Entscheidungsdatum
01.08.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W191 2151456-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2017, Zahl 1096064604-151835430, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.01.2018 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.08.2019 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 22.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF am 11.11.2015 in Mytilini (Griechenland) erkennungsdienstlich behandelt worden war.
1.2. In seiner Erstbefragung am 23.11.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion (PI) EAST (Erstaufnahmestelle) Ost in Traiskirchen gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei 16 Jahre alt, stamme aus Jaghori (auch Jaghuri, Provinz Ghazni, Afghanistan), sei Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, schiitischer Moslem und ledig. Er sei Analphabet. Sein Vater (ca. 67 Jahre alt) und sein kleiner Bruder lebten noch in Afghanistan, seine Mutter sei bereits verstorben.
Er habe seine Reise vor ca. drei Monaten begonnen und sei über den Iran, die Türkei, Griechenland und u.a. Kroatien mit dem Flüchtlingsstrom schließlich bis nach Österreich gelangt.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an (Schreibfehler nicht korrigiert):
"Meine Mutter wurde krank das war in Afghanistan. Mein Vater, mein Bruder und ich mussten arbeiten, damit wir die Versorgung meiner Mutter bezahlen konnten. Meine Mutter ist dennoch verstorben. Mein Vater lernte eine neue Frau kennen. Nach einiger Zeit hat er seine Arbeit verloren. Darum ist mein Vater ins Drogengeschäft eingestiegen. Die neue Frau meines Vaters auch. Die Frau war geistig krank. Mein Vater ist irgendwann verschwunden. Der Chef der Drogenbande wollte sich an mir und meinem Bruder rächen, erzählte mir mein Onkel. Warum, weil mein Vater samt den Drogen verschwunden ist."
1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) hatte offenbar Zweifel an dem vom BF angegebenen Alter und veranlasste eine sachverständige medizinische Altersschätzung. Dem Gutachten vom 05.05.2016 zufolge auf Basis einer multifaktoriellen Untersuchung (Anamnese und körperliche Untersuchung, Röntgenbild der linken Hand, Zahnpanorama und Röntgenbild der Schlüsselbeine) konnte die vom BF angegebene Minderjährigkeit bzw. das angegebene Geburtsdatum bestätigt werden.
1.4. Bei seiner Einvernahme am 30.01.2017 vor dem BFA, Regionaldirektion Steiermark, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben und gab auf Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Niederschrift, Schreibfehler teilweise korrigiert):
"[...] Anm.: Es werden ein ÖSD-Zertifikat und eine ÖSD-Karte sowie eine Schulbesuchsbestätigung vorgelegt (Kopien kommen zum Akt, Originale werden retourniert).
LA [Leiter der Amtshandlung]: Wann und wo wurden Sie geboren?
VP [Verfahrenspartei]: In Afghanistan in Ghazni in Jaghuri im Jahr 1379.
LA: Wo haben Sie in Afghanistan gelebt?
VP: In einem Dorf namens XXXX .
LA: In welcher Provinz ist das?
VP: Es ist ein kleines Dorf. Es gehört zu Jaghuri.
LA: Wissen Sie, in welcher Provinz das ist?
VP: Es gehört zu Ghazni.
LA: Schildern Sie bitte Ihre Lebensumstände in Afghanistan:
VP: Ich habe keinen Beruf gehabt. Keinen richtigen Job.
LA: Sie haben in der Erstbefragung angegeben, dass Sie als Hilfsarbeiter gearbeitet haben. Was haben Sie da gemacht?
VP: Mein Vater hat als Tischler gearbeitet. Er hat ein Geschäft gehabt. Manchmal habe ich bei ihm ausgeholfen.
LA: Haben Sie Tätigkeiten als Tischler ausgeübt?
VP: Nein, nicht so richtig. Ich habe meinem Vater immer ein bisschen geholfen.
LA: Haben Sie noch andere berufliche Tätigkeiten ausgeübt?
VP: Nein.
LA: Sind Sie zur Schule gegangen?
VP: Ja.
LA: Können Sie Lesen und Schreiben?
VP: Nein.
LA: Warum nicht?
VP: Ich wollte einfach nicht in die Schule gehen. Deshalb war ich oft bei meinem Vater.
LA: Wie lange sind Sie zur Schule gegangen?
VP: Vier Jahre.
LA: Und in diesen vier Jahren haben Sie nicht Lesen und Schreiben gelernt?
VP: In unserer Ortschaft ist es nicht so wie hier. Die Lehrer nehmen sich nicht so viel Zeit für die Kinder. Sie schreiben etwas auf die Tafel und gehen dann wieder. Ein Buch habe ich bekommen, aber sie nehmen sich nicht soviel Zeit.
LA: Wie haben Sie dann die Erstbefragung unterschreiben können?
VP: Die Unterschrift ist leicht.
LA: Welche Angehörigen haben Sie noch zu Hause?
VP: Meine Mutter ist verstorben. Ich weiß nicht, wo mein Vater ist. Mein Onkel mütterlicherseits hat meinen Bruder nach Pakistan gebracht, und er ist derzeit bei der Familie von meinem Onkel.
LA: Wann und woran ist Ihre Mutter gestorben?
VP: Vor vier Jahren. Sie hatte Krebs. Es war ein Tumor in ihrem Halsbereich. Ich bin mir sicher, sie hat Krebs gehabt. Mein Vater hat sie nach Kabul und auch nach Pakistan wegen einer besseren Behandlung gebracht. Sie ist dort operiert worden. Nach zweieinhalb Monaten ist sie gestorben. Wir haben keine Versicherung gehabt. Mein Vater hat das Geschäft verkauft. Mein Vater hat gesagt, dass er eine andere Frau heiraten wird.
LA: Haben Sie derzeit Kontakt mit jemandem zu Hause?
VP: Nein. Manchmal ruft mich mein Onkel mütterlicherseits an.
LA: Wo lebt dieser Onkel?
VP: Er ist auch in Jaghuri.
LA: Wovon lebt Ihr Onkel?
VP: Er hat ein Auto und bringt die Leute nach Kabul oder nach Ghandehar.
LA: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Ihrem Vater?
VP: Ungefähr vor drei Jahren.
LA: Was ist eigentlich mit Ihrem Vater passiert?
VP: Mein Vater ist nach Ghazni gegangen, um eine Arbeit zu finden. Nach acht Monaten ist er zurückgekommen mit einer Frau. Er hat gesagt, diese Frau ist jetzt statt eurer Mutter hier.
LA: Das ist nicht die Antwort auf meine Frage.
VP: Nach einer Woche ist er wieder zurückgegangen. Er hat gesagt, er muss wieder arbeiten. Nach eineinhalb Monaten hat mein Onkel gesagt, dass unser Vater mit Drogenhändlern arbeitet. Er hat auch gesagt, dass mein Vater mit Drogen verschwunden ist, und diese Drogenhändler sind jetzt auf der Suche nach ihm. Mein Onkel hat gesagt, ihr kommt zu mir. Aber sie sollen zur Stiefmutter nicht sagen, wo wir hingehen. Er hat ein Auto gehabt. Er hat uns nach Pakistan gebracht. In Pakistan hat er einen Schlepper gefunden und zu ihm gesagt, er soll mich ins Ausland bringen. Zu meinem Bruder hat er gesagt, dass er noch in Pakistan bleiben soll.
LA: Wo haben Sie in der Zwischenzeit gelebt, und wovon, seit ihr Vater verschwunden ist? Wer hat sich um Sie gekümmert?
VP: Mein Onkel mütterlicherseits hat immer auf uns geschaut.
[LA:] Wenn ich nun aufgefordert werde, meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an: [VP:] Ich habe auch Angst um mein Leben gehabt. Die Leute, die auf der Suche nach unserem Vater waren, haben auch gesagt, dass sie uns mitnehmen werden. Die Stiefmutter ist die Schwester des Drogenhändlers.
LA: Können Sie eine Bedrohungssituation schildern, oder ist irgendetwas vorgefallen?
VP: Ich wohne in einem kleinen Dorf. Ich war nicht viel unterwegs. Aber mein Onkel war immer unterwegs mit dem Auto. Da hat er von anderen Leuten immer viel Informationen bekommen. Er hat gewusst, dass unser Leben in Gefahr war.
LA: Wollen Sie noch weitere Gründe geltend machen?
VP: Nein.
LA: Wieso sind Sie nicht innerstaatlich geflüchtet?
VP: In Afghanistan ist es nicht so wie hier, wo man staatliche Hilfe bekommt. Egal wohin man geht. Wenn jemand eine Person finden will, wird er sie finden.
LA: Wieso kann Ihr Onkel in Afghanistan leben und Sie nicht?
VP: Sie wissen nicht, dass er mein Onkel ist. Wir sind die Söhne unseres Vaters. Das ist mein Onkel.
LA: Was befürchten Sie im Fall einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?
VP: Ich habe Angst um mein Leben. Man hat keine Zukunft in Afghanistan.
LA: Würden Ihnen im Falle der Rückkehr in Ihrem Herkunftsland Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?
VP: Vor der Regierung habe ich keine Angst. Aber ich habe Angst vor den Leuten, die mit meinem Vater gearbeitet haben. Die Drogenhändler sind sehr brutal und haben eine große Macht.
LA: Kennen Sie jemanden von diesen Drogenhändlern?
VP: Ich habe sie überhaupt nicht gesehen und kenne sie nicht.
[LA:] Mit mir werden nun die Feststellungen zur Situation in meinem Herkunftsland erörtert. [LA:] Möchten Sie dazu etwas angeben?
VP: Nein.
LA: Wollen Sie Gründe geltend machen, die gegen eine Rückkehrentscheidung sprechen?
VP: Ich möchte gerne in Österreich bleiben. Ich fühle mich hier sicher. Es ist ein sicheres Land. Ich möchte hier ein normales Leben und später einen guten Job haben. In Afghanistan habe ich Angst um mein Leben gehabt. Hier habe ich keine Angst.
LA: Haben Sie besondere Bindungen zu Österreich?
VP: Die Menschen sind sehr freundlich hier. Es ist ein sicheres Land.
LA: Haben Sie hier Verwandte?
VP: Nein.
LA: Sind Sie erwerbstätig oder besuchen Sie eine Schule?
VP: Ab Juni kann ich Arbeiten gehen. Derzeit gehe ich in die Schule.
LA: Wo arbeiten Sie ab Juni?
VP: Der Chef meiner Unterkunft hat mit einer Fa. gesprochen. Ich habe dort schon einmal ein Praktikum gemacht. Ab Juni habe ich drei Monate Probezeit. Wenn es passt, kann ich anfangen.
LA: Wie bestreiten Sie nun in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Welche Unterstützungen beziehen Sie?
VP: 40 Euro im Monat von der Caritas. Das ist Grundversorgung.
LA: Wie gestaltet sich Ihr Tagesablauf in Österreich?
VP: Nach dem Frühstück gehe ich in die Schule. Von 8 bis 1. Nach dem Mittagessen mache ich die Aufgabe. Ich lerne wieder. Später schaue ich vielleicht einen Film. Dann schlafe ich. Am nächsten Tag ist wieder dasselbe.
LA: Sind Sie in anderer Form integriert, z.B. Vereinsmitgliedschaften, etc.?
VP: Nein. Aber ich war damals in Graz. Ich habe freiwillig geholfen zu putzen und zu kehren.
LA: Hatten Sie jemals Probleme mit der Polizei in Österreich?
VP: Nein. [...]"
1.5. Mit Bescheid vom 07.03.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 22.11.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Der BF habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
1.6. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines damals zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaters vom 24.03.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen erheblicher Verfahrensmängel ein.
Die weitwendige Beschwerdebegründung enthält u.a. Ausführungen zur - im gegenständlichen Verfahren nicht unmittelbar relevanten - Frage der Verfassungsmäßigkeit des Ausmaßes der Rechtsmittelfrist, Auszüge aus diversen Berichten zu Afghanistan (zum Teil in englischer Sprache), insbesondere zur - schiitischen - Volksgruppe der Hazara als ethnischer Minderheit und zur Drogenproblematik. Moniert wurde, dass sich das BFA nicht hinreichend mit der konkreten Situation des BF und der aktuellen Situation in Afghanistan auseinandergesetzt habe. Ihm drohe aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage jedenfalls eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative, da sich die Sicherheitslage im gesamten Staatsgebiet als äußerst prekär darstelle, der BF Analphabet sei, über keine familiären Anknüpfungspunkte im Heimatland verfüge und noch nie etwa in Kabul gewesen sei, sodass er in eine ausweglose Lage geraten würde. Die Mutter des BF sei bereits verstorben, der Vater unbekannten Aufenthaltes und der jünger Brüder des BF bei seinem Onkel in Pakistan. Der BF lebe inzwischen einen sehr westlichen Lebensstil und versuche, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren.
1.7. Das BVwG führte am 30.01.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete im Vorhinein auf die Teilnahme an einer Verhandlung.
Auszug aus der Verhandlungsschrift:
" [...] Der BF hat bisher keine Bescheinigungsmittel bezüglich seiner Identität sowie seines Fluchtvorbringens vorgelegt und hat auch heute keine bei sich.
Bezüglich seiner Integration hat er bisher eine Deutschprüfungsbestätigung A1 sowie eine Schulbesuchsbestätigung vorgelegt. Heute legt er vor: Deutschkursbestätigung A2 sowie weitere Bestätigungen bezüglich diverser Kurse und Veranstaltungen, die in Kopie zum Akt genommen werden.
[...]
RI: Sind Sie verlobt, oder beabsichtigen Sie, in nächster Zeit zu heiraten?
BF: Mein Vater hat mich vor fünf Jahren verlobt, da meine Mutter krank war, ich keine Schwestern hatte und der älteste Sohn war, und mein Vater eine Frau in der Familie haben wollte. Meine Verlobte hat in einem Nachbardorf, ca. zwei Autostunden von uns entfernt, gewohnt. Ihre Familie ist vor ca. fünf Jahren nach Kabul gezogen. Ich weiß nicht, warum und habe keinen Kontakt zur ihr. Ich habe auch schon bei der Erstbefragung angegeben, dass ich verlobt bin, aber der Referent hat das als irrelevant nicht protokollieren lassen.
[...]
RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?
BF: Ich habe vier Jahre die Grundschule besucht. Ich habe keine bestimmte Ausbildung oder Beruf. Mein Vater war Tischler, ich habe ihm in seiner Tischlerei ausgeholfen.
RI: Sie haben bei der Einvernahme vor dem BFA gesagt, Sie können nicht Lesen und Schreiben (RI verweist auf AS 105)?
BF: Ja, das stimmt (BF macht inhaltlich gleichlautende Angaben wie vor dem BFA).
Zur derzeitigen Situation in Österreich:
[...]
RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen großteils verstanden und halbwegs auf Deutsch beantwortet hat.
[...]
RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?
BF: Ich habe vorher in XXXX gewohnt und dort eine Maurerausbildung gemacht. Jetzt wohne ich in XXXX und mache keine Ausbildung mehr. Ich habe mich an das BFA gewandt, das mir gesagt hat, dass ich jetzt, nachdem ich volljährig bin, diese Schule nicht mehr besuchen kann.
RI: Wie verbringen Sie Ihren Tag?
BF: Tagsüber lerne ich Youtube-unterstützt Deutsch, und bei schönem Wetter spiele ich Fußball mit meinen Freunden.
RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?
BF: Nein.
RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?
BF: Alle fünf bis sechs Monate ruft mich mein Onkel mütterlicherseits an. Er wechselt ständig seine Telefonnummer, ich weiß aber nicht, warum.
RI: Wo befindet sich Ihr Onkel?
BF: Er lebt in Jaghori. Der Empfang der Handys dort ist sehr schlecht, man muss es an bestimmten Stellen, wo der Empfang besser ist, versuchen.
RI: Können Sie mir auf der Karte zeigen, wo Sie und Ihre Verlobte gelebt haben?
Festgehalten wird, dass mit Hilfe des D und durch Einblick ins Internet versucht wird, genannte Orte im Distrikt Jaghori aufzufinden. In der Nähe befinden sich die Orte XXXX und XXXX . Nachbarortschaften von XXXX sind XXXX und XXXX .
BF: Jaghori ist keine Stadt, sondern der Name meines Heimatdistriktes. Ich lebte im Dorf XXXX , meine Verlobte lebte in XXXX , das ist der Hauptmarkt von Jaghori.
[...]
Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:
RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.
Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht, oder wollen Sie zu Ihren Fluchtgründen noch etwas ergänzen oder berichtigen, das Ihnen wichtig erscheint? Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.
BF: Es hat alles gestimmt und es gibt nichts, was ich noch hinzufügen möchte.
RI: Warum können Sie keine Belege dafür vorlegen? Es gibt dafür viele Möglichkeiten, etwa Zeugenaussagen, Bestätigungen von Dorfältesten uam.?
BF: Mit meinem Onkel mütterlicherseits Kontakt aufzunehmen ist so schwer, dass es mir noch nicht gelungen ist, Belege dafür vorzulegen.
RI belehrt BF über die Frage der Asylrelevanz von Fluchtvorbringen (eine Verfolgung durch Kriminelle ist im Regelfall nicht asylrelevant, kann aber belegen, dass jemand in Lebensgefahr ist und somit vielleicht die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz vorlägen).
BF: Wenn ich mit meinem Vater Kontakt aufnehmen könnte, hätte ich es bereits getan. Ich weiß nicht, wo sich mein Vater derzeit aufhält.
RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?
BF: Diese Personen, die damals meinem Vater die Drogen gegeben haben, würden mich verfolgen, wenn sie weder meinen Vater noch die Drogen bekommen.
RI: Waren Sie jemals in Kabul bzw. haben Sie dort Verwandte oder Bekannte?
BF: Nein, ich war nie dort. Die Familie meiner Verlobten ist angeblich nach Kabul übersiedelt, ich weiß aber nicht, wohin.
Der RI bringt unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen die dieser Niederschrift beiliegenden Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sowie [...] in das gegenständliche Verfahren ein. [...]
RI folgt BF Kopien dieser Erkenntnisquellen aus und klärt ihn darüber auf, dass für den Fall, dass er die von ihm vorgebrachte Sachlage glaubhaft machen kann (bescheinigen, belegen), die Gewährung von subsidiärem Schutz in Betracht kommt.
Nach Rückübersetzung der Niederschrift wird dem BF eine Kopie dieser Niederschrift sowie der angeführten Berichte und Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ausgefolgt werden und dem BF angeraten, sich mit seinem Rechtsberater oder mit der Caritas in Verbindung zu setzen, um ihm weitere Hilfestellung zu gewähren.
Dem BF wird auf sein Ersuchen eine Frist von - sechs Monaten - zur Vorlage von Belegen für sein Vorbringen eingeräumt.
RI befragt BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.
RI befragt BF, ob er D gut verstanden habe; dies wird bejaht. [...]"
Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift übermittelt.
1.8. Aufgrund eines von einer Hilfsorganisation unterstützt erstellten Schreibens vom 28.02.2018, mit dem der BF einen Zeugen für sein Vorbringen namhaft machte, beraumte das erkennende Gericht eine fortgesetzte Verhandlung am 30.04.2018 zur Einvernahme dieses Zeugen im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari an. Die Einvernahme wurde teilweise in Deutsch durchgeführt.
Auszug aus der Verhandlungsschrift:
" [...] RI: Herr Zeuge, welchen aufenthaltsrechtlichen Status haben Sie? Seit wann sind Sie in Österreich?
Z [Zeuge]: Ich bin afghanischer Staatsangehöriger, bin im Jahr 2002 als Flüchtling nach Österreich gekommen und habe beim Bundesamt subsidiären Schutz erhalten. Seit dem Jahr 2017 habe ich auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Ich habe zwei Jahre Zeit, die afghanische Staatsbürgerschaft zurückzugeben. Ich gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Im Jahr 2009 habe ich meine Frau geheiratet. Sie ist im Jahr 2014 im Wege der Familienzusammenführung (Antrag bei der österreichischen Botschaft für Afghanistan in Islamabad) nachgekommen. Wir haben zwei Kinder (geboren 2016 und 2018). Ich bin von Beruf Mechatroniker. Ich arbeite bei der Firma
XXXX als Servicetechniker.
RI: In welchem Verhältnis stehen Sie zum BF?
Z: Ich bin mit ihm nicht verwandt, gehöre aber demselben Stamm an. Wir haben im selben Dorf gelebt, bis ich flüchten musste. Ich war ca. zehn Jahre alt, es war etwa 1997. Befragt, wo XXXX liegt, gebe ich an, dass es sich dabei um das Zentrum der Hauptstadt Jaghori handelt.
RI: Was gibt es für Nachbarortschaften von XXXX ?
Z beschreibt auf einem A4-Zettel die Lage von einigen Nachbarortschaften, darunter XXXX .
Z: XXXX befindet sich auf der Straße nach Kabul. XXXX liegt viel näher beim Distriktszentrum, östlich davon.
RI: Was wissen Sie über die Probleme, warum der BF sein Dorf verlassen hat?
Z: Ich selbst habe mit zehn Jahren Afghanistan verlassen. Ich kenne die familiäre Situation bzw. die Probleme des BF nicht. Als ich im Jahr 2014 nach Afghanistan (Kabul) gereist bin, dort habe ich gehört, dass sein Vater Probleme mit Drogen gehabt hätte. Ich weiß, dass sein Vater als Tischler im Dorf gearbeitet hat. Weil er der einzige Tischler war, war er bekannt. Ich habe den BF zuvor nicht gekannt, bis er mich kontaktiert hat.
RI an BF: Woher kennen Sie den Z?
BF: Ich habe meine Freunde in Afghanistan kontaktiert, ob jemand wisse, ob jemand aus XXXX in Österreich lebt, da wurde mir der Z genannt.
RI an Z: Können Sie das genauer sagen, um welche Drogen-Probleme es sich gehandelt hätte?
Z: Es kommen auch viele Leute von Jaghori zwecks Schule/Studium nach Kabul und man erfährt da einiges. Ich habe erfahren, dass seine Mutter krank gewesen sei, und sein Vater wäre in das Drogenmilieu geraten aufgrund der finanziellen Situation der Familie wegen der Erkrankung der Mutter. Ich habe und hatte keinen Kontakt zur Familie. Ich glaube nicht, dass der Vater des BF selbst Drogen konsumiert hat, sondern die Mutter des BF wurde krank, dann ist sie deswegen verstorben. Die Familie hatte dann finanzielle Probleme, und der Vater des BF wollte sodann schnell zu Geld kommen. Aus diesem Grund hat er dann angeblich mit Drogen gehandelt.
RI: Wissen Sie etwas darüber, dass der Vater des BF den Ort verlassen hat?
Z: Darüber weiß ich nichts.
RI: Aus welchem Ort stammt Ihre Frau?
Z: Aus MAJIRI. Ihre Familie lebt aber in Pakistan, wo meine Frau geboren und aufgewachsen ist. Wir haben auch in Quetta im Jahr 2009 geheiratet.
RI an BF: Glauben Sie, dass der Z noch mehr für Ihr Verfahren beitragen kann?
BF: Nein.
Z: Ich denke, ich bin dazu hier, um zu bezeugen, dass der BF aus XXXX stammt. Das kann ich. Wir gehören demselben Stamm namens XXXX an.
[...]
RI: Haben Sie zu Ihrem Vater oder zu Ihrem Bruder Kontakt?
BF: Nein.
RI: Warum nicht?
BF: Ich weiß nicht, wo sie sich befinden.
RI: Wann ist Ihre Mutter verstorben?
BF: 2014.
RI: Vor Ihrer Ausreise?
BF: Ja.
[...]
RI: Wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten, was würde Ihnen passieren?
BF: Wenn ich nach Afghanistan zurückkehren muss, werden die Personen, die meinem Vater Drogen gegeben haben, damit er diese verkauft, mich finden und umbringen.
RI: Auch in Kabul?
BF: Es ist egal, wo ich hingehe, einer wird mich schon finden.
[...]"
Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift übermittelt. Es hat sich am Verfahren vor dem BVwG nicht beteiligt.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 23.11.2015 und der Einvernahme vor dem BFA am 30.01.2017, die sachverständige medizinische Altersschätzung vom 05.05.2016 sowie die Beschwerde vom 24.03.2017
* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 126 bis 141)
* Einvernahme des BF sowie eines Zeugen im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 30.01.2018 sowie am 30.04.2018
* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom BVwG in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:
o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat und in der Provinz Ghazni sowie zur Lage der Hazara (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018),
o Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016 und Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016 sowie
o Artikel in Asylmagazin 3/2017 "Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung" von Friederike Stahlmann
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemacht Sachverhaltes getroffen:
3.1. Zur Person des BF:
3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari. Er ist verlobt und hat keine Kinder. Er besuchte kaum die Schule und half dem Vater in dessen Tischlerei.
3.1.2. Der BF lebte im Dorf XXXX , Distrikt Jaghori, Provinz Ghazni, mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder. Seine Mutter verstarb vor einigen Jahren. Aufgrund von finanziellen Problemen wegen der Krankheit der Mutter ließ sich der Vater des BF in Drogengeschäfte ein, wurde mangels Erfüllung von abgeschlossenen Geschäften verfolgt und ist nunmehr unbekannten Aufenthaltes. Der jüngere Bruder des BF lebt bei dessen Onkel in Pakistan. Nach dem Rat des Onkels floh der BF ins Ausland, um nicht für die Probleme seines Vaters haftbar gemacht zu werden.
3.1.3. Der BF wurde zwar vor einigen Jahren mit einem Mädchen aus Jaghori verlobt, hat aber keinen Kontakt zu ihr. Angeblich sei ihre Familie nach Kabul verzogen.
3.1.4. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er besucht Deutsch- und andere Kurse und weist beachtliche Integrationserfolge auf (z.B. Beginn einer Maurerlehre).
3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
3.2.1. Der BF hat Afghanistan verlassen, weil sich sein Vater in Drogengeschäfte eingelassen hat und mangels Erfüllung von abgeschlossenen Geschäften von den Drogenhändlern verfolgt wird.
3.2.2. Der BF wurde nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nicht politisch tätig und gehörte nicht einer politischen Partei an.
3.2.3. Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, dass konkret ihm als Angehörigem der Volksgruppe der Hazara bzw. als schiitischem Moslem oder wegen seines inzwischen in Österreich gelebten "westlichen" Lebensstils Verfolgung drohe, und konnten somit asylrelevante Gründe des BF für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft gemacht werden.
3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
Dem BF würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen, zumal er von den Drogenhändlern überall aufgefunden werden könnte und der Staat nicht in der Lage ist, ihn vor deren Verfolgung hinreichend zu schützen.
3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
3.4.1. Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018 - Schreibfehler teilweise korrigiert):
Politische Lage:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.) und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.01.2004).
Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.01.2017), nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017).
Parlament und Parlamentswahlen:
Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajwok 19.01.2017).
Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.04.2016 vgl. auch: CRS 12.01.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.04.2016).
Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge zum Teil über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).
Parteien:
Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einigen von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).
Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).
Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, das von allen Parteien verlangte, sich neu zu registrieren, und zum Ziel hatte, ihre Anzahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber anscheinend nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).
Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder ein Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).
Friedens- und Versöhnungsprozess:
Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).
Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG):
Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.09.2016) unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.09.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.09.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 04.02.2017).
Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.01.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint Einzelberichten zufolge auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.02.2017).
INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).
Mit Stand September 2016 schätzt die Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.01.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 05.01.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: Intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Kontrolle von Distrikten und Regionen:
Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im dritten Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.01.2017).
Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal an: Zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit fünf von sechs Distrikten und Helmand mit acht von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.01.2017).
Rebellengruppen:
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielte Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).
Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistische Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).
Taliban und ihre Offensive:
Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).
Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstützte Regierung zu vertreiben (Reuters 12.04.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD 12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).
Der derzeitige Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand wie einst Mansour (Reuters 27.01.2017).
Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.05.2016; vgl. auch: The National 13.01.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.05.2016; vgl. auch:
The National 13.01.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.01.2017), und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.05.2016).
Haqqani-Netzwerk:
Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.01.2017).
Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.05.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.01.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).
Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul -,Operationen durchzuführen; es finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich, um sich zu finanziere