Entscheidungsdatum
11.06.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L508 2190248-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. bis Spruchpunkt VI. und Spruchpunkt IX. wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 13 Abs. 2 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Spruchpunkt VII. hat zu lauten: Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
III. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger des Iran und der persischen Volksgruppe zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 11).
2. Im Rahmen der Erstbefragung (AS 11 - 21) gab der Beschwerdeführer zu seinen Ausreisegründen im Wesentlichen zu Protokoll, dass er den Iran verlassen habe, weil er sehr krank sei. Man habe ihm mitgeteilt, dass er ohne richtige Behandlung bald auch gelähmt sein werden würde. Außerdem wolle er Christ werden. Falls er konvertiere, würde er bei einer Rückkehr getötet werden. Ansonsten würde er an seiner Krankheit sterben.
3. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 06.02.2017 (AS 45, 46) wurde von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 und 2 SMG - nach Erstattung eines Abtretungsberichtes - gem. § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten.
4. Am 29.03.2017 übermittelte der BF an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) seinen Antrag für eine unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe (AS 49 - 55).
5. Am 18.04.2017 langte beim BFA der Widerruf des BF bezüglich des Antrages für eine unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe ein (AS 63).
6. Laut Abschluss-Bericht der Landespolizeidirektion Tirol vom 06.09.2017 (AS 73 - 77) sei der BF verdächtig und geständig, illegal Suchtmittel besessen zu haben (Verdacht nach §27 Abs. 1 SMG).
7. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 12.09.2017 (AS 79, 80) wurde von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 und 2 SMG - nach Erstattung eines Abtretungsberichtes - gem. § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten.
8. Laut Abschluss-Bericht der Landespolizeidirektion Tirol vom 27.09.2017 (AS 83 - 87) sei der BF verdächtig und geständig, seit ca. März 2017 eine weibliche Person mittels IT-Medien beharrlich zu verfolgen. Teilweise seien dabei bis zu 20 Nachrichten oder Telefonate in einer Nacht versandt worden (Verdacht auf beharrliche Verfolgung).
9. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 06.10.2017 (AS 121, 122) wurde von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 und 2 SMG - nach Erstattung eines Abtretungsberichtes - gem. § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten.
10. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 09.10.2017 (AS 137, 138) wurde von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 und 2 SMG - nach Erstattung eines Abtretungsberichtes - gem. § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten.
11. Laut Abtretungs-Bericht der Landespolizeidirektion Tirol vom 10.10.2017 (AS 141 - 143) werde der BF beschuldigt, am 09.10.2017 um
23.25 Uhr in Innsbruck unrechtmäßig im Besitz von 19, 12 Gramm Cannabiskraut gewesen zu sein (Verdacht nach § 27 Abs. 1 SMG).
12. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 18.10.2017 (AS 145, 146) wurde von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 SMG - nach Erstattung eines Abtretungsberichtes - gem. § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten.
13. Am 30.11.2017 wurde seitens des BFA ein Festnahmeauftrag gegen den BF erlassen, da er sich dem Asylverfahren entzogen habe (AS 163, 164).
14. Am 05.12.2017 wurde das Asylverfahren des BF durch das BFA gem. § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, weil er sich dem Verfahren entzogen habe (AS 183).
15. Laut Meldung der Landespolizeidirektion Tirol vom 21.10.2017 (AS
197 - 199) sei der BF betreten worden, wie er von einem somalischen
Staatsbürger ein Säckchen mit ca. 9, 8 Gramm Cannabiskraut erhalten habe. In weiterer Folge hätten sich die beiden Personen gegenseitig des Verkaufes beschuldigt und sich selbst lediglich als Käufer ausgegeben.
16. Im Rahmen einer Einvernahme im Asylverfahren vor dem BFA am 23.12.2017 (AS 201 - 212) gab der BF zu seinem Ausreisegrund befragt zu Protokoll, dass er im Iran krank gewesen sei. Deshalb sei er nach Europa gereist, um sich behandeln zu lassen. Seine Mutter habe ihm vorgeschlagen, dass er die Gelegenheit der offenen Grenzen nach Europa nützen solle, damit er dort eine richtig gute Behandlung bekommen würde und ein neues Leben aufbauen könnte. Später - als er in Europa gewesen sei - hätte er über einen Religionswechsel nachgedacht.
Nachgefragt zu Details schilderte der BF, dass er aktuell an keine Religion glauben würde. Er habe sich keinem anderen Glauben angeschlossen, würde aber an das Christentum denken. Er habe sich mit keiner Glaubensrichtung auseinandergesetzt und interessiere sich seit einem Monat für das Christentum. Er würde lediglich die römisch-katholische Strömung kennen. Diese Strömung sei besser. Er hätte gehört, dass man bei der Taufe ins Wasser getaucht werde. Dann würden alle Anwesenden gratulieren. Seiner Ansicht nach sei die Taufe notwendig, um Christ zu werden, da Jesus Christus alle neuen Gläubigen getauft habe. Er würde die Sakramente nicht kennen. Er sei insgesamt ein- bis zweimal in der Kirche gewesen. Er könne keine wesentlichen Grundeinstellungen eines Christen nennen. Er engagiere sich nicht in der Kirche. Er würde in keine Kirche gehen, zuerst müsse er eine finden. Er sei noch kein Christ, würde aber noch darüber nachdenken. Er sei zweimal im Iran vorläufig festgenommen worden, weil er geringe Mengen Haschisch dabei gehabt habe. Er sei aber ohne Prozess entlassen worden. Seit einer Prügelei mit einigen Iranern im Iran hätte er Lungenprobleme.
Bei einer Rückkehr in den Iran würde er vielleicht festgenommen werden, weil er das Land illegal verlassen hätte. Wenn man davon Kenntnis erlange, dass er Interesse für das Christentum zeigen würde, könnte es problematisch werden.
Des Weiteren wurden dem BF Fragen zu seiner Integration in Österreich gestellt.
Im Übrigen wurde dem BF in der Einvernahme vor der belangten Behörde angeboten, in die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen Einsicht zu nehmen und in der Folge hierzu eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Der BF verzichtete auf diese Möglichkeit.
17. Mit Schreiben des BFA vom 29.12.2017 (AS 227) wurde der Landespolizeidirektion Tirol mitgeteilt, dass der gegen den BF erlassene Festnahmeauftrag mit 23.12.2017 widerrufen wurde, da dieser aus eigenem dem BFA seinen Aufenthaltsort bekannt gebe und das Verfahren fortgeführt werden könne.
18. Am 11.01.2018 übermittelte das Department für Psychiatrie und Psychotherapie Innsbruck der medizinischen Universität Innsbruck einen Befundbericht bezüglich des BF vom 24.04.2017 (AS 297 - 305). Beim BF wurde eine organisch bedingte depressive und wahnhafte Störung bei Autoimmunencephalitis bei manifester Hyperthyreose und eine hereditäre sensomotorische axonale Neuropathie diagnostiziert.
19. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 11.01.2018 (AS 315, 316) wurde von der Verfolgung des BF wegen § 27 Abs. 1 und 2 SMG - nach Erstattung eines Abtretungsberichtes - gem. § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten.
20. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2018 (AS 399, 400) wurde dem BF gem. § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechtes im Bundegebiet mit 26.01.2018 mitgeteilt, weil gegen ihn eine Untersuchungshaft verhängt worden sei.
21. Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichts vom 07.02.2018 (AS 421 - 425) wurde der BF wegen des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt.
22. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2018 (AS 433 - 569) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG ab dem 26.01.2018 verloren habe. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise. Letztlich sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den BF ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von drei Jahren erlassen werde.
Das BFA stützte sich auf umfangreiche Feststellungen zur Lage im Iran (Seite 20 bis 95 des bekämpften Bescheides), insbesondere auch zur politischen Lage, zur Sicherheitslage, zum Rechtsschutz/ Justizwesen, zu den Sicherheitsbehörden, zu Folter und unmenschlicher Behandlung, zu Korruption, zur allgemeinen Menschenrechtslage, zu den Haftbedingungen, zur Todesstrafe, zur Religionsfreiheit, zu Christen, zu Apostasie, zu Sunniten, zu ethnischen Minderheiten, zur Grundversorgung, zur medizinischen Versorgung und zur Behandlung nach der Rückkehr. Es finden sich umfangreiche und nachvollziehbare Quellenangaben, wobei die Quellen hierfür hinreichend aktuell sind.
Dem Ausreisevorbringen wurde im Rahmen einer umfangreichen Beweiswürdigung - mit Ausnahme des Wunsches nach einer besseren medizinischen Versorgung - die Glaubwürdigkeit versagt (AS 531 - 533).
In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum - als Folge der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens bezüglich seines angeblichen Interesses für das Christentum - der vom Antragsteller vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb der BF sein Recht zum Aufenthalt gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG ab dem 26.01.2018 verloren habe, weshalb gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, weshalb das BFA ausgesprochen habe, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde und weshalb gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von drei Jahren erlassen werde.
23. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2018 (AS 613, 615, 621 und 623) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und wurde er gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
24. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 20.03.2018 (AS 653 - 663) in vollem Umfang Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
24.1. Zunächst wird hinsichtlich der Gründe für das Verlassen des Irans auf das bereits im Verfahren vor der belangten Behörde Vorgebrachte verwiesen, da die dort gemachten Angaben des BF den wahren Geschehnissen in seinem Leben entsprechen würden. Wie der BF bereits vor dem BFA geschildert habe, sei er wegen gesundheitlichen Gründen aus dem Iran geflüchtet. Seit seiner Ankunft in Österreich habe der BF äußerst großes Interesse an der christlichen Religion und überlege stets zu konvertieren. Er sei noch nicht konvertiert, da er viel von Verhaftungen von Personen gehört habe, die zum Christentum konvertierten. Bei einer Rückkehr würde dies nach islamischem Verständnis im Iran einen Abfall vom Islam bedeuten und stehe im Iran darauf die Todesstrafe. Aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum habe der BF Angst, von den Behörden im Iran verhaftet zu werden. Der BF befürchte nun im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen zu müssen, aufgrund seiner Konversion mit staatlichen Sanktionen belegt zu werden. Im Iran sei es dem BF nicht möglich, seinen christlichen Glauben auszuleben und sei es dem BF nicht zumutbar, seine religiöse Überzeugung geheim zu halten.
Trotz der detaillierten, immer gleichlautenden Angaben des BF habe die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, weil sie dessen Vorbringen für unglaubwürdig erachte. Diese Feststellung basiere jedoch auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und verletze damit § 60 AVG. Eine ganzheitliche Würdigung - iSd Rechtsprechung des VwGH - habe das BFA nicht vorgenommen.
24.2. Des Weiteren leide der BF an mehreren Erkrankungen und habe zu Untersuchungszwecken in Krankenhäuser eingeliefert werden müssen. Wie der BF bei seiner Befragung vor dem BFA geschildert habe, seien bei ihm multiple Sklerose (MS) und mehrere Leiden diagnostiziert worden. Der BF befinde sich unter ständiger ärztlicher Beobachtung und Kontrolle. Das BFA habe es verabsäumt, zu diesem Vorbringen konkrete Ermittlungen anzustellen und so die ihr zukommende Ermittlungspflicht gem. § 18 AsylG verletzt.
Im Falle der Rückkehr in den Iran gerate der BF in eine existenzbedrohende Lage und somit faktisch in Lebensgefahr, da er selbstverständlich weder über die notwendigen, enormen Geldmittel zur Behandlung der Krankheiten, noch über eine medizinische Versicherung in seiner Heimat verfüge, welche die Kosten der benötigten Behandlungen des BF übernehme. Aus dieser Perspektive sei nicht davon auszugehen, dass der BF eine qualitativ ähnliche medizinische Behandlung in Anspruch nehmen könne.
Das BFA sei zusammengefasst seiner Ermittlungs- und Begründungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Hätte die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte sie dem BF den Status des Asylberechtigten, jedenfalls aber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen.
24.3. Es werde die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt, damit der BF seine Fluchtgründe noch einmal vor unabhängigen RichterInnen persönlich und unmittelbar schildern und glaubhaft machen könne.
24.4. Die Bemessung des Einreiseverbotes mit drei Jahren ohne tatsächliche Erwägung der Konstellation des Einzelfalles entspreche nicht den Voraussetzungen für eine nachvollziehbare Entscheidung. Zudem werde auf die Ausführung der bescheiderlassenden Behörde verwiesen, wonach der BF gem. § 127a Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden wäre (Bescheid S. 129). Dies werde ausdrücklich bestritten, da ein § 127a StGB nicht existent sei.
24.5. Abschließend wird beantragt,
-
die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Antrag des BF auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem BF der Status eines Asylberechtigten, in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt werde;
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in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG zu erteilen;
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darüber hinaus die gegen den BF gefällte Rückkehrentscheidung aufzuheben;
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der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren;
-
das Einreiseverbot für die Dauer von drei Jahren aufzuheben, in eventu herabzusetzen.
24.6. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.
25. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides mit Erkenntnis vom 29.03.2018 (OZ 3Z) Folge gegeben und diesen Spruchpunkt gem. § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG ersatzlos behoben. Ferner wurde festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gem. § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukomme.
26. Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichts vom 05.04.2018 (OZ 4) wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 3 SMG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts vom 07.02.2018 gem. §§ 31, 40 StGB nach § 27 Abs. 3 SMG in Anwendung der §§ 28 und 37 StGB rechtskräftig zu einer Zusatzgeldstrafe verurteilt.
27. Am 03.05.2018 übermittelte der BF ein Konvolut an medizinischen Unterlagen (OZ 8) an das Bundesverwaltungsgericht.
28. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BFA unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Verfahrensbestimmungen
1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
1.3. Prüfungsumfang
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
2. Zur Entscheidungsbegründung:
Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.
2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:
2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:
Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und gehört der persischen Volksgruppe an.
Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat und seinem Wohnort, sowie des Umstandes, dass der Antragsteller eine für den Iran gebräuchliche Sprache spricht sowie aufgrund seiner Kenntnisse über den Iran ist festzustellen, dass es sich bei ihm um einen iranischen Staatsangehörigen handelt.
Seine Eltern und zwei Schwestern sowie Onkel und Tanten leben nach wie vor im Iran.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Ausreisegründen sind - abgesehen vom Wunsch einer medizinischen Behandlung in Europa bzw. in Österreich - als unglaubwürdig zu qualifizieren.
Der Beschwerdeführer hat seinen Angaben zufolge ein Interesse am christlichen Glauben entwickelt. Dieses Vorbringen ist als unglaubwürdig zu beurteilen. Auch eine tatsächliche Konversion liegt im konkreten Fall nicht vor.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Iran asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in der Republik Iran ausgesetzt sein wird.
Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.
Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer war in Österreich nach Selbstmordäußerungen und Schnittverletzungen, die er sich selbst zugefügt hat, nach dem selbständigen Aufsuchen der Ambulanz in einer psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses stationär aufhältig, und zwar von 10.04.2017 bis 24.04.2017. Seither ist derartiges - abgesehen von sich erneut zugefügten Schnittverletzungen kurz vor Weihnachten 2017 - nicht vorgekommen, der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt des erkennenden Gerichtes "stabil".
Ferner erwähnte der BF Probleme mit seiner Lunge und wurden beim BF in Österreich - zuletzt mit Befundbericht vom 27.12.2017 - vor allem eine Episode hyperkinetischer Bewegungsstörung mit generalisierter Tonuserhöhung und Trismus (Differentialdiagnose: exotoxisch/metabolisch) bei hereditärer sensomotorischer axonaler Neuropathie (Differentialdiagnose: atypische Manifestation einer spastischen Spinalparalyse oder Friedreich Ataxie), eine organisch bedingte depressive und wahnhafte Störung und eine latente Hyperthyreose, Zustand nach manifester Hyperthyreose mit Verdacht auf Autoimmunencephalitis (Differentialdiagnose: SREAT) sowie ein pes cavovarus beidseits diagnostiziert. Er erhielt bezüglich seiner gesundheitlichen Erkrankungen eine medikamentöse Therapie in Verbindung mit der Aufforderung bei allfälligen Schwierigkeiten eine psychiatrische oder neurologische Ambulanz aufzusuchen. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, hat der BF jedoch nunmehr nicht in Vorlage gebracht. Der BF wurde zuletzt im April 2018 lediglich aufgrund von Schmerzen in seinem rechten Oberschenkel - nach einer vor zehn Jahren bei einem Autounfall erlittenen Fraktur - in einem Krankenhaus vorstellig und behauptete hierbei, dass der Verdacht auf multiple Sklerose derzeit von einem Neurologen abgeklärt werde.
Die österreichischen Behörden würden eine Abschiebung in der Form gestalten, dass zur Vorbeugung gegen allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen darauf geachtet wird, in Hinblick auf ein allfälliges Suizidrisiko durch entsprechende medizinische Unterstützung besondere Sorge zu tragen.
Die BF besuchte im Iran fünf Jahre die Grund- und zwei Jahre die Hauptschule sowie drei Jahre ein Abendgymnasium, wobei er diese Ausbildung nicht abschloss. Er lebte dort mit seiner Familie im Haus der Großmutter und hat vor seiner Ausreise unter anderem als Tapezierer gearbeitet und Hilfstätigkeiten verrichtet. Der BF verließ den Iran etwa Ende 2015 und reiste in der Folge illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Die Eltern und zwei Geschwister sowie mehrere Onkel und Tanten des BF leben nach wie vor im Iran.
Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. In Österreich halten sich keine Verwandten des BF auf. Der BF befand sich über längere Zeit in der Grundversorgung und lebte von staatlicher Unterstützung. Des Weiteren wurde er von der Caritas und einem Obdachlosenheim unterstützt. Der Beschwerdeführer ist mittellos und nicht selbsterhaltungsfähig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über umfassende Deutschkenntnisse verfügt. Der BF gab in der Einvernahme vor dem BFA an, dass er einen Monat einen Deutschkurs besucht habe. Bislang wurden aber weder eine Bestätigung über einen Deutschkursbesuch, noch eine Bestätigung über eine diesbezüglich erfolgreich abgelegte Prüfung in Vorlage gebracht. Der BF ist kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.
Unterstützungserklärungen wurden ebenso wenig vorgelegt.
Am 26.01.2018 wurde seitens des Landesgerichts Innsbruck mitgeteilt, dass über den BF mit diesem Tag die Untersuchungshaft verhängt wurde.
Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 07.02.2018 wurde der BF des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 05.04.2018 wurde der BF zudem wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 3 SMG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts vom 07.02.2018 gem. §§ 31, 40 StGB nach § 27 Abs. 3 SMG in Anwendung der §§ 28 und 37 StGB rechtskräftig zu einer Zusatzgeldstrafe von 220 Tagessätzen verurteilt.
Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.
Der Beschwerdeführer ist im Bestreben eingereist, mit Blick auf seine Erkrankung, einen Aufenthalt auch zwecks Eingliederung in das österreichische (oder ein europäisches) Sozialsystem zu erreichen. Dass er im Fall einer Legalisierung seines Aufenthaltes gesicherte Erwerbschancen in Österreich vorweisen könnte, kann nicht festgestellt werden; er lebte seit seiner Einreise von der Grundversorgung oder karitativer Unterstützung.
Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthalts in Europa sein Leben zum überwiegenden Teil im Iran verbracht, wo er sozialisiert wurde und wo sich nach wie vor seine nächsten Verwandten aufhalten.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr wieder bei seiner Familie wohnen wird können. Davon abgesehen ist der Beschwerdeführer als arbeitsfähig und -willig anzusehen. Der Beschwerdeführer spricht Farsi.
Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Iran festzustellen ist.
2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran war insbesondere festzustellen:
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, hat die "Feinde" des Landes beschuldigt, hinter den tödlichen Protesten gegen das Regime zu stehen. "Die Feinde haben sich vereint und nutzen all ihre Mittel, ihr Geld, ihre Waffen, Politik und Sicherheitsdienste, um dem islamischen Regime Probleme zu bereiten", hieß es in einer im Staatsfernsehen veröffentlichten Erklärung Khameneis mit Blick auf "die Ereignisse der vergangenen Tage". Khamenei äußerte sich erstmals zu den Protesten, die am Donnerstag [28.12.2017] in der zweitgrößten iranischen Stadt Mashhad begonnen und sich dann auf das ganze Land ausgebreitet hatten. Zuvor hatte der iranische Sicherheitsrat (SNSC) die Proteste am Dienstag als einen vom Ausland gesteuerten "Stellvertreterkrieg" bezeichnet. SNSC-Sekretär Ali Shamkhani beschuldigte US-Präsident Donald Trump und Irans Erzfeind Saudi-Arabien, hinter den Unruhen zu stecken. Präsident Hassan Rohani aber hatte bei einer Krisensitzung am Montag gesagt, es wäre ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen. "Auch sind die Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten." Er kritisierte damit indirekt die Hardliner im Klerus, die seine Reformen blockieren (Presse 2.1.2018).
Im Zusammenhang mit den Protesten im Iran sind bisher insgesamt 21 Menschen getötet worden, darunter 16 Demonstranten. In der Hauptstadt Teheran wurden in den vergangenen drei Tagen nach Angaben der Behörden rund 450 Menschen festgenommen. 200 Menschen seien am Samstag festgenommen worden, 150 am Sonntag und rund hundert am Montag, sagte Ali-Asghar Naserbakht, ein Vertreter des Gouverneurbüros von Teheran, am Dienstag der Nachrichtenagentur Ilna, die den reformorientierten Kräften nahe steht. Eine genaue Zahl für die Verhaftungen im ganzen Land liegt noch nicht vor, es sollen aber unbestätigten Berichten zufolge mehrere Hundert sein (Kurier 2.1.2018).
Die Proteste hatten sich an gestiegenen Preisen für Lebensmittel und der hohen Arbeitslosigkeit entzündet. Trotz der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen im Zuge des Atomabkommens kommt der Aufschwung im Iran nur schleppend in Gang. Viele junge Iraner bekommen ihn gar nicht zu spüren, die Jugendarbeitslosigkeit beträgt fast 29 Prozent.
Zugleich streben viele Iraner nach Wandel: Zunehmend wurde bei den Protesten scharfe Kritik an der Führung in Teheran laut. Dazu zählten auch Rücktrittsforderungen an Khamenei (Presse 2.1.2018).
Quellen:
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Presse.at (2.1.2018): Iran-Proteste: Khamenei macht "Feinde" Teherans verantwortlich,
https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5346731/IranProteste_Khamenei-macht-Feinde-Teherans-verantwortlich, Zugriff 2.1.2018
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Kurier.at (2.1.2018): Iran: Khamenei macht "Feinde" verantwortlich,
https://kurier.at/politik/ausland/iran-weitere-todesopfer-450-festnahmen/304.638.193, Zugriff 2.1.2018
Am 19.5.2017 wurde der als moderat geltende Präsident Hassan Rohani im Amt bestätigt. Er setzte sich gegen den Konservativen Ebrahim Raisi durch. Seine Wahl gilt als Signal, dass die iranische Bevölkerung seinen Kurs der internationalen Öffnung des Landes unterstützt (Zeit 21.5.2017).
Als Verlierer der Wahl sieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Obersten Führer Ali Khameini, da der Verlierer Raisi sein Kandidat war. Raisi war vor der Abstimmung als möglicher Nachfolger des kränkelnden Khamenei genannt worden. Das Amt des Präsidenten, hieß es, werde für Raisi im Falle eines Wahlsieges nur ein Zwischenschritt sein. Diesen Plan hat die Jugend in Irans Städten mit ihrem Ruf nach mehr Freiheit durchkreuzt. Das Votum zeigt: Der Oberste Führer ist nicht allmächtig. Amtsinhaber Rohani hat ein starkes Mandat erhalten, seine Politik der Öffnung des Landes fortzusetzen. Ein Grund zum Jubeln ist das aber noch lange nicht. Schon die erste Amtszeit Rohanis hat gezeigt, dass ihm die Kraft fehlt, um die von ihm versprochenen Freiheiten und Reformen durchzusetzen. Mit großer Härte ist die Justiz auch in den vergangenen vier Jahren gegen Regimekritiker vorgegangen. Meinungs- und Versammlungsfreiheit bleiben eingeschränkt. Die Sittenpolizei patrouilliert weiter, wenn auch weniger aggressiv als unter Rohanis Amtsvorgänger. Wenn Irans Reformer sich dennoch entschlossen haben, Rohani abermals mit ihrer beachtlichen Wählerbasis zu unterstützen, liegt das nicht daran, dass Rohani selbst ein Reformer wäre. Vielmehr haben sie ihre Hoffnungen, dass ein schneller Wandel möglich wäre, spätestens seit der Niederschlagung der Protestbewegung von 2009 aufgegeben. Auch die von Rohani verkündete Annäherung an den Westen kommt nur in kleinen Schritten voran. Einer Normalisierung der Beziehungen zum Westen steht zudem Irans militärisches Vorgehen in der Region entgegen. Teheran hat Tausende Milizionäre nach Syrien entsandt, um Diktator Baschar al-Assad an der Macht zu halten. Es finanziert und bewaffnet die libanesische Hizbollah und die palästinensische Hamas, die beide Israel bedrohen. Präsident Rohani wird daran auch in seiner zweiten Amtszeit nichts ändern. Nicht er bestimmt die Sicherheitspolitik, sondern der Oberste Führer. Wirkliche Veränderungen werden im Iran erst möglich sein, wenn Ali Khamenei nicht mehr Oberster Führer ist (FAZ 22.5.2017).
Am selben Tag der Präsidentschaftswahl fanden auch Kommunalwahlen in Teheran statt. Die Vertreter einer gemäßigten Politik haben auch den Stadtrat von Teheran erobert - alle 21 Sitze gingen an Kandidaten des moderaten Lagers. Damit verloren die Konservativen zum ersten Mal seit 14 Jahren die Macht im Stadtrat der iranischen Hauptstadt. Das Ergebnis der Kommunalwahl in Teheran ist eine schwere Niederlage für den amtierenden konservativen Bürgermeister Mohammed Bagher Ghalibaf. Er hatte seine Kandidatur für das Präsidentenamt kurz vor der Wahl zurückgezogen, um Raisi zu unterstützen. Ghalibaf war zwölf Jahre lang Bürgermeister von Teheran, er folgte 2005 dem ultrakonservativen Hardliner Mahmud Ahmadinedschad (Zeit 21.5.2017).
Quellen:
* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (22.5.2017): Präsidentenwahl in Iran. Kein Grund zum Jubeln, http://www.faz.net/aktuell/politik/praesidentenwahl-in-iran-kein-grund-zum-jubeln-15025515.html, Zugriff 22.5.2017
* Zeit (21.5.2017): Moderates Lager gewinnt Mehrheit in Teheran, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-05/iran-wahl-teheran-stadtrat-hassan-rohani, Zugriff 22.5.2017
Politische Lage
Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt. Leiter der Exekutive ist der iranische Staatspräsident, seit August 2013 Dr. Hassan Rohani, der vom Volk in direkten Wahlen auf vier Jahre gewählt und vom Revolutionsführer bestätigt wird. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Juni 2013 statt. Der Staatspräsident bildet ein Kabinett; das Parlament muss den einzelnen Ministern zustimmen und kann ihnen das Vertrauen auch wieder entziehen. Auch das Parlament wird auf vier Jahre direkt vom Volk gewählt. Sowohl Parlament als auch Regierung haben legislatives Initiativrecht. Als Kontrollinstanz fungiert im Gesetzgebungsverfahren der "Wächterrat" (bestehend aus sechs vom Revolutionsführer ausgewählten islamischen Rechtsgelehrten und sechs vom Parlament bestellten juristischen Experten), der auch über weitreichende Befugnisse der Verfassungsauslegung und bei der Vorauswahl der Kandidaten bei Parlaments-, Präsidentschafts- und Expertenratswahlen verfügt. Der "Schlichtungsrat" fungiert im Gesetzgebungsverfahren als vermittelndes Gremium und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der "Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 6.2016a, vgl. ÖB Teheran 10.2016).
Das iranische Volk hat am 26. Februar 2016 das Parlament und den Expertenrat gewählt. Während Letzterer weiterhin stark konservativ dominiert ist, ist das neue Parlament deutlich zentristischer als zuvor. Der wiedergewählte traditionell-konservative Parlamentspräsident Larijani und Teile seiner Unterstützer haben sich im Zuge des Konflikts um die Verabschiedung des Nuklearabkommens im letzten Sommer der Regierung sichtbar angenähert. Die pragmatische Unterstützung Rohanis durch Larijani dürfte sich auch in Zukunft fallabhängig wiederholen und wirkt insgesamt systemstabilisierend. Weiterhin zeigen institutionelle Vetorechte des konservativen Establishments der Regierung Rohani und ihrer innenpolitischen Agenda von mehr Bürgerrechten und mehr Freiheiten Grenzen auf. Die Regierung Rohani ist überdies weiterhin bestrebt, den Iran aus seiner außenpolitischen Isolierung herauszuführen. Wichtige Grundlage hierfür war der Abschluss des Nuklearabkommens. Die Revolutionsgarden (IRGC) bleiben militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor im Gefüge der Islamischen Republik. Sie begrenzen die Macht des Staatspräsidenten in grundsätzlichen Fragen. Es gelang der Regierung, den dramatischen Rückgang der Wirtschaftsaktivität seit 2011 aufzuhalten, die Inflation auf unter 10 % zurückzufahren und die Währung zu stabilisieren (AA 8.12.2016).
Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden. Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami / Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer, seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran; Abk.: IRGC) und damit auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Für die entscheidenden Fragen der Islamischen Republik ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2016).
Ausschließlich politische Parteien und Fraktionen, die sich dem Establishment und der Staatsideologie als loyal erweisen, ist es erlaubt, im Iran zu arbeiten. Reformistische Parteien und Politiker sind seit 2009 immer wieder unter Druck geraten (FH 2017).
Das Parlament, der Expertenrat sowie der Präsident werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Dabei sind Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 8.12.2016, vgl. IPG 27.1.2014). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Parteien [im westeuropäischen Verständnis] gibt es in Iran nicht. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Aufgrund der schwierigen Lage der reformorientierten Opposition unterstützt diese im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems Islamische Republik angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 8.12.2016).
Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft:
Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte im Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden; insbesondere für einige religiöse Minderheiten, wie die Bahai, und Journalisten wird eher von einer Verschlechterung der Situation im Jahr 2015 ausgegangen. Dies zeigt sich gegenwärtig etwa in der Vorlage einer Gesetzesnovelle für das Medienrecht, welche die Meinungsfreiheit von Journalisten weiter einschränkt. (ÖB Teheran 10.2016).
Die Machtkämpfe zwischen Hardlinern und Reformern dauern im Iran schon fast vierzig Jahre an. Nie zuvor jedoch disqualifizierten die greisen Kleriker des allmächtigen Wächterrates so viele Bewerber bei einer Parlamentswahl [26.2.2016] wie diesmal. Sieben lange Wochen dauerte das Ringen hinter den Kulissen, sieben kurze Tage der eigentliche Wahlkampf. Am Ende kam auf den Stimmzetteln ein Reformkandidat auf 30 Hardliner. Landesweit lag die Zahl der zugelassenen Politiker, die für eine Öffnung der Islamischen Republik eintreten, bei kümmerlichen 200 und damit sogar unterhalb der Gesamtmenge von 290 Wahlkreisen. Und trotzdem erteilte das Volk den durch beispiellose klerikale Machtwillkür dezimierten Mitstreitern des moderaten Präsidenten Hassan Rohani ein eindeutiges Mandat. In der 16-Millionen-Metropolregion Teheran eroberten die Reformer sämtliche Sitze. In der Provinz verschoben sich ebenfalls die Gewichte, wenn auch nicht so fundamental wie in der Hauptstadt. Doch die lähmende Dominanz der Erzkonservativen ist vorbei. Die Mehrheit der Iraner zeigte auf dem Stimmzettel, dass sie dem Ende des Atomkonflikts zustimmt und für mehr Offenheit und Pluralität im Inneren votiert. Hassan Rohani, der den Wahltag zu einem Referendum über seine Politik erklärt hatte, ist gestärkt. Er kann künftig bei der Regierungsbildung freier agieren. Zudem sind die Hardliner durch diese Niederlage mit ihrem Ziel gescheitert, den Handlungsspielraum des Präsidenten in einer möglichen zweiten Amtszeit ab 2017 einzuschränken. Nun aber hat Rohani gute Chancen, während der ersten Neuwahl eines Revolutionsführers in der Geschichte der Islamischen Republik Präsident zu sein. Machthaber Ali Chamenei ist betagt [76 Jahre] und hat [Prostata]Krebs. 2009 verhinderten er und seine erzkonservative Gefolgschaft den Ansturm der Reformer mit einer Unterdrückungskampagne. Doch seit dem Atomkompromiss verschieben sich die innenpolitischen Gewichte massiv. Das Volk will nach dem außenpolitischen Aufbruch nun auch die Umsetzung der Reformen im Inneren. 2013 bei seiner Wahl hatte Rohani den Bürgern sogar eine Grundrechtecharta in Aussicht gestellt, die die Willkürmacht der islamischen Herrschaft begrenzen soll. Gut zwei Jahre hielten die 81 Millionen Iraner still und ertrugen die Betonfraktion, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den Atomstreit lösen würde. Die Zahl der Hinrichtungen stieg auf ein Rekordniveau, politische Aktivisten und sogar Musiker wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Zeitungen geschlossen. Entsprechend lang ist die politische, soziale und kulturelle Forderungsliste der Menschen für die nächsten beiden Jahre - angefangen von Pressefreiheit und Parteienvielfalt bis hin zur Freilassung aller politischen Häftlinge, allen voran der Ikonen der Grünen Bewegung von 2009, die damaligen Präsidentschaftsbewerber Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi. Ob Rohani diese Erwartungen erfüllen kann, ist ungewiss (Zeit Online 29.2.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran
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AA - Auswärtiges Amt (6.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Iran/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2017
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FH - Freedom House (2017): Freedom in the World 2017, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/iran, Zugriff 25.4.2017