TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/19 I420 2187954-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.06.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I420 2187954-1/4E

I420 2187958-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, sowie der minderjährigen XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, beide vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.01.2018, Zl. 1130889510-161307915/BMI-BFA_SBG_AST_01 und 1145304005-170309211/BMI-BFA_SBG_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.06.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX und XXXX der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 19.06.2019 erteilt.

IV. In Erledigung der Beschwerden werden die Spruchpunkte III. bis

VI. der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Verfahren der am XXXX geborenen Erstbeschwerdeführerin sowie ihrer minderjährigen Tochter, der am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführerin, sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 28.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 29.09.2016 wurde die Erstbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre Familienangehörigen Sklaven auf einer Farm in Borno gewesen seien. Nachdem ihre Eltern verstorben seien, sei sie vom Farmbesitzer missbraucht worden und habe Magenschmerzen bekommen, an welchen sie immer noch leide. Mit neunzehn Jahren sei ihr dann, als der Farmbesitzer einmal nicht anwesend gewesen sei, die Flucht gelungen. Bei einer Rückkehr befürchte sie, umgebracht zu werden, zumal ihr der Farmbesitzer auch gedroht habe, sie dürfe niemandem von den Misshandlungen berichten.

Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin geboren und am 10.03.2017 brachte die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag für diese ein.

In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 16.08.2017 wiederholte die Erstbeschwerdeführerin, dass sie nach dem Tod ihrer Eltern von ihrem "Master" in Borno missbraucht worden sei und auch entsprechende Verletzungen an ihrem Körper habe. Zur Polizei sei sie nicht gegangen, da ansonsten ihr "Master" die Polizei bestochen hätte, in Borno gäbe es nämlich Korruption. In einen anderen Bundesstaat Nigerias habe sie auch nicht flüchten können, da sie keine anderen Orte gekannt habe und man sie auch an den "Master" verraten hätte können. Nähere Angaben zu Borno (örtliche Begebenheiten, Straßennahmen, gesprochene Sprachen, Volksgruppen usw.) konnte die Erstbeschwerdeführerin nicht machen. Außerdem habe sie weder Verwandte noch Bekannte in Nigeria. Auf ihrer Flucht sei sie in Libyen vergewaltigt und schwanger geworden.

In der Folge wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen mit den im Spruch genannten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.01.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführerinnen Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide). Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin wurde als nicht glaubhaft angesehen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass den Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr nach Nigeria Gefahren drohen würden, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr ihre Lebensbedürfnisse nicht weiterhin befriedigen können würde. Ferner könne davon ausgegangen werden, dass die Erstbeschwerdeführerin in Nigeria Freunde und Verwandte habe. Außerdem sei laut einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation eine Rückführung alleinstehender Frauen nach Nigeria zumutbar.

Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 23.01.2018 wurde den Beschwerdeführerinnen gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde fristgerecht am 16.02.2018 Beschwerde erhoben sowie eine Vollmacht für die Vertretung durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vorgelegt. Es wurde beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge die oben angeführten Bescheide zur Gänze beheben und den Beschwerdeführerinnen Asyl gemäß § 3 AsylG gewähren; in eventu die angefochtenen Bescheide zur Gänze beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt zurückverweisen (§ 66 Abs. 2 AVG, § 28 Abs. 3 und 4 VwGVG), für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG feststellen, dass den Beschwerdeführerinnen der Status der subsidiär Schutzberechtigten zukommt; sowie feststellen, dass die gemäß § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Vorrausetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG vorliegen und ihnen daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen ist; sowie in eventu feststellen, dass die Vorrausetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegen und ihnen daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist, eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG durchführen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.06.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die Beschwerdeführerinnen und ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Englisch wurde die Erstbeschwerdeführerin u.a. zu ihrer Identität, zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat, zu den Fluchtgründen sowie zu ihrem Leben in Österreich ausführlich befragt. Die Erstbeschwerdeführerin gab in Ergänzung zu ihrem bisherigen Vorbringen an, dass auf der Farm ihres "Masters" manchmal Übergriffe durch die Boko Haram stattgefunden hätten und Leute umgebracht worden seien.

Die Beschwerdevorlagen langten am 05.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerinnen:

Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige Nigerias. Sie sind somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz. Die Identität der Erstbeschwerdeführerin steht nicht fest, jene der Zweitbeschwerdeführerin steht fest.

Die Erstbeschwerdeführerin hält sich seit spätestens 28.09.2016 in Österreich auf. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren. Die Erstbeschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

Die Erstbeschwerdeführerin geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin in Nigeria aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.

Für die Zweitbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Die Beschwerdeführerinnen sind gesund.

Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin sind verstorben. Die Beschwerdeführerinnen haben in Nigeria kein familiäres oder sonstiges enges soziales Netzwerk.

Aufgrund einer besonderen Verletzlichkeit der Erstbeschwerdeführerin, die aus dem fehlenden sozialen und familiären Netzwerk in Nigeria sowie der fehlenden Berufsausbildung resultiert, besteht aber die reale Gefahr, dass die Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr nach Nigeria in eine menschenunwürdige Lage geraten würden. Es besteht die reale Gefahr, dass es den Beschwerdeführerinnen nicht möglich wäre, eine Unterkunft zu finden. Aufgrund der fehlenden sozialen Einbettung, der fehlenden beruflichen Erfahrung der Erstbeschwerdeführerin in Nigeria sowie dem Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes ist, ist davon auszugehen, dass sie nicht in der Lage wäre, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Es ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes wahrscheinlich, dass es der Erstbeschwerdeführerin nicht möglich wäre, sich und ihrem Kind das Existenzminimum zu sichern und dass sie in eine existentielle Notlage geraten würden.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerinnen sind gegenüber den in den angefochtenen Bescheiden vom 19.01.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. In den angefochtenen Bescheiden wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Congress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungs-partei behaupten (AA 21.11.2016). Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2017a).

Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person der Beschwerdeführerinnen gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Darüberhinaus sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen.

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 13.4.2016). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein. Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b).

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen (CIA 7.6.2017; vgl. GIZ 7.2017b). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch" (AA 21.11.2016). Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein Teil des Landes ist von starker Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist.

Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage insgesamt verbessert. Die nigerianischen Streitkräfte konnten den Großteil der von Boko Haram eingenommenen Territorien wieder zurückerobern, allerdings gelingt es ihnen kaum, diese Gebiete zu sichern (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 19.7.2017). In den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es weiterhin zu tödlichen Anschlägen der Islamisten; nur die Distriktzentren gelten als sicher (AA 21.11.2016). Boko Haram übte weiterhin Morde, Bombenan-schläge, Selbstmordanschläge und Angriffe auf zivile und militärische Ziele aus (USDOS 19.7.2017). Frauen und Kinder gerieten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend auch ins Visier von Boko Haram, die sie nach ihrer Entführung zur Konversion zum Islam und zur Heirat mit Kämpfern zwangen, als Arbeitssklaven missbrauchten oder verkauften (AA 21.11.2016). Viele von den Frauen werden sexuell versklavt oder zu Kämpferinnen ausgebildet (AI 14.4.2015; vgl. USDOS 3.3.2017) und als Selbstmordattentäterinnen eingesetzt (AI 24.2.2016). Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 3.3.2017). Im Jahr 2015 hat die nigerianische Regierung mehrere Schritte im Kampf gegen Boko Haram unternommen. So wurde im Laufe des Jahres von Mitgliedern des nigerianischen Militärs berichteten, dass seit Buhari sein Amt antrat, sie zunehmend die erforderlichen Ressourcen im Kampf gegen Boko Haram erhalten haben (USDOS 2.6.2016). In Lagos gibt es keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram. Die Terroristen sind nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (VA1 16.11.2015). Im Süden gibt es Schläfer-Zellen der Boko Haram. Trotzdem können z.B. Deserteure der Boko Haram in den Süden umsiedeln, wo sie sicher sind (VA2 16.11.2015).

Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen (GIZ 6.2016c; vgl. AA 5.2016), neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 3.12.2015).

Es ist davon auszugehen, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014).

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 7.2014).

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik. (IOM 8.2014). Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 4.7.2017). Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria (IRIN 13.7.2017). Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 21.11.2016). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 21.11.2016). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 3.3.2017). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten An-tibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 21.11.2016).

Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass ein ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführter Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt außerdem darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 7.2014).

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (5.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 5.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 12.6.2017

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/336585/479262_de.html, Zugriff 12.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

-

CIA - Central Intelligence Agency (7.6.2017): The World Factbook - Nigeria,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html, Zugriff 14.6.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

CFR - Council on Foreign Relations (2017): Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 25.7.2017

-

OSAC - Overseas Security Advisory Council (4.7.2017): Nigeria 2017 Crime and Safety Report - Abuja, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=21604, Zugriff 25.7.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (24.7.2017): Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 24.7.2017

-

CNN (16.1.2014): Group: Nigeria arrests gay 'suspects' under new law banning homosexuality,

http://edition.cnn.com/2014/01/16/world/africa/nigeria-anti-gay-law-arrests/, Zugriff 2.8.2017

-

DS1 - Diplomatic Source 1 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

DS2 - Diplomatic Source 2 (19.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

DS3 - Diplomatic Source 3 (18.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

DS4 - Diplomatic Source 4 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 2.8.2017

-

HL1 - Human Rights Lawyer 1 (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/334700/476453_de.html, Zugriff 2.8.2017

-

HRW - Human Rights Watch (20.10.2016): "Tell Me Where I Can Be Safe",

https://www.hrw.org/report/2016/10/20/tell-me-where-i-can-be-safe/impact-nigerias-same-sex-marriage-prohibition-act, Zugriff 6.7.2017

-

HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/295453/430485_de.html, Zugriff 2.8.2017

-

HRW - Human Rights Watch (15.1.2014): Nigeria - Anti-LGBT Law Threatens Basic Rights,

http://www.ecoi.net/local_link/267303/394560_de.html, Zugriff 2.8.2017

-

IO1 - International Health and Development Research Organisation (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

LLM - Representative of the Lawyers League for Minorities (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

MSMA - MSM-related NGO, Abuja (17.11.2015): Gruppendiskussion im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

MSMK - MSM-reltated NGO, Kaduna (19.11.2015): Gruppendiskussion im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

NBC - NBC News (20.4.2017): 53 Arrested in Nigeria for Celebrating Gay Wedding, Police Say,

http://www.nbcnews.com/feature/nbc-out/53-arrested-nigeria-celebrating-gay-wedding-police-n748931, Zugriff 6.7.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

PT - Premium Times (7.6.2017): Nigeria: Court Adjourns Gay Marriage Trial of 53 Persons,

http://allafrica.com/stories/201706080056.html, Zugriff 6.7.2017

-

Reuters (31.7.2017): Mass arrest of 40 gay men in Nigeria may harm HIV fight: activist,

http://www.reuters.com/article/us-nigeria-gay-idUSKBN1AG21W, Zugriff 2.8.2017

-

TIERs - The Initiative for Equal Rights (1.2017): 2016 Human Rights Violations Report,

https://drive.google.com/open?id=0B6uhCtKOrVJdZk1vYTVrLUM2UWM, Zugriff 2.8.2017

-

TIERs - The Initiative for Equal Rights (03.2016): 2015 Report on Human Rights Violations based on perceived sexual orientation and gender identity in Nigeria,

http://www.theinitiativeforequalrights.org/resources1/2015-Report-on-Human-Rights-Violations-Based-on-Real-or-Percieved-Sexual-Orientation-and-Gender-Identity-in-Nigeria-.pdf, Zugriff 2.8.2017

-

TT - The Telegraph (14.1.2014): Nigeria begins arrests after anti-gay law passed,

http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/africaandindianocean/nigeria/10571788/Nigeria-begins-arrests-after-anti-gay-law-passed.html, Zugriff 2.8.2017

-

UKHO - UK Home Office(3.2015): Country Information and Guidance Nigeria: Sexual orientation and gender identity, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1429090981_nga-cig-sogi-15-3-19-v-1-0.pdf, Zugriff 2.8.2017

-

VA1 - Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

UKHO - United Kingdom Home Office (10.8.2016): Country Information and Guidance Nigeria: Background information, including actors of protection and internal relocation, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 29.8.2016

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

-

FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 8.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/16296710/16800759/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801531&vernum=-2, Zugriff 8.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 4.7.2017

-

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

1.3. Zur Situation von Frauen und Kindern in Nigeria:

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. U

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten