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50/05 Kammern der gewerblichen WirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit der Regelungen über die umsatzabhängige Kammerumlage 1; keine unsachliche Ungleichbehandlung eines nicht unter die Ausnahmebestimmungen fallenden Unternehmens; allenfalls unverhältnismäßige Inanspruchnahme einzelner Kammermitglieder auf Grund ihrer Umsätze als Härtefälle hinnehmbarSpruch
I. Der Antrag wird abgewiesen, soweit er sich gegen §122 Abs1 bis 3 des Bundesgesetzes über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 - WKG), BGBl I Nr 103 idF BGBl I Nr 153/2001, richtet.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag, Sachverhalt und Vorverfahren
1. Beim Bundesfinanzgericht sind mehrere Beschwerden gegen Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling betreffend die Festsetzung der "Kammerumlage 1" gemäß §122 Abs1 bis 6 WKG (im Folgenden: KU 1) für die Jahre 2007 bis 2011 anhängig.
2. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Bundesfinanzgericht die Aufhebung von §122 Abs1 bis 6 Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl I 103, in der für die bekämpften Bescheide maßgebenden Fassung BGBl I 153/2001 als verfassungswidrig. Im Antrag stellt das Bundesfinanzgericht den zugrunde liegenden Sachverhalt wie folgt dar:
Die beschwerdeführende Partei habe im Zeitraum 2007 bis 2011 im Auftrag ihrer Kunden Börsehandel mit Emissionszertifikaten an der BlueNext Handelsbörse in Paris betrieben. Auf Grund der hohen Transaktionsvolumina habe sie zwar jeweils hohe Umsätze aufgewiesen, ihren Gewinn habe sie dabei aber lediglich aus einer fix vereinbarten Handelsgebühr von wenigen Eurocent, abzüglich der anfallenden Börsenspesen und -gebühren, gezogen. Der Gewinn habe folglich immer nur einen Bruchteil der gehandelten Transaktionsvolumina betragen.
Das Bundesfinanzgericht legt dar, dass die in den bekämpften Bescheiden jeweils festgesetzten Beträge in einem Missverhältnis zu den erwirtschafteten Gewinnen stünden und einen beträchtlichen Teil des erwirtschafteten Rohertrags bzw. Gewinns der beschwerdeführenden Partei verzehren würden (bis zu 39,23% des Gewinns im Jahr 2010), und wirft die Frage auf, ob die festgesetzten Beträge nicht eine "unverhältnismäßige und gesetz- und verfassungswidrige Belastung darstellen".
3. Das Bundesfinanzgericht legte die wesentlichen Schriftstücke des Gerichtsakts dem Antrag auf Gesetzesprüfung bei. Die Bundesregierung und die Wirtschaftskammer Österreich erstatteten jeweils eine Äußerung, in der sie dem Vorbringen des Bundesfinanzgerichts entgegentreten und die Abweisung bzw. Ab- und Zurückweisung des Antrags begehren. Die vor dem Bundesfinanzgericht beschwerdeführende Partei schloss sich in ihrer Äußerung dem Antrag des Bundesfinanzgerichts vollinhaltlich an.
II. Rechtslage
§122 Abs1 bis 6 des Bundesgesetzes über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 - WKG), BGBl I 103, in der gemäß ArtIII §2 BGBl I 153/2001 mit 1. Jänner 2004 in Kraft getretenen Fassung, lautete:
"Kammerumlagen
§122. (1) Zur Bedeckung der in den genehmigten Jahresvoranschlägen vorgesehenen und durch sonstige Erträge nicht gedeckten Aufwendungen der Landeskammern und der Bundeskammer kann von den Kammermitgliedern eine Umlage nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme eingehoben werden; die Verhältnismäßigkeit ist auch an dem Verhältnis zwischen den Umlagebeträgen und der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu messen. Ist an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Kammermitglied, dem für die im Rahmen der Gesellschaft ausgeübten Tätigkeiten keine Unternehmereigenschaft im Sinne der Umsatzsteuer zukommt, gemeinsam mit einer oder mehreren physischen oder juristischen Personen beteiligt, so gelten die Bemessungsgrundlagen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Bemessungsgrundlage für die Umlage; diesfalls kann die Erhebung der Umlage bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgen. Die Umlage ist in einem Tausendsatz zu berechnen von jenen Beträgen, die
1. auf Grund der an das Kammermitglied für dessen inländische Unternehmensteile von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen vom anderen Unternehmer, ausgenommen auf Grund von Geschäftsveräußerungen, als Umsatzsteuer geschuldet werden,
2. als Umsatzsteuerschuld auf Grund der an das Kammermitglied für dessen Unternehmen von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen auf das Kammermitglied übergegangen ist,
3. auf Grund der Einfuhr von Gegenständen für das Unternehmen des Kammermitglieds oder auf Grund des innergemeinschaftlichen Erwerbs für das Unternehmen des Kammermitglieds vom Kammermitglied als Umsatzsteuer geschuldet werden.
Der Tausendsatz beträgt für die Bundeskammer 1,3 vT und für alle Landeskammern einheitlich 1,9 vT der Bemessungsgrundlagen gemäß Z1 bis 3. Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann jeweils geringere Tausendsätze beschließen.
(2) Abweichend von Abs1 wird die Bemessungsgrundlage für einzelne Gruppen von Kammermitgliedern wie folgt bestimmt:
1. Bei Kreditinstituten im Sinne des Art1 (Bankwesengesetz) §1 Abs1 Finanzmarktanpassungsgesetz 1993, BGBl Nr 532/1993, ist die Summe der Bruttoprovisionen und die Summe der mit einem für alle Umlagepflichtigen geltenden Faktor vervielfachten Nettozinserträge heranzuziehen, jeweils unter entsprechender Ausscheidung des Auslandsgeschäftes. Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer hat sowohl den Faktor unter Bedachtnahme auf das allgemeine durchschnittliche Verhältnis zwischen Brutto- und Nettozinserträgen als auch Art und Umfang der Ausscheidung des Auslandsgeschäftes festzulegen.
2. Bei Versicherungsunternehmen ist das Prämienvolumen des direkten inländischen Geschäftes, abzüglich eines Abschlages von 80 vH des Prämienvolumens aus Versicherungsgeschäften im Sinne von §6 Abs1 Z1 Versicherungssteuergesetz 1953, BGBl Nr 133/1953, heranzuziehen.
Um die Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme dieser Kammermitglieder im Vergleich zu anderen Kammermitgliedern zu gewährleisten, darf der für diese Bemessungsgrundlage vom Erweiterten Präsidium der Bundeskammer festzulegende Tausendsatz höchstens 0,41 vT betragen. Das Umlagenaufkommen auf Grund dieser Bemessungsgrundlage wird im Verhältnis der für das jeweilige Einhebungsjahr geltenden Hebesätze gemäß Abs1 zwischen der Bundeskammer und den Landeskammern aufgeteilt.
(3) Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann beschließen, dass Teile der Bemessungsgrundlagen außer Betracht bleiben, soweit deren Berücksichtigung in einzelnen Berufszweigen zu einer unverhältnismäßigen Inanspruchnahme der Kammermitglieder führen würde. Dies gilt auch für die Zuordnung von einzelnen Gruppen von Kammermitgliedern zu einer Bemessungsgrundlagenermittlung im Sinne des Abs2, die an steuerbarem Umsatz anknüpft.
(4) Ist die genaue Ermittlung der Bemessungsgrundlagen in einzelnen Berufszweigen für die Kammermitglieder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden, so kann das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer für die Kammermitglieder in diesen Berufszweigen die Möglichkeit einer pauschalierten Ermittlung der Bemessungsgrundlagen nach den jeweiligen Erfahrungen des Wirtschaftslebens beschließen.
(5) Die Umlage gemäß Abs1 und 2 ist von den Abgabenbehörden des Bundes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben:
1. Die für die Umsatzsteuer geltenden Abgabenvorschriften sind mit Ausnahme des §20 Abs1 vierter Satz und des §21 UStG 1994 sinngemäß anzuwenden.
2. Der zu entrichtende Umlagebetrag ist kalendervierteljährlich selbst zu berechnen und spätestens am fünfzehnten Tag des nach Ende des Kalendervierteljahres zweitfolgenden Kalendermonats zu entrichten. Bei der Berechnung der Umlage für das jeweils letzte Kalendervierteljahr sind Unterschiedsbeträge, die sich zwischen den berechneten Vierteljahresbeträgen und dem Jahresbetrag der Umlage ergeben, auszugleichen. Ein gemäß §201 BAO, BGBl Nr 194/1961, in der jeweils geltenden Fassung, festgesetzter Umlagenbetrag hat den vorgenannten Fälligkeitstag.
3. Ist auf dem amtlichen Formular für die Umsatzsteuererklärung die Angabe des Jahresbetrages der Umlage vorgesehen, so ist dieser Jahresbetrag in der Umsatzsteuererklärung bekannt zu geben.
4. Von Kammermitgliedern, deren Umsätze gemäß §1 Abs1 Z1 UStG 1994, BGBl Nr 663/1994, jährlich 150 000 Euro nicht übersteigen, wird die Umlage nicht erhoben.
5. Über Rechtsmittel, mit denen die Umlagepflicht dem Grunde oder dem Umfang nach bestritten wird, hat der Präsident der Landeskammer zu entscheiden. Solche Rechtsmittel gelten als Berufungen gemäß §128 Abs3.
(6) Die Umlage gemäß Abs1 und 2 ist von den Abgabenbehörden des Bundes an die Bundeskammer zu überweisen. Die auf die Landeskammern entfallenden Anteile sind nach Maßgabe der Eingänge zu verrechnen und von der Bundeskammer an die Landeskammern zu überweisen. Die Aufteilung des Landeskammeranteiles auf die einzelnen Landeskammern erfolgt nach dem Verhältnis der Zahl der Kammermitglieder der Landeskammern; das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann Sockelbeträge vorsehen.
(7)-(8) [..]"
III. Antragsvorbringen
Das Bundesfinanzgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
"6. Gesetzwidrigkeit der Festsetzung der KU 1
Im vorliegenden Fall kann die unterschiedslose Anwendung der Regelung des §122 Abs1 WKG naturgemäß zu unterschiedlichen Belastungen führen muss, welche jedoch ohne sachliche Rechtfertigung eine gleichheits- und damit verfassungswidrige Ungleichbehandlung bedeuten kann.
Dies anerkennt auch der Gesetzgeber, indem er, 'um die Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme dieser Kammermitglieder im Vergleich zu anderen Kammermitgliedern zu gewährleisten', in §122 Abs2 WKG eine eingeschränkte Bemessungsgrundlage und niedrigere Tausendsätze für die Bemessung der Kammerumlage 1 für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen vorsieht.
Eine im Wesentlichen gleichlautende Vorgängerbestimmung zu §122 Abs2 WKG wurde erstmals durch die Novelle BGBI 1993/958 in §57 HKG 1946 eingefügt. Nach den Erläuterungen (IA 656/A BIgNR 18. GP) war der Grund für diese Ausnahmeregelung, dass
'bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise weder beim Geldwechselgeschäft noch bei Beteiligungs- und Wertpapierumsätzen die Kapitalhingabe als Umsatz zu werten [ist]; die einem steuerbaren Umsatz vergleichbare Leistung liegt vielmehr im Entgelt für die Bewirkung solcher Umsätze, also in der Provision.'
Nach der herrschenden Definition sind Wertpapiere Urkunden, in denen ein privates Recht in der Weise verbrieft wird, dass zur Geltendmachung des Rechts die Innehabung der Urkunde erforderlich ist. Genau diesem Grundsatz entsprechen auch die von der Bf. gehan[d]elten Emissionszertifikate, welche lediglich auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in §44 Emissionszertifikategesetz 2011 den Rechtscharakter einer Ware haben.
Bei entsprechender Übertragung des sich aus den Erläuterungen zu §57 HKG idF. der Novelle BGBI 1993/958, nunmehr §122 Abs2 WKG, ergebenden Gedankens sind die mit Emissionszertifikaten erzielten Umsätze somit nicht als Umsätze im Sinne dieser Bestimmung zu werten, sondern liegt die einem steuerbaren Umsatz vergleichbare Leistung vielmehr im Entgelt für die Bewirkung solcher Umsätze, also in der Provision.
Somit lässt sich aus den Erläuterungen zu §57 HKG idF. Novelle BGBl Nr 1993/958 auch für die hier anzuwendende geltende Rechtslage gewinnen, dass die nach §122 Abs1 WKG ermittelten Umsätze (Vorsteuerbeträge) immer dann zu einer unsachlichen Belastung der Kammermitglieder führen, wenn die Kapitalhingabe nicht als aussagekräftiger, tatsächlicher Umsatz zu werten ist.
Dies aber trifft gerade auch auf die Bf. im vorliegenden Fall zu, welche zwar vorübergehend Eigentümerin der gehandelten Zertifikate wird, diese aber auf fremde Rechnung handelt. Die Hingabe der Zertifikate kann wie eine Kapitalhingabe durch Bankkunden bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht als Umsatz gelten, da die Bf. den Kauf und Verkauf nur gegen eine geringe Provision im Auftrag ihrer Kunden abwickelt.
Nach §122 Abs1 WKG ist, die Verhältnismäßigkeit der Kammerumlage 1 'auch an dem Verhältnis zwischen Umlagebeträgen und der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu messen.' Diese Differenz ist beim Emissionshandel außerordentlich niedrig, sodass die Bf. hohe Umsätze bei nur niedrigem Gewinn aufweist.
Um abseits der im Gesetz explizit enthaltenen Ausnahmen in §122 Abs2 WKG eine derartige, nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers unverhältnismäßige, Belastung der Kammermitglieder zu vermeiden, kann nach §122 Abs3 WKG das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer beschließen, dass auch bei anderen Kammermitgliedern Teile der Bemessungsgrundlage außer Betracht bleiben, soweit deren Berücksichtigung in einzelnen Berufszweigen zu einer unverhältnismäßigen Inanspruchnahme führt.
Auch die zuvor zitierten Erläuterungen zu §57 Abs2 Z5 HKG idF. der Novelle BGBl Nr 1993/958, der im Wesentlichen wortidenten Vorgängerbestimmung des §122 Abs3 WKG, zeigen, dass gerade im Fall der Bf. im Verfahren vor dem BFG eine unverhältnismäßige Belastung vorliegt:
'Die Z5 soll einen Auffangtatbestand für alle jene Ausnahmefälle bilden, in denen durch Kammertagsbeschluß jene Teile der Bemessungsgrundlage für den umlagepflichtigen Umsatz auszuschließen sind, wenn nur dadurch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden kann. Dies wird z.B. bei einigen Geschäften in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung zutreffen. Der Rahmen für die Einhaltung des Sachlichkeitsgebots wird dabei durch die demonstrative Aufzählung der ZZ1 bis 4 abgesteckt.'
Die in den ZZ1 bis 4 in §57 Abs2 HKG enthaltenen Ausnahmen für Kreditinstitute und Versicherungen finden sich nunmehr in §122 Abs2 WKG.
Die Erläuterungen bringen damit zum Ausdruck, dass jedenfalls dann eine unverhältnismäßig hohe Belastung eines Kammermitgliedes vorliegt, wenn dieses mit den in §122 Abs2 WKG normierten Unternehmen vergleichbar ist, aber den gewöhnlichen Umlagesatz zu entrichten hat. Dabei heben die Erläuterungen ausdrücklich Fälle hervor, in denen ein Unternehmen Geschäfte in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung betreibt.
Genau ein solcher Fall liegt aber auch bei der Bf. im Verfahren vor dem BFG vor.
Die 'Kann-Bestimmung' des §122 Abs3 WKG begründet bei verfassungskonformer Auslegung selbstverständlich nicht nur die Möglichkeit, sondern vielmehr die Pflicht des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer, bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu beschließen, dass Teile der Bemessungsgrundlage außer Betracht bleiben.
Diese Pflicht folgt auch direkt aus §122 Abs1 WKG, wonach Umlagen stets nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme zu erheben sind, welche auch an dem Verhältnis zwischen den Umlagebeträgen und der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu messen ist. Diese Anforderung kann aber nur durch einen Beschluss des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer nach §122 Abs3 WKG oder durch lnklusion einer entsprechenden Ausnahmebestimmung in der Umlagenordnung der Bundeskammer nach §129 WKG verwirklicht werden.
§129 Abs1 WKG normiert ebenfalls eine Handlungspflicht für das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer: So hat dieses nach §129 Abs1 WKG in Ausführung der Bestimmungen der §§121 bis 127 WKG eine Umlagenordnung zu erlassen, um eine möglichst niedrige und unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmungen verhältnismäßige Inanspruchnahme der zahlungspflichtigen Unternehmungen zu gewährleisten.
Die auf den beschwerdegegenständlichen Zeitraum 2007 bis 2011 anzuwendende Umlagenordnung enthält in Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen des WKG keine Ausnahmeregelung, die eine unverhältnismäßige Belastung der Bf. verhindern würde.
Ein entsprechender Beschluss des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer nach §122 Abs3 WKG liegt ebenfalls nicht vor.
Die Bf. stellte im Verwaltungsverfahren in der Berufung vom 11. November 2009 betreffend KU 1 am Ende der [...] zweiten Seite unter Vorschlag einer anderen Berechnungsmethode einen entsprechenden Antrag an das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer, der vom Finanzamt Baden Mödling mit Schreiben vom 2. Februar 2010 an dieses Gremium weitergeleitet wurde.
Eine Entscheidung über diesen Antrag steht aus.
Schließlich richtete die Bf. auch noch an den Präsidenten der Landeskammer der Wirtschaftskammer Niederösterreich eine Berufung vom 29. Februar 2012 gegen den Bescheid über die Festsetzung der Kammerumlage 2009 (undatierter Bescheid, zugestellt am 3. Februar 2012).
Die Wirtschaftskammer Österreich gab in der E-Mail vom 19. April 2012 betreffend 'Weiterleitung der KU 1-Berufung' an, dass die Berufung ohne Erledigung an das Finanzamt zurückschickt werde.
Es ist davon auszugehen, dass die gegenüber der Bf. mit den vor dem BFG bekämpften Bescheiden festgesetzten Beiträge zur KU 1 unverhältnismäßig sind, nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und die Bf. in ihrem Recht auf gesetzmäßige Vorschreibung der Beiträge zur KU 1 verletzen.
7. Gleichheits- und damit Verfassungswidrigkeit der Festsetzung der KU 1
Fraglich ist, ob die angefochtenen Bescheide [...] auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhen und die Bf durch die Festsetzung der KU 1 für die Jahre 2007 bis 2011 in ihrem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art2 StGG) verletzt wurde.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) verletzt ein Bescheid das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, wenn er auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat (zB. VfSlg 10.413/1985).
Im vorliegenden Fall verletzen die bekämpften Bescheide das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz, weil sie auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruhen:
Die Bf. wird durch die unterschiedslose Anwendung der Berechnungsmethode des §122 Abs1 WKG schlechter gestellt als vergleichbare Unternehmen, die unter die Ausnahmeregelung des §122 Abs2 WKG fallen. Eine sachliche Rechtfertigung hierfür existiert nicht, erfüllt doch die Bf. die gleichen Kriterien, die nach den Erläuterungen Grund für die Erlassung dieser Ausnahmevorschriften waren.
Es werden gegenüber der Bf. Umsatzbestandteile als Berechnungsgrundlage herangezogen, welche bei den unter die Ausnahmen des §122 Abs2 WKG fallenden Unternehmen als Durchlaufposten aus der Betrachtung herausfallen. So weisen die Bf. und mit ihr vergleichbare Unternehmen hohe Umsätze in Verhältnis zu einem niedrigen Gewinn auf. Ihre Umsätze können bei wirtschaftlicher Betrachtung aber nicht als tatsächliche Umsätze gewertet werden, welche als Kennzahl zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens geeignet wäre.
Nach der Rechtsprechung des VfGH (VfSlg 14.766/1997, 17.326/2004) kann es zwar uU. aus Vereinfachungsgründen zulässig sein, bei der Festsetzung von Beiträgen und Umlagen eine Durchschnittsbetrachtung zu wählen, dies aber nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen.
In diesem Zusammenhang hat der VfGH erst jüngst in einem Erkenntnis ausgesprochen, dass Kammerumlagen 'für die jeweilige Berufsgruppe in sich sachlich ausgestaltet sein' müssen. 'Ins Gewicht fallende Unterschiede im Tatsachlichen, die dazu führen, dass innerhalb der zur Leistung der Kammerumlage [V]erpflichteten Gruppen bestehen, die einander in einem für die Bemessung der Kammerumlage wesentlichen Umstand nicht gleichen, müssen daher auch bei der Bemessung der Kammerumlage entsprechende Berücksichtigung finden' (VfSlg 19.726/2012).
Diesem Maßstab wird §122 Abs1 WKG nicht gerecht, da die Bf. zu einer Gruppe von Unternehmungen gehört, deren Umsätze eben nicht wie bei anderen Unternehmen näherungsweise die Leistungsfähigkeit des Unternehmens beschreiben. Wie auch bei Beteiligungs- und Wertpapierumsätzen ist die Kapitalhingabe bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht als Umsatz zu werten; die einem steuerbaren Umsatz vergleichbare Leistung liegt vielmehr im Entgelt für die Bewirkung solcher Umsätze, also in der Provision. Die Bf. im Verfahren vor dem BFG und mit ihr vergleichbare Unternehmen unterscheiden sich damit in für die Bemessung der KU 1 wesentlichen Umständen von anderen Kammermitgliedern, ohne dass diese Umstände Berücksichtigung finden würden.
Dies führt dazu, dass die Festschreibung der Kammerumlage 1 auch in nur einer Höhe von 3 Promille des Umsatzes einen wesentlichen Teil des Gewinns verzehrt, was bei anderen Unternehmen so nicht der Fall ist.
8. Nichtanwendbarkeit der früheren Rechtsprechung des VFGH zum damaligen HKG
An der Verfassungswidrigkeit des §122 Abs1 WKG ändert auch nichts, dass der VfGH sich bereits mit der Frage der Verfassungskonformität der Vorschreibung von Kammerumlagen nach §57 Abs1 HKG idF. der 10. HKG-Novelle, der Vorgängerregelung von §122 Abs1 WKG, auseinandergesetzt und die Regelung damals nicht als verfassungswidrig erachtet hat (VfSlg 14.072/1995).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem damaligen Fall in entscheidenden Punkten:
Im damaligen Verfahren ging es, anders als im vorliegenden Fall, nicht um die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, Unternehmen, welche trotz gleicher Voraussetzungen nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelungen des jetzigen §122 Abs2 WKG fallen, schlechter zu behandeln. Der VfGH hatte in seinem damaligen Erkenntnis nur die generelle Frage der Zulässigkeit der Bemessung der KU 1 am Umsatz zu prüfen. Die Frage, ob gegebenenfalls Unternehmen wie die Bf. trotz gleicher Voraussetzungen wie bei Unternehmen iSd. §122 Abs2 WKG in sachlich nicht rechtfertigbarer Weise ungleich behandelt würden, stellte sich im damaligen Verfahren indes nicht.
Im Wesentlichen sah der VfGH die damalige Regelung aber deshalb als verfassungskonform an, weil durch Beschluss des Kammertages der Bundeskammer (nunmehr des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer) 'auch in sonstigen, diesen vergleichbaren Fällen (Anm: Fälle des §122 Abs2 WKG) besondere Härten, die dadurch entstehen könnten, daß auch betriebswirtschaftlich bloß als Durchlaufposten anzusehende Umsatzbestandteile als Berechnungsgrundlage herangezogen werden könnten, vermieden werden können.'
Nach Ansicht des VfGH lag der Grund für die Verfassungskonformität der Vorgängerregelung zu §122 Abs1 bis 3 WKG somit darin, dass durch Beschluss des Kammertages der Bundeskammer (nunmehr des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer) Ausnahmen vorgesehen werden konnten.
Genau solche Ausnahmen wurden aber – wie bereits oben Punkt 5 – im vorliegenden Fall gerade nicht vorgesehen.
9. Sitz der Verfassungswidrigkeit
Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH kann das Fehlen einer im Gesetz vorgesehenen Durchführungsverordnung die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes bewirken. Knüpft der Gesetzgeber nämlich die Wirksamkeit von Vorschriften, die für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wesentlich sind, an die Erlassung einer Verordnung, so macht er auch die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes von der (rechtzeitigen) Erlassung dieser Verordnung abhängig (VfSlg 11.632/1988, 13.177/1992, 13.890/1994, 17.604/2005).
So wäre es zur Vermeidung einer unsachlichen und ungerechtfertigten Benachteiligung der Bf. und vergleichbarer Unternehmen die Pflicht des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer gewesen[,] eine entsprechende Ausnahmeregelung nach §122 Abs3 bzw. §129 Abs1 WKG vorzusehen. Dies hat sie aber gerade nicht getan, was zur Folge hat, dass bei der Bf. auch betriebswirtschaftlich bloß als Durchlaufposten anzusehende Umsatzbestandteile als Berechnungsgrundlage herangezogen werden[.]
Das Fehlen eines derartigen Beschlusses oder einer entsprechenden Bestimmung in der Umlageordnung der Wirtschaftskammer führt zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung. Als Folge dessen haben Unternehmen, die gleich der Bf. große Umsatzbestandsteile aufweisen, welche tatsächlich nur Durchlaufposten darstellen, in sachlich nicht rechtfertigbarer Höhe Beiträge zur KU 1 zu entrichten.
Entsprechend der eben zitierten Rechtsprechung des VfGH hat die Untätigkeit des Erweiterten Präsidiums aus diesem Grund die Verfassungswidrigkeit des §122 Abs1 WKG zur Folge.
Die Aufhebung des §122 Abs1 WKG als verfassungswidrig ist im Übrigen die einzige der Bf. zustehende Rechtsschutzmöglichkeit. Auch wenn das Gesetz in §122 Abs1 und 3 bzw. §129 Abs1 WKG (Umlagenordnung) das Erweiterte Präsidium zur Erlassung von Ausnahmen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Einnahmenerhebung verpflichtet, ist diese Pflicht für die Bf. im Verwaltungsverfahren nicht anders durchsetzbar als sich auf die Verfassungswidrigkeit des Grundtatbestandes zu berufen.
Ein Handeln des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer ist im Rechtsschutzweg nicht erzwingbar.
Zur Wahrung der Rechte der Bf. ist es damit auch auf Grund des rechtsstaatlichen Prinzips geboten, §122 Abs1 WKG und die mit diesem in untrennbarem Zusammenhang stehenden Abs2 bis 6 leg.cit. als verfassungswidrig aufzuheben.
Aus den genannten Gründen hat das BFG Bedenken iSd Art89 Abs2 B-VG und stellt den aus dem Spruch ersichtlichen Antrag."
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Was den erforderlichen Umfang der Anfechtung anlangt, so ist dieser durch folgende Überlegungen zu bestimmen: Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003) notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt, und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Aus dieser Grundposition folgt zunächst, dass im Gesetzprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 18.142/2007, 19.496/2011).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen demgegenüber nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit der Antrag nur Normen erfasst, die iSd Pkt. 1.1. präjudiziell sind oder mit solchen untrennbar zusammenhängen, führt dies, ist der Antrag in der Sache begründet, im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zur partiellen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit offensichtlich trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur teilweisen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 16.246/2001, 16.816/2003, 16.819/2003, 17.572/2005, 18.766/2009); soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht zur Zurückweisung des gesamten Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.; VfSlg 19.939/2014).
2. Die Wirtschaftskammer Österreich hält dem Bundesfinanzgericht (siehe Pkt. III, "9. Sitz der Verfassungswidrigkeit") in der Frage der Zulässigkeit des Antrages Folgendes entgegen:
"Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kommt es bei der Prüfung der Prozessvoraussetzungen für die Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 B-VG auch darauf an, ob sich aus dem Inhalt des Antrags eine Darlegung der im Einzelnen gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes seinem ganzen Inhalt nach oder einer bestimmten Gesetzesstelle sprechenden Bedenken ergibt (VfSlg 8700/1979). Ein Gesetzesprüfungsantrag, der sich – wie der hier vorliegende – auf mehrere näher bezeichnete Bestimmungen eines Gesetzes richtet, muss auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit aller dieser Bestimmungen darlegen (zB VfSlg 7593/1975, 12.464/1990, 13.140/1992, 17.768/2006, 19.413/2011).
Darüber hinaus sind Anträge iSd Art140 B-VG oder des Art139 B-VG dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückzuweisen, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (zB VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Vor diesem Hintergrund entspricht der Antrag des Bundefinanzgerichts in wesentlichen Punkten nicht dem Gesetz und erweist sich insofern als unzulässig. Mit ihm wird nämlich begehrt, '§122 Abs1 bis 6 Wirtschaftskammergesetz 1998 in der für die bekämpften Bescheide maßgebenden Fassung BGBl I 2001/153 als verfassungswidrig' aufzuheben (S. 1 des Antrags). Bedenken werden jedoch in weiterer Folge ausschließlich gegen §122 Abs1 WKG vorgebracht. Die Argumentation bedient sich zwar auch der Abs2 und 3 des §122 WKG, doch werden keinerlei Gründe für deren Verfassungswidrigkeit angeführt. Im Gegenteil: Der Sitz der Verfassungswidrigkeit wird allein in §122 Abs1 WKG gesehen, gegen den allein auch explizit argumentiert wird. Gegen die Abs2, 3, 4, 5 und 6 des §122 WKG werden hingegen entgegen §62 Abs1 zweiter Satz VfGG im Gerichtsantrag keinerlei Bedenken vorgetragen. Damit ist der Antrag, soweit er sich auf diese Bestimmungen bezieht, unzulässig (VfSlg 13.916/1994).
Dazu kommt, dass auch die Präjudizialiät aller bekämpften Vorschriften nicht gegeben ist. Es kann keine Rede davon sein, dass das Gericht alle von ihm bekämpften Vorschriften unmittelbar anzuwenden hat. Es legt denn auch in seinem Antrag entgegen §62 Abs2 VfGG nicht dar, inwiefern es alle von ihm bekämpften Vorschriften anzuwenden hätte. Präjudiziell sind lediglich §122 Abs1 WKG, auf den sich die bekämpften Bescheide stützen, und im Lichte der Judikatur (siehe VfSlg 14.805/1997 zur Präjudizialität von Ausnahmetatbeständen) §122 Abs2 sowie wohl auch Abs3, da es um die Frage geht, ob ein auf diese Vorschrift gestützter Beschluss vorliegt. Der Abs4 des §122 aber beinhaltet eine Ermächtigung an ein Organ der Bundeskammer, die in keinem erkennbaren Zusammenhang zur Frage des Verfahrens steht. Und die Abs5 und 6 haben die tatsächlichen Vorgänge bei der Umlagenerhebung zum Gegenstand, die im Verfahren keine Rolle spielen. Dazu kommt, dass der Abs6 auch die Einhebung einer weiteren Umlage regelt, die nicht verfahrensgegenständlich ist. Auch aus diesem Grund ist der Antrag, jedenfalls soweit er sich gegen die Abs4 bis 6 des §122 WKG wendet, unzulässig.
Im Übrigen wurde §122 Abs5 WKG durch die Z20 der WKG-Novelle 2013, BGBl I Nr 120/2013, modifiziert, sodass in diesem Punkt die Anfechtung der Vorschrift in der falschen Fassung derselben erfolgt ist."
3. Der Antrag ist hinsichtlich §122 Abs1 bis 3 WKG zulässig, hinsichtlich §122 Abs4 bis 6 WKG hingegen unzulässig:
3.1. Das Bundesfinanzgericht ist im Recht, wenn es auf Grund der geäußerten Bedenken §122 Abs1 WKG bekämpft: Weder durch die Aufhebung des §122 Abs2 WKG noch durch die des §122 Abs3 WKG könnte die behauptete Verfassungswidrigkeit beseitigt werden. Die behauptete Unsachlichkeit des vom Gesetzgeber gewählten Systems der KU 1 könnte nur durch die Aufhebung der die KU 1 anordnenden Bestimmung des §122 Abs1 WKG, die das Bundesfinanzgericht auch anzuwenden hat, beseitigt werden (zur möglichen Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes bei Untätigkeit des Verordnungsgebers und zum Sitz der Verfassungswidrigkeit in einem solchen Fall s. VfSlg 11.632/1988, 13.177/1992, 13.890/1994, 17.604/2005).
3.2. Das Bundesfinanzgericht schließt auch die (jedenfalls zum Teil nicht präjudiziellen) Absätze 2 bis 6 des §122 WKG in den Antrag mit ein, weil es einen untrennbaren Zusammenhang dieser Absätze mit §122 Abs1 WKG sieht. Damit ist das Bundesfinanzgericht aber nur teilweise im Recht:
In §122 Abs2 WKG werden Ausnahmen für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen von der in §122 Abs1 WKG festgelegten Berechnungsmethode gesetzlich festgelegt; §122 Abs3 WKG enthält eine Ermächtigung des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer, derartige Ausnahmen zu beschließen. Diese Ausnahmebestimmungen sind nicht "für das antragstellende Gericht offenkundig nicht präjudiziell" und insoweit auch nicht offensichtlich trennbar. Der Antrag erweist sich hinsichtlich dieser beiden Absätze daher als zulässig (vgl. zur Präjudizialität der Regel- und Ausnahmebestimmungen VfSlg 14.779/1997, 14.805/1997, 17.604/2005).
Ein untrennbarer Zusammenhang der Absätze 4 bis 6 des §122 WKG mit §122 Abs1 WKG ist dem Verfassungsgerichtshof jedoch nicht erkennbar. Der Umstand, dass diese Absätze im Fall der Aufhebung des §122 Abs1 WKG unanwendbar würden, vermag für sich allein einen untrennbaren Zusammenhang dieser Bestimmungen mit §122 Abs1 WKG, dem behaupteten Sitz der Verfassungswidrigkeit, nicht zu begründen (vgl. VfSlg 15.885/2000, 19.413/2011). Da das Bundesfinanzgericht auch keinerlei Bedenken hinsichtlich dieser drei Absätze vorbringt, ist der Antrag diesbezüglich zurückzuweisen.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Ein Gesetz ist nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Nicht jede Härte im Einzelfall, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich gewertet werden. Dem Gesetzgeber muss es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (vgl. VfSlg 11.616/1988, 14.694/1996, 16.361/2001, 16.641/2002).
2.2. Im Erkenntnis VfSlg 14.072/1995 hat sich der Verfassungsgerichtshof schon einmal mit der (umsatzabhängigen) KU 1, die mit der 10. Handelskammergesetznovelle, BGBl 958/1993, eingeführt wurde, grundsätzlich auseinandergesetzt: Er stellte fest, dass dem einfachen Gesetzgeber bei der Festlegung sowohl der Höhe als auch der die Bemessungsgrundlage definierenden Kriterien für die Berechnung der Umlagen, die den Angehörigen eines Selbstverwaltungskörpers zur Deckung des Finanzbedarfs einer solchen Einrichtung auferlegt sind, ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt. Es bestehen keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber bei der Bemessung der Umlagen teilweise an die Lohnsumme, teilweise an den Umsatz, teilweise an branchenspezifisch bestimmte Anknüpfungspunkte und teilweise (in Art von Gebühren) an die konkrete Inanspruchnahme von Kammerleistungen durch die Kammermitglieder anknüpft. Der Umsatz ist ein tauglicher Indikator für die Betriebsgröße.
Es besteht im vorliegenden Fall nun kein Zweifel, dass die Vorsteuern, die seit der 11. Handelskammergesetznovelle, BGBl 661/1994, die Basis für die Berechnung der KU 1 bilden, ebenfalls ein tauglicher Indikator für die Betriebsgröße sind, was auch weder vom Bundesfinanzgericht noch von der beschwerdeführenden Gesellschaft des Anlassverfahrens in Frage gestellt wird.
2.3. Das antragstellende Bundesfinanzgericht erblickt – kurz zusammengefasst – die von ihm behauptete Verfassungswidrigkeit des §122 Abs1 WKG in der unterschiedslosen Anwendung der von dieser Vorschrift vorgesehenen Berechnungsmethode. Die beschwerdeführende Gesellschaft des Anlassverfahrens werde dadurch ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt als vergleichbare Unternehmen, die unter die Ausnahmeregelung des §122 Abs2 WKG fielen. Da weder eine Ausnahmeregelung gemäß §122 Abs3 WKG noch eine entsprechende Bestimmung in der Umlagenordnung durch das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer erlassen worden sei, werde durch die Untätigkeit dieses Organs die Verfassungswidrigkeit des §122 Abs1 WKG bewirkt.
2.4. Mit diesem Vorbringen ist das Bundesfinanzgericht nicht im Recht:
2.4.1. Wenn das Bundesfinanzgericht meint, es lasse sich aus den Erläuterungen zur 10. HKG-Novelle (IA 656/A BlgNR 18. GP, 17) "auch für die hier anzuwendende geltende Rechtslage gewinnen, dass die nach §122 Abs1 WKG ermittelten Umsätze (Vorsteuerbeträge) immer dann zu einer unsachlichen Belastung der Kammermitglieder führen, wenn die Kapitalhingabe nicht als aussagekräftiger, tatsächlicher Umsatz zu werten ist", dann übersieht es, dass die Regelung des §57 Abs2 Z1 HKG idF der 10. HKG-Novelle, auf die sich die im Antrag wiedergegebenen Passagen der Erläuterungen (s.o. Seite 6) beziehen und die auch eine spezielle Ausnahmebestimmung für Wertpapierumsätze enthielt, schon mit der 11. HKG-Novelle – nur ein Jahr später – wieder zurückgenommen wurde. Mit dieser Novelle wurden alle jene gesetzlichen Ausnahmen beseitigt, die an die Art der Transaktion (Geldwechsel, Beteiligungen, Wertpapierhandel) anknüpften. Seither stellt das Handels- bzw. Wirtschaftskammergesetz bei der Festlegung von Ausnahmen zur KU 1 ausschließlich auf die Art des Unternehmens (Kreditinstitut, Versicherer) ab. Die vom Bundesfinanzgericht aus den Erläuterungen zu dieser Regelung gezogenen Schlussfolgerungen – die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im Sinne des §122 Abs1 WKG bezogen auf der Art nach unterschiedliche Umsätze von Unternehmen – können angesichts deren Abschaffung schon deshalb nicht auf die geltende Regelung übertragen werden. Im Gegenteil, die Rücknahme könnte als ein Indiz dafür verstanden werden, dass die Art der Transaktion sich offensichtlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine generell-abstrakte Ausnahmeregelung eignet.
Dem Gesetzgeber muss es aber gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (VfSlg 11.616/1988, 14.694/1996, 16.361/2001, 16.641/2002). Der Gesetzgeber kann von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen; das Ausmaß der dabei hinzunehmenden ungleichen Auswirkung einer generellen Norm hängt einerseits vom Gewicht der angeordneten Rechtsfolgen und andererseits vom Grad der Schwierigkeiten, die eine nach den verschiedenen Sachverhalten differenzierende Lösung der Vollziehung bereiten würde, ab (VfSlg 8871/1980, 11.615/1988, 13.890/1994).
2.4.2. Entscheidend für die Beurteilung der Voraussetzungen einer Ausnahmeregelung gemäß §122 Abs3 WKG ist, dass diese Bestimmung die Möglichkeit, die KU 1 unter bestimmten Voraussetzungen durch Verordnung herabzusetzen, nur für einzelne Berufszweige bzw. Gruppen von Kammermitgliedern vorsieht und nicht für einzelne Kammermitglieder. Diese Bestimmung setzt daher voraus, dass die Merkmale jener Berufszweige, deren Kammermitglieder bei einer Anwendung der allgemeinen Bemessungsgrundlagen unverhältnismäßig in Anspruch genommen würden, generell abstrakt umschreibbar sind. Dass diese Voraussetzung auf jenen Berufszweig zutrifft, dem das im Anlassverfahren beschwerdeführende Unternehmen angehört, hat das Bundesfinanzgericht nicht dargetan. Soweit bloß bei einzelnen Kammermitgliedern auf Grund einer besonderen Gestaltung ihrer Umsätze eine allenfalls unverhältnismäßige Inanspruchnahme erfolgt, bilden diese Härtefälle, die nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Gesetzgeber in Kauf nehmen darf (VfSlg 11.616/1988, 14.694/1996, 16.361/2001