TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/13 L523 2161129-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.04.2018
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Entscheidungsdatum

13.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L523 2161125-1/6E

L523 2161129-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Tanja Danninger-Simader als Einzelrichterin über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geb. XXXX, StA. Armenien, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, rechtsfreundlich vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 19.05.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Tanja Danninger-Simader als Einzelrichterin über die Beschwerde der minderjährigen XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, rechtsfreundlich vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 19.05.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die aktuell 6 und 2,5 jährigen Beschwerdeführerinnen sind armenische Staatsbürgerinnen und die Töchter von XXXX, geb. XXXX, XXXX, und XXXX, geb. XXXX, XXXX, jeweils StA. Armenien. Gesetzlich vertreten durch ihre Mutter stellten sie am 20.11.2014 nach illegaler Einreise bzw. am 22.07.2015 nach der Geburt in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz ohne eigene Fluchtgründe.

Die Eltern der Beschwerdeführerinnen brachten zusammengefasst zu den Fluchtgründen vor, dass sie von der armenischen Polizei geflohen seien, da diese sie mehrfach geschlagen, bedroht und misshandelt hätten wegen oppositionspolitischer Tätigkeiten. Insbesondere der Vater wäre bei der Oppositionspartei Armenischer Nationalkongress aktiv tätig gewesen, weshalb in der Folge nicht nur er sondern auch die Mutter Opfer der Übergriffe armenischer Polizisten geworden wäre und letztlich die Familie flüchten habe müssen.

2. Aufgrund der behaupteten oppositionspolitischen Tätigkeit des Vaters der Beschwerdeführerinnen wurden behördliche Recherchen in Armenien zu dessen Angaben durchgeführt. Die Vertrauensperson für Armenien teilte in einer diesbezüglichen Anfragebeantwortung vom 4. November 2016 mit, dass keinerlei Angaben des Vaters bestätigt werden konnten.

3. Der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerinnen - sowie auch die Anträge ihrer Eltern - wurden mit Bescheiden des BFA vom 19.05.2017 gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerinnen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das BFA begründete seine abweisenden Entscheidungen im Wesentlichen damit, dass dem Fluchtvorbringen der Eltern der Beschwerdeführerinnen die Glaubwürdigkeit zu versagen war. Wie in der Beweiswürdigung der zeitgleich ergangenen Bescheide der Eltern ersichtlich sei, hätten diese Armenien nicht aufgrund politischer Verfolgung verlassen.

Des Weitern wurde festgestellt, dass den Beschwerdeführerinnen auch keine Gefahr drohe, die eine Gewährung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. So würden die Beschwerdeführerinnen auch insbesondere an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leiden und sei die medizinische Grundversorgung in Armenien flächendeckend gewährleistet. Auch wären spezielle Einrichtungen zur Behandlung von psychologisch/psychiatrisch/emotionalen Störungen bei Kindern und Erwachsenen gegeben und würden auch familientherapeutische Maßnahmen angeboten werden. Die Rückkehrentscheidung verletze zudem nicht das Recht auf ein Privat- und Familienleben im Bundesgebiet und würden auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vorliegen.

4. Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 22.05.2017 wurde gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG den Beschwerdeführerinnen bzw. deren gesetzlicher Vertretung amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt und gemäß § 52a Abs 2 BFA-VG die Verpflichtung mitgeteilt, bis zum 06.06.2017 ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Die Bescheide wurden den Beschwerdeführerinnen bzw. deren gesetzlicher Vertreterin am 23.05.2017 ordnungsgemäß zugestellt, wogegen am 06.06.2017 fristgerecht Beschwerde - jene richtig sich zugleich auch gegen die Bescheide der Eltern - erhoben wurde.

Hierbei wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen der Eltern der Beschwerdeführerinnen wiederholt. Bemängelt wurde zudem, dass das BFA in den Bescheiden der minderjährigen Kinder lediglich auf die Länderfeststellungen der Kindesmutter verwiesen habe. Auch seien die Länderberichte generell oberflächlich und teilweise lückenhaft und wäre dabei nicht auf die spezielle Situation der Beschwerdeführer eingegangen worden. Auch hätte eine nähere Befragung der Eltern der Beschwerdeführerinnen erfolgen müssen, dann hätten sich auch die angeblich unglaubhaften bzw. widersprüchlichen Angaben geklärt und als richtig erwiesen. Insofern werde daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Auch sei die Integration aller Beschwerdeführer nicht ausreichend ermittelt worden. Darüber hinaus drohe möglicherweise eine Gesundheitsverschlechterung in Armenien durch den fehlenden Zugang zu einer lückenlosen Behandlung.

6. Am 27.03.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache der Eltern der Beschwerdeführerinnen sowie auch in den gegenständlichen Beschwerdeverfahren der minderjährigen Kinder - vertreten durch deren Mutter, eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde den Eltern der Beschwerdeführerinnen die Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie zu den persönlichen Verhältnissen, zur Integration und auch zur Rückkehrsituation aller Familienmitglieder ausführlich Stellung zu nehmen.

7. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

1.1. Feststellungen zur Person

Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Armenien und Angehörige der armenisch apostolischen Glaubensgemeinschaft. Sie sprechen muttersprachlich armenisch und gehören zur Volksgruppe der Armenier. Die Beschwerdeführerinnen sind die Töchter von XXXX, geb. XXXX, XXXX, und XXXX, geb. XXXX, XXXX. Die Identität der Beschwerdeführerinnen und ihrer Eltern steht nicht fest.

Mit dieser Familie leben die Beschwerdeführerinnen seit ihrer Geburt zusammen und sind sie auch von Armenien aus nach Österreich eingereist - bzw. ist die jüngere Beschwerdeführerin XXXX erst in Österreich geboren. Über die Beschwerdeverfahren der Eltern wird ebenfalls mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes des heutigen Tages entschieden.

Die Beschwerdeführerinnen haben in Österreich soziale Kontakte. Die ältere Beschwerdeführerin XXXX besucht den Kindergarten XXXX.

Die jüngere Beschwerdeführerin ist gesund. Bei der älteren Beschwerdeführerin wurden XXXX diagnostiziert und sie nimmt entsprechend der Angaben der Mutter psychologische Betreuung in Anspruch. Beide leiden an keinerlei lebensbedrohenden Erkrankungen.

1.2. Länderfeststellungen

Hinsichtlich der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien, legt das Bundesverwaltungsgericht seinen Entscheidungen die im Zuge der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung und in Wahrung des Parteiengehörs sowie mit Stellungnahmemöglichkeit der gesetzlichen Vertreterin übermittelten Länderfeststellungen zu Grunde.

Auszugsweise werden aus den herangezogenen Länderfeststellungen insbesondere folgende Feststellungen explizit angeführt:

"...

Politische Lage:

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hat etwas über 3 Millionen Einwohner (2016). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier, 1,2% Jesiden, 0,4% Russen und Angehörige kleinerer Minderheiten wie Assyrer, Kurden oder Griechen (NSS-RA 2013, vgl. CIA 12.1.2017).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat 131 Mitglieder und wird alle fünf Jahre gewählt. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch das Referendum vom 06.12.2015 weitreichend geändert. Die neue Verfassung sieht die Umwandlung des bisherigen semi-präsidialen Regierungssystems in ein parlamentarisches System vor. Das Amt des Staatspräsidenten wird im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert (AA 3.2017a).

Die Opposition warf dem amtierenden Präsidenten Sarksyan, dessen letzte Amtszeit 2018 ausläuft, vor, das Amt des Regierungschefs anzustreben (Standard 7.12.2015). Laut zentraler Wahlkommission stimmten bei einer Beteiligung von 50,5 Prozent 63,5 Prozent für die Annahme der Verfassungsänderungen. Die Oppositionspartei Armenischer Nationalkongress warf der Regierung Wahlbetrug vor. Hunderte Demonstranten protestierten gegen den Ausgang (RFE/RL 7.12.2015). NGOs, wie das Anti-Korruptions-Zentrum von Transparency International, berichteten von massiven Unregelmäßigkeiten, darunter über 900 Verletzungen der Wahlordnung sowie Fälle von Einschüchterung (Caucasian Knot 9.12.2015, vgl. EN 7.12.2015).

Die regierende Republikanische Partei Armeniens gewann bei den Parlamentswahlen vom 2.4.2017 über 49% und die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Das Mitte-Rechts-Bündnis des russlandfreundlichen Oligarchen Gagik Tsarukyan erreichte 27%. Daneben schaffte das Bündnis Yelq und die nationalistische Armenische Revolutionäre Föderation den Einzug ins Parlament (EN 3.4.2017; vgl. PA 4.4.2017). Insbesondere die künftige Orientierung des Landes vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise zwischen einer EU-Annäherung einerseits und einem starken Bündnis mit Russland infolge des militärischen Konflikts mit Aserbaidschan andererseits, dominierten thematisch den Wahlkampf (RFL/RL 3.4.2017).

Trotz der Einhaltung der Grundfreiheiten und der guten Administrierung der Parlamentswahlen unter Einführung neuer Technologien, wurden die Wahlen durch glaubwürdige Berichte über Stimmenkauf und Druckausübung auf WählerInnen, Beamte sowie Angestellte von Privatunternehmen überschattet (OSCE/ODIHR 3.4.2017).

...

Sicherheitslage:

Kernproblem für die armenische Außenpolitik bleibt der Konflikt um Nagorny Karabach sowie die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und zur Türkei. Seit dem Krieg um das überwiegend von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach (1992-94) halten armenische Verbände rund 17% des aserbaidschanischen Staatsgebiets (Bergkarabach und sieben umliegende Provinzen) besetzt.

...

Rechtsschutz/Justizwesen:

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte: die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wird weiterhin durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert, auch wenn durch Gesetzesänderungen im Rahmen der "Judicial Reforms Strategy 2012-2016" gewisse Fortschritte, insbesondere bei der richterlichen Unabhängigkeit, zu verzeichnen sind. Die neue Verfassung hat die bisher weitreichenden Kompetenzen des Staatspräsidenten bei der Ernennung von Richtern reduziert. Es ist bekannt, dass einige Beamte in leitenden Funktionen der Justiz keine juristische Ausbildung haben. Verfahrensgrundrechte wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe werden laut Verfassung gewährt. Das Prinzip der "Telefonjustiz" - Machthaber nehmen Einfluss auf laufende Verfahren - soll in politisch heiklen Fällen nach wie vor verbreitet sein. In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es hingegen insoweit Fortschritte, als die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 22.3.2016).

Die Gerichte hören weiterhin zu den Institutionen, denen seitens der Bevölkerung ein geringes Vertrauen entgegengebracht wird. Die Verfassungsreform sieht die Schaffung des Obersten Justizrates vor, um die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter zu gewährleisten. 2016 gab es jedoch keine Entwürfe oder Konzepte im Justizbereich, die mit der Öffentlichkeit geteilt oder diskutiert wurden. Positiv war 2016 die Reform des Bewährungssystems, das einen alternativen Strafvollzug vorsah, was angesichts der oft inadäquaten Verhältnisse in den Haftanstalten wichtig ist (FH 29.3.2017).

Die Gerichtsbarkeit zeigt keine umfassende Unabhängigkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger.

...

Sicherheitsbehörden:

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch

Verhaftungen durchführen dürfen. . Der Polizeichef füllt in

Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll (AA 22.3.2016).

Straffreiheit ist ein Problem und es gibt keine unabhängige Institution, die ausschließlich Polizeiübergriffe untersucht. Laut NGOs sehen sich die Gesetzesvollzugsorgane eher als Verteidiger der Autorität denn als Diener des Gesetzes und der Öffentlichkeit. Der Verteidigungsminister bemüht sich, die Disziplin auch durch den Einsatz von Lehroffizieren für Menschenrechte zu verbessern, wozu auch die Bereitstellung sozialer, psychologischer und Rechtskurse im Rahmen des Wehrdienstes dienen sollen. Im November 2015 wurde seitens des Verteidigungsministeriums das Zentrum für Menschenrechte und Integritätsbildung errichtet, mit dem Mandat, u.a. die Menschenrechte zu schützen, Ethik zu fördern und eine Anti-Korruptions-Politik einzuführen (USDOS 3.3.2017).Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 muss die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen (USDOS 3.3.2017).Am 17.7.2016 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der bewaffneten Gruppe "Sasna Tsrer", die eine Polizeistation besetzte, und Sicherheitsorganen. In jenen Tagen kam es zu Versammlungen von Demonstranten am Freiheitsplatz in Jerewan, welche laut der "Foundation Against the Violation of Law" (FAVL) unrechtmäßig verhaftet wurden. Zahlreiche Berichte zeigten, dass die Protestierenden Schlägen, Erniedrigungen und grausamen Behandlungen in Gewahrsam der Polizei ausgesetzt waren. Den Rechtsanwälten wurde der Zugang zu den verhafteten Demonstranten für mehrere Stunden verwehrt. Demonstranten wurden bis zu 32 Stunden statt der vorgesehenen maximal drei Stunden festgehalten und zwar ohne Wasser und Nahrung (FAVL 7.2016).

...

Folter und unmenschliche Behandlung:

Die Anwendung von Folter ist nach Art. 26 der Verfassung verboten. Das armenische Strafgesetzbuch steht aber weiterhin nicht in Übereinstimmung mit der UN-Konvention gegen Folter (gesetzl. Kriminalisierung gem. Art. 1 der Konvention). Nach armenischer Definition fallen Straftaten von Angehörigen staatlicher Institutionen nicht darunter, sondern nur strafbare Handlungen von Privatpersonen). Im "Human Rights Strategy Action Plan 2014-2016" der armenischen Regierung zur weiteren Umsetzung der armenischen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte wird auf die UN-Konvention gegen Folter kein Bezug genommen.

Menschenrechtsorganisationen berichten immer wieder glaubwürdig von Fällen, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu Folterungen (z.B. Elektroschocks, wiederholte Schläge auf den Kopf) gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden. Abgesehen davon gibt es allerdings keinen Mechanismus, Folterverdachtsfälle gegenüber Beamten zu untersuchen, da beispielsweise Dienstaufsichtsbeschwerden nicht vorgesehen sind (AA 22.3.2016).

Polizeiübergriffe auf Verdächtige während deren Festnahme, Inhaftierung und Befragung sind weiterhin ein Problem. Laut Menschenrechtsorganisationen melden die meisten Opfer Übergriffe nicht, weil sie Angst vor Vergeltung haben. Am häufigsten passieren Misshandlung in Polizeistationen, weil diese im Unterschied zu Gefängnissen oder polizeilichen Hafteinrichtungen nicht der öffentlichen Überwachung unterliegen (USDOS 3.3.2017).

Das Helsinki Komitee Armenien berichtet für 2016 über unzählige Fälle von Polizeigewalt. Einer Gruppe von zivilen Beobachtern, die die armenischen Gefängnisse besuchte, berichtete, dass eine große Zahl von Personen brutalen Schlägen ausgesetzt war, bevor sie in die Haftanstalten gebracht wurden (HCA 1.2017).

Der Menschenrechtskommissar des Europarates zeigte sich besorgt, dass erzwungene Geständnisse regelmäßig bei Gericht Verwendung finden. Überdies gäbe es Fälle, bei denen Personen, die Beschwerde gegen Misshandlung während der Einvernahme einlegten, wegen Falschaussage verurteilt wurden (CoE-CommDH 10.3.2015).

Der Sonderermittlungsdienst der Republik Armenien, eine Beschwerdeeinrichtung zur Untersuchung von strafrechtlichen Vergehen von Behörden, berichtete für das Jahr 2016 von 705 Fällen, in denen ermittelt wurde, im Vergleich zu 654 im Jahr 2015. In 104 Straffällen wurden Untersuchungen durchgeführt, die BürgerInnen betrafen, welche illegal von der Polizei oder anderen Körperschaften festgehalten wurden, und es hierbei zu Freiheitsentzug, Folter oder anderen Menschenrechtsverletzungen durch Offizielle kam (SIS 27.1.2017).

...

Korruption:

Zu den gravierenden Demokratiedefiziten kommt die grassierende Korruption, vor allem im staatlichen Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit. Die Korruption wird, neben dem Oligarchentum, als größtes Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung und den Aufbau einer Zivilgesellschaft Armeniens gesehen. Armenien hat trotz von Regierungsseite seit Jahren angekündigten Verbesserungen und verabschiedeten Antikorruptionsstrategien in den letzten Jahren nur geringe Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung gemacht (AA 22.3.2016).

Der Kampf gegen Korruption ist seit Jahren an der Spitze der politischen Agenda in Armenien, evident durch mehrere Rechtsreformen in Bezug auf Korruption, Integrität und Stärkung der Justiz. Nichtsdestotrotz sind sich Beobachter weitgehend einig, dass Korruption weiterhin ein wichtiges Problem für die armenische Gesellschaft darstellt. Die Justiz wird als besonders der Korruption zugeneigt angesehen (CoE-GRECO 25.6.2016).

...

Allgemeine Menschenrechtslage:

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten unantastbar. Menschenrechte werden zum größten Teil durch die Sicherheitsorgane, politische Amtsträger und Privatpersonen aus dem Umfeld der sich über dem Gesetz wähnenden Oligarchen oder deren Strukturen verletzt (AA 22.3.2016).

Das US Department of State sah die signifikantesten Menschenrechtsprobleme in der Straffreiheit der Gesetzesvollzugsorgane. Andere Probleme waren unerklärliche Todesfälle in der Armee ohne Kampfeinwirkung, Misshandlungen von Rekruten durch Offiziere, Vorwürfe von Polizeiübergriffen während des Verhörs und des Arrestes, der Mangel an Transparenz hinsichtlich der Gründe für die Festnahmen und unklare Kriterien für die Freilassung. Gerichtsprozesse waren oft langwierig und die Gerichte waren nicht fähig, die Gesetze im Sinne der Gewährung eines fairen Verfahrens anzuwenden. Die Polizei hatte Journalisten im Visier. Im Bereich der Medien waren der Mangel an Diversität und die Selbstzensur ein Problem. Die Achtung der Versammlungsfreiheit verschlechterte sich, und die Autoritäten schränkten die Freiheit zur Teilhabe am politischen Prozess sowie den politischen Pluralismus ein. Mitgliedern religiöser Minderheiten widerfuhr gesellschaftliche Stigmatisierung und LGBTI-Personen sahen sich mit Diskriminierung von offizieller Seite sowie gesellschaftlicher Gewalt konfrontiert. Die Regierung schränkte ArbeitnehmerInnenrechte ein und setzte Bestimmungen des Arbeitsrechtes kaum um (USDOS 3.3.2017).

Laut Human Rights Watch wandten die Autoritäten exzessive und unverhältnismäßige Gewalt gegen friedliche Demonstranten an, attackierten Journalisten und erwirkten ungerechtfertigte Strafanzeigen gegen Demonstrationsanführer und -teilnehmer. Misshandlungen während der Haft blieb ein stetes Problem und Untersuchungen hierzu blieben ineffektiv (HRW 12.1.2017).

Auch Amnesty International sah vor allem das Agieren der Polizei als problematisch. Neben der exzessiven Polizeigewalt gegen Demonstranten, den willkürlichen Verhaftungen, nahmen Vorwürfe wegen Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam den Großteil des Berichtes 2016/17 ein (AI 22.2.2017).

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Meinungs-und Pressefreiheit:

Die Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel. Es gibt offiziell keine Zensur. Kritik an der Regierung und ihren Vertretern wird generell mit Ausnahme einiger Tabuthemen (u. a. Stellung der Frau in der Gesellschaft, Schutz der LGBTTI vor Verfolgung und Diskriminierung, der Bergkarabach-Konflikt, Misshandlung von Rekruten in den Streitkräften) geduldet. Die Zahl der Gerichtsverfahren gegen Journalisten und Medien ist im Vergleich zu 2013 leicht rückläufig. Allerdings wurden 2015 19 Journalisten Opfer gewalttätiger Übergriffe. Viele Journalistinnen und Journalisten neigen zur Selbstzensur. Üble Nachrede und Verleumdung werden nach einer Gesetzesänderung nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Betroffenen steht stattdessen der zivilrechtliche Klageweg offen. Die Zahl der zivilrechtlichen Klagen gegen Medien und Journalisten hat in der Folge stark zugenommen, und es ergingen eine Reihe unverhältnismäßig hoher Geldstrafen (AA 22.3.2016).

Die meisten Individuen können ohne Furcht vor Repressalien die Regierung privat oder öffentlich kritisieren sowie Themen von allgemeinen Interesse diskutieren. Mitarbeiter von Medienhäusern hingegen üben oft Selbstzensur, um öffentliche Schikanen zu vermeiden. Print- und elektronischen Medien mangelt es im Allgemeinen an der Vielfalt von politischen Anschauungen sowie objektiver Berichterstattung. Einzelpersonen oder Gruppen besitzen die meisten Zeitungen, welche zumal die politischen Neigungen ihrer Besitzer und Finanziers widerspiegeln, die wiederum oft der Regierung nahe stehen. Politiker der Regierungspartei und deren politische Führungskräfte besitzen die meisten Fernsehsender. Regionalsender bieten mitunter alternative Ansichten, meist durch extern produzierte Beiträge. Bei politisch sensiblen Themen jedoch, bringen die Medien im überwiegenden Ausmaß nur die von der Regierung unterstützten Ansichten und Analysen (USDOS 3.3.2017).

Im April 2016 zeigte sich die OSCE Vertreterin für die Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, besorgt in Bezug auf die Sicherheit von JournalistenInnen nach den Zwangsmaßnahmen der Polizei gegen Medienvertretern in Jerewan (OSCE-RFM 26.4.2016). Anfang August 2016 ersuchte Dunja Mijatovic die armenische Regierung angesichts der Massenunruhen, dass die Rechte und die Sicherheit von Journalisten geschützt werden. Denn zahlreiche Reporter und deren Kamerateams wurden von Polizisten und Zivilpersonen tätlich angegriffen (OSCE-RFM 1.8.2016) und verletzt, während sie im Juli 2016 von der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration berichteten (RWB 2017).

Laut Reportern ohne Grenzen ist die Printmedien-Szene vielfältig und polarisiert. Der investigative Journalismus prosperiert im Internet, während der Medienpluralismus im Rundfunkbereich hinterher hinkt. Im World Press Freedom Index 2017 lag Armenien auf Platz 79 von 180 Ländern (RWB 2017).

...

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Versammlungsfreiheit:

Die Verfassung (Art. 44) garantiert das Recht auf Organisation von und Teilnahme an "friedlichen und nicht bewaffneten" Versammlungen. Das Versammlungsgesetz entspricht EU- und anderen internationalen Standards (AA 22.3.2016).

Während viele kleinere Versammlungen 2016 ohne Interventionen abliefen, kam es seitens der Ordnungsmacht in anderen Fällen zur Anwendung von Gewalt und exzessiven Vorgehen gegen Demonstranten bzw. zu deren willkürlichen Festnahme (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 29.3.2017).

Im Sommer 2016 wurden laut Human Rights Watch Dutzende Personen anlässlich von Demonstrationen willkürlich festgenommen, geschlagen und gegen einige Strafanzeige erhoben. Die Behörden beriefen sich auf Polizeiaussagen, um ein Strafverfahren gegen 40 Personen wegen "Organisierung von Massenunruhe" einzuleiten, worauf bis zu zehn Jahre Gefängnis stehen. Die Behörden verweigerten vielen Festgenommenen grundlegende Rechte, wie den unmittelbaren Zugang zu einem Rechtsanwalt eigener Wahl oder Verwandte über ihr Verbleiben zu informieren. Einigen Häftlingen, die durch Polizeischläge ernsthaft verletzt wurden, verweigerte die Polizei prompte medizinische Versorgung (HRW 12.1.2017).

...

Vereinigungsfreiheit:

Die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang. Die Gesetzgebung entspricht im Wesentlichen internationalen Standards, weist aber in der Umsetzung Defizite auf. Das Recht auf Streik gilt nicht uneingeschränkt. Bestimmten Berufsgruppen (z.B. Polizei) ist das Recht verwehrt, Gewerkschaften beizutreten. Der große informelle Arbeitsmarkt behindert de facto die Wahrnehmung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Zudem machen wegen der ungünstigen Wirtschaftslage und der somit unsicheren Arbeitsplätze nur wenige Arbeitnehmer von ihrem Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, Gebrauch (AA 22.3.2016).

Die Regierung respektiert im Allgemeinen die Vereinigungsfreiheit, allerdings erlaubt das Gesetz den NGOs nicht Geld für deren Dienste zu verlangen oder zwecks Finanzierung der Vereine profitorientierte Aktivitäten zu setzen. Somit sind NGOs von Spenden und Geschenken abhängig (USDOS 3.3.2017).

...

Opposition:

Sowohl die Oppositionsparteien als auch die außerparlamentarische Opposition können sich frei äußern. Es gibt aber immer wieder belastbare Berichte in der Presse und von NGOs über Behinderungen und Ungleichbehandlungen der Oppositionsparteien durch die Behörden, z. B. bei Demonstrationen oder Wahlen. In der Vergangenheit kam es bei Demonstrationen der Opposition gelegentlich zu Gewaltanwendung durch Dritte, gegen die die Polizei im Einzelfall nicht bzw. nicht effektiv einschritt. Die im Dezember 2015 durch Referendum gebilligten weitreichenden Verfassungsänderungen sehen nebst einer Ausweitung des Grundrechtekatalogs auch die Stärkung der Rechte der Opposition vor (AA 22.3.2016).

Es gibt Beschwerden, wonach die Regierung Verwaltungs- und Rechtsmittel verwendet, um finanzielle Zuwendungen an Oppositionsparteien zu unterminieren. Dazu gehören etwa selektive Steuerprüfungen (USDOS 3.3.2017).

...

Relevante Bevölkerungsgruppen:

Frauen:

Verfassung und Gesetze schreiben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest und verbieten die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl durch das in der Bevölkerung verankerte patriarchalische Rollenverständnis geprägt (AA 22.3.2016). ...

Vergewaltigung, Missbrauch durch den Ehemann und häusliche Gewalt werden infolge sozialer Stigmatisierung, der Abwesenheit von weiblichen Polizeibeamten und Ermittlerinnen und manchmal aufgrund der Weigerung seitens der Polizei zu handeln, unterdurchschnittlich zur Anzeige gebracht. Fälle häuslicher Gewalt werden nicht gemeldet, weil die Betroffenen Angst vor körperlichen Schäden oder Angst haben, dass die Polizei sie zu ihren Ehemännern zurückschickt. Zudem schämen sich die Frauen, ihre Familienprobleme zu offenbaren. Es gibt auch Berichte, dass die Polizei, vor allem außerhalb von Jerewan, zögerte, in solchen Fällen zu handeln und entmutigte Frauen Anzeige zu erstatten (USDOS 3.3.2017).

Laut offiziellen Daten der armenischen Polizei wurden in den ersten zehn Monaten des Jahres 2016 563 Fälle von häuslicher Gewalt verzeichnet, darunter 370, bei denen der Ehemann oder Partner die Täter waren. 1.956 Frauen kontaktierten die Polizei und informierten diese über Gewalthandlungen unterschiedlicher Art. Im gleichen Zeitraum wurden zehn Frauen im Zuge häuslicher Gewalt getötet. Die faktischen Umstände bei Gewalttaten gegen Frauen sind oft schwer zu ermitteln, da die vorherrschende Ansicht der meisten Menschen ist, diese nicht Kund zu tun. Nicht selten werden Todesdrohungen und andere Warnsignale ignoriert, weil die Gesetzesorgane nicht über die relevanten Fähigkeiten verfügen oder das Risiko schlicht nicht einschätzen wollen. In der Justizpraxis überwiegt zumal eine nachsichtige Haltung gegenüber den Tätern und im Gegenteil, das Opfer für die Übergriffe verantwortlich zu machen (HCA 1.2017).

Im World Gender Gap Index 2016 nahm Armenien Rang 102 von 144 Ländern ein. Insbesondere in den Subkategorien Gesundheit (Rang 143) und politische Teilhabe (Rang 125) schnitt das Land besonders schlecht ab (WEF 2016).

...

Kinder:

Physische und psychische Gewalt gegen Kinder sowie entwürdigende Strafen sind in Schulen, Internaten sowie Kinderheimen und Waisenhäusern weiterhin weit verbreitet (AA 22.3.2016).

Personen unter 18 dürfen keine Überstunden, keine strapaziöse oder gefährliche Arbeit und keine Nacht- oder Feiertagsarbeit verrichten. Die Behörden wenden jedoch die entsprechenden Rechtsvorschriften nicht an. Die Strafen sind unzureichend, um die Einhaltung der Bestimmungen zu erwirken. Laut einer Studie des Nationalen Statistikamtes und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahre 2015 waren 11,6% der Kinder zwischen fünf und 17 beschäftigt. Die meisten der arbeitenden Kinder waren in der Land- und Forstwirtschaft und der Fischerei tätig. Von 39.300 betroffenen Minderjährigen hatten 31.200 mit einer gefährlichen Arbeit zu tun (USDOS 3.3.2016).

Am 8.3.2016 äußerte sich Maud De Boer-Buquicchio, Sonderberichterstatterin für Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie, vor dem UN-Menschenrechtsrat über Armenien. Sie lobte hierbei die Verfassungszusätze, die eine Stärkung des Kinderschutzes vorsehen, betonte jedoch gleichzeitig die Notwendigkeit, diese auch umzusetzen. Die Sonderberichterstatterin rief die armenischen Autoritäten auf, insbesondere das Gesetz gegen häuslicher Gewalt zu verabschieden sowie gleichermaßen Zusätze im Familienrecht, dem Strafrecht und dem Strafverfahrensrecht, die in der Ausweitung des Kinderschutzes münden sollten. Infolge eines mangelhaften Berichtswesens und eines unzulänglichen öffentlichen Bewusstseins besteht das Risiko, dass Fälle von Missbrauch, Gewalt und Ausbeutung von Kindern unentdeckt bleiben und kaum berichtet werden. Dies hat wiederum Auswirkungen auf den Zugang zu Betreuung und Genesung des Kindes, respektive resultiert in der Straflosigkeit der Täter, so die Sonderberichterstatterin (OHCHR 8.3.2016).

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Sozialbeihilfen:

Das Sozialsystem in Armenien umfasst derzeit: das staatliche Sozialhilfe-Programm, wie Unterstützung von Familien, einmaliger Geburtenzuschuss und Kindergeld bis zum Alter von zwei Jahren; das Sozialhilfeprogramme für Personen mit Handicap, Veteranen, Kinder, insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationshilfe, Altersheime, Waisenhäuser, Internate sowie das staatliches Sozialversicherungsprogramm, bestehend aus Alters- und Behindertenrente, sowie Zuschüssen bei vorübergehender Behinderung und Schwangerschaft (IOM 8.2015).

Familienbeihilfen

Die monatliche Familienbeihilfe beträgt 17.000 Dram (Basiswert) plus

5.500 Dram bis 8.000 Dram monatlich für jedes Kind unter 18, abhängig von der Familiensituation, dem Familieneinkommen sowie der örtlichen Lage. Am ersten Schultag gibt es eine Einmalzahlung von 25.000 Dram (SSA 2016).

Einmalige Beihilfen

Diese können Familien gewährt werden, deren Bedürftigkeitspunktzahl unter dem Mindestschwellenwert von 34,00 (jedoch über 0) liegt. Die Entscheidung über die Bedürftigkeit einer Familie obliegt dem Sozialrat. Des Weiteren wird Familien verstorbener Soldaten eine Beihilfe in Höhe der Familiensozialhilfe gewährt. Die Anerkennung des Anspruchs der einmaligen Beihilfe wird alle drei Monate geprüft (IOM 8.2014).

Mutterschaftsgeld

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindesgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Für das dritte und vierte Kind stehen je 1 Million Dram zu und zusätzlich 500.000 Dram auf ein Spezialkonto für das Kind, von dem vor dem 18. Lebensjahr nur für bestimmte Zwecke wie etwa für Schulgebühren Geld abgehoben werden darf. Ab dem fünften Kind wird der einmalige Geldbetrag bis auf 1,5 Millionen Dram erhöht plus einer halben Million auf das Spezialkonto. Außerdem haben Mütter das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen auf 155 oder Mehrlingsgeburten auf 180 Tage erhöht. In diesem Zeitraum wird das Gehalt zu 100% weiter bezahlt. Es können bis zu drei Jahre unbezahlte Karenz in Anspruch genommen werden, ohne das es zum Verlust des Arbeitsplatzes kommt (Repat Armenia 2016).

Ab dem 1.1.2016 erhalten auch Frauen, die in keinem Arbeitsverhältnis stehen, die Geburtenbeihilfe in der Höhe von 50.000 Dram für das erste und zweite, bzw. eine Million für das dritte und vierte und 1,5 Millionen ab dem fünften Kind. Die monatliche Beihilfe von 18.000 Dram bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes sollte jedoch nach Aussagen des Arbeits- und Sozialministers weiterhin nur Frauen zukommen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (ARKA 11.11.2015).

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Medizinische Versorgung:

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Die Leistungen werden in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei. Allerdings gilt dies nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre medizinische Versorgung. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem.

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die überbordende Korruption auf allen Ebenen, ein weiteres Problem die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals. Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind.

Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen - meist Privatkliniken - stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung. Insulinabgabe und Dialysebehandlung erfolgen grundsätzlich kostenlos: Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. 50 USD pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Jerewan möglich, auch in den Städten Vanadzor und Gyumri sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet. Die größeren Krankenhäuser sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten: Nicht immer sind alle Präparate vorhanden, obwohl viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland üblichen Preise verkauft werden. Importierte Medikamente sind dagegen überall erhältlich und ebenfalls billiger als in Deutschland. Für die Einfuhr ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich (AA 22.3.2016).

Die öffentlichen Sozialpflegedienste in Armenien sind sehr begrenzt. Der private Sektor ist an der Erbringung dieser Leistungen nicht beteiligt. Es gibt nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen und keine Pflegeheime für Patienten, die eine dauerhafte, langfristige Betreuung benötigen. Es gibt keine Vorkehrungen für eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen und keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und ebenfalls kein Sozialarbeiternetzwerk. Es gibt sieben regionale psychiatrische Kliniken, die lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung bieten (IOM 8.2014).

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Rückkehr:

Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 22.3.2016).

Das offizielle Internet-Informationsportal "Tundarc" bietet potentiellen armenischen Rückkehrern, auch Doppelstaatsbürgern, wichtigen Informationen zu den zu beachtenden Formalitäten bei einer Rückkehr sowie den wichtigsten Themenbereichen, wie Gesundheitsfürsorge, Pension, Bildung oder Militärdienst an. Überdies findet sich eine Orientierung zu bestehenden Hilfsprogrammen (Tundarc o.D.).

Die Europäische Union startete am 31.1.2017 ein neues Projekt zur Unterstützung der Reintegration von armenischen Rückkehrern. Im Rahmen des Projekts sollen auch die Kapazitäten der Regierung und der NGOs im Bereich der Wiedereingliederung gestärkt werden. Das Projekt mit einem Budget von 493.000 Euro wird vollständig aus der Europäischen Union im Mobilität Partnership Facility-Programm finanziert, das vom Internationale Center for Migration Policy Development (ICMPD) implementiert wird (AN 31.1.2017).

Die Armenische Caritas implementiert das Projekt: "Migration and Development III", das bis Ende Februar 2019 läuft. Eine der Zielgruppen sind RückkehrerInnen aus der EU, der Schweiz und Liechtenstein. Jährlich soll zwischen 70 und 80 RückkehrerInnen bei ihrer Reintegration durch die Bereitstellung von Unterkunft, Beratung und Bildungsmaßnahmen sowie durch die Schaffung eines Unterstützungssystems bei Gründung eines Betriebes geholfen werden (AC 2017).

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1.3. Feststellungen zum Vorbringen der Beschwerdeführerinnen:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Eltern der Beschwerdeführerinnen in Armenien aufgrund oppositionspolitischer Tätigkeiten von der armenischen Polizei geschlagen, bedroht und misshandelt wurden. Insofern war auch keine Bedrohung oder Verfolgung der minderjährigen Beschwerdeführerinnen - für die weder eigene Fluchtgründe vorgebracht noch festgestellt wurden - in Armenien gegeben.

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr nach Armenien einer konkreten Bedrohungs- und Gefährdungssituation ausgesetzt wären oder dass sonstige rechtlich relevante Rückkehrhindernisse vorliegen würden.

2. Beweiswürdigung

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einschließlich der Verfahrensakte der Eltern der Beschwerdeführerin sowie insbesondere einschließlich der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 4. November 2016 und der Anfragebeantwortung betreffend der Behandlung von XXXX Erkrankungen von Kindern in Armenien, der Einholung von Länderberichten und von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems sowie zentral auch durch die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Aufgrund der vorliegenden, unbedenklichen und von den Verfahrensparteien nicht beanstandeten Aktenlage ist das Bundesverwaltungsgericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerinnen:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit und der familiären und privaten Verhältnisse ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben der Eltern, an denen auf Grund der Sprachkenntnisse und der örtlichen Kenntnisse und Gegebenheiten nicht zu zweifeln war.

Zur Identität der Beschwerdeführerinnen ist anzuführen, dass diese mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments oder sonstigen Bescheinigungsmittels nicht feststeht. Soweit den Beschwerdeführerinnen im Asylverfahren ein Name zugeschrieben wird, dient dies daher als Zuordnung einer Verfahrensidentität, nicht jedoch als Identitätsfeststellung für den allgemeinen Rechtsverkehr.

Die sozialen Kontakte der Beschwerdeführerinnen in Österreich sind den vorgelegten Unterstützungsschreiben sowie dem Schreiben des Kindergartens XXXX zu entnehmen.

Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen ist den vorgelegten medizinischen Unterlagen sowie auch den Angaben der gesetzlichen Vertreterin zu entnehmen. Demzufolge wurden bei der älteren Beschwerdeführerin XXXX diagnostiziert, ihr Zustand hat sich aber stabilisiert und stationäre und medikamentöse Behandlung waren bzw. sind nicht erforderlich. Entsprechend der Angaben der Mutter nimmt sie lediglich psychologische Betreuung in Anspruch und die jüngere Beschwerdeführerin ist ohnehin gesund.

In diesem Zusammenhang wird auch festgehalten, dass vorgebrachte gesundheitliche Beeinträchtigungen nur so weit als erwiesen angenommen werden, als sie vom Beschwerdeführer bescheinigt werden können, etwa durch die Vorlage ärztlicher Atteste. Es wird darauf hingewiesen, dass gerade in diesem Punkt eine erhöhte Mitwirkungspflicht durch die Beschwerdeführer besteht (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601), weshalb sich das erkennende Gericht nicht veranlasst sieht, diesbezüglich weitere Ermittlungen zu tätigen.

2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerinnen:

Eigene Fluchtgründe wurden für die beiden minderjährigen Beschwerdeführerinnen nicht vorgebracht. Ihre Mutter und gesetzliche Vertreterin machte für die Kinder ihre eigenen bzw. die Gründe des Vaters geltend.

Demnach wäre die Familie wegen der Bedrohung und Verfolgung durch die armenische Polizei insbesondere aufgrund der oppositionspolitischen Tätigkeit des Vaters geflohen.

Anhand des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, einschließlich der handfesten und schlüssigen Ergebnisse der Recherchen der Staatendokumentation sowie der abgehaltenen mündlichen Verhandlung, hält das Fluchtvorbringen der Eltern der Beschwerdeführerinnen einer Glaubwürdigkeitsprüfung nicht stand. In diesem Zusammenhang wird auf die detaillierten Ausführungen der Beweiswürdigung in den Erkenntnissen der Eltern hingewiesen.

Da somit davon auszugehen ist, dass die Eltern weder oppositionspolitisch in Armenien tätig waren, noch von der armenischen Polizei bedroht und misshandelt wurden, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerinnen in ihrem Herkunftsstaat einer gegenständlich vorgebrachten Bedrohungs- und Gefährdungssituation ausgesetzt sind.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in den Länderfeststellungen angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen.

Es handelt sich hierbei um Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen.

Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen - allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werdenaufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt werden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Das Bundesverwaltungsgericht geht alledem zufolge davon aus, dass der maßgebliche Sachverhalt im ausreichenden Maße ermittelt wurde. Wenn die Beschwerdeführerinnen vermeinen, es wären weitere Ermittlungen durchzuführen gewesen, kann sich das ho. Gericht dem nicht anschließen und weist das ho. Gericht darauf hin, dass sowohl Recherchen vor Ort als auch die Beziehung eines Ländersachverständigen - im gegenständlichen Fall die neuerliche Beiziehung eines solchen - unterbleiben können, wenn der maßgebliche Sachverhalt auch anderweitig festgestellt werden kann, was hier zweifelsfrei der Fall war. Auf die bereits in der Beweiswürdigung festgehaltenen eindeutigen Rechercheergebnisse wird diesbezüglich ausdrücklich hingewiesen. Eine ausführliche Befragung und die Möglichkeit der konkreten Schilderung des Fluchtvorbringens durch die Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerinnen erfolgten zudem sowohl seitens der Behörde als auch des entscheidenden Gerichts.

Ein weitergehendes Ermittlungsverfahren würde letztlich in einem unzulässigen Erkundungsbeweis münden. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im asylgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist die Behörde [das ho. Gericht] einerseits nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).

Es wurden somit im gesamten Verfahren keine stichhaltigen Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

3. rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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