stellen seiner verschiedenen Äußerungen klargestellt, dass auch Befunde über eine gute Wasserqualität der bestehenden Baggerseen nichts daran zu ändern vermögen, dass die geplante Erweiterung, die sich zudem in der Nähe von für den Eintrag von Schadstoffen besonders relevanten Deponien befindet, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verunreinigung des Grundwassers führen wird.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999070110.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten