TE Vwgh Beschluss 1999/12/16 97/16/0419

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Veröffentlicht am 16.12.1999
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Index

E1E;
E3L E09303000;
E6J;
yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/06 Verkehrsteuern;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art1;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art10;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art12 Abs1 lite;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art3 Abs1;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art3 Abs2;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs1 litb;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art6;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61991CJ0071 Ponente Carni VORAB;
61991CJ0280 Viessmann VORAB;
61995CJ0188 Fantask A/S VORAB;
61996CJ0347 Solred SA VORAB;
GebG 1957 §33 TP16 Abs1 litb;
KVG 1934 §1 Z1;
KVG 1934 §38 Abs2 idF 1994/629;
KVG 1934 §4 Abs2 Z1 idF 1994/629;
KVG 1934 §4 Abs2 Z2 idF 1994/629;
KVG 1934 §5;
VwGG §38a;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 99/0113 * EuGH-Zahl: C-508/99 Palais am Stadtpark * EuGH-Entscheidung:EuGH 61999CJ0508 16. Mai 2002 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2002/16/0141 E 18. Juni 2002 VwSlg 7724 F/2002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, in der Beschwerdesache der P Ges.m.b.H & Co KG in W, vertreten durch Hausmaninger, Herbst und Wietrzyk, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. September 1997, GZ GA 9-1536/96, betreffend Gesellschaftsteuer, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, ABl Nr L 249 vom 3. Oktober 1969, 25 ff, insbesondere Artikel 6, dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, Gesellschaftsteuer auf die Kommanditeinlagen einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft (KEG) bei Eintritt einer GmbH als Komplementärin zu erheben, wenn das zu besteuernde Gesellschaftskapital bereits einer Abgabe wie jener des § 33 TP 16 Abs 1 lit b Gebührengesetz 1957, BGBl 267/1957, vor Inkrafttreten der Richtlinie 69/335/EWG unterworfen worden war ?

Begründung

1) Sachverhalt:

Die beschwerdeführende Partei wurde 1982 als Kommanditgesellschaft mit dem Gesellschaftszweck der Verwaltung eines Hotelunternehmens gegründet. Von diesem Gesellschaftsvertrag über die Begründung der Kommanditgesellschaft wurde nach § 33 TP 16 Abs 1 Z 1 lit b GebG 1957 in der damals anzuwendenden Fassung, insbesondere vor Aufhebung des § 33 TP 16 GebG durch Art IV Z 2 des Bundesgesetzes BGBl 629/1994, eine Rechtsgebühr vom Werte der bedungenen Vermögenseinlagen (Kommanditeinlagen in Höhe von S 157,025.000,--) vorgeschrieben und entrichtet. Die Gesellschaftsform der Beschwerdeführerin wurde im März 1994 von einer Kommanditgesellschaft (kurz "KG") in eine Kommanditerwerbsgesellschaft (kurz "KEG") geändert.

Mit Abtretungsvertrag vom 17. Mai 1996 traten die bisherigen persönlich haftenden Gesellschafter Francis Lustig und Lorenz G Birker ihre Geschäftsanteile an der KEG an die Rudolf Hinteregger GmbH ab. Die Rudolf Hinteregger GmbH ist damit einzige persönlich haftender Gesellschafterin der KEG geworden.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die verbleibende Kommanditistin der KEG, die Palais am Stadtpark Hotel Betriebsaktiengesellschaft, durch diesen Eintritt der GmbH als Komplementärin erstmals Gesellschaftsrechte an einer "Kapitalgesellschaft" erworben hat. Mit vorläufigem Bescheid vom 25. Juli 1996 schrieb es der Beschwerdeführerin daher Gesellschaftsteuer in Höhe von 1 % der Kommanditeinlage gemäß § 2 Abs 1 Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, DRGBl I, S 1058 idF BGBl 629/1994, vor.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 26. August 1996 Berufung. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, derzufolge der Eintritt einer GmbH in eine KG (bzw eine KEG) als Fall des "Ersterwerbs von Gesellschaftsrechten" iSd § 2 Abs 1 KVG zu werten sei, könne mit den Bestimmungen der seit 1. Jänner 1995 in Österreich geltenden Richtlinie 69/335/EWG nicht vereinbart werden. Bei Errichtung der KG im Jahre 1982 hätte die Beschwerdeführerin gemäß § 33 TP 16 Abs 1 GebG eine Rechtsgebühr in Höhe von 2 % der Pflichteinlagen entrichten müssen. Die nun erfolgte Besteuerung derselben Pflichteinlage nach § 2 Abs 1 KVG sei eine zweite Belastung derselben Kapitalzufuhr, die nach der Rechtsprechung des EuGH den Grundsätzen der genannten Richtlinie widerspreche.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 23. September 1996 wies die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung als unbegründet ab. Die Gesellschaftsteuerrichtlinie 335/69/EWG beziehe sich "expressis verbis" nur auf die "Gesellschaftsteuer", nicht aber auf Gebühren wie jene des § 33 TP 16 GebG. Von einer "Doppelbelastung" könne daher nicht gesprochen werden. Außerdem sei ein EU-konformes Vorgehen nach den Bestimmungen der Richtlinie erst ab dem 1. Jänner 1995 geboten.

Am 22. Oktober 1996 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

In dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. September 1997 folgte die belangte Behörde der Rechtsauffassung des Finanzamtes und wies die Berufung mit folgender Begründung ab:

Das Gesellschaftskapital der Beschwerdeführerin sei nur ein einziges Mal mit "Gesellschaftsteuer" belastet worden. Die Rechtsgebühr iSd § 33 TP 16 GebG könne nicht der "Gesellschaftsteuer" gleichgehalten werden, da der Tatbestand des § 33 TP 16 GebG nicht nur an den Abschluss von Gesellschaftsverträgen, sondern auch an die Errichtung einer Urkunde anknüpfe. Außerdem könnten nach der Gesellschaftsgründung neue Einlagen, welche die Kapitalausstattung der Gesellschaft erhöhen, geleistet werden. Da über solche Kapitalerhöhungen "oft keine Urkunde" errichtet würde, sage die Tatsache der Gebührenpflicht gemäß § 33 TP 16 GebG "für sich allein" noch nichts darüber aus, in welcher Höhe eine später vorhandene Kapitalausstattung tatsächlich mit der Rechtsgebühr belastet sei. Schließlich sei die Vergebührung der Kommanditeinlage nach § 33 TP 16 GebG vor Österreichs Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 und dem Inkrafttreten der Richtlinie 69/335/EWG erfolgt. Eine "rückwirkende Umdeutung" fordere das Gemeinschaftsrecht aber nicht.

2) Die maßgeblichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts:

Die Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, ABl Nr L 249 vom 3. Oktober 1969, 25 ff, (in der Folge: "Richtlinie"), will den freien Kapitalverkehr fördern, der als wesentliche Voraussetzung für die Schaffung einer Wirtschaftsunion mit ähnlichen Eigenschaften wie ein Binnenmarkt angesehen wird. Die Verfolgung dieses Zieles setzt hinsichtlich der Steuern auf die Ansammlung von Kapital voraus, dass die in den Mitgliedstaaten bisher geltenden indirekten Steuern aufgehoben und durch eine innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur einmal und in allen Mitgliedstaaten in gleicher Höhe erhobene Steuer ersetzt werden. Die indirekten Steuern, welche die gleichen Merkmale aufweisen wie eine Gesellschaftsteuer, unterliegen dem Verbot des Artikels 10 der Richtlinie. Verboten ist die Erhebung von Steuern, die unabhängig von ihrer Form wegen der Gründung einer Kapitalgesellschaft (Buchstabe a) zu entrichten sind oder im Hinblick auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann (Buchstabe c), anfallen.

Als "Kapitalgesellschaften" gelten gemäß Art 3 Abs 1 der Richtlinie "Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und börsenfähige Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristische Personen". Diesen "Kapitalgesellschaften" sind gemäß Art 3 Abs 2 Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen, die einen Erwerbszweck verfolgen, gleichzuhalten, wenn der betreffende Mitgliedstaat nicht "davon absieht", diese als "Kapitalgesellschaften" zu betrachten.

Art 4 Abs 1 lit b der Richtlinie lautet: "Der

Gesellschaftsteuer unterliegen die nachstehenden Vorgänge: (...) die Umwandlung einer Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person, die keine Kapitalgesellschaft ist, in eine Kapitalgesellschaft".

3) Die maßgeblichen Bestimmungen des österreichischen Rechts:

In der Folge werden Bestimmungen des Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, DRGBl I S 1058 idF BGBl 818/1993 als "KVG idF BGBl 818/1993" bezeichnet, die Bestimmungen des Kapitalverkehrsteuergesetzes idF des Bundesgesetzes BGBl 629/1994 hingegen als "KVG". Das Gebührengesetz 1957 BGBl 267/1957 wird mit "GebG" abgekürzt.

Gemäß § 5 KVG idF BGBl 818/1993 galten bis zum 31. Dezember 1994 als Kapitalgesellschaften "Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung (...), Personenvereinigungen, die Erwerbszwecke verfolgen, wenn alle Mitglieder nur mit ihrem Anteil für die Schulden der Vereinigung haften und ihre Anteile an Dritte übertragen können".

Seit dem 1. Jänner 1995 definiert § 4 Abs 1 KVG Kapitalgesellschaften als "Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung". Diesen Kapitalgesellschaften werden nach Abs 2 der genannten Bestimmung folgende Gesellschaften gleichgehalten:

"1. Kommanditgesellschaften, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört,

2. Kommandit-Erwerbsgesellschaften, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört

3. Gesellschaften, die nach ausländischem Recht gegründet worden sind und den in Abs 1 oder Abs 2 Z 1 oder Z 2 bezeichneten Gesellschaften entsprechen."

Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 KVG unterliegt der Gesellschaftsteuer "der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber".

§ 38 Abs 2 KVG lautet:

"(2) Rechtsvorgänge gemäß § 2 betreffend Kommandit-Erwerbsgesellschaften sind von der Gesellschaftsteuerpflicht ausgenommen, wenn der den Rechtsvorgang betreffende Vertrag der Gebühr gemäß § 33 TP 16 GebG 1957 in der vor dem 1. Jänner 1995 geltenden Fassung unterlegen ist."

§ 33 TP 16 Abs 1 lit b GebG lautete:

"(1) Gesellschaftsverträge, ausgenommen solche über Kapitalgesellschaften im Sinne des Kapitalverkehrsteuergesetzes, wodurch sich zwei oder mehrere Personen zur Verfolgung eines Erwerbszweckes verbinden,

1.a) ...

             b)        bei Widmung von Vermögenswerten  vom Werte

der bedungenen

Vermögenseinlage oder ihrer Erhöhung

     .................................................. 2 vH,

mindestens jedoch S 800,--".

Durch Art IV Z 2 des Bundesgesetzes BGBl 629/1994 wurde TP 16 Abs 1 des § 33 GebG mit Wirkung ab 1. Jänner 1995 aufgehoben.

4) Voraussetzungen der Vorlage:

Dem Verwaltungsgerichtshof ist im Rahmen der Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art 129 B-VG) auch die Sicherung der Konformität der österreichischen Verwaltung mit dem Gemeinschaftsrecht übertragen. Gemeinschaftsrecht, welchem unmittelbare Anwendbarkeit und Geltung zukommt, ist insofern "Gesetz" im Sinne der "Gesetzmäßigkeit" nach Art 129 B-VG.

Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art 234 Abs 3 EG, also ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.

Wie der EuGH im Urteil vom 6. Oktober 1982, RS 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg 1982, 3415 ff, ausgesprochen hat, hat ein Gericht im Sinne des Art 177 Abs 3 EGV (=Art 234 EG), wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht stellt, diese dem EuGH vorzulegen, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt". Der EuGH führt zum Fehlen vernünftiger Zweifel aus, das innerstaatliche Gericht dürfe nur dann davon ausgehen, dass ein solcher Fall für das Gericht vorliege, "wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde". Eine derartige Gewissheit besteht für den Verwaltungsgerichtshof nicht.

5) Erläuterungen zu den Vorlagefragen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Dorazil, Kurzkommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz, 2. Auflage, Wien 1997, 57, II.2.4 zu § 2; siehe etwa die Erkenntnisse vom 3. Oktober 1988, 87/15/0116; 10. Juli 1989, 88/15/0173) gilt unter anderem als "Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber" iSd § 2 Z 1 KVG der Eintritt einer Kapitalgesellschaft in eine KG (KEG) als Komplementärin, weil fingiert wird, dass die Kommanditisten der Personenhandelsgesellschaft durch diesen Vorgang Gesellschaftsrechte an einer "Kapitalgesellschaft" erwerben (auch wenn zivilrechtlich kein Erwerb von Kommanditanteilen vorliegt). Dieser Fall des "Ersterwerbs" von Gesellschaftsrechten an einer Kapitalgesellschaft wurde bei Anpassung des KVG an die Bestimmungen der Richtlinie 69/335/EWG durch das Bundesgesetz BGBl 629/1994 insofern bestätigt, als § 4 Abs 2 Z 1 und Z 2 KVG nunmehr auch Kommanditgesellschaften (Kommandit-Erwerbsgesellschaften), "zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört", ausdrücklich als "Kapitalgesellschaften" definiert.

Im Beschwerdefall erfüllt der Eintritt der Kapitalgesellschaft in die bestehende Kommandit-Erwerbsgesellschaft den Tatbestand nach § 2 Z 1 KVG. Der Wert der erworbenen Gesellschaftsrechte unterlag aber bereits als Vermögenseinlage bei Gründung der Gesellschaft der Rechtsgebühr iSd § 33 TP 16 GebG. Dabei kommt die Übergangsbestimmung des § 38 Abs 2 KVG nicht zur Anwendung, da eine Identität des Vorganges nicht gegeben ist. Daraus folgt, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, eine "Doppelbelastung" derselben Kapitaleinlage mit 2 % im Jahr 1982 und mit 1 % im Jahr 1996.

Die Richtlinie ermöglicht nun grundsätzlich den Mitgliedstaaten, die Umwandlung einer Personenhandelsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft als "Ersterwerb" von Gesellschaftsrechten der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen (siehe Art 4 Abs 1 lit b). Jedoch geht aus der von der Beschwerdeführerin genannten Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache C-280/91, Viessmann KG, Slg 1993, I-971, 989, Randnummer 20 hervor, dass Art 6 der Richtlinie einer "doppelten" Besteuerung derselben Kapitaleinlage entgegensteht.

Gegen die Anwendung der Rechtsprechung "Viessmann KG" könnte eingewendet werden, dass in dieser Rechtssache eine Kommanditeinlage zweimal mit der "Gesellschaftsteuer" iSd § 2 Abs 1 des deutschen KVG belastet wurde. Im Streitfall erfolgte die erste Besteuerung jedoch nicht nach dem (österreichischen) KVG, sondern nach dem Gebührengesetz. Für die Bejahung der Frage nach einer "Doppelbesteuerung" derselben Einlage ist daher entscheidend, ob die Rechtsgebühr nach § 33 TP 16 Abs 1 Z 1 lit b GebG der "Gesellschaftsteuer" gleichzuhalten ist und welche Bedeutung es hat, dass die erste Besteuerung noch vor Inkrafttreten der Richtlinie 69/335/EWG in Österreich erfolgt ist.

In der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften kommt zum Ausdruck, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie alle Steuern erfasst, die unabhängig von ihrer Form wegen der Gründung einer Kapitalgesellschaft oder im Hinblick auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehenden Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann, zu entrichten sind (EuGH, Urteil vom 20. April 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-71/91 und C-178/91, Slg 1993, I-1915, Randnummer 29). Weiters geht aus dieser Rechtsprechung hervor, dass auch Abgaben, die auf notarielle Urkunden für die Eintragung von Gesellschaftskapital erhoben werden, in den Anwendungsbereich des Art 10 der Richtlinie (vgl Urteil des EuGH vom 5. März 1998, Rechtssache C-347/96, Solred SA, Slg 1998, I-0937, Randnummer 26) fallen und verboten sind.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung erscheint dem Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, die Richtlinie beziehe sich nicht "expressis verbis" auf "Gebühren", unmaßgeblich. Gegen die Qualifizierung der Abgabe nach § 33 TP 16 Abs 1 Z 1 lit b GebG als "Gebühr" iSd Art 12 Abs 1 lit e der Richtlinie ist dabei einzuwenden, dass sich die Bemessungsgrundlage der Rechtsgebühr nach der angeführten Gesetzesstelle nicht "allein auf der Grundlage der Kosten der betreffenden Förmlichkeiten" ergab, sondern die Abgabe vom Wert der Vermögenseinlage zu erheben war (vgl dazu das Urteil des EuGH vom 2. Dezember 1997, in der Rechtssache C-188/95, Fantask, Slg 1977, I-6783). Ebenso ohne Bedeutung ist der Einwand, der Tatbestand des § 33 TP 16 Abs 1 Z 1 lit b GebG knüpfe im Gegensatz zur Gesellschaftsteuer auch an die Errichtung einer Urkunde an. Entscheidend für die Qualifikation als "Gesellschaftsteuer" iSd Art 1 der Richtlinie ist, wie aus der genannten Rechtsprechung des EuGH hervorgeht, vor allem die Belastungswirkung der in Rede stehenden Abgabe. Unter diesem Gesichtspunkt aber gleicht die Rechtsgebühr nach § 33 TP 16 GebG der Gesellschaftsteuer.

Die österreichische Lehre (Rief, ÖStZ 1995, 57 und in SWK 1994, A 479) betrachtet demzufolge § 33 TP 16 GebG auch als "Gesellschaftsteuer" iSd Art 1 der Richtlinie. Auch der österreichische Gesetzgeber scheint die Rechtsgebühr nach § 33 TP 16 GebG als Abgabe zu qualifizieren, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, da diese Rechtsgebühr mit dem Beitritt Österreichs aufgehoben wurde, gleichzeitig aber von einer (allgemeinen) Einbeziehung der Personengesellschaften in die Gesellschaftsteuerpflicht deswegen Abstand genommen wurde, weil bei diesen Gesellschaften ein Kapitalverkehr im Sinn der Zusammenballung und Bewegung des unpersönlichen (anonymen) Kapitals in der Regel nicht stattfindet (siehe auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Bundesgesetzes BGBl 629/1994, 1713 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen, XVIII. GP, 12, vorletzter Absatz; arg. "§ 33 TP 15 GebG und § 33 TP 16 GebG werden daher ersatzlos aufgehoben").

Zum zeitlichen Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechtes ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, dass der dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Sachverhalt erst nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union verwirklicht worden ist. Hinsichtlich dieses Sachverhaltes (Eintritt einer Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter) ist zu beurteilen, ob die betroffene Kapitaleinlage bereits der Steuer oder einer dieser gleichzuhaltenden Steuer unterlegen ist. Bei Identität der Einlage erscheint dabei nicht von Bedeutung, ob im Zeitpunkt der Erstbesteuerung der Einlage das Doppelbelastungsverbot im Sinne des Art 6 der Richtlinie bereits anzuwenden war. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde stellt sich dabei nicht die Frage einer generellen Rückwirkung der Richtlinie auf vor ihrem Inkrafttreten bewirkte Tatbestände. Die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie vollzogene Besteuerung kann vielmehr als Tatbestandsmerkmal einer Befreiung des nach dem Inkrafttreten der Richtlinie bewirkten Vorganges angesehen werden. Somit scheint ein vor Inkrafttreten des Rechtsaktes (hier: einer Richtlinie) verwirklichter Sachverhalt (hier: erste Belastung der Einlage mit einer Rechtsgebühr nach § 33 TP 16 GebG) bei der späteren Anwendung des Rechtsaktes auf neu verwirklichte Sachverhalte (hier: Umwandlung der KEG in eine GmbH & Co KEG) beachtlich.

Da aus der Richtlinie 69/335/EWG selbst (weder aus dem normativen Teil, noch aus der Präambel) bzw aus der Rechtsprechung des EuGH zu dieser Richtlinie eine klare Antwort auf die dargelegten Rechtsfragen nicht ersichtlich ist, scheint die Lösung für den Verwaltungsgerichtshof nicht "derart offenkundig", dass für einen Zweifel im Sinne der Rechtsprechung C.I.L.F.I.T (Urteil vom 6. Oktober 1982, RS 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg 1982, 3415 ff) kein Raum bliebe. Die oben genannte

Frage wird daher an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gem Art 234 EG vorgelegt.

Wien, am 16. Dezember 1999

Gerichtsentscheidung

EuGH 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
EuGH 61991CJ0071 Ponente Carni VORAB;
EuGH 61991CJ0280 Viessmann VORAB;
EuGH 61995CJ0188 Fantask A/S VORAB;
EuGH 61996CJ0347 Solred SA VORAB;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997160419.X00

Im RIS seit

17.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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