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E1E;Norm
11992E048 EGV Art48;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde der am 1. Juni 1978 geborenen FÜ in Wien, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. September 1999, Zl. 125.066/2-III/11/99, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. September 1999 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 11. November 1998 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2, § 10 Abs. 2 Z. 3 und § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in Ansehung des erstgenannten Versagungsgrundes aus, die Beschwerdeführerin sei mit einem Touristensichtvermerk mit Geltungsdauer vom 31. Jänner 1995 bis 29. April 1995 nach Österreich eingereist. Seither halte sie sich, nach Ablauf des Touristensichtvermerkes unrechtmäßig, im Bundesgebiet auf. Der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 liege daher vor. Gemäß § 8 FrG 1997 habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen unter Anwendung des Art. 8 MRK zu erfolgen. Mit näherer Begründung legte die belangte Behörde schließlich dar, weshalb ihres Erachtens nach die öffentlichen Interessen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne dieser Bestimmung überwögen.
Der Beschwerdeführerin komme auch kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziierungsabkommen zwischen der EWG und der Türkei in Verbindung mit dem zu dessen Durchführung gefassten Beschluss des Assoziationsrates Nr. 1/80 (im Folgenden: ARB) zu. Richtig sei zwar, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB erfülle. Gemäß Art. 7 ARB hätten jedoch nur solche Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehörigen türkischen Arbeitnehmers einen Anspruch auf Verlängerung ihres Aufenthaltsrechtes, die bereits einen Aufenthaltstitel erhalten hätten und die überdies einen rechtmäßigen Voraufenthalt von mindestens drei Jahren aufwiesen. Diese Voraussetzungen erfülle die Beschwerdeführerin, welche mit einem Touristensichtvermerk eingereist sei und sich seit dessen Ablauf unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, jedoch nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 lautet:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn
...
2. der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll;"
Die Beschwerdeführerin tritt den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, sie sei mit dem in Rede stehenden Touristensichtvermerk eingereist und halte sich seither im Bundesgebiet auf, nicht entgegen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 98/19/0238, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist für die Beurteilung der Frage, ob der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 vorliegt, ausschließlich maßgeblich, ob sich der Fremde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Anschluss an eine mit einem Touristensichtvermerk, welcher einem Reisevisum gleichzuhalten ist, erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält.
Diese Voraussetzung ist nach den insoweit unbestrittenen Bescheidfeststellungen gegeben.
Ist aber der "absolute" (vgl. die in § 10 Abs. 1 FrG 1997 gebrauchte Formulierung "... ist zu versagen, wenn ...") Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 wirksam geworden, ist die Erteilung einer Bewilligung nach § 8 Abs. 1 FrG 1997 ausgeschlossen. Eine Ermessensübung unter Berücksichtigung der in § 8 Abs. 3 FrG 1997 genannten Kriterien hat bei den in § 10 Abs. 1 FrG 1997 genannten Versagungsgründen nicht zu erfolgen.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihr Ehegatte halte sich seit 10. Mai 1993 rechtmäßig in Österreich auf und sei in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert. Sie selbst lebe mit ihrem Ehegatten und den beiden gemeinsamen in Österreich geborenen Kindern im Bundesgebiet. Nach "Ansicht des Verfassungsgerichtshofes vom 12.12.1995" liege ein Eingriff in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht vor, wenn durch eine behördliche Maßnahme eine vom Begriff "Familienleben" erfasste zwischenmenschliche Beziehung gestört werde. Davon ausgehend halte sich die Beschwerdeführerin rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Dieser Hinweis der Beschwerdeführerin auf die durch die Anwesenheit ihrer Familie im Inland begründeten familiären Interessen im Sinne des Art. 8 MRK vermag jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil eine Bedachtnahme auf die durch Art. 8 MRK geschützten Interessen des Fremden bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 gestützten Entscheidung entgegen der Auffassung der belangten Behörde gar nicht zu erfolgen hat (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999). Diese Rechtsansicht entspricht auch der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Vorgängerbestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997, nämlich zu § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 (vgl. hiezu insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497).
Im Übrigen könnte allein daraus, dass die Versagung einer Bewilligung in ein durch Art. 8 MRK geschütztes Recht eines Fremden eingreifen würde, nicht der Schluss gezogen werden, dieser Fremde halte sich auch ohne jede Bewilligung rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Schließlich vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, ihr komme auf Grund des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und der Türkei in Verbindung mit den zu dessen Durchführung gefassten Beschlüssen des Assoziationsrates ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu. Ihr Ehegatte sei seit 10. Mai 1993 in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert. Art. 12 des Assoziationsabkommens nehme auf die Art. 48, 49 und 50 EGV Bezug. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei daher in Ansehung der Arbeitnehmerfreizügigkeit Arbeitnehmern aus Mitgliedsstaaten gleichzustellen. Daraus wiederum folge, dass der Beschwerdeführerin die Rechte aus der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 zukämen. Die Beschwerdeführerin sei daher gemäß Art. 10 dieser Verordnung nachzugsberechtigt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch im Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0641, mit näherer Begründung (unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, regelt der in Rede stehende Assoziationsratsbeschluss nicht den Familiennachzug, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familienangehörigen, die auf Grund anderer Rechtsgrundlagen der Mitgliedsstaaten die Genehmigung erhalten haben, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. Eine solche Genehmigung ist, wie in diesem Erkenntnis ebenfalls dargelegt wurde, der der Beschwerdeführerin erteilte Touristensichtvermerk eben nicht (vgl. in Ansehung eines bloß zu Besuchszwecken ausgestellten gewöhnlichen Sichtvermerkes auch das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/0574).
Freizügigkeit genießt die Beschwerdeführerin nicht, weil ihr Heimatstaat, die Türkei, nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Diese Berechtigung kommt den türkischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen nur insoweit zu, als auf Grundlage des Assoziationsrechtes Freizügigkeit mit innerstaatlicher Wirkung hergestellt worden ist. Auch das Assoziierungsabkommen selbst enthält keine unmittelbar anwendbaren, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und deren Angehörigen regelnden Vorschriften. Demgemäß gebietet auch das Assoziierungsabkommen selbst nicht, für türkische Staatsangehörige die gemeinschaftliche Freizügigkeit herbeizuführen, wie sie nach dem Gemeinschaftsrecht den Angehörigen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eingeräumt ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 10. September 1999, Zlen. 98/19/0211 bis 0214).
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerdeführerin zitierten Rechtsprechung des EuGH.
Damit hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 abgewiesen. Auf die weiteren ins Treffen geführten Versagungsgründe brauchte daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht eingegangen werden.
Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 21. Dezember 1999
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999190221.X00Im RIS seit
30.05.2001Zuletzt aktualisiert am
08.09.2015