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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Zurückverweisung des Verfahrens zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung hinsichtlich eines irakischen Staatsangehörigen mangels Berücksichtigung der wiedergegebenen Länderfeststellungen und wegen Unterlassung von Ermittlungen zur Sicherheit des Beschwerdeführers als Sympathisant des christlichen Glaubens in seiner Heimatprovinz BagdadSpruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, ursprünglich Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams, der seit dem Jahr 2010 Mitglied einer protestantischen Glaubensrichtung ist, reiste im September 2012 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 20. September 2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. September 2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005), BGBl I 100/2005 idF BGBl I 38/2011, (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) abgewiesen sowie der Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Irak ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. August 2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2015 gemäß §§3 Abs1 und 2 und 8 Abs1 Z1 AsylG als unbegründet abgewiesen und das Verfahren gemäß §75 Abs19 und 20 leg.cit. zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
3.1. Zur Lage im Herkunftsstaat Irak trifft das Bundesverwaltungsgericht darin folgende Feststellungen:
"Die Sicherheitslage im Irak hat sich Mitte 2014 dramatisch verschlechtert. Schwerpunkte terroristischer Aktivitäten blieben Bagdad sowie die Provinzen Anbar, Ninawa, Salah al-Din und Diyala im Norden und Westen des Landes. Weite Teile dieser Provinzen sind nicht unter Kontrolle der Zentralregierung und 17 Millionen Menschen (53 Prozent der Bevölkerung) sind von Gewalt betroffen. Diese geht überwiegend von der terroristischen Organisation 'Islamischer Staat' (IS) sowie von ba'athistischen Elementen aus; als Reaktion auf den Vorstoß der extremistischen sunnitischen Kräfte wurden auch schiitische Milizen im Irak wieder mobilisiert. Gewalttaten gegen Zivilisten gehen nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen und der Vereinten Nationen zunehmend auch von schiitischen Milizen aus.
2014 haben im Irak drei Flüchtlingswellen zu insgesamt 1,8 Millionen Binnenvertriebenen (Stand: September 2014) geführt. Die Provinzen Ninawa, Anbar und Salah al-Din waren stark betroffen. Rund 860.000 Binnenvertriebene sind in die Region Kurdistan-Irak, darunter rund 540.000 in die Provinz Dohuk, geflohen.
Weite Teil der nordwestlichen Provinzen sind nicht oder nur teilweise unter der Kontrolle der Zentralregierung. Das Auswärtige Amt ruft seit Juni 2014 zur sofortigen Ausreise aus den Provinzen Anbar, Ninawar, Salah al-Din, Diyala und al-Ta'min sowie aus dem Großraum Bagdad und dem Norden der Provinz Babil auf. Seit August 2014 wird ISIS von verschiedenen irakischen wie internationalen Akteuren bekämpft. Dies hat bewaffnete Auseinandersetzungen in einigen irakischen Provinzen (Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Ninawa, Salah al-Din) sowie auch an den Rändern der Region Kurdistan-Irak zur Folge.
Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. In Art2 wird der Islam zur Staatsreligion und zu einer Hauptquelle der Gesetzgebung erklärt. Die Verfassung garantiert auch Religionsfreiheit inkl. der Freiheit ihrer Ausübung. Art3 legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes. In Art43 garantiert der Staat den Schutz der religiösen Stätten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z.B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht.
Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Fall der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierende) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen.
Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten unter weitreichender faktische Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen. Sie bleiben daher v.a. im Zusammenhang mit ihren Berufen Opfer von Entführungen und sind bevorzugte Ziele von Anschlägen, jüngst auch wieder kollektiver Vertreibungen.
Schätzungen gehen davon aus, dass heute noch etwa 400.000 Christen im Irak leben (zum Vergleich 2003: 1,5 Mio.). Die Situation der Christen (v.a. assyrische sowie mit Rom unierte chaldäische Christen) hat sich kirchlichen Quellen zufolge seit Ende der Diktatur 2003 stark verschlechtert. Nach dem Vorstoß von ISIS im Sommer 2014, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die Region Kurdistan-lrak geflohen. Viele Christen sehen für sich keine Zukunft im Irak. In den vergangenen Jahren sind daher hunderttausende irakische Christen ins Ausland geflohen. Im Berichtszeitraum kam es zu Angriffen auf Priester, Bombenanschlägen auf Kirchen und christliche Einrichtungen sowie Übergriffen auf von Christen geführte Lebensmittelhandlungen, in denen (auch) alkoholhaltige Getränke angeboten werden. Nach dem Vormarsch von ISIS auf Mosul und das umliegende christliche Kernland wurden zehntausende Christen zur Flucht nach Kurdistan-Irak getrieben. Sie leben derzeit unter schwierigen materiellen und sozialen Bedingungen als Binnenvertriebe zumeist in der kurdischen Provinz Dohuk.
In der Region Kurdistan-Irak wie in angrenzenden Gebieten, die von der kurdischen Regionalregierung kontrolliert werden, haben seit 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Es gibt dort keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Die Kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen. Die umfangreichen Enteignungen von christlichem Besitz unter dem alten Regime sind jedoch nicht rückgängig gemacht worden.
Gemäß Art121 der irakischen Verfassung üben kurdische Sicherheitskräfte (insbesondere die militärisch organisierten Peshmerga und die Sicherheitspolizei Asayish) die Sicherheitsverantwortung in den Provinzen Erbil, Sulaymaniya und Dohuk aus; diese Kräfte kontrollieren darüber hinaus de facto Teile der Provinzen Diyala, Kirkuk und Niniveh (Mosul). Sie unterstehen der kurdischen Regionalregierung und sind nicht in den Sicherheitsapparat der Zentralregierung eingegliedert. Nunmehr wird die Region Kurdistan-Irak von einer Regionalregierung verwaltet, die von den beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK getragen wird.
Innerirakische Migration in die Region Kurdistan-Irak ist möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss zur Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks gehen und sich anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-lrak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Mehr als 850.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang des Jahres 2014 nach Kurdistan-lrak geflohen. Hinzu kommen mehr als 200.000 syrische Flüchtlinge.
Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-lrak schwierig.
Es gibt inzwischen regelmäßige Linienflüge wichtiger Luftfahrtgesellschaften, u.a. aus Europa und Staaten des Nahen Ostens, nach Bagdad (Royal Jordanian, Middle East Airlines, Turkish Airlines) sowie nach Erbil (Lufthansa, Austrian Airlines, Turkish Airlines, Air Berlin) und Sulaymaniya (Air Berlin). Mitunter kehren Iraker mit Hilfe der Internationalen Organisation für Migration (IOM) aus Deutschland über Amman freiwillig in den Irak zurück.
Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Während Rückführungen in die Region Kurdistan auch von Deutschland aus regelmäßig stattfinden, werden Abschiebungen nach Zentralirak aus Deutschland gar nicht und von anderen Staaten sehr verhalten durchgeführt.
[…]
Im Februar 2015 wurden nach der Zählung von Iraq Body Count (IBC) 1.472 Zivilpersonen getötet.
Nach der UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI) gab es im Februar 2015 611 zivile Todesopfer und 1.353 Verletzte. Weiterhin wurden 492 Mitglieder der irakischen Armee, Peshmerga-Kämpfer und andere Verbündete (ohne Opferzahlen der Anbar-Operationen) getötet und 927 verletzt.
Am stärksten betroffen war Bagdad mit 1.204 zivilen Opfern (329 Tote, 875 Verletzte). In der Provinz Diyala gab es 73 Tote und 69 Verletzte, in der Provinz Salahaddin 39 Tote und 54 Verletzte und in der Provinz Ninive 40 Tote und 17 Verletzte.
Nach Informationen der UNAMI kam es im Februar 2015 in der Provinz Anbar zu 372 zivilen Opfern (81 Tote, 291 Verletzte), davon 23 Tote und 196 Verletzte in Ramadi und 58 Tote und 95 Verletzte in Fallujah. Es handelt sich um Mindestangaben, da in Konfliktgebieten die Opferzahlen nicht verifiziert werden können.
(Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration. Briefing Notes, 2. März 2015)"
3.2. Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (also zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) aus:
"2.2. Aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergab sich nicht, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 vorliegen:
Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
Beim BF handelt es sich darüber hinaus um einen arbeitsfähigen Mann, bei dem die neuerliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer hat insbesondere auch schon vor seiner Ausreise in verschiedener Hinsicht, vor allem als Händler, selbständig gearbeitet. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der BF im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird sich (wieder) ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr auch seitens seiner Verwandtschaft eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt sohin nicht vor.
Es kamen auch keine iSd Judikatur des EGMR relevanten Erkrankungen des BF hervor.
Zur Frage der etwaigen Erfordernis subsidiären Schutzes aufgrund der seit Sommer 2014 im Irak vorherrschenden Sicherheitslage war auf der Grundlage oben dargestellter Erwägungen nicht festzustellen, dass der BF bei einer Rückkehr alleine schon aufgrund seiner bloßen Anwesenheit in Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer Verletzung der durch Art2 und 3 EMRK geschützten Rechte ausgesetzt wäre.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in seinen Rechten nach Art2 und 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl Nr 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl Nr 138/1985 idgF, und Nr 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl III Nr 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht ihm im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte noch bestünde die Gefahr der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch hinreiche Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
2.3. Vor diesem Hintergrund erweist sich letztlich die Annahme des Bundesamtes, es lägen im gg. Fall keine stichthaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung im Sinne des §8 Abs1 AsylG vor, als mit dem Gesetz im Einklang stehend, und geht auch das BVwG in der Folge von der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat aus.
[…]."
3.3. Das Gewicht des fast dreijährigen faktischen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich sei dadurch abgeschwächt, dass er seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versucht habe. Er habe keine Anknüpfungspunkte in Österreich in Form einer legalen Erwerbstätigkeit, er verfüge über gewöhnliche soziale Kontakte und gewisse Deutschkenntnisse für den Alltagsgebrauch. Zudem habe der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht, sei dort sozialisiert und spreche die Mehrheitssprache der Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Daher sei eine Rückkehrentscheidung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auf Dauer unzulässig, weshalb das Verfahren nach §75 Abs19 und Abs20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen gewesen sei.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Leben (Art2 EMRK), auf Verbot der Folter (Art3 EMRK), auf Privat- und Familienleben (Art8 EMRK), Gleichbehandlung von Fremden untereinander, im Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Art47 Abs2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) sowie im Recht auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Begründend wird dazu im Wesentlichen – hinsichtlich der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes – Folgendes ausgeführt:
"Auf S. 33 vertritt das BVwG die Ansicht, dass in Bagdad weder die wirtschaftliche noch die Sicherheitslage dergestalt sei, dass die bloße Anwesenheit für jeden Zurückkehrenden ein reales Risiko bedeuten würde. Verwiesen wird ergänzend auf 'länderkundliche Informationen'. Woher diese Informationen stammen und welchen Inhalt sie haben, ist unklar, da solche Informationen den Länderberichten nicht zu entnehmen sind. Ganz im Gegenteil dazu gibt es zahlreiche Länderberichte, die ein völlig anderes Bild zeichnen und die prekäre Lage im Land darlegen.
Die Sicherheit von Rückkehrern ist laut den Länderberichten auf S. 14 u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, der politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort abhängig. In den Länderfeststellungen auf S. 13 wird ausdrücklich angeführt, dass der irakische Staat den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen kann. Von einer generellen Sicherheit, von der das BVwG aber offenbar ausgeht, kann keine Rede sein. Vielmehr gibt es zahlreiche Berichte, dass die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage sind, landesweit den umfassenden Schutz der Bürger zu garantieren. Der Beschwerdeführer hätte zudem aufgrund der beschriebenen Umstände keine Hilfe von Seiten der Familie zu erwarten.
Das BVwG hätte somit jedenfalls subsidiären Schutz zuerkennen müssen. Dies vor allem auch deshalb, als es in der aktuellen Rechtsprechung in einem vergleichbaren Fall die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen als gegeben erachtet hat, 'zumal anhand der in das Verfahren eingeführten Länderdokumente und der laufenden aktuellen Medienberichterstattung derzeit die Sicherheitslage im Irak als Schlecht zu beschreiben ist. Schwerpunkte terroristischer Anschläge bleiben weiterhin die Stadt Bagdad und einzelne Gebiete im Zentralirak. Trotz der verbesserten Sicherheitslage im Land bleiben radikale und militante Gruppierungen – Terrororganisationen und Milizen – insbesondere auch im Raum Bagdad aktiv. Im Vergleich zu Bagdad und dem Rest des Landes wird in den aktuellen Länderinformationen dabei die Sicherheitslage in der Region Kurdistan-Irak sowie im Süden deutlich besser beurteilt.' (BVwG 13.2.2015, L507 1431793 1). Es besteht keine sachliche Rechtfertigung, den aktuellen Fall anders zu beurteilen, als jenen, dem in der angeführten Judikatur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Das BVwG hat somit auch und vor allem in dieser Hinsicht Willkür geübt."
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, erstattete aber keine Gegenschrift.
II. Erwägungen
Die Beschwerde ist zulässig.
1. Soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak sowie gegen die Zurückverweisung des Verfahrens zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist sie auch begründet:
1.1.1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
1.1.2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unterlaufen:
1.1.2.1. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Neben der politischen Lage bzw. Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit einer Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art3 EMRK relevant sein (vgl. VfSlg 19.602/2011 mwN).
1.1.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung auf Grund der herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen davon aus,
"dass große Teile des Zentraliraks derzeit aufgrund der Aktivitäten der Terrororganisation IS in diesen von ihr kontrollierten Gebieten Binnenvertriebenen oder aus dem Ausland Zurückkehrenden zumutbarer Weise nicht zugänglich sind. Die – grundsätzlich auch aus dem Ausland auf dem Luftweg erreichbare – Hauptstadt Bagdad ist wiederum zwar immer wieder von punktuellen Terroranschlägen in Form von Selbstmordattentaten betroffen, jedoch ist vor diesem Hintergrund weder die allgemeine wirtschaftliche Lage dergestalt, dass bereits die bloße Anwesenheit das reale Risiko einer Existenzbedrohung mangels ausreichender Lebensgrundlage bzw. wegen fehlender Versorgung mit den überlebensnotwendigen Gütern und Leistungen mit sich brächte, noch ist die Sicherheitslage dergestalt, dass schon mit der bloßen Anwesenheit für jeden Zurückkehrenden das reale Risiko verbunden wäre Opfer eines Terroranschlags oder sonstiger gewaltsamer Auseinandersetzungen zu werden. Substantiierte gegenteilige Aussagen oder Beweisanbote des BF fanden sich auch in der abschließenden Stellungnahme des BF dazu nicht. Über diese allgemeinen Erwägungen hinaus war im gg. Fall auch zu berücksichtigen, dass der BF selbst aus individuellen Gründen keiner verwundbaren Personengruppe zuzuzählen war, die einem besonderen Schutzbedarf unterliegen würde."
Diese Annahmen des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigen jedoch nicht die im Erkenntnis wiedergegebenen Länderfeststellungen, die mit den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Einklang stehen: So habe sich seit Mitte 2015 die Lage im Irak dramatisch verschlechtert, Schwerpunkt der terroristischen Aktivitäten bleibe ua. Bagdad (vgl. S 12 des Erkenntnisses). Im Februar 2015 gab es in Bagdad nach der UN Assistance Mission for Iraq 1.204 zivile Opfer (vgl. S 15 des Erkenntnisses). Nicht nachvollziehbar ist auch, aus welchen Gründen das Gericht seine Sicherheitsprognose auf "bloße Anwesenheit" einschränkt und welche Umstände und Aktivitäten des täglichen Lebens es in Bezug auf den Beschwerdeführer damit aus der Betrachtung ausklammern möchte, für welche – im Gegensatz zur "bloßen Anwesenheit" – offenbar die These, dass "das reale Risiko einer Existenzbedrohung mangels ausreichender Lebensgrundlage bzw. wegen fehlender Versorgung mit den überlebensnotwendigen Gütern und Leistungen" nicht bestehe, offenbar nicht zutrifft.
Da das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers – auch wenn es einen formellen Übertritt zum Christentum verneint, andererseits aber von der Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinde in Bulgarien ausgeht – als glaubwürdig erachtet, dass er sich "zur christlichen Religion innerlich zugewandt" bzw. für das Christentum Sympathie habe (S 19 bzw. S 24 des Erkenntnisses), aber es in weiterer Folge angesichts der speziellen Situation von Christen im Irak (vgl. S 13 des Erkenntnisses) unterlässt, Feststellungen darüber zu treffen, ob und allenfalls wie eine solche "Hinwendung" eines Muslims zum Christentum in einem islamisch geprägten Staat wie dem Irak gelebt werden kann bzw. ob schon eine solche Zuwendung als Apostasie (unter Umständen mit dem Tod) sanktioniert oder ob sie toleriert würde, und ob der Beschwerdeführer zumindest ohne Gefährdung seiner verfassungsgesetzlich gewährleisteten aus Art2 und 3 EMRK erfließenden Rechte von Bagdad in das primäre Ziel für christliche Binnenflüchtlinge "Kurdistan-Irak", etwa die Provinz Dohuk, gelangen kann (vgl. VfGH 11.12.2013, U2643/2012 sowie VfGH 5.6.2014, U1083/2013), unterlässt es überdies Ermittlungen in einem wesentlichen Punkt.
1.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht belastet seine Entscheidung, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, daher insofern mit Willkür, als es sich unter Außerachtlassung der Aktenlage nicht mit der Sicherheit des Beschwerdeführers in seiner Heimatprovinz Bagdad bzw. mit der Möglichkeit des Beschwerdeführers, als Sympathisant des christlichen Glaubens im Irak ohne Gefahr einer Verletzung in Rechten nach Art2 oder 3 EMRK zu leben, auseinandergesetzt und in einem wesentlichen Punkt Feststellungen überhaupt unterlassen hat.
1.3.1. Eine Zurückverweisung des Verfahrens zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wie sie in Punkt II. von Spruchpunkt A) des angefochtenen Erkenntnisses angeordnet wird, ist gemäß §75 Abs20 Z1 AsylG 2005 nur dann zulässig, wenn der abweisende Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt wird. Dies ist mit der (teilweisen) Kassation von Punkt I. des Spruchpunktes A) nicht länger der Fall. Da die Aufhebung dieses Spruchteiles auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung zurückwirkt, entbehrt damit auch Punkt II. von Spruchpunkt A) der angefochtenen Entscheidung seiner Rechtsgrundlage; auch dieser Spruchteil ist daher aufzuheben (vgl. VfSlg 19.898/2014).
2. Im Übrigen (also hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die gerügten Rechtsverletzungen (vgl. Punkt I.4.) wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen berührt, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Im Übrigen wird von einer Behandlung der Beschwerde abgesehen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG bzw. §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.
Schlagworte
Asylrecht, Rückkehrentscheidung, ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E1848.2015Zuletzt aktualisiert am
04.09.2018