Index
E1E;Norm
11997E234 EG Art234;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 99/0001 27. Februar 2002 * EuGH-Zahl: C-6/00 ASA Abfall Service * EuGH-Entscheidung:EuGH 62000CJ0006 27. Februar 2002 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2002/07/0035 E 21. März 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, in der Beschwerdesache der A AG in Graz, vertreten durch Dr. Christian Onz, Rechtsanwalt in Wien III, Ungargasse 59-61, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 19. Juni 1998, Zl. 31 3542/342-III/1/98-Re, betreffend Verbringung von Abfällen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist die zuständige Behörde am Versandort nach der Verordnung Nr. 259/93 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (Verordnung Nr. 259/93) befugt, die von der notifizierenden Person gemäß Art. 6 Abs. 5 fünfter Spiegelstrich der Verordnung Nr. 259/93 vorgenommene Zuordnung der Verwertung der zu verbringenden Abfälle zu einem Verwertungsverfahren gemäß Anhang II B der Richtlinie 75/442/EWG auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und im Falle, dass diese Zuordnung unzutreffend ist, die Verbringung der Abfälle zu untersagen?
2. Kann sich die zuständige Behörde am Versandort mit der gegen die Verbringung von Abfällen erhobenen Einwandsbegründung, die geplante Verbringung der Abfälle erfolge entgegen den von der notifizierenden Person auf dem Begleitschein vorgenommenen Einstufung nicht zu Zwecken der Verwertung, sondern zur Beseitigung, auf den Einwandtatbestand des Art. 7 Abs. 4 lit. a fünfter Spiegelstrich der Verordnung Nr. 259/93 stützen?
3.
Im Falle der Verneinung von Frage 2:
4.
Auf welche Bestimmung der Verordnung Nr. 259/93 oder des sonstigen Gemeinschaftsrechts kann sich die zuständige Behörde am Versandort bei der Versagung der Verbringung von Abfällen stützen, wenn die Verbringung entgegen den Angaben der notifizierenden Person nicht zum Zweck der Verwertung, sondern zum Zweck der Beseitigung erfolgt?
5. Ist jede Einbringung von Abfällen in ein Bergwerk unabhängig von den konkreten Umständen dieser Einbringung als Beseitigung der Abfälle im Sinne der Verordnung Nr. 259/93 in Verbindung mit Anhang II/A der Richtlinie 75/242/EWG (Verfahren D12) anzusehen?
6.
Im Falle der Verneinung von Frage 4:
7.
Nach welchen Kriterien ist die Zuordnung zu den Verfahren des Anhanges II der Richtlinie 75/442/EWG vorzunehmen?
Begründung
I. Zum Sachverhalt:
Mit Eingabe vom 2. März 1998 notifizierte die A AG dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie die Absicht, 7.000 t gefährlicher Abfälle der Schlüssel-Nr. 31308 der ÖNORM S 2100 zur südwestdeutschen Salzwerke AG, Salzbergwerk Kochendorf, Bundesrepublik Deutschland, zu verbringen.
Bei den zu verbringenden Abfällen handelt es sich nach den Angaben der antragstellenden Gesellschaft um Schlacken, die als Rückstände beim Betrieb der Sonderabfallverbrennungsanlage Wien-Simmering und der beiden Müllheizkraftwerke Spittelau und Flötzersteig anfallen und in einer Abfallbehandlungsanlage der Stadt Wien zu einem - wie die antragstellende Gesellschaft sich ausdrückt - "spezifischen Produkt" aufbereitet werden.
Die Abfälle (Schlacken) sollen in einem in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Bergwerk zur Sicherung von Hohlräumen eingebracht werden (Bergversatz). Vom Regierungspräsidium Stuttgart wurde der A AG mitgeteilt, dass die Schlacke als Versatz im Bergwerk Kochendorf laut Entscheidung des Landesbergamtes vom 17. Februar 1997 eingebracht werden könne, dass dies aus der Sicht des Regierungspräsidiums Stuttgart eine Verwertung sei und dass daher einer Genehmigung der beantragten Notifizierung von Seiten des Regierungspräsidium Stuttgart voraussichtlich nichts entgegenstehe.
In den Notifizierungsunterlagen hat die A AG die geplante Verwendung der zu verbringenden Abfälle als Verwertung eingestuft und sie dem Verfahren R5 (Verwertung/Rückgewinnung von anorganischen Stoffen) zugeordnet.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 19. Juni 1998 erhob der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie gegen die Verbringung von 7.000 t gefährlicher Abfälle der Schlüssel-Nr. 31308 zur südwestdeutschen Salzwerke AG, Salzbergwerk Kochendorf, den Einwand gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. a fünfter Spiegelstrich der Verordnung Nr. 259/93.
Begründet wurde dieser Bescheid damit, bei der Verbringung von Abfällen nach der Verordnung Nr. 259/93 bestehe die Notwendigkeit, die beabsichtigte Behandlung einem Verfahren gemäß Anhang II der Richtlinie 75/442/EWG zuzuordnen. Bei Betrachtung der Anhänge II A und II B ergebe sich, dass ein Verfahren, nämlich das Verfahren D 12 "Dauerlagerung (z.B. Lagerung von Behältern in einem Bergwerk u.s.w.)" eindeutig die Einlagerung von Abfällen in Bergwerken beschreibe, während die mögliche Zuordnung zu Anhang II B mit dem Verfahren R 5 "Verwertung/Rückgewinnung von anorganischen Stoffen" lediglich eine sehr allgemeine Beschreibung darstelle, welche offenkundig nicht auf eine Dauerlagerung, sondern auf eine stoffliche Rückgewinnung abziele. Damit finde sich mit dem Verfahren D 12 eine konkrete Beschreibung unter den Verfahren im Anhang II A. Dem gegenüber stelle das Verfahren R 5 eine allgemeine Beschreibung dar, die auf eine Vielzahl von Behandlungsarten mehr oder weniger zutreffe. Aufbauend auf diesen Überlegungen habe auch die Kommission die Ansicht geäußert, dass Bergversatz von Abfällen jedenfalls dem Verfahren D 12 zuzuordnen sei. Die Ausführungen der notifizierenden Person (der A AG), verschiedene deutsche Urkunden bewiesen, dass eine stoffliche Verwertung vorliege, seien nicht relevant, da es sich dabei um deutsche Rechtsakte handle, die weder vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie anzuwenden seien noch für die Interpretation der Anhänge II A und II B der Richtlinie 75/442/EWG herangezogen werden könnten. Die zuständigen Behörden am Versandort und am Bestimmungsort könnten gegen die geplante Verbringung mit Gründen zu versehende Einwände erheben, und zwar, wenn der Anteil an verwertbarem und nicht verwertbarem Abfall, der geschätzte Wert der letztlich verwertbaren Stoffe oder die Kosten der Verwertung und die Kosten der Beseitigung des nicht verwertbaren Anteils eine Verwertung unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten nicht rechtfertigen (Art. 7 Abs. 4 lit. a fünfter Spiegelstrich der Verordnung Nr. 259/93). Dieser Einwandsgrund gehe augenscheinlich von einem Verhältnis zwischen verwertbarem und nicht verwertbarem Anteil aus. Er sei aber auch dann analog anzuwenden, wenn der Anteil an verwertbarem Material null sei, da der Einwandsgrund sonst sinnlos wäre. Eine notifizierende Person müsste z.B. nur behaupten, dass Abfälle zur hundertprozentigen Verwertung auf eine Deponie verbracht werden sollten und die Behörde am Versandort hätte keine Möglichkeit, einen Einwand zu erheben. In diesem Fall würden auch die anderen Einwandsgründe des Art. 7 der Verordnung Nr. 259/93 nicht greifen, wenn es sich z.B. um eine ordnungsgemäße Deponie in Deutschland handelte. Eine solche sinnlose Bestimmung könne der Verordnung nicht unterstellt werden.
Bei der vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie in der Begründung dieses Bescheides erwähnten Äußerung der Kommission dürfte es sich um ein Schreiben der Kommission (Antwort auf eine Anfrage) vom 5. Dezember 1997, Zl. E-3280/97DE handeln. In diesem Schreiben heißt es (Punkt 1.), die Kommission betrachte den Bergversatz als Entsorgungsart nach Anhang II A der Richtlinie 75/442/EWG.
Gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie hat die A AG Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Darin vertritt sie die Auffassung, die Meinung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie, jede Einlagerung von Abfällen in Bergwerken falle unter das Verfahren D 12, sei unzutreffend. Vielmehr sei zuerst zu prüfen, ob eine Beseitigung oder Verwertung vorliege und dann erst sei eine Zuordnung zu einem der in Anhang II A oder B genannten Verfahren möglich. Die Behörde hätte Ermittlungsschritte in Bezug auf die Bestimmungsanlage vornehmen müssen. Außerdem sei die Einwandsbegründung, es liege keine Verwertung, sondern eine Beseitigung vor, nicht vom Einwandstatbestand des Art. 7 Abs. 4 lit. a fünfter Spiegelstrich der Verordnung Nr. 259/93 gedeckt.
II. Zu den Voraussetzungen der Vorlage:
Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 234 EGV, also ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.
Die gestellten Fragen sind entscheidungserheblich, Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu diesen Fragen fehlen soweit ersichtlich, und die anzuwendenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sind, was die Beantwortung dieser Fragen anlangt, unklar.
III. Zu den Fragen:
Titel II der Verordnung Nr. 259/93, der mit "Verbringung von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten" überschrieben ist, enthält zwei gesonderte Abschnitte, von denen der eine (Abschnitt A) das Verfahren bei der Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen und der andere (Abschnitt B) das Verfahren bei der Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen behandelt. Das für die zweite Kategorie von Abfällen vorgesehene Verfahren ist weniger streng als das für die erste Kategorie geltende (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Juni 1998, Sammlung. der Rechtsprechung 1998, Seite I-4075). Das legt die Auffassung nahe, dass es der zuständigen Behörde am Versandort (wie auch der zuständigen Behörde am Bestimmungsort) möglich sein müsste, eine Verbringung, die von der notifizierenden Person als Verbringung zur Verwertung eingestuft wurde, zu untersagen, wenn die Behörde feststellt, dass diese Einstufung nicht zutrifft, sondern eine Verbringung zur Beseitigung vorliegt. Es scheint aber fraglich, ob die Verordnung Nr. 259/93 eine solche Ermächtigung für die Behörde enthält. Insbesondere scheint auch zweifelhaft, ob der Einwand nach Art. 7 Abs. 4 lit. a fünfter Spiegelstrich der Verordnung herangezogen werden kann, wenn anstelle der von der notifizierenden Person notifizierten Verbringung von Abfällen zur Verwertung tatsächlich eine Verbringung von Abfällen zur Beseitigung vorliegt.
Zweifel bestehen auch an der vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie geäußerten Auffassung, die Einbringung von Abfällen in die Hohlräume eines Bergwerkes (Bergversatz) zu Zwecken der Bergwerkssicherung sei unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalles als Beseitigung von Abfällen zu werten. Der Bundesminister kann sich dabei allerdings auf eine Äußerung der Kommission stützen.
Völlig unklar ist schließlich auch, wie bei der Zuordnung der Verwendung der zu verbringenden Abfälle zu den Verfahren nach dem Anhang II der Richtlinie 75/442/EWG vorzugehen ist. Der Anhang enthält lediglich kurze Verfahrensbezeichnungen, die für sich allein wenig aussagekräftig sind und eine Zuordnung einer konkreten Abfallverbringung im Einzelfall fast unmöglich machen, da sie so allgemein gehalten sind, dass eine konkrete Abfallverwendung sich in vielen Fällen unter mehrere der im Anhang angeführten Verfahren wird einordnen lassen. Insbesondere ist die Abgrenzung zwischen Beseitigungsverfahren auf der einen und Verwertungsverfahren auf der anderen Seite unklar, da der Anhang keine Definition der Verwertung enthält. Diese Probleme zeigen sich mit aller Deutlichkeit beim vorliegenden Fall, in welchem zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittig ist, ob die Einbringung von Abfällen in ein Bergwerk dem Verfahren D 12 (Beseitigung) oder dem Verfahren R 5 (Verwertung) zuzuordnen ist.
Gemäß Art. 234 EGV waren daher die im Spruch formulierten Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Wien, am 16. Dezember 1999
Gerichtsentscheidung
EuGH 61996CJ0203 Chemische Afvalstoffen Dusseldorp VORAB;Schlagworte
Abfallwirtschaft Verbringung von Abfällen in stillgelegtes Bergwerk Abfallverbringung in stillgelegtes Bergwerk SchlackenexportEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999070116.X00Im RIS seit
31.01.2002Zuletzt aktualisiert am
20.04.2012