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50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §74Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der R GmbH in S, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Mittergasse 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 8. Mai 2018, Zl. LVwG 43.21-1259/2016-17, betreffend Vorschreibung einer nachträglichen Auflage nach der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag; mitbeteiligte Partei: Mag. W H in S, vertreten durch Dr. Christian Puchner, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Franz-Josef-Straße 4), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Zur Vorgeschichte wird auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2018, Ra 2017/04/0026, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof das in der gegenständlichen Rechtssache ergangene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 13. Dezember 2016, mit dem die Beschwerde der Revisionswerberin gegen die gemäß § 76a Abs. 8 in Verbindung mit § 79 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) erfolgte Vorschreibung einer nachträglichen Auflage (konkret: einer Einschränkung der Betriebszeit) abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Begründend hielt der Verwaltungsgerichtshof wie folgt fest:
„6.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass der Durchführung von Messungen - soweit diese möglich sind - grundsätzlich der Vorrang vor lärmtechnischen Berechnungen einzuräumen ist. ,Grundsätzlich‘ bedeutet, dass diese Verpflichtung nicht allgemein besteht, sobald eine Messung (technisch) möglich ist, allerdings kann nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist auf sachverständiger Grundlage fallbezogen in schlüssiger Weise darzulegen (siehe VwGH 18.5.2016, Ra 2015/04/0053, mwN).
Im Erkenntnis VwGH 3.9.1996, 95/04/0189, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass mit tatsächlich erhobenen Messwerten dann nicht das Auslagen gefunden werden kann, wenn diese Messwerte nicht der für die Nachbarn am belastendsten Situation entsprechen, weil ausgehend vom beantragten Projekt für die Zukunft eine höhere Inanspruchnahme der Betriebsanlage und damit eine größere Belastung zu erwarten sei (siehe auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis Ra 2015/04/0053). Der Grundsatz, dass Auswirkungen einer Betriebsanlage unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen sind, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, d.h. am belastendsten sind (siehe VwGH 18.5.2016, Ra 2015/04/0093), kann daher in speziellen Konstellationen - gerade bei Betriebsanlagen, bei denen die Immissionsbelastung Schwankungen unterliegt bzw. das Ausmaß der Immissionen aus einem vom Anlagenbetreiber letztlich nicht steuerbaren Kundenverhalten resultiert - dazu führen, dass Messungen für sich allein nicht hinreichend sind und somit (zusätzlich) Berechnungen vorzunehmen sind (vgl. diesbezüglich auch VwGH 9.9.1998, 98/04/0074).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung schließlich auch festgehalten, dass als Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn vorliegt, die konkret gegebenen tatsächlichen örtlichen Verhältnisse maßgeblich sind, sodass es präziser, auf sachverständiger Grundlage zu treffender Feststellungen über die Immissionssituation vor Inbetriebnahme des zu genehmigenden Projekts bedarf, der die auf Grund des zu genehmigenden Projekts zu erwartenden Immissionen gegenüber zu stellen sind. Folglich hat die Behörde zunächst -grundsätzlich auf Basis von lärmtechnischen Messungen - jenen Immissionsstand festzustellen, der den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen - noch ohne Einbeziehung des zu beurteilenden neuen Vorhabens - entspricht (vgl. VwGH 9.9.2015, 2013/03/0120, 0121, mwN; siehe zur Messung des Umgebungslärms auch VwGH 21.12.2011, 2010/04/0046).
6.2. Unstrittig ist, dass im vorliegenden Fall am 8. Juli 2010 in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 21.30 Uhr ohne Gastgartenbetrieb bzw. am 30. Juni 2015 in der Zeit zwischen 20.45 Uhr und 23.00 Uhr bei bereits laufendem Gastgartenbetrieb im Schlafzimmer der mitbeteiligten Partei Messungen durchgeführt worden sind. Unklar ist allerdings, worauf sich die - bei der Darstellung der Ausführungen des lärmtechnischen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2016 im angefochtenen Erkenntnis angeführten - ,Berechnungen‘ beziehen, bei denen Veränderungen der Ist-Situation im Abendzeitraum um 8,6 dB (2015) festgestellt worden seien.
Dem angefochtenen Erkenntnis lässt sich nicht entnehmen, in welcher Weise bzw. aus welchen Gründen die durchgeführten Messungen im Jahr 2015 durch Berechnungen ergänzt worden sind. Es fehlt insoweit an einer hinreichenden Begründung. Zwar wäre es - wie oben dargestellt - grundsätzlich denkbar, dass den Messungen nicht die für den Nachbarn ungünstigste Situation zugrunde lag und daher (ergänzende) Berechnungen vorzunehmen waren; klare Hinweise darauf bzw. nähere Ausführungen dazu finden sich im angefochtenen Erkenntnis aber nicht.
Unklar bleibt auch, ob die für die Gegenüberstellung (siehe oben Rn. 26) erforderliche Ermittlung des Immissionsstandes ohne Gastgartenbetrieb auf der Grundlage der Messungen aus dem Jahr 2010 oder mittels Berechnung erfolgt ist. Gegen eine Heranziehung der Messergebnisse aus dem Jahr 2010 spricht, dass - wie sich dem Erkenntnis selbst entnehmen lässt - sich die Umgebungslärmsituation im Hinblick auf die Kirchenglocken sowie die Verkehrssituation geändert hat.
[...]
Da es dem angefochtenen Erkenntnis insoweit an einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren und überprüfbaren Begründung mangelt, war es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.“
2 2. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 8. Mai 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die Beschwerde im fortgesetzten Verfahren erneut (mit einer Maßgabe) als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte zunächst den Verfahrensgang sowie die Aussagen der Sachverständigen aus den Bereichen Lärmtechnik und Humanmedizin dar.
4 In seinen - darauf gestützten - Erwägungen führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, dass eine Vollauslastung des Gastgartens nur an vereinzelten Tagen im Jahr zu erwarten sei und solche Tage den Sachverständigen nicht vorab bekannt sein können. Deshalb sei eine messtechnische Ermittlung der betriebsspezifischen Schallimmissionen nicht möglich und eine rechnerische Ermittlung derselben erforderlich, um die für die Nachbarn belastendste Situation abbilden zu können. Da der Gastgarten so angezeigt worden sei und betrieben werde, wie er 2010 beantragt worden sei, hätten die im Jahr 2010 angestellten Berechnungen für den nunmehr betriebenen Gastgarten uneingeschränkt Gültigkeit und seien die dabei erzielten Werte (betriebsspezifische Immissionen von 48 dB bei einer Vollauslastung) vorliegend zugrunde gelegt worden. Auf Grund der geänderten Umgebungssituation (geändertes Verkehrsaufkommen, Wegfall der ursprünglich vorhandenen Belastung durch Kirchenglocken) seien am 30. Juni 2015 neuerlich Schallmessungen der Ist-Situation durchgeführt worden. Während dieser Messungen seien bis 22.30 Uhr vereinzelt Gäste (keine Vollauslastung), ab 22.30 Uhr keine Gäste im Gastgarten anwesend gewesen. Der dabei erzielte Dauerschallpegel von 40 dB sei mit dem errechneten Wert von 48 dB addiert worden. Im Hinblick auf das daraus resultierende Summenmaß von 48,6 dB ergebe sich eine Erhöhung um 8,6 dB. Die (vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis Ra 2017/04/0026, Rn. 27, monierten) Ausführungen zu den Berechnungen seien dahingehend zu verstehen, dass der auf der Grundlage von Messungen am 30. Juni 2015 ermittelten Ist-Situation (ohne Gastgartenbetrieb) von 40 dB die errechneten betriebsspezifischen Schallimmissionen von 48 dB gegenübergestellt worden seien und sich daraus eine Erhöhung um 8,6 dB ergebe. Dies sei zulässig, weil mangels Vollauslastung -von der aber als für die Nachbarn ungünstigsten Situation auszugehen sei - eine Messung insoweit nicht möglich gewesen sei.
5 In der Folge ging das Verwaltungsgericht - im Wesentlichen inhaltsgleich wie bereits im Erkenntnis vom 13. Dezember 2016 (vgl. daher auch die Ausführungen in VwGH Ra 2017/04/0026, Rn. 15 ff) - auf das Beschwerdevorbringen der Revisionswerberin ein. Das Verwaltungsgericht hielt fest, dass die medizinische Amtssachverständige auf Grund der ermittelten Veränderungen (für die Zeit zwischen 20.00 und 22.00 Uhr) hochgradige Belästigungsreaktionen der unmittelbaren Anrainerschaft angenommen habe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes überschreite die Veränderung der äußerst ruhigen Ist-Situation um 8,6 dB für einen gesunden normal empfindenden Erwachsenen die Zumutbarkeitsgrenze, welche nach der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 bei 3 dB angesiedelt sei. In diesem Zusammenhang wurde auch berücksichtigt, dass kein Ruhetag vorgesehen sei und die Schallimmissionen im Schlafzimmer der mitbeteiligten Partei deutlich wahrnehmbar gewesen seien. Zu der von der medizinischen Sachverständigen für die Nachtzeit (ab 22.00 Uhr) angenommenen Gesundheitsgefährdung hielt das Verwaltungsgericht fest, dass ein Betrieb des Gastgartens nach 22.00 Uhr ohnehin nicht zulässig sei. Die Verordnung der Gemeinde S, wonach Gastgärten bis 23.00 Uhr betrieben werden könnten, sei für den gegenständlichen Gastgarten nämlich nicht anwendbar, weil sich dieser nicht entlang der Hauptstraße, sondern in einem Innenhof befinde.
6 Dem Beschwerdevorbringen, die Revisionswerberin hätte nicht mit der Vorschreibung einer Auflage rechnen müssen, weil die belangte Behörde die Vorschreibung eines Sanierungskonzeptes angekündigt habe, hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass die Möglichkeit der Einschränkung der Betriebszeit sehr wohl im Raum gestanden sei. Zu den von der Revisionswerberin gerügten fehlenden Messungen vor 20.45 Uhr verwies das Verwaltungsgericht auf die als schlüssig und nachvollziehbar angesehenen Ausführungen des Sachverständigen, wonach sich bei einem Messbeginn um 20.00 Uhr keine relevanten Unterschiede zum Ergebnis der Messung ab 20.45 Uhr ergeben hätten.
7 Die Einschränkung der Betriebszeiten des Gastgartens auf 20.00 Uhr sei somit zur Hintanhaltung unzumutbarer Belästigungen der mitbeteiligten Partei notwendig gewesen.
8 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 5. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
11 5.1. Vorauszuschicken ist zunächst, dass die mit dem Erkenntnis Ra 2017/04/0026 erfolgte Aufhebung auf Grund einer nicht nachvollziehbaren und überprüfbaren Begründung erfolgte. Dem zitierten Erkenntnis lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass weitere Messungen bzw. sachverständige Äußerungen jedenfalls als notwendig erachtet wurden. Das Verwaltungsgericht ist auf die beiden vom Verwaltungsgerichtshof in den Rn. 27 bis 29 des zitierten Erkenntnisses angesprochenen Begründungsmängel eingegangen und hat die jeweilige Begründung ergänzt. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin handelt es sich dabei - wie nachstehend dargelegt wird - nicht um eine „bloße Scheinbegründung“.
12 5.2. Die Revisionswerberin moniert, das Verwaltungsgericht hätte nicht aus eigenem beurteilen können, ob eine Immissionsmessung möglich sei. Da die Auslastung des Gastgartens witterungsabhängig sei, hätten die Immissionsmessungen im Sommer erfolgen müssen. Auf Basis einer Wetterprognose und durch Befragung des Geschäftsführers der Revisionswerberin hätte geklärt werden können, ob eine Vollauslastung vorliege oder nicht. Allenfalls wären mehrere Messungen an unterschiedlichen Tagen vorzunehmen gewesen. Zudem könnten Berechnungen nur dazu dienen, Messergebnisse zu ergänzen. Weiters seien die Messergebnisse aus dem Jahr 2010 auf Grund der geänderten Verhältnisse nicht mehr relevant. Erneut wird gerügt, dass im Zeitraum von 20.00 Uhr bis 20.45 Uhr keine Messung erfolgt sei. Schließlich sei auch die Messung vom 30. Juni 2015 nicht verwertbar, weil keine Messung bei stillgelegtem Gastgarten erfolgt sei und die Immissionssituation ohne Gastgartenbetrieb nicht festgestellt worden sei.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis Ra 2017/04/0026 zum Ausdruck gebracht, dass bei Betriebsanlagen, bei denen das Ausmaß der Lärmimmissionen aus einem vom Anlagenbetreiber letztlich nicht steuerbaren Kundenverhalten resultiert, Berechnungen zulässig sein können. Der nunmehr ergänzten Begründung des Verwaltungsgerichtes lässt sich entnehmen, dass bei der am 30. Juni 2015 durchgeführten Messung nur vereinzelte (bzw. ab 22.30 Uhr gar keine) Gäste im Gastgarten anwesend waren, weshalb keine Messung bei einer Vollauslastung und somit der für die Nachbarn ungünstigsten Situation erfolgen konnte. Die vom Verwaltungsgericht begründend herangezogene geringe Gästezahl findet im Sachverständigengutachten Deckung. Angesichts dessen ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Einschätzung über die Unmöglichkeit einer aussagekräftigen - nämlich die für die Nachbarn ungünstigste Situation abbildenden - Messung selbst vorgenommen hat.
14 Eine Verpflichtung, in einer Konstellation wie der hier vorliegenden (in der die ungünstigste Situation nicht vom Anlagenbetreiber allein hergestellt werden kann) mehrere Messversuche vorzunehmen, lässt sich dem grundsätzlichen Vorrang von Messungen vor lärmtechnischen Berechnungen nicht entnehmen (siehe allgemein zu diesem Vorrang VwGH 18.5.2016, Ra 2015/04/0053). Die Revision vermag auch nicht aufzuzeigen, zu welchem Zweck eine Befragung des Geschäftsführers der Revisionswerberin dazu erfolgen hätte müssen, ob eine Vollauslastung vorliege. Ob eine Vollauslastung vorliegt, bestimmt sich bei einem Gastgewerbebetrieb maßgeblich nach der Anzahl der zum Messzeitpunkt anwesenden Gäste in Relation zur Anzahl der zur Verfügung stehenden Verabreichungsplätze, weshalb es vorliegend nicht zu beanstanden ist, wenn - bei 50 zur Verfügung stehenden Verabreichungsplätzen und nur vereinzelt anwesenden Gästen - keine Vollauslastung angenommen wurde. Ausgehend davon ist nunmehr nachvollziehbar begründet, weshalb eine lärmtechnische Berechnung erfolgte.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis Ra 2017/04/0026 eine unklare Begründung im Zusammenhang mit der Ermittlung des Immissionsstandes ohne Gastgartenbetrieb gerügt. Wie sich dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis entnehmen lässt, wurde der bei der Messung am 30. Juni 2015 ermittelte Pegel von 40 dB der Beurteilung als Ist-Situation (ohne Gastgartenbetrieb) zugrunde gelegt. Dazu ist zwar anzumerken, dass die Messung bei geöffnetem Gastgarten stattfand und während der Messung - zumindest teilweise - vereinzelte Gäste anwesend waren. Die Revision vermag aber nicht aufzuzeigen, dass die Revisionswerberin durch diesen Umstand in Rechten verletzt sein kann, zumal eine Messung der Ist-Situation ohne jegliche Gäste jedenfalls keinen höheren Ist-Wert ergeben könnte und daher die - der Unzumutbarkeit der Belästigung zugrunde gelegte - Veränderung um 8,6 dB bei einer Messung gänzlich ohne Gastgartenbetrieb nicht geringer ausfallen hätte können.
16 Soweit die Revisionswerberin moniert, in der Zeit von 20.00 Uhr bis 20.45 Uhr sei keine Messung erfolgt, wird damit dem vom Sachverständigen - unter Rückgriff (u.a.) auf die am 8. Juli 2010 ab 20.00 Uhr erfolgten Messungen - erstatteten Vorbringen, wonach sich bei einem Messbeginn (am 30. Juni 2015) um 20.00 Uhr kein anderes Ergebnis ergeben hätte, nicht substantiiert und nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
17 5.3. Die Revisionswerberin bringt vor, dass der ÖAL-Richtlinie keine normative Bedeutung zukomme und die darin angesprochene Veränderung des Immissionsstandes lediglich einen Richtwert darstelle. Zudem habe die medizinische Sachverständige die zwingend vorgesehene Hörprobe unterlassen und es sei auch nicht klar, was mit der angesprochenen Veränderung der „Schlafarchitektur“ gemeint sei. Ausgehend davon sei das Gutachten der medizinischen Sachverständigen „vollkommen haltlos und nicht verwertbar“.
18 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass sich das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung der Unzumutbarkeit der Belästigungen nicht allein auf die ÖAL-Richtlinie gestützt, sondern auch andere - auf die konkret vorliegenden Gegebenheiten bezogene - Aspekte (wie das Fehlen eines Ruhetages, die deutliche Wahrnehmbarkeit der Schallimmissionen im Schlafzimmer der mitbeteiligten Partei bzw. die äußerst ruhige Ist-Situation) herangezogen hat (siehe zur Heranziehung der ÖAL-Richtlinie neben anderen Grundlagen in Sachverständigengutachten VwGH 23.9.2010, 2009/06/0196, 0197; sowie Bergthaler/Schock, Lärm und Nachbarschaft, in RdU-U&T 2015, 30, 92).
19 Eine Hörprobe kann jedenfalls dann nicht als geboten angesehen werden, wenn die aus einer Betriebsanlage resultierenden Belästigungen - wie hier - zulässigerweise im Wege einer lärmtechnischen Berechnung ermittelt werden. Auf die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen zur „Schlafarchitektur“ und damit zur Nachtsituation kommt es fallbezogen nicht an, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass für den gegenständlichen Gastgarten mangels Anwendbarkeit der bezogenen Verordnung der Gemeinde S (siehe Rn. 5) die Betriebszeiten gemäß § 76a Abs. 2 GewO 1994 (somit bis 22.00 Uhr) maßgeblich sind. Auch mit ihrem weiteren Vorbringen vermag die Revision keine Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit des medizinischen Sachverständigengutachtens, dem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wird, aufzuzeigen (vgl. dazu VwGH 29.11.2017, Ra 2015/04/0014, mwN).
20 Soweit die Revision geltend macht, bei einem Ende der Betriebszeit vor 22.00 Uhr sei nicht auf eine Störung der Nachtruhe abzustellen, ist dem entgegenzuhalten, dass die Unzumutbarkeit der Belästigung im angefochtenen Erkenntnis nicht mit der Störung der Nachtruhe begründet wurde.
21 Da bei der Beurteilung der Lärmeinwirkung auf jenen der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes abzustellen ist, der dem regelmäßigen Aufenthalt der Nachbarn dienen kann (siehe VwGH Ra 2015/04/0014), ist eine Feststellung dahingehend, ob sich der Nachbar vor 22.00 Uhr überhaupt (vorliegend:) im Schlafzimmer aufhält, nicht erforderlich.
22 5.4. Die Revision bringt zwar vor, es hätte die Möglichkeit bestanden, eine Vielzahl (anderer) lärmreduzierender Maßnahmen vorzuschreiben, ohne aber konkret darzulegen, welche anderen Maßnahmen als ebenso geeignet und gelinderes Mittel anzusehen gewesen wären. Ausgehend davon wird eine Relevanz des diesbezüglich geltend gemachten Begründungsmangels betreffend die Wahl der - in § 76a Abs. 8 GewO 1994 ausdrücklich als mögliche Maßnahme genannten - Einschränkung der Betriebszeit als nachträgliche Auflage nicht aufgezeigt (vgl. zur Darlegung der Relevanz eines allfälligen Begründungsmangels VwGH 1.6.2017, Ra 2017/06/0088).
23 6. Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 8. August 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018040136.L00Im RIS seit
14.06.2021Zuletzt aktualisiert am
14.06.2021