TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/12 G304 2200240-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.07.2018
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Entscheidungsdatum

12.07.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs3

Spruch

G304 2200240-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, vertreten durch RA Mag. David SPAHIJA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2018, Zl. XXXX, und gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 11.06.2018, 11:12 Uhr, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.07.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 01.06.2018 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit ersatzlos zu beheben.

3. Am 09.07.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

4. Am 12.07.2018 wurde vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher der Rechtsvertreter des BF betont habe, dass es dem BF auf einen Verdacht des BFA hin, dass das Heimreisezertifikat in Kürze einlangen werde, nicht zumutbar sei, weiterhin in Schubhaft zu bleiben, und in einem Antwortschreiben des russischen Ministeriums hinsichtlich eines Heimreisezertifikates für den BF ausdrücklich von einer Ablehnung die Rede gewesen sei. Der Behördenvertreter hingegen beharrte darauf, dass die seitens des russischen Ministeriums abgegebene Ablehnung nur vorübergehender Natur gewesen sei und "weitere Ermittlungsschritte eingeleitet werden und von einer zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates ausgegangen wird".

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Bescheid des BFA vom 09.01.2015 wurden die Anträge des BF und seiner Eltern auf internationalen Schutz vom 19.09.2014 abgewiesen, dem BF kein Aufenthaltstitel erteilt, festgestellt, dass die Abschiebung des BF und seiner Eltern in die Russische Föderation zulässig sei, und der Familie eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen eingeräumt.

1.2. Nach Eintritt der Rechtskraft dieser Bescheide im Oktober 2017 leitete die belangte Behörde im November 2017 ein Verfahren zur Außerlandesbringung des BF und seiner Eltern ein.

1.3. Am 01.02.2018 folgte die Einleitung eines Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF.

1.4. Am 18.04.2018 gab der bevollmächtigte Rechtsvertreter des BF der belangten Behörde in einer Stellungnahme bekannt, dass eine Abschiebung des BF nach Russland aufgrund neu hervorgekommener Beweismittel nicht möglich sei.

1.5. Es folgten Ladungen des BF und seiner Eltern am 20.04.2018 zu einer Einvernahme am 07.05.2018, am 07.05.2018 zu einer Einvernahme am 14.05.2018 und am 14.05.2018 zu einer Einvernahme am 29.05.2018. Der BF und seine Eltern sind jedoch zu all diesen Einvernahmeterminen nicht erschienen. Ihr zunächst angeblich krankheitsbedingtes Nichterscheinen bei der Einvernahme konnte vom Rechtsvertreter nicht bescheinigt werden. Der Rechtsvertreter des BF, der beim letzten Ladungstermin am 29.05.2018 erschienen ist, teilte der belangten Behörde mit, dass "der BF und seine Eltern sich zwar in der Nähe des Bundesamtes in (...) aufhalten würden, zu einer Einvernahme jedoch nicht erscheinen wollen, da sie laut ihrem Anwalt nicht in ihre Heimat abgeschoben werden wollten."

1.6. Am 29.05.2018 wurde seitens des Rechtsvertreters des BF ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.7. Am 11.06.2018 wurde der BF festgenommen und wegen von der belangten Behörde ausgegangener hoher Fluchtgefahr über den BF am 11.06.2018, 11:12 Uhr, die Schubhaft verhängt.

1.8. Der BF stellte am 01.07.2018 aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie des Gerichtsaktes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A) I.

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 132 Abs. Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

(...).

3.2. Zu Spruchteil A):

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das BVwG ist nach § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde, wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 FPG lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(...)

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

(...)

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhaltes (...) höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen."

3.2.1. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von (...) heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

3.2.2. Im gegenständlichen Fall wurde am 01.02.2018 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet. Am 18.04.2018 langte - noch vor Ausfertigung gegenständlich angefochtenen Mandatsbescheides am 01.06.2018 - eine Stellungnahme bei der belangten Behörde ein, wonach eine Abschiebung des BF nach Russland "aufgrund neu hervorgekommener Beweismittel" nicht möglich sei.

Im angefochtenen Mandatsbescheid vom 01.06.2018 wurde festgestellt, dass der BF nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitze sei und seine Identität feststehe.

In der mündlichen Verhandlung am 12.07.2018 legte der an der Verhandlung teilnehmende Behördenvertreter ein auf Russisch verfasstes Dokument - eine Mitteilung der Hauptverwaltung zu Migrationsfragen des russischen Innenministeriums - vor, welches von der ebenfalls anwesenden Dolmetscherin folgendermaßen übersetzt wurde:

"Die Hauptverwaltung (erg. zu Migrationsfragen des russischen Innenministeriums) hat den Antrag von 14.02.2018 über Readminission (Rückübernahme) in Bezug auf den BF (...) festgestellt wurde, dass der BF (...) Staatsbürger der russischen Föderation ist, die Identität der genannten Person festzustellen ist nicht möglich. In diesem Zusammenhang wird beantragt auf Readminission abgelehnt. Derzeit wird zusätzlich die Identität der genannten Person überprüft. über Ergebnisse der Überprüfung werden wir Sie zusätzlich informieren."

Der an der mündlichen Verhandlung am 12.07.2018 teilnehmende Vertreter der belangten Behörde wies darauf hin, dass es sich bei der aus Russland mitgeteilten Ablehnung um eine "vorübergehende Ablehnung" handle" und "weitere Ermittlungsschritte eingeleitet werden und von einer zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates ausgegangen wird." Die Eintragung einer "vorübergehenden Ablehnung" im zur Erlangung eines Heimreisezertifikates geführten Verfahren scheint auch im Zentralen Fremdenregister auf.

Der Rechtsvertreter des BF gab in der mündlichen Verhandlung hingegen an, dass sich aus der Mitteilung aus Russland nicht ergebe, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates kurz bevorstehe, sondern im Gegenteil "der Antrag" abgelehnt worden sei und "nur weitere Ermittlungsschritte" zugesagt worden seien.

Die Hauptverwaltung zu Migrationsfragen des russischen Innenministeriums betonte in ihrer Mitteilung über den Antrag vom 14.02.2018, "(...) die Identität der genannten Person festzustellen ist nicht möglich. In diesem Zusammenhang wird beantragt auf Readminission abgelehnt. (...)."

Aus dieser Mitteilung geht hervor, dass nur "in Zusammenhang" damit, dass bislang die Feststellung der Identität des BF nicht möglich war, eine Rückübernahme des BF abgelehnt wurde. Aufgrund der Angabe, dass "derzeit" in Russland Ermittlungen zur Feststellung der Identität des BF laufen und der belangten Behörde zugesichert wurde, sie über das Ergebnis der diesbezüglichen Ermittlungen zu informieren, konnte die belangte Behörde jedenfalls in nächster Zeit mit einer Verständigung über das Ergebnis der in Russland zur Identität des BF durchgeführten Ermittlungen und bei festgestellter Identität folglich auch mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF in nächster Zeit rechnen.

Der Behördenvertreter gab in der mündlichen Verhandlung am 12.07.2018 zudem an, dass nach Rücksprache mit dem zuständigen Referenten die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sehr wahrscheinlich sei, "da der BF bereits als russischer Staatsbürger identifiziert wurde", und die belangte Behörde davon ausgehe, dass demnächst ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde.

Dieses der belangten Behörde bekannt gewordene "Ermittlungsergebnis" geht nicht aus gegenständlicher Aktenlage hervor und ist offensichtlich ganz aktuell.

Aufgrund nur "vorläufiger Ablehnung" hinsichtlich einer Rückübernahme des BF und eingeleiteter Ermittlungen zur Identität des BF in Russland ist das zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitete Verfahren derzeit aufrecht.

Da es somit zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft mit Mandatsbescheid vom 01.06.2018 für die belangte Behörde nur eine Frage der Zeit war, wann das Ermittlungsergebnis zur Identität des BF und gegebenenfalls eine Zusicherung aus Russland auf Rückübernahme des BF bei der belangten Behörde einlangt, konnte die belangte Behörde zum Zeitpunkt der Ausfertigung des gegenständlich angefochtenen Bescheides jedenfalls innerhalb der nach § 80 Abs. 4 Z. 1 FPG bzw. bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach § 80 Abs. 5 FPG vorgesehenen höchstzulässigen Schubhaftdauer mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF rechnen.

Die Grundvoraussetzung für die weitere Prüfung, ob die Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung des BF überhaupt notwendig war, eine Fluchtgefahr besteht und auch Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vorliegt, ist im gegenständlichen Fall somit erfüllt.

3.2.3. Zu Spruchpunkt I.: Rechtmäßigkeit der Anordnung der Schubhaft mit angefochtenem Bescheid und der Anhaltung des BF in Schubhaft:

Bei der Prüfung, ob im gegenständlichen Fall eine Fluchtgefahr vorliegt, sind die in

§ 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG angeführten Tatbestände relevant.

Eine Fluchtgefahr nach § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG liegt unter anderem vor, wenn der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert und dies die Annahme rechtfertigt, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Eine Fluchtgefahr nach § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG liegt vor, wenn eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat.

Eine nach § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG bestehende Fluchtgefahr setzt voraus, dass gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt etwa bereits in Schubhaft befand.

Eine Fluchtgefahr ist nach § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG außerdem auch vor dem Hintergrund des Grades der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere des Bestehens familiärer Beziehungen, einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise ausreichender Existenzmittel sowie eines gesicherten Wohnsitzes zu beurteilen.

Im gegenständlichen Fall stellte der BF im Bundesgebiet zunächst drei Asylanträge, die allesamt - sein letzter vom 19.09.2014 am 09.10.2017 - rechtskräftig abgewiesen wurden, bevor seitens seines Rechtsvertreters mit E-Mail vom 29.05.2018 ein weiterer Antrag auf internationaler Schutz gestellt wurde.

Da der BF mit seinen erfolglos gebliebenen Asylanträgen offensichtlich nur sein Bleiberecht in Österreich sichern wollte, erachtete die belangte Behörde die Anordnung der Schubhaft über den BF für notwendig und erließ gegenständlich angefochtenen Schubhaftanordnungsbescheid vom 01.06.2018.

Nach einer Einvernahme des BF in einer niederschriftlichen Einvernahme am 11.06.2018, in dem der BF angab, keine offizielle Wohnmöglichkeit in Österreich zu haben und stets an verschiedenen Wohnadressen ("Adressen kenne ich nicht") zu wohnen, die an ihn gestellte Frage, ob er bei Erhalt einer Ausreiseverpflichtung dieser freiwillig Folge leisten würde, ausdrücklich verneinte, und vorbrachte, bis jetzt von der Grundversorgung und "von Spenden von Kirchenorganisationen, Caritas und so" seinen Aufenthalt in Österreich finanziere, sah die belangte Behörde zu Recht Sicherungsbedarf, erhielt sie doch auf die Frage, warum der BF nach negativer Entscheidung über seine drei in Österreich gestellten Asylanträge (sein letzter am 09.10.2017 rechtskräftig abgewiesen) untergetaucht sei, was zudem auch einem Zeitungsartikel vom 31.01.2018 zu entnehmen sei, vom BF als Antwort: "Weil ich nicht abgeschoben werden möchte. (....)."

Der BF leistete nachweislich all seinen Einvernahmeterminen am 07.05.2018, 14.05.2018 und 20.05.2018, zu denen er jeweils ordnungsgemäß geladen wurde, nicht Folge. Zum letzten Einvernahmetermin am 29.05.2018 erschien nur der Rechtsvertreter des BF, der der belangten Behörde mitteilte, dass sich der BF - zusammen mit seinen Eltern - in der Nähe der belangten Behörde aufhalten würde, zu einer Einvernahme jedoch nicht erscheinen wolle, wolle er doch den Angaben des Rechtsvertreters des BF doch nicht in seine Heimat abgeschoben werden.

Die belangte Behörde ging zum Zeitpunkt der Erlassung gegenständlich angefochtenen Mandatsbescheides somit zu Recht von einer bestehenden Fluchtgefahr aus.

Die danach erfolgte schriftliche Zusicherung der in Österreich aufhältigen Schwester des BF vom 15.06.2018, den BF bei sich wohnen zu lassen, kann ebenso nichts daran ändern wie seinen Angaben in mündlicher Beschwerdeverhandlung zufolge in Österreich aufhältigen weiteren Verwandten - zwei Brüder, Neffen und Nichten - als familiäre Anknüpfungspunkte oder die Angabe des BF in mündlicher Beschwerdeverhandlung, seine Schwester würde bis zu seiner Abschiebung oder bis zur Entscheidung seines Asylantrages für ihn sorgen.

In angefochtenem Mandatsbescheid vom 01.06.2018 wurde zudem zu Recht unterstrichen hervorgehoben, dass der BF, der seit 19.01.2018 als obdachlos gemeldet sei, unentschuldigt behördlichen Ladungen nicht Folge geleistet habe, auch für seinen Rechtsvertreter lediglich telefonisch bzw. nicht erreichbar gewesen sei, und sich der Behörde zudem nachweislich durch Untertauchen zu entziehen gesucht, was sogar einem öffentlichen Artikel aus einer österreichischen Tageszeitung vom 31.01.2018 offiziell zu entnehmen sei.

Im gegenständlichen Fall besteht zusammenfassend - somit - eine Fluchtgefahr nach § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG, umging der BF doch seine ihm drohende Abschiebungen durch die Stellung von Folgeanträgen, eine Fluchtgefahr nach § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG, hat sich der BF doch dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen, was aus seinem mehrmaligen unentschuldigtem Fernbleiben von Einvernahmeterminen hervorgeht und auch durch einen im angefochtenen Bescheid angeführten Zeitungsartikel, in dem steht, dass sich der BF der belangten Behörde nachweislich durch Untertauchen zu entziehen gesucht habe, verdeutlicht wird, und eine Fluchtgefahr nach § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG, bestand doch zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz aus dem Stand der Schubhaft eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Durch die Erfüllung der in § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG angeführten Voraussetzung besteht jedenfalls weiterhin Sicherungsbedarf.

Das erkennende Gericht geht wegen offensichtlichen Überwiegens der öffentlichen über die privaten Interessen des BF, der in Österreich zwar einige familiäre Anknüpfungspunkte und darunter eine Schwester, die sich bereit erklärte, den BF bei sich wohnen zu lassen, hat, jedoch sich seinem aufenthaltsbeenden Verfahren nachweislich durch Untertauchen entzogen hat und nicht bereit ist, einer behördlich angeordneten Ausreiseverpflichtung freiwillig Folge zu leisten, auch von einer Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus.

Das Abwarten der im laufenden Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates ausständige Ergebnis der vor Ort in Russland durchgeführten Ermittlungen zur tatsächlichen Identität des BF und in Zusammenhang damit das Warten auf die Zusicherung aus Russland, den BF übernehmen zu wollen und ein Heimreisezertifikat für ihn auszustellen, ist dem BF jedenfalls zumutbar. Da eine diesbezügliche Rückmeldung aus Russland jedenfalls innerhalb der nach § 80 Abs. 4 Z. 1 FPG iVm § 80 Abs. 5 FPG höchstzulässigen Schubhaftdauer zu erwarten ist, gab doch der Behördenvertreter in mündlicher Verhandlung am 12.07.2018 an, dass nach Rücksprache mit dem zuständigen Referenten die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sehr wahrscheinlich sei, sei doch der BF bereits als russischer Staatsangehöriger identifiziert worden, weshalb seitens der belangten Behörde davon ausgegangen werde, dass demnächst ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde, erweist sich die aufrechte Schubhaft jedenfalls als verhältnismäßig.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedenfalls nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer Abschiebung des BF. Wie vorhin näher ausgeführt, besteht eine erhebliche Gefahr, dass der BF nach einer Enthaftung erneut untertaucht, um seiner ihm drohenden Abschiebung zu entgehen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich der BF bei seiner Schwester, die am 15.06.2018 schriftlich zugesichert hat, den BF bei sich wohnen zu lassen, auch tatsächlich aufhalten wird, hat er doch selbst in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vom 11.06.2018, befragt danach, wo er wohne, "immer verschieden, Adressen kenne ich nicht", angegeben.

In Gesamtbetrachtung geht das Gericht nicht davon aus, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden könnte, ist doch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einem erneuten Untertauchen des BF nach Enthaftung auszugehen.

Die Schubhaft erweist sich daher als "ultima ratio", war sie doch zwecks Sicherung der Abschiebung wegen erheblicher Fluchtgefahr und keines in Frage kommenden gelinderen Mittels unbedingt notwendig.

3.2.4. Zu Spruchpunkt II.: Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Im gegenständlichen Fall stellte der BF im Bundesgebiet zunächst drei Anträge auf internationalen Schutz, wobei der dritte vom 19.09.2014 am 09.10.2017 rechtskräftig abgewiesen wurde, bevor seitens des Rechtsvertreters des BF am 29.05.2018 ein weiterer Asylantrag und aus dem Stand der Schubhaft am 01.07.2018 ein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

In einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 01.07.2018 wurde festgehalten, dass zum derzeitigen Zeitpunkt Gründe zur Annahme bestehen, dass der am 01.07.2018 vom BF gestellte Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei und wegen vorliegender Voraussetzungen dafür die Anhaltung des BF in Schubhaft derzeit aufrecht bleibe, wobei die höchstzulässige - zehnmonatige - Schubhaftdauer nach § 80 Abs. 5 FPG gelte.

Da Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag des BF auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde, wurde iSv § 76 Abs. 6 FPG "das Vorliegen der Voraussetzungen" für eine Aufrechthaltung der Schubhaft in einem Aktenvermerk der belangten Behörde festgehalten.

Auch das erkennende Gericht ist von der Notwendigkeit der Aufrechthaltung der Schubhaft über den BF überzeugt, weshalb spruchgemäß festzustellen war, dass zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Auf die Verpflichtung zur periodischen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit nach § 80 Abs. 6 FPG wird verwiesen.

Zu Spruchpunkt III.:

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.

Es war daher spruchgemäß der beschwerdeführenden Partei als unterlegener Partei der zu leistende Aufwandersatz (Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) in der Gesamthöhe von 887,20 Euro aufzuerlegen.

Der in der Beschwerde gestellte Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden. Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Schlagworte

Anhaltung, Antragsbegehren, Aufwandersatz, Fluchtgefahr, Fortsetzung
der Schubhaft, Kostentragung, mangelnder Anknüpfungspunkt,
öffentliches Interesse, persönlicher Eindruck, Schubhaft,
Sicherungsbedarf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2200240.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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