Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des R G in H, vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, Schillerstraße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13. Juli 1999, Zl. VwSen-105914/19/Sch/Rd, betreffend Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mit dem im Instanzenweg ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Dezember 1998 Übertretungen der §§ 4 Abs. 1 lit. a und lit. c, 4 Abs. 5 und 5 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung 1960 für schuldig erkannt und gegen ihn Geldstrafen in Höhe von insgesamt S 15.500,-- verhängt worden waren (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 23. März 1999, Zl. 99/02/0031, betreffend Ablehnung der Behandlung einer dagegen gerichteten Beschwerde). In einem über Anzeige der belangten Behörde gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers, die im Verlauf des Verwaltungsstrafverfahrens angegeben hatte, die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Übertretungen begangen zu haben, eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren wegen Verdachtes der falschen Beweisaussage sei - zufolge der Angeben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren - seine Ehefrau anlässlich der Verhandlung vom 23. Juni 1999 vor dem Bezirksgericht Linz gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Juli 1999 wies die belangte Behörde einen Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 69 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 24 und 51 VStG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat den Wiederaufnahmeantrag mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gerichtsurteil nicht um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel handle, weil dieses Urteil im Zeitpunkt der im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangenen Entscheidung der belangten Behörde noch gar nicht existiert habe. Auch könne ein Gerichtsurteil nicht als Tatsache angesehen werden, weil eine spätere rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes keine Tatsache darstelle. Als Beweismittel kämen nicht gerichtliche Entscheidungen, sondern allenfalls nur die darin verwerteten neuen Beweismittel in Frage.
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und (Z 2) neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder (Z 3) der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Der Auffassung des Beschwerdeführers, es handle sich bei der gegenständlichen Gerichtsentscheidung um ein Beweismittel, "welches bereits im Zeitpunkt des Verfahrens evident war und für die belangte Behörde bei der Beurteilung maßgebend war" kann nicht gefolgt werden. Wie die belangte Behörde zutreffend unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung erkannt hat, stellt eine gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Entscheidung, die erst nach dem das Erstverfahren abschließenden Bescheid ergeht, weder eine neue Tatsache noch ein neu hervorgekommenes Beweismittel dar (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 5, Wien 1996, S 657, zitierte Judikatur).
Entgegen den Beschwerdeausführungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die belangte Behörde bei Beurteilung der Richtigkeit der Zeugenaussage der Ehefrau des Beschwerdeführers im Sinne des § 38 AVG eine Vorfrage gelöst hätte, die von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden gewesen wäre. Vielmehr stellt die Richtigkeit einer Zeugenaussage vor der Verwaltungsbehörde eine von dieser Behörde zu lösende Hauptfrage und daher keine Vorfrage dar. Der bloße Umstand, dass im gerichtlichen Strafverfahren der von der belangten Behörde erhobene Vorwurf der falschen Beweisaussage nicht aufrecht erhalten wurde, ist für die Entscheidung im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren ohne Bedeutung (vgl. in diesem Zusammenhang die in Hauer - Leukauf, aaO, S 253f, zitierte Judikatur). Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Gerichtsurteil konnte daher auch unter dem Gesichtspunkt des § 69 Abs. 1 Z 3 AVG für die belangte Behörde keinen Anlass für eine Wiederaufnahme des gegen ihn geführten, abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens bieten.
Demgemäß war die belangte Behörde entgegen dem vom Beschwerdeführer in der Verfahrensrüge eingenommenen Standpunkt auch nicht gehalten, in den gerichtlichen Strafakt Einsicht zu nehmen. Zur Einräumung einer Möglichkeit, "Überlegungen im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG näher darzulegen" war die belangte Behörde nicht verpflichtet, weil dem Beschwerdeführer im Laufe des Verwaltungsverfahrens jederzeit die Möglichkeit offen gestanden wäre, solche Überlegungen der Behörde mitzuteilen.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigte sich auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 17. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999020270.X00Im RIS seit
20.11.2000