TE Vwgh Beschluss 2018/8/8 Ra 2018/04/0006

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Veröffentlicht am 08.08.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z8;
B-VG Art102 Abs1;
GewO 1994;
VwGG §47 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der M G in P, vertreten durch Niedermayr Rechtsanwalt GmbH in 4400 Steyr, Stadtplatz 46, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. November 2017, Zl. LVwG-800270/7/Re/SHo, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit von Übertretungen der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Freistadt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27. Juni 2017 wurde über die Revisionswerberin als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Gewerbeinhaberin zu Spruchpunkt I. gemäß § 366 Abs. 1 Z 2 iVm § 74 Abs. 2 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Tage) und zu Spruchpunkt II. gemäß § 368 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Tage) verhängt.

2 Innerhalb offener Beschwerdefrist beantragte die Revisionswerberin unter Verwendung des vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) zur Verfügung gestellten Formulars die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der unentgeltlichen Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Erhebung einer Beschwerde und Vertretung im gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

3 Mit Beschluss vom 3. August 2017, der Revisionswerberin rechtswirksam zugestellt am 11. August 2017, wies das LVwG den Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers als unbegründet ab.

4 Nach Einlangen der mit 21. September 2017 datierten und am 22. September 2017 zur Post gegebenen, gegen das Straferkenntnis gerichteten Beschwerde hielt das LVwG der Revisionswerberin mit Schreiben vom 18. Oktober 2017, der Revisionswerberin zugestellt am 25. Oktober 2017, die Verspätung ihrer Beschwerde unter Einräumung einer einwöchigen Äußerungsfrist vor.

5 Innerhalb offener Äußerungsfrist brachte die Revisionswerberin in ihrem Schreiben vom 31. Oktober 2017 vor, ihre Eingabe vom 22. September 2017 sei eine Reaktion auf die Abweisung ihres Verfahrenshilfeantrags. In dieser Abweisung sei eine Frist von sechs Wochen angegeben, die sie mit ihrer Eingabe eingehalten habe. Man könne von ihr als unvertretener "rechtlicher Laie" nicht erwarten, dass ihr alle Verfahrensregeln geläufig seien. Sie ersuche daher um positive Erledigung ihrer Äußerung und Annahme ihrer Beschwerde.

6 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LVwG die Beschwerde als verspätet zurück und sprach aus, dass die Revision unzulässig sei.

7 Begründend führte das LVwG aus, die Abweisung des Antrags der Revisionswerberin auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers sei ihr am 11. August 2017 zugestellt worden, weshalb gemäß § 40 Abs. 4 VwGVG (richtig: § 8a Abs. 7 VwGVG) die Beschwerdefrist am 8. September 2017 geendet habe und die am 22. September 2017 zur Post gegebene Beschwerde der Revisionswerberin somit verspätet sei.

Das auf Vorhalt der Verspätung erstattete Vorbringen der Revisionswerberin könne daran nichts ändern. Bei der in der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses vom 27. Juni 2017 korrekt angegebenen Beschwerdefrist von vier Wochen handle es sich um eine gesetzlich normierte, nicht verlängerbare Frist. Die am 21. September 2017 von der Revisionswerberin verfasste Eingabe beziehe sich ausdrücklich auf das Straferkenntnis vom 27. Juni 2017 und nicht auf den Antrag auf Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers. Die Revisionswerberin bringe keine Wiedereinsetzungsgründe vor.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit damit, dass der Antrag der Revisionswerberin auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers bereits aufgrund des darin erstatteten konkreten Vorbringens inhaltlich als Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 27. Juni 2017 zu würdigen gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, das Vorbringen der rechtlich unvertretenen Revisionswerberin nach ihrem klar nachvollziehbaren Willen, eine Beschwerde zu erheben, in eine solche umzudeuten. Wenngleich ihrem Verfahrenshilfeantrag nicht stattgegeben worden sei, sei es ihr deutlich erkennbarer Wille gewesen, das Straferkenntnis zu bekämpfen. Sofern das Verwaltungsgericht nicht die Auffassung der Revisionswerberin, dass ihr Verfahrenshilfeantrag alle relevanten Momente einer Beschwerde enthalten habe, teile, wäre das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen, die Revisionswerberin darauf aufmerksam zu machen und ihr die Möglichkeit der Verbesserung durch Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine wirksame Beschwerde einzuräumen. Insofern stehe der angefochtene Beschluss nicht im Einklang mit der - von der Revisionswerberin nicht näher konkretisierten - höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt klargestellt, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen nicht revisibel ist bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. zuletzt VwGH 30.4.2018, Ro 2017/01/0003; bzw. 18.8.2017, Ra 2017/04/0071; 1.2.2017, Ra 2017/04/0001).

13 Die Revisionswerberin verwendete für die Einbringung ihres Verfahrenshilfeantrags zwecks Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Bekämpfung des gegen sie erlassenen Straferkenntnisses mittels Beschwerde das dafür vom LVwG zur Verfügung gestellte Formular. Soweit sie dieses vollständig ausfüllte und dabei unter anderem in der dafür vorgesehenen Rubrik den Sachverhalt und die Gründe, auf die sie die beabsichtigte Rechtsverteidigung stützte, schilderte, ist daraus nicht abzuleiten, dass das ausgefüllte Formular unabhängig vom Antrag auf Verfahrenshilfe auch bereits als Beschwerde anzusehen ist. Worin vorliegend in diesem Zusammenhang eine krasse Fehlbeurteilung des LVwG liegen sollte, vermag die Revisionswerberin in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen.

14 Angesichts des nach dem objektiven Erklärungswert des Verfahrenshilfeantrags insofern eindeutigen Inhalt des Anbringens der Revisionswerberin war das LVwG auch nicht gehalten, die damals unvertretene Revisionswerberin gemäß § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 13a AVG darüber zu belehren, dass ihr abgewiesener Verfahrenshilfeantrag nicht bereits als - allenfalls verbesserungsbedürftige - Beschwerde gegen das Straferkenntnis anzusehen ist.

15 Die Revision zeigt somit keine Rechtsfragen auf, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

16 Die Vollziehung der Gewerbeordnung 1994 erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung. Kostenpflichtiger Rechtsträger iSd § 47 Abs. 4 VwGG wäre daher der Bund. Da daneben keine Kostenersatzpflicht eines anderen Rechtsträgers vorgesehen ist, war der auf Zuerkennung an das Land Oberösterreich gerichtete Kostenersatzantrag der belangten Behörde abzuweisen (vgl. etwa VwGH 27.7.2017, Ra 2015/07/0056).

Wien, am 8. August 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018040006.L00.1

Im RIS seit

04.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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